Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.06.2007

OVG NRW: versetzung, mittelstand, energie, referat, referent, verfügung, ausnahme, behörde, zugehörigkeit, erlass

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 B 594/07
Datum:
18.06.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 B 594/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 L 38/07
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser
selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
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Aus den in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründen, die der Senat gemäß § 146
Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, ist die angefochtene Entscheidung des
Verwaltungsgerichts, mit der es dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen
Anordnung untersagt hat, dem Beigeladenen eine der sieben zur Verfügung stehenden
Beförderungsplanstellen der Besoldungsgruppe A16 BBesO im Bereich des
Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr des Landes Nordrhein-
Westfalen zuzuweisen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist, nicht zu
beanstanden.
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Das Verwaltungsgericht hat das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines
Anordnungsanspruchs zu Recht bejaht.
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Die zur Besetzung der besagten Beförderungsplanstellen getroffene
Auswahlentscheidung, die zu Ungunsten des Antragstellers ausgegangen ist, erweist
sich bei der in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen
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Überprüfung der Sach- und Rechtslage als rechtswidrig. Sie beruht - was den
Antragsteller angeht - auf einer für den Qualifikationsvergleich unzureichenden
Grundlage. Entgegen § 104 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz LBG NRW ist die anlässlich
seiner Versetzung zum damaligen Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie
des Landes Nordrhein-Westfalen im September 2005 erforderliche Beurteilung
unterblieben. Dieses Versäumnis wirkt sich auf die Rechtmäßigkeit und damit auf die
Verwertbarkeit der der Auswahlentscheidung zu Grunde gelegten dienstlichen
Beurteilung des Antragstellers vom 18. Dezember 2006 aus. Wäre er damals im
Hinblick auf die Versetzung hin beurteilt worden und hätte er bei einer solchen
Beurteilung mit fünf Punkten die Spitzennote erhalten, wäre er möglicherweise mit
dieser besseren Beurteilung am Auswahlverfahren zu beteiligen gewesen. Auch wenn
aus Gründen der Aktualität und der Vergleichbarkeit der im Auswahlverfahren zu
berücksichtigenden Beurteilungen eine weitere Regel- oder Anlassbeurteilung für den
Antragsteller hätte erstellt werden müssen, wäre diese angesichts einer möglichen
Vorbeurteilung mit der Spitzennote unter Umständen günstiger für ihn ausgefallen als
die Beurteilung vom 18. Dezember 2006. Dass er - wäre er anlässlich seiner Versetzung
im September 2005 beurteilt worden - die Spitzennote erhalten hätte, ist jedenfalls nicht
ausgeschlossen. Die ehemaligen Staatssekretäre im damaligen Ministerium für
Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen C. und Dr. X. -C1. , deren
jeweilige Büros der Antragsteller zuletzt im Amt eines Regierungsdirektors (A15 BBesO)
als persönlicher Referent leitete, bewerteten seine Leistungen in dieser Funktion im
Rahmen ihrer Beurteilungsbeiträge vom 21. beziehungsweise 22. Juni 2006 jeweils mit
einem Gesamturteil von fünf Punkten. Auch bei den Einzelfeststellungen wurde der
Antragsteller von ihnen nahezu durchgehend mit fünf Punkten bewertet. Anhaltspunkte
dafür, dass eine Versetzungsbeurteilung im September 2005 wesentlich schlechter
ausgefallen wäre als es die angesprochenen Beurteilungsbeiträge vermuten lassen,
sind nicht ersichtlich.
Soweit die Beschwerde meint, der Antragsgegner habe unter Ausschöpfung des ihm in
§ 104 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW zugebilligten Entscheidungsspielraums von einer
Beurteilung des Antragstellers im Zusammenhang mit seiner Versetzung zum
damaligen Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landes Nordrhein-
Westfalen absehen dürfen, trifft dies nicht zu.
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Der Umstand, dass § 104 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW als Soll-Vorschrift ausgestaltet ist,
bedeutet nicht, dass dem zur Beurteilung berufenen Dienstherrn im konkreten
Versetzungsfall ein Entscheidungsspielraum zusteht, in dessen Rahmen er frei
entscheiden kann, ob er eine Versetzungsbeurteilung erstellt oder nicht. Nach
allgemeinem Verständnis bindet eine Soll- Vorschrift die Behörde im Regelfall und
gestattet nur Abweichungen in atypischen Fällen. Ob ein solcher atypischer Fall vorliegt,
ist im Streitfall von den Verwaltungsgerichten zu überprüfen.
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Die Beschwerde sieht in der Versetzung der Beschäftigten ganzer
Organisationseinheiten unter Erhaltung ihrer bisherigen Aufgaben als Folge der
Verlagerung dieser Aufgaben in eine andere Behörde eine atypische Fallkonstellation,
die sich vom typischen Fall der Versetzung aus der bisherigen Organisationseinheit
heraus in eine neue Organisationseinheit, in der der Beamte andere dienstliche
Aufgaben und andere Vorgesetzte habe, wesentlich unterscheide. Ob der Auffassung
der Beschwerde in dieser Allgemeinheit zu folgen ist, weil die Versetzung bei
fortbestehender Zugehörigkeit zu der bisherigen Organisationseinheit tatsächlich einen
Fall beschreibt, bei dem die für den Normalfall geltende Regelung des § 104 Abs. 1
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Satz 2 erster Halbsatz LBG NRW vom Sinn und Zweck des Gesetzes offenbar nicht
mehr gefordert wird, kann hier offenbleiben.
Die zum 1. September 2005 erfolgte Versetzung des Antragstellers vom damaligen
Ministerium für Wirtschaft und Arbeit zum damaligen Ministerium für Wirtschaft und
Mittelstand, Energie des Landes Nordrhein-Westfalen stellte jedenfalls - auch wenn er
einer von dem einen zu dem anderen Ministerium verlagerten Organisationseinheit
angehörte - einen typischen Versetzungsfall dar, der die Erstellung einer
Versetzungsbeurteilung gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz LBG NRW gebot.
Zwar wurde der Antragsteller noch während seiner Zugehörigkeit zum damaligen
Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen als Referent in
das Referat 431 "Übergreifende Fragen der Außenwirtschaft; Messen, Ausstellungen,
Kongresse" umgesetzt und die Gruppe, zu der das Referat gehörte, insgesamt zum
damaligen Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Energie des Landes Nordrhein-
Westfalen verlagert, doch erfolgte die Umsetzung des Antragstellers erst zum 1. Juli
2005 und damit kurz vor seiner Versetzung. Zuvor hatte der Antragsteller im damaligen
Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein- Westfalen seit dem 21.
März 2003 als Regierungsdirektor das Büro des Staatssekretärs geleitet und war
diesem als persönlicher Referent zugewiesen. Soweit die Umsetzung nicht ohnehin im
Hinblick auf die bereits in Aussicht genommene Versetzung stattgefunden hat, wirkte
sich jedenfalls die Zuweisung des neuen Aufgabenbereichs im Referat 431 wegen des
nur kurzen Zeitraums zwischen Umsetzung und Versetzung des Antragstellers erst nach
der Versetzung zum damaligen Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Energie des
Landes Nordrhein-Westfalen wirklich aus. Auch wenn der nach der Umsetzung im
damaligen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen für
den Antragsteller zuständige Erstbeurteiler unter Beibehaltung dieser Funktion ebenfalls
zum 1. September 2005 in das damalige Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand,
Energie des Landes Nordrhein-Westfalen versetzt worden sein sollte, war dieser nicht in
der Lage, sich vor der Versetzung aus eigener Anschauung ein Urteil über den
Antragsteller zu bilden. Der Antragsteller hatte es also nach der Versetzung sowohl mit
einem neuen Aufgabenbereich als auch mit einem neuen Erstbeurteiler zu tun.
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Eine Versetzungsbeurteilung war auch nicht mit Blick auf § 104 Abs. 1 Satz 2 zweiter
Halbsatz LBG NRW entbehrlich. Nach dieser Vorschrift können die obersten
Dienstbehörden für Gruppen von Beamten eine Ausnahme von dem für den Regelfall
geltenden Erfordernis einer Versetzungsbeurteilung zulassen. Unterstellt man den
Vortrag der Beschwerde zu einer Praxis, keine Versetzungsbeurteilungen bei der
bloßen Neuorganisation von Ministerien zu erstellen, als tatsächlich richtig und rechtlich
bedenkenfrei, würde der zum 1. September 2005 erfolgte Wechsel des Antragstellers
zum damaligen Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Energie des Landes
Nordrhein-Westfalen von einer solchen Praxis nicht erfasst. Das folgt aus den
vorstehend dargelegten Besonderheiten seiner dienstlichen Verwendung.
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Ob die dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 18. Dezember 2006 auch aus
anderen Gründen fehlerhaft ist oder das Auswahlverfahren an weiteren Rechtsmängeln
leidet, bedarf keiner Entscheidung, da der festgestellte Fehler der Beurteilung die vom
Verwaltungsgericht erlassene einstweilige Anordnung trägt.
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Der Senat folgt nicht der Auffassung der Beschwerde, der Antrag auf Erlass der
begehrten einstweiligen Anordnung sei selbst dann abzulehnen, wenn man die
Bedenken des Verwaltungsgerichts gegen die Rechtmäßigkeit der aktuellen
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dienstlichen Beurteilung des Antragstellers teile. Dass - wie die Beschwerde ausführt -
angesichts der sieben zur Verfügung stehenden Beförderungsstellen eine
Verschlechterung der Beförderungsaussichten des Antragstellers praktisch
auszuschließen sei, wenn der um zwei Punkte besser beurteilte Beigeladene befördert
werde und eine neue Auswahlentscheidung allenfalls zu einer Beförderung des
Antragstellers zum Nachteil eines derjenigen Beamten führen könne, die bei ihrer
Beurteilung ein Gesamturteil von vier Punkten erhalten hätten, lässt sich nicht
feststellen. Abgesehen davon, dass eine Neubeurteilung des Antragstellers mit fünf
Punkten und damit eine Konkurrenz zu dem mit der Spitzennote beurteilten
Beigeladenen nicht auszuschließen ist, steht keinesfalls fest, dass bei einem
neuerlichen Auswahlverfahren wiederum sieben Beförderungsstellen vergeben werden.
Bis dahin könnten Umstände eingetreten sein, die zum Wegfall einer oder mehrerer der
ursprünglich zur Verfügung stehenden Beförderungsplanstellen führen könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streit-
wertfestsetzung orientiert sich an den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei der sich
daraus ergebende Wert im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der begehrten
Entscheidung zu halbieren ist.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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