Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 20.04.2005

OVG NRW: wohl des kindes, wichtiger grund, namensänderung, namensrecht, eltern, öffentlich, billigkeit, einwilligung, eheversprechen, pauschal

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 4269/04
20.04.2005
Oberverwaltungsgericht NRW
8. Senat
Beschluss
8 A 4269/04
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 17 K 1167/03
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 9. September 2004 wird
abgelehnt.
Die Kosten des Antragsverfahren einschließlich der außergerichtlichen
Kosten des Beigeladenen trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 5.000,00 EUR
festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der
Richtigkeit des Urteils zuzulassen.
Die Ausführungen der Klägerin im Zulassungsverfahren, auf deren Prüfung der Senat nach
§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, begründen keine ernstlichen Zweifel an der
Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dem Namensänderungsbegehren der Klägerin
müsse der Erfolg versagt bleiben, weil es dafür an einem wichtigen Grund im Sinne von § 3
Abs. 1 NÄG fehle.
Gemäß § 3 Abs. 1 NÄG darf ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger
Grund die Änderung rechtfertigt. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist durch Abwägung aller
für und gegen die Namensänderung streitenden Interessen zu bestimmen. Die
schutzwürdigen Interessen dessen, der die Namensänderung erstrebt, müssen die
schutzwürdigen Interessen Dritter und die in der sozialen Ordnungsfunktion des Namens
zusammengefassten Interessen der Allgemeinheit überwiegen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 1985
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- 7 C 2.84 -, NJW 1986, 740.
Dabei ist insbesondere das Wertungssystem des bürgerlich-rechtlich geregelten
Namensrechts zu berücksichtigen, das durch öffentlich-rechtliche Namensänderung nicht
unterlaufen werden darf.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 6. September 1985
- 7 B 197.84 -, NJW 1986, 601, vom 24. April 1987
- 7 C 120.86 -, NJW 1988, 85, vom 13. Dezember 1995 - 6 C 6.94 -, NJW 1996, 2247, und
vom 20. Februar 2002 - 6 C 18.01 -, NJW 2002, 2406; Loos, Namensänderungsgesetz, 2.
Aufl., 1996,
§ 3 I. 4.
Bei der Entscheidung über die Änderung des Familienamens eines minderjährigen Kindes
im Hinblick auf den abweichenden Namen seines sorgeberechtigten Elternteils kommt als
abwägungsrelevantes Interesse einerseits das Wohl des Kindes in Betracht, das allerdings
sowohl für als auch gegen eine Namensänderung sprechen kann. Andererseits ist das
Interesse des anderen Elternteils zu berücksichtigen, durch den Fortbestand der
Namensgleichheit die Abstammung des Kindes von ihm weiterhin zu dokumentieren.
Außerdem ist das öffentliche Interesse an einer Namenskontinuität in die Abwägung
einzustellen.
Für die minderjährige Klägerin wird insoweit pauschal auf deren enge Beziehung zu ihrer
allein sorgeberechtigten Mutter, bei der sie lebt, und auf zu befürchtende Konflikte
verwiesen, die mit zunehmendem Alter der Klägerin entstehen könnten, wenn ihr und ihrer
Umgebung die Namensverschiedenheit zu ihrer Mutter bewusst werden. Eine konkrete und
aktuelle Belastung der Klägerin durch die bestehende Namensverschiedenheit zu ihrer
Mutter wird nicht dargelegt. Demgegenüber beruft sich der Beigeladene, der leibliche
nichteheliche Vater der Klägerin, auf die Namensgleichheit als äußeres Zeichen seiner
verwandtschaftlichen und auch emotionalen Verbundenheit mit der Klägerin und verweist
auf eine gute, im Wege regelmäßiger Besuchskontakte gewachsene Beziehung zur
Klägerin. Hinsichtlich der aus dem bürgerlich-rechtlichen Namensrecht ableitbaren
Vorgaben ist zu berücksichtigen, dass ein Kind wie die Klägerin, dessen Eltern nie
verheiratet waren und das mangels einer Sorgerechtserklärung beider Eltern nach § 1626a
Abs. 2 BGB der alleinigen Sorge seiner Mutter untersteht, zwar nach § 1617a Abs. 1 BGB
als Geburtsnamen grundsätzlich den Familiennamen der Mutter erwirbt, die Mutter aber
dem Kind - wie im vorliegenden Fall geschehen - nach § 1617a Abs. 2 BGB mit
Einwilligung des Vaters auch dessen Namen erteilen kann. Eine Rückgängigmachung
dieser Namenswahl sieht das bürgerlich-rechtliche Namensrecht - unabhängig von der
Entwicklung des Verhältnisses der Eltern untereinander - nicht vor. Damit misst das
bürgerlich-rechtliche Namensrecht der Ordnungsfunktion des durch die Mutter erteilten,
aber vom Vater abgeleiteten Geburtsnamens dasselbe Gewicht zu wie der
Ordnungsfunktion des von der sorgeberechtigten Mutter abgeleiteten Geburtsnamens.
Bei dieser Interessenlage ist ein Überwiegen der für eine Namensänderung sprechenden
schutzwürdigen Interessen der Klägerin ungeachtet der Frage, ob die Namensänderung für
das Wohl des Kindes erforderlich oder nur förderlich sein muss, nicht zu erkennen. Denn
Kindeswohlbelange, die augenblicklich eine Angleichung des Familiennamens der
Klägerin an den ihrer Mutter nahe legen, sind nicht ersichtlich. Auch die zukünftig
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möglicherweise zu erwartenden, aus der Namensverschiedenheit zur Mutter folgenden
Belastungen für die Klägerin erschöpfen sich objektiv in bloßen Unannehmlichkeiten, die
damit verbunden sind, die Namensverschiedenheit zu erklären. Diese sind nicht geeignet,
das öffentliche und auch vom Beigeladenen geltend gemachte Interesse an einer
Namenskontinuität zu überwiegen. Konkrete Anhaltspunkte für das Drohen gewichtigerer
Schwierigkeiten sind insbesondere im Hinblick auf die gewachsene Beziehung der
Klägerin zum Beigeladenen objektiv nicht erkennbar. Insoweit kommt dem in den
Vordergrund gerückten Argument, es werde die Klägerin belasten, von ihrer Mutter zu
erfahren, dass der Beigeladene die Namenserteilung durch ein nicht ernst gemeintes
Eheversprechen erschlichen habe, kein entscheidendes Gewicht zu. Zum einen obliegt es
der Mutter der Klägerin, deren Verhältnis zum Beigeladenen, das sie offensichtlich in der
Vergangenheit im Interesse der Klägerin unterstützt und gefördert hat, nicht bewusst
dadurch zu belasten, dass sie Unstimmigkeiten aus ihrem Verhältnis zum Beigeladenen
auf das der Klägerin zu diesem überträgt. Zum andern rechtfertigt sich die Erteilung des
Familiennamens des Beigeladenen an die Klägerin aus deren Sicht vornehmlich aus
dessen Stellung als ihr leiblicher Vater, ohne dass insoweit den Gründen für das Scheitern
der Beziehung ihrer Mutter zum Beigeladenen, die die Klägerin nicht aus eigenem Erleben
kennt, besondere Bedeutung zukäme. Vielmehr lässt das Betonen dieses Gesichtspunktes
vermuten, dass die Mutter der Klägerin das öffentlich- rechtliche
Namensänderungsverfahren unabhängig von einem in der Person der Klägerin liegenden
wichtigen Grund nutzen will, um ihre nach § 1617a Abs. 2 BGB getroffene Wahl zu
revidieren. Eine solche Möglichkeit eröffnet das Namensrecht jedoch nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht gemäß § 162 Abs. 3
VwGO der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen
aufzuerlegen, da dieser durch Stellung seines Abweisungsantrags auch ein eigenes
Kostenrisiko übernommen hat.
Die Streitwertentscheidung folgt aus §§ 72 Nr. 1 Halbsatz 2, 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, 52
Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3
Satz 3 GKG).