Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.07.2009

OVG NRW (öffentliches recht, anordnung, erlass, hauptsache, anlass, unternehmen, zweifel, gesellschafter, prüfung, wahrscheinlichkeit)

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 1003/09
Datum:
29.07.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 B 1003/09
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Be-schluss des
Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 1. Juli 2009 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfah-ren auf 45.000,- Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die zulässige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO
grundsätzlich nur im Rahmen der fristgerechten Darlegungen
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– vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03 –, BVerfGE 110,
77 = NJW 2004, 2510, 2511; Bay. VGH, Beschluss vom 16. Januar 2003 –
1 CS 02.1922 –, NVwZ 2003, 632 –
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der Antragstellerin befindet, ist unbegründet.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu
Recht abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegen nicht vor.
Nach dieser Vorschrift kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung zur
Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur
Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dies setzt
gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller
einen Anordnungsanspruch (ein subjektiv öffentliches Recht auf das begehrte
Verwaltungshandeln) und einen Anordnungsgrund (die besondere Eilbedürftigkeit)
glaubhaft macht. Ist der Antrag – wie vorliegend – auf eine Vorwegnahme der
Hauptsache gerichtet, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und
Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen
Anordnung kommt dann nur in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der
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Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und
dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und
unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der
Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. August 1999 – 2 VR 1.99 –, BVerwGE
109, 258, und vom 14. Dezember 1989 – 2 ER 301.89 –, juris;
Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 123 Rn. 14, m. w. N.
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Gemessen hieran kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein
Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung für den Krankentransport und die
Notfallrettung (in Form des Sekundärtransports) lässt sich nicht mit der erforderlichen
hohen Wahrscheinlichkeit bejahen. Nach derzeitigem Sach- und Streitstand spricht
vielmehr alles dafür, dass dem Begehren der Antragstellerin die Regelung des § 19
Abs. 1 Nr. 2 RettG NRW entgegensteht. Hiernach darf die Genehmigung nur erteilt
werden, wenn das Unternehmen und die für die Führung der Geschäfte bestellte Person
zuverlässig sind. Davon ist bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur
gebotenen summarischen Prüfung nicht auszugehen, denn es bestehen nach wie vor
erhebliche Zweifel, dass die Antragstellerin den Betrieb unter Beachtung der für die
Notfallrettung und den Krankentransport geltenden Vorschriften führen und dabei die
Allgemeinheit vor Schäden und Gefahren bewahren kann (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3
Satz 1 RettG NRW). Hierzu hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 18. Juni
2009 – 13 B 482/09 – (juris) ausführlich dargelegt, dass die Antragstellerin seit dem Jahr
2003 und insbesondere auch in der jüngeren Vergangenheit in zahlreichen, im
Einzelnen dokumentierten Fällen die dem Schutz der beförderten (Notfall-)Patienten
dienenden Vorschriften des Rettungsgesetzes grob missachtet und diesen
Personenkreis dadurch unkalkulierbaren Gefahren ausgesetzt hat.
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So hat die Antragstellerin in den letzten Jahren trotz zahlreicher behördlicher
Ermahnungen wiederholt und in schwerwiegender Weise gegen ihre rettungsrechtliche
Mitwirkungspflicht, die Dokumentation ihrer Einsatzfahrten vollständig vorzulegen (vgl. §
27 Abs. 1 Satz 1 RettG NRW), verstoßen. Dem Antragsgegner war es deshalb häufig
nicht möglich, zeitnah Ort, Zeit und Anlass der unternommenen Krankenfahrten und die
dabei eingesetzten Mitarbeiter und Fahrzeuge zu überprüfen und so etwaigen
Manipulationen der Einsatzdokumentation zuvorzukommen. Dass zu einer solchen
Kontrolle aller Anlass bestand, zeigt sich schon daran, dass die Antragstellerin bereits
mehrfach entgegen § 4 RettG NRW nicht hinreichend aus- und fortgebildetes Personal
und entgegen § 22 Abs. 2 Satz 1 RettG NRW nicht genehmigte Krankenkraftwagen
eingesetzt hat.
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Des Weiteren hat die Antragstellerin in ihrem Unternehmen seit dem Jahr 2003 in
zahlreichen Fällen und in Kenntnis der aus § 22 Abs. 2 Satz 1 RettG NRW folgenden
Erlaubnispflicht ungenehmigte Fahrzeuge zur Notfallrettung und/oder zum
Krankentransport eingesetzt, so dass nicht gewährleistet war, dass nur sichere und
hinreichend ausgestattete Krankenkraftwagen eingesetzt werden. Dass die zu
befördernden (Notfall-)Patienten deshalb nicht nur abstrakten und fernliegenden Risiken
ausgesetzt waren, ergibt sich etwa daraus, dass sich einige der Krankenkraftwagen der
Antragstellerin und auch die darin befindlichen Medizinprodukt und Hygieneartikel
schon einmal über einen längeren Zeitraum in desolatem Zustand befunden haben, wie
der Antragsgegner bei mehreren Betriebsprüfungen feststellen musste.
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Angesichts dieser massiven Verstöße gegen rettungsrechtliche Vorschriften können
weder die Abberufung einer der beiden Geschäftsführer der Antragstellerin (Herr V.
Q. ) noch die Installation eines neuen computergestützten Einsatzleitsystems die
massiven Zweifel an der Zuverlässigkeit der Antragstellerin als Unternehmen
ausräumen. Dies gilt um so mehr, als Herr Q. erst in diesem Monat abberufen
wurde, obwohl für die Antragstellerin und ihre Gesellschafter angesichts der nunmehr
schon seit vielen Jahren andauernden Rechtsverstöße und zahlreicher
vorangegangener behördlicher und gerichtlicher Verfahren aller Anlass bestanden
hätte, diesen Schritt schon wesentlich früher zu vollziehen. Aufgrund dieses Verhaltens
und des Umstands, dass die Antragstellerin die festgestellten Verstöße gegen das
Rettungsgesetz nach wie vor bagatellisiert, spricht Überwiegendes dafür, dass die
Antragstellerin und ihre Gesellschafter den Sicherheitsinteressen ihrer Patienten
weiterhin gleichgültig gegenüberstehen werden und dass sie auch in Zukunft nicht
willens oder in der Lage sein werden, für einen ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb zu
sorgen.
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Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob es an einem Anordnungsanspruch auch
deshalb fehlt, weil sich der Antragsgegner im erstinstanzlichen Verfahren auf die sog.
Funktionsschutzklausel des § 19 Abs. 4 Satz 1 RettG NRW berufen hat.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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