Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.12.2003

OVG NRW: persönliche eignung, landwirtschaftlicher betrieb, bisherige nutzung, nutzungsänderung, tierhaltung, grundstück, genehmigung, nachhaltigkeit, betriebsführung, lagerung

Oberverwaltungsgericht NRW, 10 A 1574/01
Datum:
18.12.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 A 1574/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 4 K 6182/99
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger begehrt die Genehmigung für die Änderung der Nutzung eines
Stallgebäudes, das künftig Wohnzwecken dienen soll.
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Er ist neben X. I. Miteigentümer des außerhalb der im Zusammenhang bebauten
Ortsteile der Stadt X. gelegenen Grundstücks Gemarkung M. , Flur 504, Flurstück 49,
das die Straßenbezeichnung L. 2 trägt und mit zwei Wohnhäusern sowie dem Gebäude,
dessen Nutzung geändert werden soll, bebaut ist. An das Flurstück 49, das eine Fläche
von 2.703 qm aufweist, grenzen die unbebauten Flurstücke 50 und 97 mit 1.163
beziehungsweise 16.368 qm Fläche. Auch diese Flurstücke stehen im Miteigentum des
X. I. und des Klägers. Im Liegenschaftskataster der Stadt X. - Stand 1. Juni 1995 - ist das
Flurstück 50 als Gartenland und das Flurstück 97 als Grünland/Acker gekennzeichnet.
Eine Teilfläche des Flurstücks 49 in der Größe von 804 qm ist als landwirtschaftliche
Gebäude- und Freifläche eingetragen. Die übrige Fläche des Flurstücks 49 trägt die
Bezeichnung Grünland/Acker.
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Im Februar 1986 beantragte der Kläger die Erteilung eines baurechtlichen
Vorbescheides, mit dem er die Zulässigkeit der Errichtung eines zweigeschossigen
Gebäudes auf dem oben genannten Grundstück festgestellt wissen wollte. Vorgesehen
war ein massiv gemauertes und mit einem um 20° geneigten Satteldach versehenes
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Gebäude, das eine Grundfläche von 6 m x 12 m haben sollte. Im Untergeschoss sollten
zwei Pkw-Garagen, ein Unterstellraum für landwirtschaftliche Geräte sowie ein Stall, im
Obergeschoss Stallungen und ein Schlachtraum untergebracht werden.
Die Landwirtschaftskammer Rheinland - Kreisstelle N. - befürwortete das Vorhaben. Die
Kammer gab an, der Kläger bewirtschafte 2,03 ha Grünland, die er 1980 käuflich
erworben habe, im landwirtschaftlichen Nebenerwerb. Er halte durchschnittlich 20 bis
50 Legehennen, 50 Enten und 50 Gänse. Eier und Schlachtgeflügel setze er im
Erzeuger-Verbraucher-Direktverkehr ab. Die Nachfrage sei sehr groß, sodass die
gehaltenen Tiere zu ihrer Deckung nicht ausreichten. In Zukunft sollten zudem
zusätzlich Mutterschafe gehalten werden.
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Nach den Feststellungen des Beklagten wurde das Grundstück damals nicht
landwirtschaftlich genutzt.
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Unter dem 16. Oktober 1987 erging der beantragte baurechtliche Vorbescheid. Die in
Aussicht gestellte Genehmigung wurde jedoch davon abhängig gemacht, dass die
Nutzbarkeit des Grundstücks für den Nebenerwerbsbetrieb durch eine Baulast dauerhaft
sichergestellt werde.
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Im März 1988 beantragte der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung
eines Stallgebäudes auf dem Grundstück L. 2. Das zur Genehmigung gestellte
Vorhaben, dessen Herstellungskosten mit 180.000 DM angegeben waren, wich insoweit
vom Gegenstand des Bauvorbescheides ab, als es eine Grundfläche von 10,50 m x
12,30 m aufweisen sollte. Der Kläger begründete die beabsichtigte Vergrößerung damit,
dass der Nebenerwerbsbetrieb in erster Linie Schafhaltung umfasse und der
Flächenbedarf für diese Tiere die geplante Stallgröße bestimme. Darüber hinaus halte
er 70 Gänse und 100 Puten. Der dafür vorgesehene Raum sei eher knapp bemessen.
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Die Landwirtschaftskammer hielt den vom Kläger dargestellten Raumbedarf für nicht
überhöht. Der geplante durchschnittliche Viehbestand, der sich nach der
Grundfutterbasis richte, sehe 14 Mutterschafe mit Lämmern, 100 Puten, 70 Gänse, 45
Enten und 50 Legehennen vor. Der Kläger könne mit der Tierhaltung ein Einkommen
von 9.680 DM erzielen.
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Im Mai 1989 übernahmen X. I. und der Kläger hinsichtlich der Flurstücke 49, 50 und 97
eine Vereinigungsbaulast. Zudem verpflichteten sie sich im Wege einer weiteren
Baulast, die mit der Vereinigungsbaulast belegten Grundstücke für die auf dem
Flurstück 49 angesiedelte landwirtschaftliche Nebenerwerbsstelle entsprechend
landwirtschaftlich zu nutzen, damit die Nebenerwerbsstelle als solche betrieben werden
könne und über die notwendige Nutzfläche verfüge.
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Unter dem 24. Mai 1989 erteilte der Beklagte dem Kläger die begehrte
Baugenehmigung gemäß dem Bauantrag vom März 1988.
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Nachdem die Bodenplatte hergestellt und das Untergeschoss aufgemauert worden war,
beantragte der Kläger im Juni 1991 eine Nachtragsbaugenehmigung zur Erhöhung des
Drempels um 0,75 m. Der dadurch geschaffene Raum solle als Getreide- und
Rauhfutterlager genutzt werden. Die um Stellungnahme gebetene
Landwirtschaftskammer sah die vorgesehene bauliche Erweiterung des Vorhabens als
arbeits- und betriebswirtschaftlich sinnvoll an. Sie führte aus, der Kläger habe die von
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ihm bewirtschaftete Fläche um 1,5 ha Pachtland erweitert. Durch die
Flächenaufstockung werde der Bestand an Mutterschafen auf durchschnittlich 20 erhöht.
Der Beklagte erteilte die beantragte Nachtragsbaugenehmigung am 30. August 1991.
Die Rohbauabnahme erfolgte am 12. Dezember 1991. Von Mai 1992 bis Februar 1995
nahm der Beklagte eine Vielzahl von Baukontrollen vor. Dabei wurden Arbeiten am
Innenausbau und am Außenputz sowie das Einsetzen der Außenfensterbänke
festgestellt.
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Am 2. März 1995 beantragte der Kläger die Erteilung eines baurechtlichen
Vorbescheides zur Nutzungsänderung des Stallgebäudes. Zur Begründung gab er an,
aus gesundheitlichen Gründen sei er nicht mehr in der Lage, seinen landwirtschaftlichen
Betrieb weiterzuführen. Das Stallgebäude solle daher künftig zum Wohnen genutzt
werden. Nachdem ihm der Beklagte fernmündlich die negative Bescheidung der
Bauvoranfrage angekündigt hatte, zog der Kläger diese im Dezember 1995 zurück.
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Mit Schreiben vom 7. Mai 1997 teilte die Landwirtschaftskammer auf Anfrage des
Beklagten mit, die Viehhaltung solle nach Angaben des Klägers auslaufen. Eine
Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Nutzung sei daher nicht gegeben.
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Am 20. November 1997 beantragte der Kläger die Erteilung einer Genehmigung zur
Änderung der Nutzung des Stallgebäudes in Wohnen. Die zu schaffende Wohnung
sollte der Tochter des Klägers, die in der von ihm betriebenen Viehhaltung tätig sei, zur
Verfügung gestellt werden. Er - der Kläger - habe niemals vorgehabt, die Landwirtschaft
aufzugeben, sondern werde sie auch in Zukunft be-treiben.
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Die um Stellungnahme ersuchte Landwirtschaftskammer teilte mit, der Kläger sei nach
eigenen Angaben Frührentner. Einkünfte aus der Landwirtschaft würden nicht
versteuert. Die Flächenausstattung, der Tierbestand und die vorhandenen Gebäude
ließen keine auf Dauer und Gewinnerzielung ausgerichtete Landwirtschaft zu. Es
handele sich nicht um einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb, der nach § 35
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB in Verbindung mit § 201 BauGB zu beurteilen sei.
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Bei einer Ortsbesichtigung im November 1998 stellte der Beklagte fest, dass die
beabsichtigte Nutzungsänderung noch nicht vollzogen worden war.
18
Mit Bescheid vom 9. Dezember 1998 versagte der Beklagte die beantragte
Nutzungsänderungsgenehmigung, da das Vorhaben zur unerwünschten Erweiterung
eines Siedlungssplitters im Außenbereich führen würde.
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Der Kläger legte Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ein, der am 6. Januar
1999 bei dem Beklagten einging.
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Die Beigeladene wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. September
1999 aus den Gründen des Ausgangsbescheides zurück.
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Der Kläger hat am 25. September 1999 Klage erhoben, mit der er beantragt hat,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Versagungsbescheides vom 9. Dezember 1998
und des Widerspruchsbescheides der Beigeladenen vom 13. September 1999 zu
verpflichten, ihm eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Stallgebäudes
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in ein Wohngebäude auf dem Grundstück L. 2 in X. , Gemarkung M. , Flur 504, Flurstück
49, zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt
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Mit Urteil vom 15. Februar 2001 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die beantragte Nutzungsänderung sei
unzulässig, da sie öffentliche Belange beeinträchtige. Sie widerspreche den
Darstellungen des Flächennutzungsplans und lasse die Verfestigung einer
Splittersiedlung befürchten. Auf eine diese Belange ausräumende Teilprivilegierung
nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB könne sich der Kläger nicht berufen. Die Vorschrift
sei nur anwendbar, wenn die bisherige Nutzung, die geändert werden solle, tatsächlich
und rechtmäßig aufgenommen worden sei. An einer rechtmäßigen Nutzungsaufnahme
habe es gefehlt, da weder die bauordnungsrechtlich vorgeschriebene
Fertigstellungsanzeige erfolgt sei, noch der Beklagte dem Kläger die
Nutzungsaufnahme vor Fertigstellung gestattet habe.
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Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15. März 2001 zugestellt
worden. Zwischenzeitlich - eingegangen beim Beklagten am 21. Februar 2001 - hatte
der Kläger die Fertigstellung des Stallgebäudes angezeigt. Auf seinen Antrag vom 17.
April 2001 hat der Senat mit Beschluss vom 20. Oktober 2003 - den
Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 24. Oktober 2003 - die Berufung
zugelassen. Mit Schreiben vom 12. November 2003 - eingegangen bei Gericht am
selben Tage - hat der Kläger die Berufung begründet und einen konkreten
Berufungsantrag gestellt.
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Er trägt vor, er sei inzwischen Rentner und wolle die landwirtschaftliche
Nebenerwerbsstelle aufgeben. Das Stallgebäude solle künftig von der Familie seiner
Tochter als Wohnhaus genutzt werden. Er habe Anspruch auf die beantragte
Baugenehmigung zur Nutzungsänderung, da die Voraussetzungen für eine
Begünstigung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB gegeben seien. Die Vorschrift
bezwecke, den Strukturwandel in der Landwirtschaft dadurch zu erleichtern, dass eine
tatsächlich aufgenommene privilegierte Nutzung in eine neue Nutzung übergeführt
werden könne. Es komme nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in
diesem Zusammenhang nicht darauf an, dass das Bauwerk, das umgenutzt werden
solle, nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB genehmigt worden sei. Folgerichtig setze die
Begünstigungsvorschrift keine Schlussabnahme des Bauwerks voraus. Außerdem
stünden der Antrag auf Nutzungsänderung sowie die nachfolgend verfassten
Begründungen des Widerspruchs und der Klage einer Anzeige der Fertigstellung gleich.
Eine ausdrückliche Fertigstellungsanzeige sei mit Schreiben vom 19. Februar 2001
erfolgt. Das Stallgebäude sei im Jahre 1991 errichtet worden, wobei das Obergeschoss
erst mehrere Jahre später verputzt worden sei. Seit der Errichtung des Gebäudes habe
er - der Kläger - Lämmer, Gänse, Enten und Puten dort eingestellt sowie Heu und Futter
gelagert. Es seien dort auch Tiere geschlachtet worden. Bis 1998 habe er jährlich etwa
40 Gänse, 20 Enten und 20 Puten gehalten, geschlachtet und das Schlachtfleisch an
private Kunden verkauft. Bei den geschlachteten Gänsen und Enten habe es sich um
von ihm aufgezogene Jungtiere gehandelt, die von jeweils zwei Elternpaaren gestammt
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hätten. Er habe manchmal auch Küken hinzugekauft. Im Schnitt habe er 10 Mutterschafe
gehalten und jährlich etwa 10 Lämmer schlachtreif aufgezogen. Sein aus der
Tierhaltung stammender Gewinn habe zwischen 7.000 und 10.000 DM gelegen.
Steuererklärungen habe er nicht abgegeben. Die Bewirtschaftung seines 2,03 ha
großen Grundstücks sei in Lohnarbeit erfolgt. Von den jährlich erzeugten 500 Ballen
Heu habe der Lohnunternehmer jeweils die Hälfte erhalten. Im Übrigen hätten
Familienmitglieder und Bekannte unentgeltlich bei der Arbeit geholfen. Seit 1999 halte
er - der Kläger - neben Gänsen, Enten und Puten nur noch vier Schafe. Zudem seien in
dem Stallgebäude 20 fremde Schafe eingestellt.
In der mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 2003 gab der Kläger an,
Stuckateurmeister zu sein und das umstrittene Stallgebäude im Wesentlichen
eigenhändig errichtet zu haben. Was die Herstellungskosten des Gebäudes angehe,
seien in erster Linie nur Materialkosten angefallen. Ob er einen landwirtschaftlichen
Nebenerwerb jemals tatsächlich betrieben habe, sei für die Anwendbarkeit des § 35
Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB auf das Stallgebäude nicht maßgeblich. Entscheidend sei,
dass der Beklagte das Gebäude für einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb
genehmigt habe und die genehmigte Nutzung aufgenommen worden sei.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Schlussantrag erster Instanz zu
erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem
angefochtenen Urteil. Darüber hinaus trägt er vor, dass - selbst wenn der Kläger seit
1991 jährlich 40 Gänse, 20 Enten, 20 Puten und 10 Lämmer in dem Stallgebäude
untergebracht haben sollte - die behauptete Aufzucht und Mast dieser Tiere sowie der
Verkauf des Schlachtfleisches die Annahme eines landwirtschaftlichen
Nebenerwerbsbetriebes nicht rechtfertigen würde. Weder könne angesichts der
gegebenen Umstände von einer nachhaltigen landwirtschaftlichen Nutzung
ausgegangen werden noch seien die Tiere - was der Zukauf erheblicher Mengen von
Viehfutter belege - auf überwiegend eigener Futtergrundlage gehalten worden. Der vom
Kläger behauptete durchschnittliche jährliche Gewinn sei zweifelhaft, da er allein für den
Zukauf von Viehfutter in der angegebenen Menge etwa 1.100 bis 1.300 EUR habe
aufwenden müssen.
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Die Beigeladene beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten Hefte 2 bis 4)
und der Beigeladenen (Beiakte Heft 1) Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
40
Die Verpflichtungsklage, mit der der Kläger die Erteilung einer
Nutzungsänderungsgenehmigung entsprechend seinem Bauantrag vom 11. November
1997 begehrt, ist zulässig aber unbegründet.
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Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 9. Dezember 1998 und der
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 13. September 1999 sind
rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO). Er hat keinen Anspruch auf die Erteilung der beantragten Genehmigung zur
Änderung der Nutzung des auf dem Grundstück Gemarkung M. , Flur 504, Flurstück 49,
errichteten Stallgebäudes in ein Wohngebäude. Der Beklagte hat die Genehmigung zu
Recht versagt, da ihrer Erteilung öffentlich- rechtliche Vorschriften entgegenstehen (§ 75
Abs. 1 Satz 1 BauO NRW). Die begehrte Nutzungsänderung ist bauplanungsrechtlich
unzulässig.
42
Das Grundstück auf dem das Stallgebäude, dessen Umnutzung beabsichtigt ist, steht,
liegt im Außenbereich der Stadt X. . Die Zuordnung des Grundstücks zum
Außenbereich, die auch das Verwaltungsgericht seinem Urteil zu Grunde gelegt hat und
der die Beteiligten nicht widersprochen haben, ergibt sich aus dem bei den Akten
befindlichen Kartenmaterial, welches hinreichend aussagekräftig ist und insoweit auch
ohne Ortsbesichtigung eine sichere Entscheidungsgrundlage bietet. Die
bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Nutzungsänderung ist mithin nach § 35 BauGB
zu beurteilen.
43
Da eine Privilegierung der geplanten Wohnnutzung nach § 35 Abs. 1 BauGB
ausscheidet, handelt es sich bei der beabsichtigten Umnutzung um ein sonstiges
Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB, das im Einzelfall zugelassen werden kann,
wenn seine Erschließung gesichert ist und es öffentliche Belange nicht beeinträchtigt.
An diesen Zulassungsvoraussetzungen fehlt es hier unabhängig davon, ob die
Erschließung des Vorhabens gesichert ist, denn die angestrebte Nutzungsänderung
würde öffentliche Belange beeinträchtigen. In § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist beispielhaft
aufgeführt, in welchen Fällen eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange anzunehmen
ist. Danach beeinträchtigt ein Vorhaben öffentliche Belange unter anderem dann, wenn
es den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht oder wenn es die
Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35
Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 7 BauGB). Beides trifft im Hinblick auf die Wohnnutzung, die
nach dem Willen des Klägers in dem ehemaligen Stallgebäude künftig aufgenommen
werden soll, zu.
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Nach dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Auszug aus dem aktuellen
Flächennutzungsplan der Stadt X. , der den Bereich umfasst, innerhalb dessen das
Baugrundstück liegt, ist dieses Grundstück als landwirtschaftlich oder gärtnerisch
genutzte Fläche dargestellt. Zu einer solchen Nutzung steht die geplante Wohnnutzung
im Widerspruch, da sie keinerlei Bezug zur landwirtschaftlichen oder gärtnerischen
Nutzung aufweist. Anhaltspunkte dafür, dass die Aussagekraft des geltenden
Flächennutzungsplans aus tatsächlichen Gründen abgeschwächt oder gar aufgehoben
ist, vermag der Senat nicht zu erkennen.
45
Die tatsächliche Entwicklung kann allerdings dazu führen, dass sich das Gewicht der
Aussagen des Flächennutzungsplans bis hin zum Verlust der Aussagekraft abschwächt.
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Dadurch kann ein Flächennutzungsplan die ihm vom Gesetz zugewiesene Bedeutung
als Konkretisierung öffentlicher Belange und einer geordneten städtebaulichen
Entwicklung verlieren. Auf die tatsächlichen Gegebenheiten abzustellen, bedeutet aber
nicht, dass der Flächennutzungsplan grundsätzlich nur dann ein beachtlicher
öffentlicher Belang ist, wenn seine Darstellungen mit der tatsächlichen Situation
übereinstimmen. Bei einem solchen Verständnis liefe seine Erwähnung als öffentlicher
Belang weitgehend leer. Vielmehr soll lediglich klargestellt werden, dass der
Flächennutzungsplan dort nicht mehr maßgeblich sein kann, wo seine Darstellungen
den besonderen örtlichen Verhältnissen nicht mehr gerecht werden, diese also etwa
durch die zwischenzeitliche Entwicklung überholt sind.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. April 1997 - 4 B 11.97 -, BRS 59 Nr. 75.
47
Dass auf den hier in Rede stehenden Flächen eine bauliche Entwicklung zu
verzeichnen ist, die ein Gewicht erreicht hat, welches die Umsetzung der im
Flächennutzungsplan enthaltenen planerischen Aussage auf unabsehbare Zeit faktisch
ausschließt, ist nicht ersichtlich.
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Der Senat verkennt nicht, dass die Darstellungen des Flächennutzungsplans nicht in
rechtssatzartiger Weise verbindlich sind und - was ihre planerische Aussage angeht -
zwangsläufig nur ein grobes Raster bilden. Stellt der Flächennutzungsplan
beispielsweise im Hinblick auf diese Grobmaschigkeit auch die im Gemeindegebiet
außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile vorhandenen Siedlungssplitter als
Fläche für die Landwirtschaft dar, ist regelmäßig nicht anzunehmen, dass die Gemeinde
mit dieser Darstellung jegliche nicht landwirtschaftlich privilegierte Bebauung
ausschließen will.
49
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. Februar 1996 - 11 A 1897/94 -, BRS 58 Nr. 92.
50
Die insoweit eingeschränkte Aussagekraft der Darstellung "Fläche für die
Landwirtschaft" kann im Einzelfall dazu führen, dass sie einer Bebauung, die lediglich
der Schließung einer eindeutig vorgeprägten "Baulücke" innerhalb eines
Siedlungssplitters dienen soll, nicht als öffentlicher Belang entgegengehalten werden
kann. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
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Die vom Kläger in Aussicht genommene Nutzungsänderung lässt auch die Erwei-
terung einer Splittersiedlung befürchten.
52
Unter einer Splittersiedlung ist eine aus mehreren Gebäuden bestehende Ansiedlung zu
verstehen, die nicht als ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil im Sinne des § 34
BauGB zu werten ist.
53
Auf dem Grundstück des Klägers ist eine solche - aus insgesamt drei Gebäuden
bestehende - Ansiedlung vorhanden, die einen städtebaulich unerwünschten
Siedlungsansatz darstellt. Unerwünscht ist dieser Siedlungsansatz deshalb, weil er mit
seinen Wohnhäusern als Ausdruck einer unorganischen Siedlungsstruktur zur
Zersiedelung des Außenbereichs beiträgt, der eigentlich von außenbereichsfremder
Wohnbebauung freigehalten werden soll.
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Von der Erweiterung einer Splittersiedlung ist auszugehen, wenn sie räumlich in den
Außenbereich hinein ausgedehnt wird. Insoweit bedarf es allerdings nicht notwendig
55
der Schaffung zusätzlicher Bausubstanz. Auch in der baulichen Umgestaltung eines
bestehenden Gebäudes, die mit einer qualitativ beachtlichen Nutzungsänderung
verbunden ist, ist eine Erweiterung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB zu sehen.
Die qualitativ beachtliche Nutzungsänderung eines vorhandenen Bauobjekts ist nicht
anders zu bewerten als die erstmalige Errichtung eines gleichartigen Vorhabens.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1983 - 4 C 70.80 -, BRS 40 Nr. 93.
56
Die durch die beabsichtigte Nutzungsänderung eintretende Erweiterung des
vorhandenen Siedlungssplitters ist zu missbilligen, das heißt im Sinne des § 35 Abs. 3
Satz 1 Nr. 7 BauGB "zu befürchten". Sie wäre mit einer geordneten Siedlungsstruktur
unvereinbar und - bezogen auf den konkret in Rede stehenden Siedlungssplitter - von
erheblichem Gewicht. Fehlt es einem Vorhaben an einer deutlichen Unterordnung unter
den vorhandenen Bestand, ist regelmäßig von einer unerwünschten Zersiedelung des
Außenbereichs durch das Vorhaben auszugehen.
57
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 2001 - 4 C 13.00 -, BRS 64 Nr. 103.
58
So ist es hier. Durch das Hinzutreten eines weiteren Wohnhauses würde der
Siedlungssplitter um die Hälfte seines Bestandes erweitert, sodass von einer deutlichen
Unterordnung unter den vorhandenen Bestand nicht die Rede sein kann.
59
Der Umstand, dass die geplante Nutzungsänderung die vorstehend beschriebenen
öffentlichen Belange beeinträchtigen würde, führt zur Unzulässigkeit des Vorhabens.
Der Kläger kann sich demgegenüber nicht auf die Begünstigung nach § 35 Abs. 4 Satz
1 Nr. 1 BauGB berufen, wonach der Änderung der bisherigen Nutzung eines nach § 35
Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert zulässigen Gebäudes unter anderem nicht
entgegengehalten werden kann, sie widerspreche den Darstellungen des
Flächennutzungsplans oder lasse die Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten,
wenn sie im Übrigen außenbereichsverträglich ist.
60
Die Vorschrift des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB ist im Hinblick auf ihre Zielrichtung,
nämlich den Strukturwandel in der Landwirtschaft zu unterstützen,
61
vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Mai 1983 - 4 C 16.79 -, BRS 40 Nr. 94,
62
auf das Vorhaben des Klägers nicht anwendbar. Dieser Strukturwandel ist in erster Linie
dadurch gekennzeichnet, dass eine Vielzahl von meist über viele Jahrzehnte geführten
Familienbetrieben die Landwirtschaft wegen zu hohen Investitionsbedarfs, fehlender
Hofnachfolge, Arbeitskräftemangels oder Konkurrenzdrucks aufgeben beziehungsweise
die Produktion umstellen muss. Um diesen raschen Wandel, der den für Generationen
gedachten Planungen unvermittelt den Boden entzogen hat, sozialverträglich zu
gestalten und den Wert der in der Vergangenheit im Vertrauen auf die Dauerhaftigkeit
des Betriebes und im Interesse einer gesicherten Versorgung der Bevölkerung mit
Lebensmitteln getätigten Investitionen so weit wie möglich zu erhalten, soll der im
Außenbereich frei gewordene land- und forstwirtschaftliche Gebäudebestand unter
erleichterten Bedingungen anderweitig nutzbar gemacht werden dürfen. § 35 Abs. 4
Satz 1 Nr. 1 BauGB setzt deshalb voraus, dass eine tatsächlich aufgenommene
privilegierte Nutzung in eine neue übergeführt wird.
63
Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Mai 1983 - 4 C 16.79 -, a.a.O.
64
Daran fehlt es hier. Das zur Umnutzung vorgesehene Stallgebäude ist niemals
privilegiert genutzt worden, denn der Kläger hat auf dem in Rede stehenden Grundstück
zu keiner Zeit einen landwirtschaftlichen Betrieb geführt.
65
In § 201 BauGB ist beschrieben, in welchen Nutzungsformen Landwirtschaft betrieben
werden kann. Da diese Beschreibung nicht abschließend ist, hat die Rechtsprechung
Kriterien entwickelt, anhand derer beurteilt werden kann, ob bestimmte Nutzungsformen
dem Begriff der Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB unterfallen. Danach ist der
Begriff der Landwirtschaft grundsätzlich dadurch gekennzeichnet, dass es sich um
unmittelbare Bodenertragsnutzung handelt. Der Boden muss zum Zwecke der Nutzung
seines Ertrags planmäßig und eigenverantwortlich bewirtschaftet werden.
66
Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. April 1986 - 4 C 67.82 -, BRS 46 Nr. 75.
67
Die Tierhaltung, die der Produktion von Schlachtvieh dient, ist nur dann der
Landwirtschaft zuzuordnen, wenn sie auf überwiegend eigener Futtergrundlage erfolgt.
68
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Januar 1997 - 4 B 256.96 -, BRS 59 Nr. 85.
69
Ein landwirtschaftlicher Betrieb kann sowohl im Haupt- als auch im Nebenerwerb
geführt werden, wobei insoweit keine wesentlichen Unterschiede hinsichtlich der für die
Bejahung der Betriebseigenschaft maßgeblichen Kriterien zu machen sind. Ein
landwirtschaftlicher Betrieb zeichnet sich aus durch eine spezifisch betriebliche
Organisation. Die Betriebseigenschaft erfordert eine gewisse Nachhaltigkeit der
Bewirtschaftung. Es muss sich um ein auf Dauer gedachtes und auch lebensfähiges
Unternehmen handeln. Lebensfähigkeit und Nachhaltigkeit setzen dabei ein
Mindestmaß an Umfang landwirtschaftlicher Betätigung voraus.
70
Vgl. BVerwG, 11. April 1986 - 4 C 67.82 -, a.a.O.
71
Eine betriebliche Organisation im vorgenannten Sinne besteht aus sachlichen und
persönlichen Komponenten. Von wesentlicher Bedeutung sind die Betriebsmittel. Sie
müssen so beschaffen sein, dass auf ihrer Basis sachgerecht gewirtschaftet werden
kann. Neben den landwirtschaftlich nutzbaren Flächen müssen auch die für die
jeweilige Bewirtschaftungsform erforderlichen Geräte und Maschinen sowie die zu ihrer
Unterbringung notwendigen baulichen Anlagen vorhanden sein. Wird Tierhaltung
betrieben, sind Ställe, Weideunterstände und Einrichtungen zur Lagerung von Futter
regelmäßig unverzichtbar. Soll ein landwirtschaftlicher Betrieb aufgebaut werden, kann
eine Betriebsausstattung, die der beabsichtigten Betriebsweise nicht gerecht wird, ein
gewichtiges Indiz dafür sein, dass die Ernsthaftigkeit der Betriebsführung zu verneinen
ist.
72
Auch die persönliche Eignung des Betriebsinhabers ist für eine sachgerechte
Betriebsführung unerlässlich. Wenn dieser nicht bereits aus der Landwirtschaft kommt
und mit den erforderlichen Arbeitsweisen - auch im Hinblick auf eine artgerechte
Tierhaltung - vertraut ist, bedarf die Behauptung, einen landwirtschaftlichen Betrieb
führen zu wollen und zu können, hinreichend plausibler Belege. Gerade die nicht
belegte persönliche Eignung für die in Rede stehende Bewirtschaftungsform kann als
ein weiteres Indiz gegen die Ernsthaftigkeit der Betriebsführung sprechen.
73
Vgl. Kuschnerus, Das zulässige Bauvorhaben, 6. Aufl., Bonn 2001, Rdn. 417f.
74
Für die geforderte Nachhaltigkeit des Betriebes ist neben der durch hinreichend große
eigene Flächen langfristig gesicherten Bodennutzung die realistische Möglichkeit der
Gewinnerzielung wesentlich. Allerdings ist nicht stets und in allen Fällen die
Betriebseigenschaft zu verneinen, wenn bisher ein Gewinn nicht erzielt und auch in
absehbarer Zeit nicht zu erzielen ist. Abgesehen von der Gewinnerzielung können
nämlich andere Umstände die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Betriebsführung
indizieren. Besonders der Größe der landwirtschaftlichen Nutzflächen, der Betriebsform
und der Betriebsorganisation, dem aufgewendeten Kapital und von daher auch dem
Bestand an Tieren und Maschinen, ferner der Anzahl der Arbeitnehmer kommt insoweit
indizielle Bedeutung zu. Ferner kann für die Ernsthaftigkeit der landwirtschaftlichen
Betriebsführung ein maßgeblicher Anhaltspunkt sein, dass im konkreten Fall allein die
landwirtschaftliche Nutzung im Vordergrund steht, nicht aber der Wunsch, im
Außenbereich zu wohnen.
75
Vgl. BVerwG, 11. April 1986 - 4 C 67.82 -, a.a.O. Ob im Einzelfall die
Betriebseigenschaft zu bejahen ist, hängt letztlich von einer umfassenden Würdigung
der konkreten Umstände ab. Dabei können sich nega-tive Anzeichen, die gegen die
Annahme einer ernsthaften landwirtschaftlichen Betätigung sprechen, ebenso
wechselseitig verstärken, wie einzelne Komponenten, die indizielle Bedeutung für eine
ernsthafte und nachhaltige Bewirtschaftung haben, in ihrer Gesamtschau letztlich die
Anerkennung der Betriebseigenschaft gebieten können.
76
Vgl. Kuschnerus, a.a.O., Rdn. 424.
77
Geht es um die Zuerkennung der Betriebseigenschaft für Nebenerwerbsstellen, sind
strenge Anforderungen zu stellen, um Missbrauch zu begegnen.
78
Vgl. BVerwG, 11. April 1986 - 4 C 67.82 -, a.a.O.
79
Nach allem ist die Tierhaltung des Klägers unter Berücksichtigung der vorstehenden
Grundsätze nicht als landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb zu qualifizieren, wobei
die Frage, ob die Tierhaltung auf überwiegend eigener Futtergrundlage erfolgt und somit
überhaupt eine unmittelbare Bodenertragsnutzung darstellt, nicht entschieden zu
werden braucht. Der Senat unterstellt die - allerdings durch nichts belegten - Angaben
des Klägers, er habe bis 1998 jährlich etwa 40 Gänse, 20 Enten und 20 Puten sowie
durchschnittlich 10 Mutterschafe gehalten und 10 Lämmer schlachtreif aufgezogen, das
Geflügel und die Lämmer geschlachtet und das Schlachtfleisch an private Kunden
verkauft, als wahr. Es mag zudem offen bleiben, ob der Kläger - was dieser ebenso
wenig belegt hat - mit dem Verkauf des Schlachtfleisches tatsächlich einen jährlichen
Gewinn von damals 7.000 bis 10.000 DM erzielt hat. Der Umstand allein, dass mit der
Tierhaltung möglicherweise ein spürbarer Gewinn hat erzielt werden können, rechtfertigt
nämlich hier die Anerkennung der Betriebseigenschaft nicht. Der behaupteten
Gewinnerzielungsmöglichkeit auf der einen Seite stehen auf der anderen Seite
gewichtige Indizien gegenüber, die im Hinblick auf die Betriebsorganisation sowie die
Lebensfähigkeit und Nachhaltigkeit gegen die Betriebseigenschaft sprechen. Was
sächliche Betriebsmittel angeht, hat der Kläger weder eigene Maschinen angeschafft
noch - abgesehen von dem Gebäude, das umgenutzt werden soll - betriebsbezogene
bauliche Anlagen errichtet. Die persönliche Eignung des Klägers, der von Beruf
Stuckateurmeister ist und zuletzt als Kraftfahrer gearbeitet hat, ist - was die
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sachgerechte Haltung und Schlachtung von Tieren betrifft - in keiner Weise
nachgewiesen. Auch im Übrigen fehlt es offenbar an den einfachsten organisatorischen
Strukturen. So verzichtet der Kläger augenscheinlich auf jede Art der Buchführung, denn
er konnte trotz Aufforderung durch den Senat weder für seine Betriebsausgaben noch
seine Betriebseinnahmen detaillierte Angaben machen oder gar Rechnungen vorlegen.
Ein klares Konzept für die Vermarktung und den Absatz der erzeugten Produkte ist nicht
zu erkennen. Der Verkauf des Schlachtfleisches scheint eher auf Zufälligkeiten zu
basieren. Mit einem seriösen Betrieb, der auf Dauer angelegt sein soll, ist es zudem
nicht zu vereinbaren, dass Einkünfte aus der Landwirtschaft bei der Steuererklärung des
Betriebsinhabers nicht angegeben werden. Für die Nachhaltigkeit des Betriebes streitet
nichts. Die für die Landwirtschaft zur Verfügung stehende Nutzfläche von weniger als 2
ha, die darüber hinaus im Miteigentum des Herrn I. steht, bietet ob ihrer vergleichsweise
geringen Größe keine Gewähr für einen dauerhaften Betrieb. Über angestellte
Arbeitskräfte verfügt der Kläger nicht. Er bedient sich vielmehr der nicht entlohnten Hilfe
von Verwandten und Bekannten. Der für die Tierhaltung aufgewandte Kapitaleinsatz ist
- abgesehen von der Finanzierung des Gebäudes, das umgenutzt werden soll - gleich
Null. Gerade der Kapitalaufwand für dieses Gebäude weckt durchgreifende Zweifel an
der Lebensfähigkeit des Nebenerwerbs. Im Bauantrag sind die Baukosten mit 180.000
DM angegeben. Selbst wenn die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung
zutreffen sollten, er habe das Gebäude weitgehend eigenhändig errichtet, dürften
jedenfalls die angefallenen Materialkosten einen Finanzierungsaufwand erfordern, der -
soweit er über die Betriebseinnahmen gedeckt werden müsste - die finanziellen
Spielräume des Betriebs über viele Jahre derart einengen würde, dass
unvorhergesehene Ereignisse wie eine längere Erkrankung des Betriebsinhabers,
kurzfristige Absatzschwierigkeiten oder ein krankheitsbedingter Totalverlust des
Tierbestandes aus Betriebsmitteln kaum aufgefangen werden könnten. Ein vernünftiger
Landwirt hätte unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten eine solche Investition
nicht getätigt.
Dementsprechend hat die Landwirtschaftskammer in ihrer letzten Stellungnahme vom 2.
April 1998 ausgeführt, die Flächenausstattung, der Tierbestand und die vorhandenen
Gebäude ließen keine auf Dauer und Gewinnerzielung ausgerichtete Landwirtschaft zu.
Es handele sich nicht um einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb, der nach §
35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB in Verbindung mit § 201 BauGB zu beurteilen sei.
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Soweit die Landwirtschaftskammer in früheren Stellungnahmen die gegenteilige
Auffassung vertreten hat, beruhte diese auf den damaligen Angaben des Klägers zum
Umfang der von ihm geplanten Tierhaltung. Im April 1986 war zunächst von 20 bis 50
Legehennen, 50 Enten und 50 Gänsen die Rede. Die Zahl dieser Tiere sollte erhöht und
außerdem Mutterschafe gehalten werden. Im November 1988 war sogar die Haltung von
14 Mutterschafen mit Lämmern, 100 Puten, 70 Gänsen, 45 Enten und 50 Legehennen
angedacht. Einschließlich des Verkaufs von Eiern sollte sich daraus ein Gewinn von
knapp 10.000 DM erzielen lassen. Im Juli 1991 hieß es dann, der Kläger habe
zusätzlich 1,5 ha Land gepachtet und wolle den Bestand an Mutterschafen auf 20
erhöhen.
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Der Senat ist davon überzeugt, dass die Angaben gegenüber der
Landwirtschaftskammer allein den Zweck verfolgten, das Vorliegen der
Voraussetzungen für die landwirtschaftliche Privilegierung eines Gebäudes
vorzutäuschen, das von vornherein als Wohngebäude geplant war. Für diese Annahme
spricht schon die massive Bauweise und die äußere Gestaltung des Gebäudes, das in
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einer Art und Weise mit Fenstern ausgestattet ist, die für ein Stallgebäude mit Heuboden
absolut unüblich ist. Für die Annahme sprechen zudem die hohen Herstellungskosten,
die in keinem Verhältnis zum Ertrag der angeblich beabsichtigten Nutzung stehen.
Schließlich fehlt dem Gebäude, das in den Hang gebaut ist, jegliche Funktionalität für
die vorgegebenen landwirtschaftlichen Zwecke. Beispielsweise ist das mit einem
Drempel von 0,75 m Höhe versehene Dachgeschoss, das zur Lagerung von Getreide
und Rauhfutter dienen sollte, nach den Bauzeichnungen lediglich über eine etwa 1 m
breite innenliegende Treppe zu erreichen.
Hat der Kläger mithin auf dem fraglichen Grundstück zu keiner Zeit einen
landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb geführt, liegen die Voraussetzungen des § 35
Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB nicht vor, denn die Anwendung der Vorschrift setzt zwingend
voraus, dass das zur Umnutzung vorgesehene Objekt bisher tatsächlich als ein einem
landwirtschaftlichen Betrieb dienendes Gebäude genutzt worden ist. Fehlt es daran, so
genügt es nicht, dass die Bauaufsichtsbehörde die bauliche Anlage für eine solche
privilegierte Nutzung genehmigt hat.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Mai 1983 - 4 C 16.79 -, a.a.O.
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Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vertretene gegenteilige Auffassung,
wonach es für die Beantwortung der Frage, ob die bisherige Nutzung des Gebäudes
privilegiert gewesen sei, allein auf die bestandskräftigen, das Gebäude und seine
Nutzung einem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb zuordnenden
Baugenehmigungen dann ankomme, wenn die genehmigte Nutzung aufgenommen
worden sei, teilt der Senat nicht.
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Die ursprüngliche Baugenehmigung vom 24. Mai 1989 und die die Erhöhung des
Drempels betreffende Baugenehmigung vom 30. August 1991 haben jeweils nur die
Errichtung eines Stallgebäudes und damit möglicherweise auch die Nutzung zu
landwirtschaftlichen Zwecken zum Gegenstand. Ob die Genehmigungen auf der
Grundlage des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB oder nach Abs. 2 dieser Vorschrift erteilt
wurden, lässt sich den Bauantragsunterlagen letztlich nicht entnehmen. Es fehlt auch
eine Betriebsbeschreibung, aus der sich ersehen ließe, dass die Genehmigungen auf
eine bestimmte Betriebsform und/oder einen bestimmten Betriebsumfang bezogen sind.
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Die Genehmigung eines nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten Vorhabens stellt
das Vorhandensein des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, dem das Vorhaben
dienen soll, regelmäßig nicht fest, sondern setzt es lediglich voraus. Soll der Betrieb erst
aufgebaut werden, ergeht die Genehmigung im Vorgriff auf die spätere
Betriebsaufnahme. Die Genehmigung beruht in einem solchen Fall, was die
Übereinstimmung des Vorhabens mit § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB angeht, auf einer
Prognose, sodass die Feststellungswirkung der Genehmigung entsprechend
eingeschränkt ist. Bleibt die Betriebsaufnahme letztlich aus, weil beispiels-weise der
Umfang der tatsächlich aufgenommenen land- oder forstwirtschaftlichen Betätigung -
wie hier - hinter dem zurückbleibt, was nach den Angaben des Bauherrn im
Baugenehmigungsverfahren beabsichtigt war, und deshalb die Betriebseigenschaft im
Hinblick auf diese land- oder forstwirtschaftliche Betätigung zu verneinen ist, kann eine
Nutzung, die sich formal im Rahmen der Baugenehmigung hält, nicht als privilegiert
gelten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Art der Nutzung - hier Tierhaltung und
Lagerung von Futtermitteln - nicht das für die Annahme einer Privilegierung nach § 35
Abs. 1 Satz 1 BauGB alleinige Kriterium darstellt. Das konkret genehmigte Vorhaben
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muss dem künftigen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb "dienen", was unter
anderem bedeutet, dass sowohl der Umfang des Vorhabens als auch der Umfang des
Betriebs von maßgeblicher Bedeutung sind. Aus den im Baugenehmigungsverfahren
abgegebenen Stellung-nahmen der Landwirtschaftskammer vom 23. November 1988
und vom 30. Juli 1991 geht hervor, dass ein den Baugenehmigungen vom 24. Mai 1989
und 30. August 1991 entsprechendes Vorhaben allenfalls dann als privilegiert
angesehen werden könnte, wenn es einer Tierhaltung in dem von der Landwirtschafts-
kammer angegebenen Umfang dienen würde, die der Kläger aber - wie oben ausgeführt
- niemals aufgenommen hat.
Daraus folgt im vorliegenden Fall, dass das konkret als Stallgebäude genehmigte
Vorhaben zwar als solches Bestandsschutz genießt und entsprechend genutzt werden
darf, es aber zu keiner Zeit im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 BauGB privilegiert genutzt
worden ist. Ob der Kläger das noch nicht endgültig fertiggestellte Bauwerk bereits zur
Unterbringung und Schlachtung von Tieren sowie zur Lagerung von Futtermitteln
genutzt hat, bevor er mit der Bauvoranfrage vom 2. März 1995 erstmals äußerte, die
Tierhaltung aufgeben zu wollen, ist nach den vorstehenden Ausführungen für die hier zu
treffende Entscheidung unerheblich, da eine solche Nutzung - sollte sie überhaupt
stattgefunden haben - jedenfalls nicht privilegiert gewesen ist.
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Der geltend gemachte Anspruch lässt sich schließlich auch nicht aus
Bestandsschutzerwägungen herleiten. Einen Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens
aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz gibt es außerhalb der gesetzlichen
Regelungen nicht. Der Gesetzgeber hat in § 35 BauGB für Vorhaben im Außenbereich
eine Regelung geschaffen, die danach differenziert, ob es sich um ein privilegiertes
Vorhaben im Sinne des Abs. 1, ein sonstiges Vorhaben im Sinne des Abs. 2 oder ein
begünstigtes Vorhaben im Sinne des Abs. 4 handelt. Damit hat er für die bauliche
Nutzung des Außenbereichs eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art.
14 Abs. 1 Satz 2 GG getroffen. Sind die in § 35 BauGB genannten
Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt, so scheidet Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als
Grundlage für einen Zulassungsanspruch von vornherein aus.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1998 - 4 C 10.97 -, BRS 60 Nr. 98.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung
mit §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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