Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.03.2000

OVG NRW: geschäftsführung ohne auftrag, kostenregelung, ausländer, sozialhilfe, abschiebung, leistungsklage, duldung, aussetzung, verwaltungsakt, rechtshängigkeit

Oberverwaltungsgericht NRW, 15 A 88/97
Datum:
28.03.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 A 88/97
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 8 K 2618/95
Tenor:
Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Mit Schreiben vom 18. Juli 1994 beantragte der Kläger bei der Beklagten zu 2) die
Erstattung seiner Aufwendungen in Höhe von 11.941.539,77 DM für Leistungen, die er
im 1. Halbjahr 1994 nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vom 30. Juni
1993 (BGBl. I S. 1074) und nach § 120 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) an
diejenigen Ausländergruppen erbracht hatte, die in § 6 Abs. 4 des Gesetzes über die
Zuweisung und Aufnahme ausländischer Flüchtlinge (Flüchtlingsaufnahmegesetz -
FlüAG 1993) in der Fassung des Dritten Änderungsgesetzes vom 25. März 1993 (GV
NRW, S. 102) genannt sind. In dem genannten Betrag waren Aufwendungen in Höhe
von 1.154.027,78 DM enthalten, die der Kläger an Ausländer geleistet hatte, die im
Besitz einer Duldung nach § 55 AuslG waren (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG). Überwiegend
handelte es sich hierbei um Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien.
2
In der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Verfügung vom 26.
September 1994 teilte die Beklagte zu 2) dem Kläger mit, sie könne dem
Erstattungsantrag nicht in voller Höhe entsprechen. Der Teilbetrag in Höhe von
1.154.027,78 DM sei nicht erstattungsfähig, weil die geplante gesetzliche Regelung zur
Durchführung des AsylbLG, in der insbesondere auch die Art und die Höhe der
Beteiligung des Beklagten zu 1) an den Leistungen nach dem AsylbLG festgelegt
werden solle, noch nicht erfolgt sei. Die derzeit noch geltende Erstattungsregelung in §
3
6 Abs. 4 FlüAG 1993 erfasse den Personenkreis der Bürgerkriegsflüchtlinge nicht. Unter
dem 28. Oktober 1994 informierte die Beklagte zu 2) den Kläger darüber, dass sie
seinen Erstattungsantrag dem Innenministerium zur Kenntnisnahme vorgelegt habe.
Mit seinem am 28. November 1994 erhobenen "Widerspruch" machte der Kläger
geltend, § 6 Abs. 4 FlüAG 1993 könne nach dem Inkrafttreten des AsylbLG als
Rechtsgrundlage für die Landeserstattung keinen Bestand mehr haben. Seine
Haushalts- und Finanzwirtschaft lasse eine Vorfinanzierung der Ausgaben für
Bürgerkriegsflüchtlinge nicht zu. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte eingeschränkte
Erstattung dieser Kosten erst ab 1. Januar 1995 sei nicht nachvollziehbar.
4
Die Beklagte zu 2) fasste die Eingabe des Klägers als Widerspruch gegen seine
"Verfügungen" vom 26. September 1994 und vom 28. Oktober 1994 auf und wies diesen
durch Widerspruchsbescheid vom 19. April 1995 zurück. Zur Begründung führte sie aus,
§ 6 Abs. 4 FlüAG 1993 sei durch das AsylbLG nicht unwirksam geworden. Das AsylbLG
enthalte keine Anspruchsgrundlage, auf die ein Erstattungsanspruch gestützt werden
könne. Auch durch die Verordnung zur vorläufigen Regelung der Zuständigkeit nach
dem AsylbLG (I. AsylbLG- VZustVO) vom 5. Oktober 1993 (GV NRW S. 716) und die
gleichnamige Verordnung (II. AsylbLG-VZustVO) 23. November 1993 (GV NRW S. 985)
sei die Landeserstattung nicht geändert worden.
5
Der Kläger hat am 17. Mai 1995 Klage erhoben und geltend gemacht, die Übertragung
der Zuständigkeit für die Durchführung des AsylbLG auf die Sozialhilfeträger, die die
Landesregierung durch die I. und II. AsylbLG-VZustVO vorgenommen habe, sei nichtig,
weil sie ohne Kostenregelung erfolgt sei. Es habe sich dabei um die Übertragung einer
neuen Pflichtaufgabe gehandelt, weil das AsylbLG nicht, wie die Gewährung von
Sozialhilfe, Aufgabe der Daseinsvorsorge sei, sondern im Kern eine Regelung des
Aufenthalts- und Niederlassungsrechts von Ausländern darstelle. Bis zum Inkrafttreten
einer Kostenregelung habe er im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung
ohne Auftrag tätig werden müssen, für die er nun Aufwendungsersatz analog §§ 670,
683 BGB verlange. Da sich der Beklagte zu 1) in § 3 II. AsylbLG-VZustVO eine
Kostenregelung bewusst vorbehalten habe, sei die zusätzliche finanzielle Last der
Kreise auch nicht im Finanzausgleich berücksichtigt worden. Auch in der
Übergangsregelung des Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung des
Asylbewerberleistungsgesetzes (AG AsylbLG), Viertes Gesetz zur Änderung des FlüAG
und Zweites Gesetz zur Änderung des Landesaufnahmegesetzes (ArtG) vom 29.
November 1994 (GV NRW S. 1087) sei ein Erstattungsanspruch für Leistungen an
Bürgerkriegsflüchtlinge erst ab dem 1. Januar 1995 vorgesehen. Die Wahl dieses
Zeitpunktes sei willkürlich. Der Beklagte zu 1) habe, da er die Kreise für das Jahr 1994
zur Aufnahme und Versorgung der Bürgerkriegsflüchtlinge verpflichtet habe, auch für
den notwendigen finanziellen Ausgleich sorgen müssen. Außerdem sei nicht
einzusehen, weshalb Art. 4 Nr. 1 ArtG nur für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina
gelte und nicht auch für andere geduldete Ausländer. Die entstandene Belastung habe
einen Anteil am Kreishaushalt 1994 erreicht, der im Hinblick auf die finanzielle
Mindestaustattung bedenklich sei. Bei einem Verwaltungshaushalt von insgesamt
379.852.929,00 DM hätten die Nettoaufwendungen für Bürgerkriegsflüchtlinge im
Kalenderjahr 1994 etwa 2.917.000,00 DM betragen. Trotz einschneidender
Sparmaßnahmen und äußerster Haushaltsdisziplin habe für 1995 erstmalig ein
Haushaltssicherungskonzept aufgestellt werden müssen.
6
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
7
die Beklagte zu 2) unter teilweiser Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 26.
September 1994 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Oktober 1994 und
des Widerspruchsbescheides vom 19. April 1995 zu verpflichten, an ihn 1.154.027,00
DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
8
Die Beklagte zu 2) hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, es liege keine Geschäftsführung ohne Auftrag vor, weil
die Aufgabe der Durchführung des AsylbLG dem Kläger wirksam zugewiesen gewesen
sei. Dabei habe es sich nicht um eine inhaltlich neue Aufgabe gehandelt, sondern
lediglich um veränderte Modalitäten der Leistungsgewährung.
11
Durch Urteil vom 12. November 1996, dem Kläger zugestellt am 11. Dezember 1996,
hat das Verwaltungsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, bei den
Aufgaben nach dem AsylbLG habe es sich nicht um neue Aufgaben für die Kreise und
kreisfreien Städte gehandelt.
12
Mit der am 21. Dezember 1996 eingelegten Berufung nimmt der Kläger im Wesentlichen
auf das Urteil des VerfGH NRW vom 9. Dezember 1996 Bezug und macht ergänzend
geltend, auch bei der Nichtberücksichtigung der Bürgerkriegsflüchtlinge für das Jahr
1994 handele es sich um eine willkürliche Regelung in dem vom Gesetzgeber selbst
gewählten Erstattungssystem. Wenn schon die Halbierung der Kostenpauschale für die
Zeit ab 1995 verfassungswidrig sei, so müsse dies erst recht für den vollständigen
Ausschluss von der Erstattung im Zeitraum davor gelten.
13
Der Kläger beantragt,
14
unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten zu 1) unter teilweiser
Aufhebung des Erstattungsbescheides vom 26. September 1994 sowie unter Aufhebung
des Bescheides vom 28. Oktober 1994 und des Widerspruchsbescheides vom 19. April
1995 der Beklagten zu 2) zu verurteilen, an ihn 1.154.027,00 DM nebst 4 % Zinsen seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
15
Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie des Verwaltungsvorgangs der Beklagten zu 2) Bezug genommen.
18
Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.
20
Für das Erstattungsbegehren des Klägers ist entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts nicht die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO die statthafte
Klageart, sondern vielmehr die allgemeine Leistungsklage. Denn üblicherweise erlässt
21
die Beklagte zu 2) auf Erstattungsanträge nach § 6 Abs. 4 FlüAG 1993 keinen
Erstattungsbescheid, sondern sie zahlt unter bloßer Mitteilung des Erstattungsbetrags.
OVG NRW, Beschluss vom 4. August 1997 - 15 A 2557/94 -, S. 7 des
Beschlussabdrucks.
22
Darin unterscheidet sich die übliche Verwaltungshandhabung von derjenigen bei der
Erstattung von Unterhaltungsaufwendungen für Übergangsheime nach § 6 Abs. 2
FlüAG 1984, die die Beklagte zu 2) im Rahmen der ihr durch § 6 Abs. 6 FlüAG 1984 in
Verbindung mit Nr. 2.4 der Verwaltungsvorschriften zu § 6 FlüAG (VV FlüAG)
(Runderlass des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-
Westfalen vom 15. September 1986 - II C 4 - 9060, MBl. NW. 1986, S. 1522)
deklaratorisch zugewiesenen Zuständigkeit durch Verwaltungsakt festsetzt (Art. 77 Satz
1 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, § 8 Abs. 2 des
Landesorganisationsgesetzes (LOG) vom 10. Juli 1962 (GV. NRW. S. 421), zuletzt
geändert durch Gesetz vom 19. März 1996 (GV. NRW. S. 136)).
23
OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 1992 - 15 A 2276/89 -, OVGE 42, 260 (262) =
NWVBl. 1992, 283 = DÖV 1992, 835 = ZKF 1992, 203.
24
Daneben ist für das Begehren des Klägers der gesonderte Anfechtungsantrag statthaft,
weil die Beklagte zu 2) die schlichthoheitlich geäußerte Ablehnung des
Zahlungsantrags vom 26. September 1994 und vom 28. Oktober 1994 mit Erlass des
Widerspruchsbescheids in einen ablehnenden Verwaltungsakt umgewandelt hat, der
anderenfalls bestandskräftig würde.
25
Vgl. auch hierzu OVG NRW, Beschluss vom 4. August 1997 - 15 A 2557/94 -, S. 7 ff. des
Beschlussabdrucks.
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Richtiger Klagegegner ist für die allgemeine Leistungsklage nach allgemeinen
Grundsätzen (Rechtsträgerschaft) der Beklagte zu 1), für die Anfechtungsklage nach §
78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Satz 1 AG VwGO NRW die Beklagte
zu 2).
27
Die allgemeine Leistungsklage ist nicht begründet. Dem Kläger steht, wie das
Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht festgestellt hat, ein Anspruch auf Ersatz seiner
Aufwendungen für die im 1. Halbjahr 1994 nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG in Verbindung
mit § 120 BSHG erbrachten Leistungen an geduldete Ausländer in Höhe von
1.154.027,00 DM nicht zu. Er ergibt sich weder aus § 6 Abs. 4 FlüAG 1993 noch aus
späteren Änderungen des FlüAG noch aus einer analogen Anwendung der §§ 683 Satz
1, 670 BGB (Geschäftsführung ohne Auftrag). Der Beklagte zu 1) ist schließlich auch
nicht nach Art. 78 Abs. 3 LV verpflichtet, eine Kostenerstattungsregelung
herbeizuführen, die den vom Kläger geltend gemachten Anspruch deckt.
28
Ein Anspruch nach § 6 Abs. 4 FlüAG 1993 besteht nicht. Nach dieser Vorschrift
erstattete der Beklagte zu 1) den Trägern der Sozialhilfe die Aufwendungen für die Hilfe
des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen nur für die in § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 FlüAG
1993 bezeichneten Flüchtlingsgruppen, also für Asylbewerber (Nr. 1), sog.
Kontingentflüchtlinge (Nr. 2) und übernommene Ausländer nach § 33 AuslG (Nr. 3).
Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, die eine Duldung nach den §§ 54, 55 AuslG
besaßen, gehörten nicht dazu.
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Auch durch das Gesetz zur Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AG
AsylbLG), Viertes Gesetz zur Änderung des FlüAG und Zweites Gesetz zur Änderung
des Landesaufnahmegesetzes (ArtG) vom 29. November 1994 (GV. NRW. S. 1087), mit
dem der Gesetzgeber die Kostenerstattung an die Kommunen für die
Leistungsgewährung an ausländische Flüchtlinge umfassend neu geregelt hat, ist ein
Erstattungsanspruch für den hier in Rede stehenden Personenkreis nicht rückwirkend
für das 1. Halbjahr 1994 begründet worden. § 2 FlüAG in der durch Art. 2 ArtG
geänderten Fassung (FlüAG 1995), der in Nr. 6 auch die Kriegs- und
Bürgerkriegsflüchtlinge erfasst, deren Abschiebung aufgrund einer ab dem 1. Januar
1995 getroffenen Anordnung nach § 54 AuslG ausgesetzt worden ist, regelt die im 1.
Halbjahr 1994 erbrachten Leistungen an diesen Personenkreis nicht, weil die Vorschrift
erst zum 1. Januar 1995 in Kraft getreten ist (Art. 6 ArtG).
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Die Übergangsregelungen in Art. 4 ArtG enthalten für Leistungen, die im 1. Halbjahr
1994 erbracht wurden, ebenfalls keine Anspruchsgrundlage. Art. 4 Nr. 1 Satz 1 ArtG
erweitert lediglich den durch § 2 Nr. 6 FlüAG 1995 begünstigten Personenkreis auf
diejenigen Flüchtlinge aus Bosnien- Herzegowina, für die vor dem 1. Januar 1995 die
Aussetzung der Abschiebung nach § 54 AuslG angeordnet worden ist. Ein
Erstattungsanspruch wird auch für diesen Personenkreis jedoch nur für die vom 1.
Januar 1995 an erbrachten Leistungen begründet (Art. 4 Nr. 1 Satz 2 ArtG). Ebenso
wenig enthält Art. 4 Nr. 2 ArtG eine eigenständige Anspruchsgrundlage für die im 1.
Halbjahr 1994 erbrachten Leistungen. Nach dieser Vorschrift können Ansprüche auf
Erstattung der vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1994 entstandenen
Aufwendungen nur bis zum 1. Juni 1995 geltend gemacht werden. Die Bestimmung
begründet keine Ansprüche, sondern setzt deren Bestehen nach altem Recht voraus.
Für diese Ansprüche setzt sie eine Anmeldefrist, um die Abrechnungsverfahren zügig
zum Abschluss zu bringen.
31
LT-Drucks. 11/7319, S. 28.
32
Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergibt sich ferner nicht aus den Regeln der
auch im öffentlichen Recht anwendbaren Geschäftsführung ohne Auftrag analog §§ 683
Satz 1, 670 BGB.
33
Zur Anwendbarkeit vgl. BVerwG, Urteil vom 6. September 1988 - 4 C 5.86 -, BVerwGE
80, 170 (172).
34
Nach diesen Vorschriften hat derjenige, der ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
ein Geschäft für einen anderen besorgt, Anspruch auf Ersatz derjenigen Aufwendungen,
die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, sofern die Übernahme der
Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des
Geschäftsherrn entspricht. Hier fehlt es bereits an einer Geschäftsbesorgung für einen
anderen. Denn der Kläger hat mit der Gewährung von Leistungen nach dem BSHG und
dem AsylbLG nicht ein Geschäft des Beklagten zu 1), sondern ein eigenes Geschäft
besorgt. Seine Zuständigkeit für die Wahrnehmung der Aufgaben nach dem AsylbLG
ergab sich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, im hier
streitgegenständlichen Zeitraum aus § 1 Abs. 1 Satz 1 II. AsylbLG-VZustVO, §§ 96 Abs.
1 Satz 1, 99 BSHG.
35
Die Aufgabenübertragungsnorm des § 1 Abs. 1 Satz 1 II. AsylbLG-VZustVO, die am 29.
36
Dezember 1993, dem Tag nach der Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für
das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Dezember 1993 in Kraft trat (§ 4 II. AsylbLG-
VZustVO) und mit dem Inkrafttreten des ArtG am 1. Januar 1995 durch die
Aufgabenübertragung an die Gemeinden in § 1 Abs. 1 Satz 1 AG AsylbLG abgelöst
wurde (Art. 6 ArtG), war wirksam.
Der Beklagte zu 1) konnte den Kreisen und kreisfreien Städten die Wahrnehmung der
Aufgaben nach dem AsylbLG durch Rechtsverordnung übertragen. Eines förmlichen
Landesgesetzes bedurfte es hierzu nicht. Ob landesrechtliche Vorschriften wie etwa der
vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang herangezogene § 2 Abs. 2 Satz 2
der Kreisordnung (KrO 1984) für das Land Nordrhein-Westfalen, zuletzt geändert durch
Gesetz vom 7. März 1990 (GV. NRW. S. 141), die Zuweisung neuer Pflichtaufgaben an
die Kreise und kreisfreien Städte an ein förmliches Gesetz knüpften und ob es sich bei
der Aufgabenübertragung nach § 1 I. AsylbLG-VZustVO um die Zuweisung "neuer"
Pflichtaufgaben in diesem Sinn handelte, spielt dafür keine Rolle. Denn die Befugnis
des Beklagten zu 1), den Kreisen und kreisfreien Städten die Wahrnehmung der
Aufgaben nach dem AsylbLG durch Rechtsverordnung zu übertragen, ergibt sich aus
der bundesrechtlichen Bestimmung des § 10 AsylbLG, wonach "die
Landesregierungen" die Behördenzuständigkeit und die Kostenträgerschaft festlegen.
Mit dieser Formulierung ist ausdrücklich bestimmt, dass ein Vorbehalt des förmlichen
Landesgesetzes für die Bestimmung der Behördenzuständigkeit zur Durchführung des
AsylbLG nicht bestehen soll. Diese bundesrechtliche Regelung geht allen
landesrechtlichen Normen, aus denen sich ein derartiger Gesetzesvorbehalt
möglicherweise ergibt, vor (Art. 31 GG). Es ist auch bundesverfassungsrechtlich
unbedenklich, dass der Bund auf die Bestimmung der Behördenzuständigkeiten durch
die Länder einwirkt, denn nach Art. 84 Abs. 1 GG regeln die Länder die Einrichtung der
Behörden (dazu gehört auch die Bestimmung ihrer Zuständigkeiten) nur, soweit nicht
Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. § 10
AsylbLG ist ein solches mit Zustimmung des Bundesrates beschlossenes
Bundesgesetz.
37
§ 1 Abs. 1 Satz 1 II. AsylbLG-VZustVO war auch nicht deshalb unwirksam, weil es an
einer nach Art. 78 Abs. 3 LV erforderlichen Kostendeckungsregelung gefehlt hätte. Nach
Art. 78 Abs. 3 LV kann der Beklagte zu 1) die Gemeinden und Gemeindeverbände durch
gesetzliche Vorschriften zur Übernahme und Durchführung bestimmter öffentlicher
Aufgaben verpflichten, wenn gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten
getroffen werden. Diese Verfassungsnorm kann nicht die Unwirksamkeit des § 1 Abs. 1
Satz 1 II. AsylbLG-VZustVO zur Folge haben. Das gilt unabhängig davon, ob § 1 Abs. 1
Satz 1 II. AsylbLG-VZustVO eine Aufgabenübertragungsnorm war, die eine
Kostendeckungsregelung nach Art. 78 Abs. 3 LV erforderlich machte, welche
Vorschriften gegebenenfalls als Kostendeckungsregelungen zur Ergänzung dieser
Aufgabenübertragungsnorm in Betracht zu ziehen sind (§ 3 II. AsylbLG-VZustVO, § 6
Abs. 4 FlüAG 1983 oder Art. 4 Nr. 1 ArtG), und ob diese jeweils den weiteren
Anforderungen des Art. 78 Abs. 3 LV genügten.
38
Von der Beantwortung dieser Fragen hängt die Wirksamkeit des § 1 Abs. 1 Satz 1 II.
AsylbLG-VZustVO und damit die Zuständigkeit des Klägers für die Wahrnehmung der
Aufgaben nach dem AsylbLG nicht ab. Diese Aufgabenübertragungsnorm ist vielmehr
selbst dann wirksam und die Zuständigkeit des Klägers folglich selbst dann zu bejahen,
wenn der Beklagte zu 1) im Zusammenhang mit dieser Aufgabenzuweisung gegen Art.
78 Abs. 3 LV verstoßen hätte. Wird nämlich eine Kostendeckungsbestimmung den
39
Anforderungen des Art. 78 Abs. 3 LV nicht gerecht, so erfasst dieser Verfassungsverstoß
nicht zugleich auch diejenigen Vorschriften, mit denen der Gesetzgeber der Kommune
die in Rede stehende Aufgabe übertragen hat.
So zum rheinland-pfälzischen Landesverfassungsrecht VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil
vom 18. März 1992 - VGH 2/91 -, DVBl. 1992, 981 = DÖV 1992, 706; offen gelassen von
VerfGH NRW, Urteil vom 22. September 1992 - VerfGH 3/91 -, OVGE 43, 216 (227) =
NWVBl. 1993, 7 (11); OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 1987 - 15 A 1032/84 -, NVwZ
1988, 77 (78).
40
Das ergibt sich zum einen aus der Bedeutung des Gleichzeitigkeitsmerkmals in Art. 78
Abs. 3 LV. Dieses Merkmal verlangt nach der Rechtsprechung des VerfGH NRW kein
Junktim in dem Sinn, dass die Kostenregelung in demselben Gesetz enthalten sein
muss, das eine Aufgabenübertragung enthält. Der durch das Wort "gleichzeitig"
geforderte zeitliche Zusammenhang zwischen der Verpflichtung zur
Aufgabenübernahme und -durchführung einerseits und der Kostenregelung andererseits
ist vielmehr regelmäßig auch dann gewahrt, wenn die Kostenregelung in dem auf die
Aufgabenübertragung folgenden Finanzausgleichsgesetz erfolgt, das in Nordrhein-
Westfalen jährlich neu erlassen wird.
41
VerfGH NRW, Urteil vom 15. Februar 1985 - VerfGH 17/83 -, OVGE 38, 301 (303 f.) =
NVwZ 1985, 820; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch
veranlasste kommunale Aufgaben, S. 169.
42
Ist es hiernach verfassungsrechtlich nicht schlechthin unzulässig, den Gemeinden und
Gemeindeverbänden eine bestimmte Aufgabe zu übertragen, ohne die Kostendeckung
zeitgleich, also durch ein vorher oder am selben Tag in Kraft tretendes Gesetz zu regeln,
so folgt daraus, dass die Wirksamkeit der Aufgabenübertragungsnorm nicht von der
Existenz und erst recht nicht von der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung über die
Kostendeckung abhängen kann.
43
Abgesehen davon wäre eine derartige Rechtsfolge, wie der Senat bereits in seinem
vorstehend zitierten Urteil vom 30. Januar 1987 angedeutet hat, mit dem Prinzip der
Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren. Die dazu gehörende Funktionsfähigkeit der
öffentlichen Verwaltung hängt maßgeblich von der Gültigkeit und von der Einhaltung der
zur Zuständigkeitsordnung zählenden Normen ab. Hätte ein Verstoß gegen Art. 78 Abs.
3 LV nicht nur die Verfassungswidrigkeit der Kostenregelung, sondern zugleich auch die
Verfassungswidrigkeit der Aufgabenübertragungsnorm zur Folge, wären alle
Verwaltungsentscheidungen, die die mit der Wahrnehmung der (vielfach
unaufschiebbar wichtigen) Aufgabe betraute Behörde trifft, allein aus diesem Grund
anfechtbar. Eine so weitgehende Rechtsfolge wird auch durch den Zweck des Art. 78
Abs. 3 LV weder gefordert noch gerechtfertigt. Ihr Sinn besteht darin, den kommunalen
Gebietskörperschaften die finanzielle Grundlage für eine ausreichende,
eigenverantwortliche Selbstverwaltungstätigkeit zu erhalten. Die Gemeinden und
Gemeindeverbände können ihre Aufgaben im eigenen und im übertragenen
Wirkungskreis nur erfüllen, wenn sie über die notwendigen Finanzmittel verfügen. Art.
78 Abs. 3 LV will verhindern, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände infolge einer
Überlastung mit Pflichtaufgaben ihre freiwilligen Aufgaben vernachlässigen müssen.
Dieser Zweck des Art. 78 Abs. 3 LV fordert im Fall seiner Nichtbeachtung durch den
Gesetzgeber keinen Durchgriff auf die Aufgabenübertragungsnorm in dem Sinn, dass
diese ebenfalls verfassungswidrig wird. Ihm ist vielmehr ebenso genügt, wenn das
44
verfassungswidrige Finanzausgleichsgesetz durch ein verfassungsgemäßes ersetzt
wird.
OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 1987 - 15 A 1032/84 -, NVwZ 1988, 77 (78).
45
Der hiergegen angedeutete Einwand, die Kommunen stünden zumindest zeitweise
weithin schutzlos da, wenn ein Verstoß gegen Art. 78 Abs. 3 LV die
Aufgabenübertragung unberührt lasse,
46
Schoch/Wieland, Gutachten vom 12. Dezember 1995 zur verfassungsrechtlichen
Überprüfung des ArtG, S. 60,
47
überzeugt angesichts der Rechtsschutzmöglichkeiten der Kommunen vor dem VerfGH
NRW nicht. Ebenso wenig lässt sich ein abweichendes Ergebnis dadurch rechtfertigen,
dass man der LV unter Hinweis auf die aufgabenakzessorische Kostenerstattungspflicht
in Art. 78 Abs. 3 LV eine dualistische kommunale Finanzgarantie zuschreibt und sie in
diesem Punkt in Gegensatz zu anders strukturierten Finanzgarantien anderer
Bundesländer stellt.
48
Schoch/Wieland, Gutachten vom 12. Dezember 1995 zur verfassungsrechtlichen
Überprüfung des ArtG, S. 60.
49
Denn auf die Frage, welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen Art. 78 Abs. 3 LV nach sich
zieht, hat diese Charakterisierung keinen Einfluss. Auch dann, wenn der Gesetzgeber
sich dafür entscheidet, einer Aufgabenübertragung durch eine Kostendeckungsregelung
im nächstfolgenden Gemeindefinanzierungsgesetz Rechnung zu tragen, und er dabei
gegen Art. 78 Abs. 3 LV verstoßen sollte, führt dieser Verfassungsverstoß aus den oben
dargelegten Gründen nicht zur Unwirksamkeit der Aufgabenübertragung.
50
Fehlt es hiernach derzeit an einer Anspruchsgrundlage für das Erstattungsbegehren des
Klägers, so ist der Beklagte zu 1) schließlich auch nicht nach Art. 78 Abs. 3 LV
verpflichtet, eine solche Anspruchsgrundlage zu schaffen.
51
Der Senat lässt offen, ob dem Verwaltungsgericht darin zu folgen ist, Art. 78 Abs. 3 LV
greife schon von vornherein deshalb nicht ein, weil der Beklagte zu 1) den Kreisen und
kreisfreien Städten in § 1 I. AsylbLG-VZustVO keine "neue" Pflichtaufgabe übertragen
habe. Immerhin ist der Gesetzgeber selbst davon ausgegangen, aus Anlass des
Inkrafttretens des AsylbLG und der Übertragung dieser Aufgaben an die Kreise und
kreisfreien Städte eine Kostendeckungsregelung im Sinn des Art. 78 Abs. 3 LV treffen
zu müssen.
52
LT-Drucks. 11/7319, S. 1.
53
Auch für die Nachfolgevorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 1 II. AsylbLG-VZustVO, also für den
ab 1. Januar 1995 geltenden § 1 Abs. 1 Satz 1 AG AsylbLG, hat der VerfGH NRW
bereits entschieden, dass es sich hierbei um eine Aufgabenübertragung handelt, die
den Beklagten zu 1) zu einer "gleichzeitigen", nicht notwendig gesonderten
Kostenregelung im Sinn des Art. 78 Abs. 3 LV verpflichtet.
54
VerfGH NRW, Urteil vom 9. Dezember 1996 - VerfGH 11/95, 12/95, 15/95, 34/95 und
37/95 -, NWVBl. 1997, 129 = DVBl. 1997, 483 = NVwZ 1997, 793 = ZKF 1997, 88.
55
Ein zwingender Schluss für die vorliegende Fragestellung lässt sich aus dieser
verfassungsgerichtlichen Feststellung indes nicht ziehen, weil die vom VerfGH NRW zu
beurteilende Norm eine Aufgabenübertragung an die Gemeinden enthält, nicht, wie § 1
Abs. 1 Satz 1 II. AsylbLG-VZustVO, eine Aufgabenübertragung an die Kreise und
kreisfreien Städte, die für denselben Personenkreis als örtliche Sozialhilfeträger auch
vorher schon zuständig waren.
56
Das alles kann hier offen bleiben, denn selbst dann, wenn man eine
Aufgabenübertragung annimmt und dementsprechend von einer Verpflichtung des
Beklagten zu 1) ausgeht, auch die Frage einer Kostendeckungsregelung zu prüfen und
zu entscheiden, ist er dieser Verpflichtung durch das zum 1. Januar 1995 in Kraft
getretene ArtG nachgekommen. In Art. 4 Nr. 1 ArtG hat der Landesgesetzgeber
entschieden, den Kreisen und kreisfreien Städten eine Erstattung der Aufwendungen für
Leistungen an die dort bezeichnete Personengruppe der Flüchtlinge aus Bosnien-
Herzegowina, für die vor dem 1. Januar 1995 die Aussetzung der Abschiebung nach §
54 AuslG angeordnet worden ist, nicht rückwirkend für den Leistungszeitraum vor dem
1. Januar 1995 zu gewähren. Diesen "Altfällen" hat er vielmehr dadurch Rechnung
getragen, dass er in Art. 4 Nr. 1 Satz 2 ArtG den Beginn der dreijährigen
Erstattungsdauer nach den §§ 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, 6 Abs. 1 FlüAG 1995 auf den 1.
Januar 1995 festgesetzt hat. In dieser Übergangsbestimmung sowie in der in Art. 4 Nr. 2
ArtG normierten Anmeldefrist für die vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1994
entstandenen Aufwendungen liegt die konkludente Ablehnung weitergehender,
insbesondere rückwirkender Erstattungsansprüche. Denn die genannten
Übergangsvorschriften belegen ebenfalls, dass der Gesetzgeber davon ausging,
verpflichtet zu sein, die Frage einer rückwirkenden Erstattung für den
Bewilligungszeitraum 1994 zu prüfen und zu entscheiden. Diese Entscheidung hat er
mit den genannten Übergangsregelungen im negativen Sinn getroffen.
57
Der Landesgesetzgeber war aus Anlass der Aufgabenübertragung in § 1 I. AsylbLG-
VZustVO auch nicht nach Art. 78 Abs. 3 LV verpflichtet, eine den hier in Rede
stehenden Personenkreis erfassende Anspruchsgrundlage mit Rückwirkung auf den
Leistungszeitraum des 1. Halbjahrs 1994 auszustatten. Denn durch diese
Aufgabenübertragung sind, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, den
Kreisen und kreisfreien Städten keine finanziellen Belastungen entstanden, die sie nicht
auch zuvor schon tragen mussten. Die Sozialhilfeträger sind im Gegenteil entlastet
worden, weil der Umfang der Sozialleistungen für den von § 1 Abs. 1 AsylbLG erfassten
Personenkreis im Vergleich zu dem in § 120 BSHG vorgesehenen Niveau reduziert
wurde. Bezogen auf den hier streitgegenständlichen Personenkreis geduldeter
Bürgerkriegsflüchtlinge war die Aufgabenübertragung kostenneutral, weil der
Leistungsumfang derselbe blieb (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG). Ersetzt der
Landesgesetzgeber, wie hier, eine Aufgabe kostenneutral durch eine andere, so kann
eine Verpflichtung zur Kostenerstattung aus diesem Anlass heraus nur dann in Betracht
kommen, wenn schon die Übertragung der ersetzten Aufgabe verfassungswidrig war.
Auch dies war indessen nicht der Fall. Die Übertragung der Sozialhilfeaufgaben auf die
Kreise und kreisfreien Städte durch § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist insbesondere mit Art.
84 GG vereinbar.
58
Vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 1967 - 2 BvF 3/62 u. a. -, BVerfGE 22, 180 (209 f.); StGH
BW, Urteil vom 10. Mai 1999 - GR 2/97 -, DVBl. 1999, 1351 (1352) m. w. Nachw.
59
Zusätzliche finanzielle Belastungen sind den Kreisen und kreisfreien Städten durch die
Übertragung der Aufgaben nach dem AsylbLG auch nicht deshalb entstanden, weil sie,
verglichen mit der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des AsylbLG am 1. November 1993,
nur noch eine geringere Erstattung nach § 6 Abs. 4 FlüAG 1993 erhalten hätten. Diese
Vorschrift, die - wie dargelegt - geduldete Bürgerkriegsflüchtlinge nicht erfasste, hat
durch das AsylbLG keine Änderung erfahren. Für diesen Personenkreis erhielten die
Kreise und kreisfreien Städte also vor dem 1. November 1993 ebenso wenig eine
Landeserstattung wie danach. Unzutreffend ist insofern die Behauptung des Klägers,
der Gesetzgeber habe die Bürgerkriegsflüchtlinge mit dem Inkrafttreten des AsylbLG
ohne sachlichen Grund aus der Landeserstattung "herausgenommen" und diese den
Kreisen und kreisfreien Städten 14 Monate lang vorenthalten. Denn auch vor dem
Inkrafttreten des AsylbLG erstattete das Land den Kreisen und kreisfreien Städten die
Aufwendungen für Leistungen an Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge nach § 120 BSHG
nur insoweit, als diese einen Asylantrag gestellt hatten (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 6 Abs. 4 Nr. 1
FlüAG 1993).
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Ob der Landesgesetzgeber die vorgenannte (ablehnende) Kostendeckungsregelung zur
Aufgabenübertragung in § 1 Abs. 1 Satz 1 II. AsylbLG-VZustVO schließlich auch
"gleichzeitig" im Sinn des Art. 78 Abs. 3 LV getroffen hat, kann dahinstehen. Denn der
Klageanspruch wäre auch dann nicht begründet, wenn die 14 Monate nach dem
Wirksamwerden der Aufgabenübertragung geschaffene Kostendeckungsregelung nicht
mehr "gleichzeitig" gewesen sein sollte. Das gilt jedenfalls, soweit man dieses Merkmal
dahin versteht, dass es ähnlich einer Fristsetzung lediglich einen zeitlichen
Zusammenhang zwischen dem Inkrafttreten der Aufgabenübertragungsnorm und der
Kostendeckungsregelung fordert. Eine "Fristüberschreitung" durch den Gesetzgeber
kann einen Nachbesserungsanspruch dann nicht auslösen, wenn die verspätet
getroffene Kostendeckungsregelung den übrigen inhaltlichen Anforderungen des Art. 78
Abs. 3 LV entspricht, also wenn diese - wie hier - insbesondere eine unbedenkliche
Lösung auch der Frage der Kostenerstattung für die Vergangenheit enthält.
61
Auch unabhängig vom Inkrafttreten des AsylbLG und der Übertragung der Zuständigkeit
für die Durchführung dieses Gesetzes an die Kreise und kreisfreien Städte in § 1 I.
AsylbLG-VZustVO war der Beklagte zu 1) nicht verpflichtet, eine Erstattung nach dem
FlüAG für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge mit dem Aufenthaltsstatus einer Duldung
nach den §§ 54, 55 AuslG mit Rückwirkung für den hier in Rede stehenden
Abrechnungszeitraum des 1. Halbjahres 1994 vorzusehen. Denn es war nicht
willkürlich, sondern aufgrund sachlicher Erwägungen vertretbar, wenn der Gesetzgeber
die als erforderlich angesehene Kostendeckungsregelung in das
Gesetzgebungsverfahren betreffend das 4. Änderungsgesetz zum FlüAG einbezogen
und sich dafür entschieden hat, die Kreise und kreisfreien Städte anstelle einer
rückwirkenden Kostenerstattung für die Zukunft ganz von der Durchführung des
AsylbLG freizustellen und stattdessen die Gemeinden mit dieser Aufgabe zu betrauen (§
1 Abs. 1 Satz 1 AG AsylbLG).
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Die Anfechtungsklage gegen die im Widerspruchsbescheid enthaltene Ablehnung der
Erstattung ist ebenfalls unbegründet. Diese Ablehnung ist aus den vorstehenden
Gründen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz
1 VwGO).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Entgegen der Auffassung des
Klägers ist das Verfahren nicht nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Die
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Vorschrift erfasst nach ihrem sozialen Sinn und Zweck Verfahren, in denen
Hilfebedürftige die dort im Einzelnen bezeichneten Sozialleistungen von der
Bewilligungsbehörde verlangen, nicht aber solche Verfahren, mit denen die
Bewilligungsbehörde Refinanzierung begehrt. Hierbei handelt es sich nicht um
Verfahren auf dem Sachgebiet der Sozialhilfe, sondern auf dem Sachgebiet der
kommunalen Finanzausstattung.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 1990 - 7 B 100.90 -, NVwZ-RR 1991, 31 (32).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 10, 711 ZPO.
66
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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