Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 01.02.2002

OVG NRW: überwiegendes öffentliches interesse, straftat, ausweisung, verdacht, ausländer, muttersprache, strafverfahren, rüge, delikt, vollziehung

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 47/02
Datum:
01.02.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 47/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 7 L 2825/01
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 4.000,- - EUR (Wertstufe
bis 8.000,-- DM) festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde, dessen Zulässigkeit sich nach dem bis zum
31. Dezember 2001 geltenden Recht richtet (s. § 194 Abs. 2 VwGO in der Fassung des
Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20.
Dezember 2001 - BGBl. I S. 3987 - ) wird abgelehnt, weil die von dem Antragsteller in
seinem Zulassungsantrag aufgeführten Gründe die Zulassung der Beschwerde nicht
rechtfertigen.
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Das Vorbringen des Antragstellers ist nicht geeignet, die in erster Linie geltend
gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses im
Sinne des § 146 Abs. 4 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hervorzurufen.
Insofern reichen Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente
oder Sachverhaltsfeststellungen nicht aus, wenn sie nicht zugleich Zweifel an der
Richtigkeit des Gesamtergebnisses begründen. An Letzterem fehlt es hier.
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Das Antragsvorbringen bietet (unverändert) keine plausiblen Erklärungen dafür, dass
der Sachverhalt anders sein könnte als derjenige, von dem die Ausländerbehörde - und
ihr folgend das Verwaltungsgericht - ausgegangen sind. Das Verwaltungsgericht hat
insofern zu Recht tragend insbesondere darauf abgehoben, dass der Antragsteller sich
sogar gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten zunächst als "H. " ausgegeben und
erst auf Nachfrage seinen wirklichen Namen eingeräumt habe. Der Hinweis des
Antragstellers darauf, dass nach den eigenen Angaben des Antragsgegners nicht mehr
definitiv festgestellt werden könne, ob er tatsächlich am 8. Mai 2001 die
Ausländerbehörde aufgesucht habe, verfängt demgegenüber ebenso wenig wie
derjenige, dass es auch unter Deutschen, deren Muttersprache Deutsch sei, nicht selten
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zu sprachlichen Missverständnissen komme.
Der Antragsteller kann entgegen seiner Auffassung auch aus der Tatsache, dass die
Staatsanwaltschaft E. nach Abschluss des - wegen des hier in Rede stehenden
Sachverhalts eingeleiteten - Ermittlungsverfahrens den Weg einer
Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO in den Blick genommen hat, zu seinen
Gunsten nichts herleiten. Denn die Annahme der Staatsanwaltschaft, die von ihr dem
Antragsteller erteilte Auflage, einen Geldbetrag von 300,-- DM zu Gunsten der
Staatskasse zu zahlen, beseitige das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung, ist für
die - vom Antragsgegner und vom Verwaltungsgericht bejahend - beantwortete Frage,
ob bei der vorliegend gebotenen ausländer- und somit ordnungsrechtlichen
Betrachtungsweise
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vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1998 - 1 C 27.97 -, BVerwGE 107, 58 = NVwZ
1999, 775 = DVBl 1998, 1028 = InfAuslR 1998, 424
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ein überwiegendes öffentliches Interesse für eine Ausweisung des Antragstellers und
darüber hinaus auch ein solches an der sofortige Vollziehung der
Ausweisungsverfügung besteht, nicht präjudiziell. Der Senat kann offen lassen, ob im
Falle einer Verfahrenseinstellung nach § 153 StPO (Absehen von Verfolgung wegen
Geringfügigkeit) unter Umständen eine andere Betrachtungsweise angezeigt sein
könnte.
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Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24. September 1996 - 1 C 9. 94 -, BVerwGE 102, 63 =
NVwZ 1997, 1123 = DVBl 1997 = InfAuslR 1997, 63.
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Denn § 153 StPO ermöglicht eine Verfahrenseinstellung unter deutlich leichteren
Voraussetzungen als die hier von der Staatsanwaltschaft angewandte Vorschrift des §
153a StPO.
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Die vom Antragsteller zusätzlich erhobene Rüge, die Ordnungsverfügung und die
angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts verstießen im Ergebnis gegen
den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, geht insofern bereits im Ansatz fehl. Der
Antragsgegner und das Verwaltungsgericht sind nicht von dem bloßen Verdacht,
sondern von der tatsächlichen Begehung einer Straftat nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG
ausgegangen. Diese Straftat kann ferner auch nicht etwa als unerhebliches (Bagatell-
)Delikt gewertet werden. Eine vorsätzliche Straftat ist schon grundsätzlich nicht als
geringfügig (i. S. des § 46 Nr. 2 AuslG) anzusehen.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1996 a.a.O. und die Senatsbeschlüsse vom 7.
Juli 2000 - 18 B 162/00 - und vom 8. August 2000 - 18 B 835/00 -.
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Dies gilt erst recht für - wie hier - einen der in § 92 Abs. 2 AuslG normierten Tatbestände,
für den das Gesetz einen deutlich höheren Strafrahmen (Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren) vorsieht, als für die in § 92 Abs. 1 AuslG geregelten Fälle (Freiheitsstrafe bis zu
einem Jahr).
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Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1998 a.a.O. .
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Die Beschwerde ist auch nicht wegen der von dem Antragsteller weiterhin geltend
gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 146 Abs. 4
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i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Abgesehen davon, dass Rechtsfragen
grundsätzlicher Art im gerichtlichen Eilverfahren zur Erlangung vorläufigen
Rechtsschutzes nach ständiger Rechtsprechung des Senats prinzipiell nicht klärbar
sind,
vgl. dazu nur den Senatsbeschluss vom 3. Dezem-ber 2001 - 18 B 120/01 - mit
umfangreichen weiteren Nachweisen,
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bedarf es zur Klärung der in der Antragsschrift aufgeworfenen Frage, "ob ein
Strafverfahren, in dem sich der Verdacht, eine Straftat begangen zu haben, nicht
verifizieren ließ, ausreichen kann, eine Ausweisung zu begründen", nicht der
Durchführung eines Beschwerdeverfahrens. Denn in der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts und des Senats ist bereits grundsätzlich geklärt, dass eine
Ausweisung nach § 46 Nr. 2 AuslG nicht voraussetzt, dass der Ausländer, sofern der
Rechtsverstoß in einer strafbaren Handlung besteht, dieserhalb verurteilt worden ist.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1998 a.a.O. und den Senatsbeschluss vom 19. Mai
2000 - 18 B 1560/99 -.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 14 Abs. 1 und 3 iVm §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 und 73 Abs. 1 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.
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