Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.04.2008

OVG NRW: aufschiebende wirkung, belichtung, kellergeschoss, untergeschoss, unterliegen, verschulden, profil, gebäude, ausnahme, grundstück

Oberverwaltungsgericht NRW, 10 B 1074/08
Datum:
11.04.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 B 1074/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 5 L 763/08
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 5 K 2832/08 wird auch
hinsichtlich der dem Beigeladenen erteilten 1.
Nachtragsbaugenehmigung des Antragsgegners vom 19. Juni 2008
angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden
Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen des Beigeladenen,
die nicht erstattungsfähig sind.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- EUR
festgesetzt.
Gründe:
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Der im Beschwerdeverfahren geänderte Hauptantrag, die aufschiebende Wirkung der
Klage auf Aufhebung der Baugenehmigung vom 12. Februar 2008 in der Gestalt der 1.
Nachtragsbaugenehmigung vom 19. Juni 2008 anzuordnen, hat schon deshalb keinen
Erfolg, weil mit der 1. Nachtragsgenehmigung ein aliud genehmigt worden ist. Zur
Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf seinen Beschluss vom 8. Juli
2008 im Verfahren 10 B 999/08 und die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem
angefochtenen Beschluss Bezug.
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Der Hilfsantrag ist begründet.
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Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe führen zu einer Änderung der
angefochtenen Entscheidung, soweit das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung
der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die dem Beigeladenen erteilte 1.
Nachtragsbaugenehmigung vom 19. Juni 2008 abgelehnt hat.
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Der Antragstellerin steht auch ein Abwehranspruch gegen das geänderte Vorhaben des
Beigeladenen zu, weil es zu ihren Lasten gegen Abstandflächenvorschriften verstößt.
Die östliche Außenwand des streitigen Bauvorhabens wirft eine Abstandfläche, die
entgegen § 6 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW auch auf dem Grundstück der Antragstellerin
liegt, weil bei der Ermittlung der Abstandfläche für das geänderte Vorhaben die
Abgrabungen vor der östlichen Außenwand zu berücksichtigen sind.
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§ 6 Abs. 4 Satz 5 BauO NRW bestimmt zwar, dass Abgrabungen, die der Belichtung
oder dem Zugang oder Zufahrt zu einem Gebäude dienen, bei der Ermittlung der
Abstandfläche außer Betracht bleiben, auch soweit sie nach § 9 Abs. 3 BauO die
Geländeoberfläche zulässigerweise verändern. Diese Voraussetzungen liegen jedoch
nicht vor. Zur Regelung des § 6 Abs. 4 Satz 5 BauO NRW hat der Senat bereits im
Beschluss gleichen Rubrums vom 8. Juli 2008 - 10 B 999/08 - ausgeführt, dass die
Regelung nach der Begründung des Entwurfs der Landesregierung (LT-Drs. 14/2433)
zum einen ausdrücklich (lediglich) eine Klarstellung im Sinne der bisherigen
Rechtsprechung zu sog. untergeordneten oder unselbständigen Abgrabungen
bezweckt. Danach darf die Vertiefung lediglich einen Teil des Baukörpers selbst
darstellen, muss diesem unmittelbar zugeordnet sein, technisch mit ihm in Verbindung
stehen und der Funktion des angrenzenden Raumes unmittelbar dienen wie z.B. bei
einem Kellerschacht oder einer Kellertreppe. Kennzeichnend hierfür ist, dass durch die
Abgrabung das Profil des Baugrundstücks nur punktuell und im Verhältnis zur übrigen
Grundstücksfläche in untergeordnetem Umfang und nicht in einem großräumigen
Zusammenhang verändert wird.
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Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 18. April 1991 - 11 A 969/87 -, BRS 52 Nr. 180;
Beschluss vom 8. August 1995 - 7 B 1831/95 -.
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Die Beschwerdebegründung legt zutreffend dar, dass ausgehend von diesen
Grundsätzen die Abgrabungen nicht untergeordnet oder unselbständig in dem
angeführten Sinne sind. Die drei 2,70 m langen und 2,50m breiten Abgrabungen mit
einer Tiefe von ca. 2 m sollen die Belichtung der im Untergeschoss geplanten beiden
Gästezimmer und des Sauna- und Fitnessraums sicherstellen. Die Abgrabungen vor
den Fensteröffnungen führen so zu einer anteilig großflächigen Nutzung des
Kellergeschosses zu einem Zweck, der ansonsten nur bei übererdigen Geschossen
realisiert werden könnte. Diesen Abgrabungen fehlt die Bezogenheit auf nur punktuelle
Bereiche des Baugrundstücks. Trotz des Verhältnisses der Gesamtlänge der
Abgrabungen zur Gesamtlänge der östlichen Außenwand, auf das das
Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss abgestellt hat, haben sie keine
untergeordnete Funktion, wie sie etwa bei einer Vertiefung vor einem Kellerlichtschacht
oder bei einem einzelnen Souterrainzimmer gegeben ist. So befindet sich im
Kellergeschoss im Bereich der östlichen Außenwand neben der Kellertreppe nur noch
ein ca 5 m² großer Weinkeller.
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Darüber hinaus bleiben gemäß § 6 Abs. 4 Satz 5 BauO NRW Abgrabungen bei der
Ermittlung der Wandhöhe außer Betracht, soweit sie nach § 9 Abs. 3 BauO NRW die
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Geländeoberfläche zulässigerweise verändern. Auch diese Voraussetzung liegt nicht
vor. Es ist bei summarischer Prüfung weiterhin nichts für die Annahme eines sachlichen
Grundes im Sinne des § 9 Abs. 3 BauO NRW für die Veränderung der
Geländeoberfläche ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 und 4, § 154 Abs. 3 VwGO, § 162 Abs.
3 VwGO. Abgesehen davon, dass die Stellung von Haupt- und Hilfsantrag nicht zu einer
Streitwerterhöhung geführt hat, beruht das Unterliegen der Antragstellerin mit dem
Hauptantrag auf der fehlerhaften Bezeichnung der streitigen Baugenehmigung als
Nachtragsbaugenehmigung und damit auf einem Verschulden des Antragsgegners.
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Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.
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