Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 08.12.1999

OVG NRW: dienstliche tätigkeit, beförderung, kreis, einweisung, anforderung, behandlung, dienstrecht, beamter, zugang, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 B 1256/99
Datum:
08.12.1999
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 B 1256/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 15 L 3913/98
Tenor:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin sowie der Beigeladene zu 3. tragen die
Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers
jeweils zur Hälfte. Ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten tragen die
Antragsgegnerin und sämtliche Beigeladenen selbst.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,00 DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die vom Senat zugelassenen Beschwerden der Antragsgegnerin und des
Beigeladenen zu 3. sind unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die einstweilige
Anordnung zu Recht erlassen, weil der Antragsteller neben einem Anordnungsgrund
auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO iVm
§§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand ist es
überwiegend wahrscheinlich, daß die von der Antragsgegnerin zugunsten der
Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung zu Lasten des Antragstellers
rechtsfehlerhaft ist.
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Nach dem geltenden Dienstrecht hat ein Beamter keinen gerichtlich durchsetzbaren
Anspruch auf Übertragung eines Beförderungsamtes. Allerdings hat er einen durch eine
einstweilige Anordnung sicherungsfähigen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie
Auswahlentscheidung. Die Art und Weise des Auswahlverfahrens und die hierauf
beruhende Auswahlentscheidung hat das in Art. 33 Abs. 2 GG gewährleistete
grundrechtsgleiche Recht auf (chancen-)gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt
nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu beachten. Dieser
Bewerbungsverfahrensanspruch umfaßt eine faire, chancengleiche Behandlung mit
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rechtsfehlerfreier Wahrnehmung der Beurteilungsermächtigung und die Einhaltung des
gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens.
Mißt der Dienstherr - wie hier - der Innehabung eines Dienstpostens bestimmter
Wertigkeit bei seiner Auswahlentscheidung eine mitentscheidende, gegebenenfalls
ausschlaggebende Bedeutung zu, was auch dann der Fall sein kann, wenn die
Bewerber zusätzlich eine bestimmte Beurteilungsnote (hier den Punktwert "8") erreicht
haben müssen, so ist bei der Anwendung der vorstehenden Grundsätze folgendes zu
beachten: Die besoldungsrechtlichen Vorgaben der §§ 18, 25 BBesG gebieten vor der
Zuordnung von freien höherwertigen Planstellen zu bestimmten Dienstposten eine
Dienstpostenbewertung unter Beachtung des Grundsatzes der funktionsgerechten
Besoldung. Erst nach (abschließender) bewertender Feststellung des Dienstpostens,
der die Zuordnung einer höherwertigen Planstelle rechtfertigt, ist nach dem Grundsatz
der Bestenauslese zu entscheiden, welchem Beamten der Dienstposten zu übertragen
ist.
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Vgl. hierzu: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluß vom 30. Januar 1997 - 2 B 10052/97 -,
DöD 1997, 161, 162; VG Frankfurt (Main), Beschluß vom 2. März 1998 - 1 DB 9.98 -,
IÖD 1998, 124, 125.
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Die Dienstpostenbewertung umfaßt die organisatorische Entscheidung des Dienstherrn
über die Zuordnung eines Dienstpostens zu dem höheren statusrechtlichen Amt, z.B. im
Rahmen eines Organisations- und Stellenplanes. Erst hieraus ist die Wertigkeit der
wahrzunehmenden bzw. wahrgenommenen Aufgaben abzuleiten.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 12. September 1994 - 2 C 22.93 -,
BVerwGE 96, 347, 348 f.
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An dem Erfordernis einer abschließenden Dienstpostenbewertung, auf das sich der
Antragsteller anders als im Fall von vermeintlichen Abwägungsfehlern bei der
Dienstpostenbewertung im Rahmen seines Anspruchs auf eine ermessensfehlerfreie
Auswahlentscheidung auch selbst berufen kann, fehlt es hier. Zunächst hat die
Antragsgegnerin, wie sich dem beigezogenen Beförderungsvorgang entnehmen läßt,
das Auswahlverfahren am 30. September 1998 eingeleitet und ist erst während des
laufenden Auswahlverfahrens in die Dienstpostenbewertung eingetreten. Zwar ist in
einem dem Auswahlvorgang beigefügten Schreiben der Abteilung an den örtlichen
Personalrat in X. vom 9. November 1998 davon die Rede, daß die Bewertung der A 9-
Dienstposten nochmals überprüft worden sei. Hierbei seien insbesondere die
Dienstposten der nach A 8 besoldeten Beamten, die die Note "8" erhalten hätten,
einbezogen und die Dienstposten der vorgeschlagenen Beamten nach A 9 bewertet
worden. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 2. Juli 1999
vorgetragen, daß etwa der Dienstposten des Antragstellers - obwohl ebenfalls der
Besoldungsgruppe A 8 BBesO zugehörig und mit "8" bewertet - noch nicht endgültig
bewertet worden sei. Dem entspricht, daß ein Stellengliederungs- oder
Organisationsplan bis heute nicht vorgelegt worden ist. Eine lediglich vorläufige, noch
nicht endgültig abgeschlossene Dienstpostenbewertung - wie sie vorliegend erfolgt ist -
genügt aber nicht der § 18 BBesG zu entnehmenden Anforderung an eine
"aussagekräftige" Bewertung.
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Vgl. Hessischer VGH, Beschluß vom 25. Februar 1997 - 1 TG 4061/96 -, IÖD 1997, 219,
221; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluß vom 30. Januar 1997, a.a.O..
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Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin und des Beigeladenen zu 3. ist es
im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung, ob die dienstliche Tätigkeit vor der
Beförderung derjenigen danach tatsächlich entsprochen hat. Dieser Umstand trifft
gerade keine Aussage über die (noch abschließend festzustellende) Wertigkeit des
Dienstpostens.
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Im übrigen verkennt die Antragsgegnerin, daß das Kriterium der Innehabung eines
Dienstpostens bestimmter Wertigkeit nicht ohne weiteres eine am Leistungsgrundsatz
orientierte Bewerberauswahl ermöglicht: Denn die Besetzung von Dienstposten
unterliegt einem weiten Organisationsermessen des Dienstherrn, ohne daß schon
hierbei regelmäßig eine Auswahl nach dem Leistungsgrundsatz erfolgt. Erst bei
Freiwerden einer Planstelle, die bewertungsmäßig dem übertragenen Dienstposten
entspricht, findet - wie vorliegend - ein Bewerbervergleich statt, allerdings - soweit
ersichtlich - ausschließlich auf der Ebene derjenigen Beamten, die bereits einen
entsprechend bewerteten Dienstposten innehaben, die also zu einem früheren Zeitpunkt
ohne (umfassende) Beachtung des Leistungsgrundsatzes von der Antragsgegnerin
einen (intern) höher bewerteten Dienstposten übertragen erhalten haben. In der Praxis
nimmt die Antragsgegnerin damit das Recht für sich in Anspruch, zwischen den für eine
Beförderung in Betracht kommenden Beamten eine entscheidende Vorauswahl zu
treffen, ohne den Leistungsgrundsatz in seiner vollen Ausprägung beachten zu müssen.
Für den nicht zum Zuge gekommenen Bewerber stellt sich diese Verfahrensweise so
dar, daß er bei der für spätere Beförderungen vorentscheidenden Dienstpostenvergabe
einen Verstoß gegen den Leistungsgrundsatz nicht hätte rügen können und daß er
später wegen fehlender Innehabung eines höherbewerteten Dienstpostens nicht zum
Kreis derjenigen Beamten gehört, die die Voraussetzung für eine Einweisung in eine
höherbewertete Planstelle und damit für eine Beförderung erfüllen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluß vom 30. August 1985 - 1 B 319/85 -, ZBR 1986, 54, 55.
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Demzufolge ist die Antragsgegnerin gehalten, zunächst die Dienstpostenbewertung
abzuschließen, um sodann allen Beamten der Besoldungsgruppe A 8 BBesO zu
ermöglichen, sich auf die (abschließend) nach A 9 bewerteten Dienstposten zu
bewerben. In diesem Zusammenhang verkennt der Senat nicht, daß es für die
Antragsgegnerin aus personalwirtschaftlicher Sicht mißlich ist, wenn die
Beförderungsangelegenheit noch für längere Zeit in der Schwebe bleibt. Sie hat es
jedoch selbst in der Hand, entweder möglichst schnell eine an den oben dargelegten
Kriterien ausgerichtete Auswahlentscheidung nach einer abschließenden
Dienstpostenbewertung zu treffen oder aber ihre Auswahlentscheidung betreffend die
fraglichen Planstellen unter Aussparung des Kriteriums der Innehabung eines
Dienstpostens bestimmter Wertigkeit auf sonstige dem Grundsatz der Bestenauslese
genügende Maßstäbe zu stützen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO,
die Streitwertfestsetzung auf §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 GKG.
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