Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 13.03.2008

OVG NRW: treu und glauben, firma, anfang, willenserklärung, tatsachenfeststellung, vollmacht, verwaltungsverfahren, absicht, klagefrist, verkehrsauffassung

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 354/08
Datum:
13.03.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 A 354/08
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 13 K 2659/05
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen den
Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Köln vom 19. Dezember
2007 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Antragsverfahren auf 50.000,00 EUR
festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die geltend gemachten
Zulassungsgründe, die gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nur im Rahmen der
Darlegungen der Klägerin zu prüfen sind, liegen nicht vor.
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Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des
Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Bei
diesem Zulassungsgrund, der die Einzelfallgerechtigkeit gewährleistet und der
ermöglichen soll, unbillige oder grob ungerechte Entscheidungen zu korrigieren, kommt
es nicht darauf an, ob die angefochtene Entscheidung in allen Punkten der Begründung
richtig ist, sondern nur darauf, ob ernstliche Zweifel im Hinblick auf das Ergebnis der
Entscheidung bestehen. Ernstliche Zweifel sind dabei anzunehmen, wenn gegen die
Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach summarischer Prüfung
gewichtige Gesichtspunkte sprechen, d. h., wenn ein einzelner tragender Rechtssatz
oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung in der angefochtenen Gerichtsentscheidung
mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000
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- 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163; BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03
-, DVBl. 2004, 838; OVG NRW, Beschlüsse vom 8. März 2007 - 13 A 1417/05 -, und vom
8. Januar 2007 - 13 A 4307/06 und 13 A 3884/06 -.
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In diesem Sinne bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung
des Verwaltungsgerichts, die Klage wegen der fehlenden Klagebefugnis der Klägerin
als unzulässig abzuweisen. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen,
dass die Firma Dr. L. & Partner GmbH Klägerin ist. Prozesshandlungen im
Verwaltungsprozess - bei der Klageerhebung handelt es sich um eine solche - sind in
entsprechender Anwendung von §§ 133, 157 BGB auszulegen.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 1990 - 8 C 70.88 - , NJW 1991, 508; BVerwG,
Beschluss vom 20. Januar 1993 - 7 B 158.92 - , DVBl 1993, 562; OVG NRW, Beschluss
vom 18. April 2007 - 13 A 2445/05 -
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Auch eine Parteibezeichnung in einer Klageschrift ist grundsätzlich auslegungsfähig.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. März 2001 - 8 B 262.00 -, Buchholz 310 § 82 VwGO
Nr. 20.
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Nach § 133 BGB ist bei Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu
erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Für die
Auslegung einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist grundsätzlich maßgebend,
wie diese von den Erklärungsempfängern - hier dem Gericht und der Beklagten - nach
Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung verstanden werden musste.
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Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. März 2001, a.a.O., und vom 13. September 1999 - 11
B 14.99 -, NVwZ-RR 2000, 135.
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Dabei sind bei der Auslegung einer Klageschrift auch die mit ihr in Bezug genommenen
Bescheide und Anlagen sowie sonst erkennbare Umstände in den Blick zu nehmen.
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Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. April 1990, a.a.O., und vom 30. Dezember 1997 - 8 B
240.97 -, Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 18.
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Geschieht dies, besteht kein Anlass zu der Annahme, dass die innerhalb der Klagefrist
erhobene Klage nicht der Klägerin, sondern von Anfang an ausschließlich der Firma H.
L1. GmbH & Co KG zugute kommen sollte. Zwar ist in dem der Klageschrift als Anlage
beigefügten und an die Klägerin adressierten Bescheid die Firma H. L1. GmbH & Co KG
als Zulassungsinhaberin benannt. Gleichwohl hat die anwaltlich vertretene Klägerin
durch ihre mit Verfahren des Arzneimittelrechts vertrauten Prozessbevollmächtigten
ausdrücklich namens und in Vollmacht für diese Klage erhoben. Angesichts der
eindeutigen Erklärung bestand weder für das Gericht noch für die Beklagte Anlass zu
der Annahme, die Klage habe nicht für die Klägerin erhoben werden sollen, zumal im
Arzneimittelbereich Zulassungsübertragungen nicht außergewöhnlich sind und das der
Beklagten bekannte und auch dem Gericht ersichtliche Auftreten der Klägerin im
Verwaltungsverfahren ein wie auch immer geartetes eigenes Interesse an dem Ausgang
des Klageverfahrens nahe legte.
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Zweifel an der Klägereigenschaft mussten sich dem Gericht aber auch deshalb nicht
aufdrängen, weil die Prozessbevollmächtigten weder die ihnen übersandte
Eingangsbestätigung vom 9. Mai 2005, in der die Klägerin namentlich benannt wurde,
noch den Streitwertbeschluss vom 9. Mai 2005, in dem die Klägerin ebenfalls aufgeführt
wurde, beanstandet haben.
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Die für die Klägerin im Klageverfahren überreichten Erklärungen bestätigen überdies,
dass die für die Klägerin erfolgte Klageerhebung mit dem wirklichen Willen der
Prozessbevollmächtigen übereinstimmte. So wurde dem Gericht eine Prozessvollmacht
der Klägerin überreicht, die auf den 4. Mai 2005 - dem Tag der Klageerhebung - datiert.
Der Erteilung einer von der Klägerin ausgestellten Prozessvollmacht hätte es nicht
bedurft, wenn diese nicht hätte Klage erheben wollen. Gegen die Annahme, dass die
Prozessbevollmächtigten die Klage von Anfang an für die Firma H. L1. GmbH & Co KG
erheben wollten, spricht weiter, dass auch im Rahmen der erst Wochen später erfolgten
Klagebegründung nach wie vor die Firma L. & Partner GmbH als Klägerin benannt
wurde, obwohl die der Klagebegründung beigefügten Unterlagen keinen Hinweis auf
die Firma L. & Partner GmbH enthielten. Die Prozessbevollmächtigten beantragten
überdies erstmals mit Schriftsatz vom 15. August 2005 und hier auch nur vorsorglich die
Berichtigung des Rubrums, wobei sich ihrem Hinweis auf ein Versehen bei der
Klageerhebung in tatsächlicher Hinsicht nichts für die Annahme einer von Anfang an
bestehenden Absicht entnehmen ließ, Klage ausschließlich für die Firma H. L1. GmbH
& Co KG zu erheben. Diese hat sich offensichtlich auch nicht selbst an die
Prozessbevollmächtigten gewandt, was dadurch bestätigt wird, dass ausweislich der
Darlegungen der Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 24. November 2006 nicht
die Firma H. L1. GmbH & Co KG, sondern die Klägerin den Prozessbevollmächtigten
den Auftrag zu Klageerhebung erteilt hat. Der Umstand, dass die
Prozessbevollmächtigten bei ihrer Sachverhaltsdarstellung durchgehend von falschen
tatsächlichen Verhältnissen ausgegangen sind, rechtfertigt die Annahme, die Klage
habe nicht für die Klägerin erhoben werden sollen, nicht.
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Ausgehend hiervon kommt die Zulassung der Berufung wegen eines
Verfahrensmangels nach Maßgabe des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ebenfalls nicht in
Betracht. Für das Gericht bestand kein Anlass, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Es
ist angesichts des Vorbringens der Klägerin im Klageverfahren auch nicht ersichtlich,
wo-rauf sich eine Aufklärung noch hätte erstrecken sollen. Dahinstehen kann daher, ob
die Aufklärungsrüge wegen der der Klägerin offenstehenden Möglichkeit, gegen den
Gerichtsbescheid mündliche Verhandlung zu beantragen, überhaupt statthaft ist.
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Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Januar 2006 - 7 B 70.05 - und vom 17. Juli 2003 - 7 B
62.03 -, NVwZ-RR 2003, 902.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar.
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