Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 14.11.2006

OVG NRW: versetzung, aufschiebende wirkung, vorläufiger rechtsschutz, prognostische beurteilung, hauptsache, widerspruchsverfahren, härte, verfügung, vollziehung, beamtenrecht

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 B 1886/06
Datum:
14.11.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 B 1886/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 10 L 217/06
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 EUR
festgesetzt.
Gründe
1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Die vom Antragsteller dargelegten Beschwerdegründe rechtfertigen es nicht, den
angefochtenen Beschluss zu ändern und dem im Beschwerdeverfahren nur noch
weiterverfolgten Hauptantrag des erstinstanzlichen Verfahrens zu entsprechen,
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die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Antragstellers gegen die
Verfügungen der Antragsgegnerin vom 21. Dezember 2005 und 3. April 2006
anzuordnen und - soweit die Verfügungen bereits vollzogen worden sind - die
Aufhebung der Vollziehung anzuordnen.
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Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag als statthaften und auch im Übrigen
zulässigen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO qualifiziert. Die angegriffenen
Verfügungen enthielten eine einheitliche Regelung, gerichtet auf die zeitlich gestreckte
Versetzung des Antragstellers zum Personal Service Telekom mit Dienstort P. . Der
Rechtsschutzantrag sei aber unbegründet, denn es sei dem Antragsteller nach der
gesetzlichen Wertung in § 126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG zuzumuten, der
Versetzungsverfügungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über sie Folge zu leisten.
Gründe, von dieser regelmäßigen gesetzlichen Bewertung abzuweichen, lägen nicht
vor. Die Versetzung sei nicht erkennbar rechtswidrig, erweise sich vielmehr bei
summarischer Prüfung in allen Punkten bis auf einen als erkennbar rechtmäßig. Ein
dienstliches Bedürfnis für sie liege wegen des Wegfalls der Arbeitsplätze in E. und der
Verlagerung der dort bislang wahrgenommenen Aufgaben auf andere Standorte vor.
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Dass der Antragsteller auf dem neuen Dienstposten vorübergehend unterwertig
beschäftigt werden solle, sei nicht zu beanstanden. § 6 PostPersRG erlaube dies als
Spezialregelung auch über die nach allgemeinem Beamtenrecht geltende Zwei-Jahres-
Grenze des § 27 Abs. 2 Satz 2 BBG hinaus. Die Klärung im Einzelnen könne aber
einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Ein durchschlagender
Ermessensfehler sei ebenfalls nicht festzustellen. Zwar ließe sich den angegriffenen
Bescheiden weder Ermessenserwägungen noch ein Anhaltspunkt dafür entnehmen,
dass sich die verfügende Stelle ihres Ermessensspielraums bewusst gewesen sei.
Jedoch habe die Antragsgegnerin mit den Ausführungen in den Schriftsätzen im
vorläufigen Rechtsschutzverfahren die erforderliche Ermessensausübung nachgeholt.
Die nachgeholte Ermessensentscheidung sei gerichtlich nicht zu beanstanden.
Schwerwiegende persönliche Gründe oder eine außergewöhnliche Härte, derentwegen
die Versetzung ermessensfehlerhaft erscheinen könnte, lägen nicht vor. Die verlängerte
Fahrzeit nach P1. stelle sich weder isoliert noch unter Berücksichtigung der familiären
und gesundheitlichen Situation des Antragstellers als außergewöhnliche Härte dar. Die
Betreuung der Kinder und der Schwiegereltern des Antragstellers sei gewährleistet.
Dass dem Antragsteller selbst aufgrund der Versetzung eine erhebliche
Beeinträchtigung seiner Gesundheit drohe, sei weder belegt noch ersichtlich. Die
Deutsche Telekom AG sei auch nicht gehalten gewesen, alle am Standort E. tätigen
Postamtsräte in die engere Wahl für eine Versetzung nach P1. einzubeziehen. Es sei
nicht zu beanstanden, wenn grundsätzlich nur Mitarbeiter versetzt würden, deren
Arbeitsplätze in E. weggefallen seien, denn sie verfügten bereits über Erfahrungen mit
der Bearbeitung von Aufgaben im Bereich der Personalverwaltung. Ebenfalls nicht
ermessensfehlerhaft sei die Ablehnung, den Antragsteller auf einem
Teleheimarbeitsplatz oder im Projekt ePersA einzusetzen. Eine Aufhebung der
Vollziehung komme nicht in Betracht, weil die Versetzung noch nicht vollzogen worden
und der Rechtsschutzantrag erfolglos geblieben sei.
Mit seiner Beschwerdebegründung, die insofern den zu beachtenden Prüfungsrahmen
abgibt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), bringt der Antragsteller hiergegen nichts vor, was
zur erstrebten Änderung des angefochtenen Beschlusses führen könnte.
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Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Rahmen der
gerichtlichen Interessenabwägung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die Wertung des §
126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG regelhaft durchschlägt. Der Gesetzgeber hat sich mit dem dort
vorgesehenen Ausschuss der aufschiebenden Wirkung - in Umkehrung des Regel-
Ausnahme-Verhältnisses nach § 80 Abs. 1 VwGO - die in der verwaltungsgerichtlichen
Spruchpraxis für Organisationsakte wie Abordnungen oder Versetzungen entwickelte
Ansicht zu eigen gemacht, dass diese ihren Sinn regelmäßig nur dann erfüllen, wenn
sie alsbald, jedenfalls schon vor einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache
vollzogen werden.
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Vgl. Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2004 - 1 B 1329/04 -, ZBR 2005, 97 = DVBl.
2005, 325; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2005, Rn. 120 m.w.N.;
ferner allgemein BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 - 4 VR 1005.04 -, BVerwGE
123, 241, 244 f.
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Allerdings muss unbeschadet der gesetzlichen Vorstrukturierung des
Interessenausgleichs der Einzelfallbezug der gerichtlichen Gewichtung gewahrt
bleiben. Das schließt eine Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in
der Hauptsache ebenso ein wie eine hiervon unabhängige, allgemeine Interessen- und
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Folgenabwägung. Was die grundsätzlich vorrangige Orientierung an den
Erfolgsaussichten der Hauptsache angeht, so gelten im Ansatz keine von sonstigen
Fällen abweichenden Grundsätze: Das öffentliche Interesse überwiegt in aller Regel,
wenn sich die Versetzungsentscheidung als offensichtlich rechtmäßig erweist, es tritt
hinter dem Aufschubinteresse des Rechtsschutzsuchenden ohne weiteres zurück, wenn
sich die behördliche Entscheidung als offensichtlich rechtswidrig darstellt. Für eine
weitere Folgenabwägung wird angesichts der gesetzlichen Wertung in aller Regel nur
bei voraussichtlich offenem Ausgang des Rechtsbehelfs in der Hauptsache
Veranlassung bestehen. Bei dieser Folgenabwägung schlägt der
Rechtsschutzanspruch umso stärker zu Buche und darf demgemäß umso weniger
zurückstehen, je schwerer die dem Versetzten auferlegte Belastung wiegt und je mehr
die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt.
Vgl. auch BVerfG, Beschlüsse vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23, 155/73 -, BVerfGE 35, 382,
402, und vom 21. März 1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220, 228; BVerwG,
Beschluss vom 14. April 2005, a.a.O.; Schnellenbach, a.a.O. Rn. 120.
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Allerdings verschiebt sich in Fällen allgemeiner Folgenabwägung die Darlegungslast
zulasten des Rechtsschutzsuchenden. Er hat darzutun, dass die ihm nach der
gesetzgeberischen Grundentscheidung grundsätzlich abverlangte sofortige Befolgung
der Versetzungsentscheidung zu einer besonderen, in seinem Falle nicht
hinzunehmenden Härte führt.
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Nach diesen Grundsätzen bleibt der Rechtsschutzantrag auch im Beschwerdeverfahren
ohne Erfolg. Die meisten der vom Antragsteller aufrechterhaltenen Bedenken gegen die
Rechtmäßigkeit der Verfügungen lassen sich schon jetzt als unbegründet qualifizieren,
wie es das Verwaltungsgericht im Einzelnen herausgearbeitet hat. Es führt hier aber
auch nicht zu einem Überwiegen des Aufschubinteresses, dass Rechtsfehler der
Versetzungsentscheidung in der vorliegenden Fassung in Betracht zu ziehen sind.
Derartige Fehler sind zwar bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs
in der Hauptsache - zurzeit also der Widersprüche des Antragstellers vom 17./23.
Januar und 6. April 2006 - als Element der Interessenabwägung zu berücksichtigen.
Dabei ist aber auch einzustellen, wie unten näher darzulegen ist, dass nach dem Sach-
und Streitstand im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Beseitigung der
(möglichen) Fehler absehbar ist und dem Antragsteller eine Befolgung der
Versetzungsentscheidung bis dahin - auch in Ansehung der Art der Fehler - zugemutet
werden kann.
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Das Verwaltungsgericht hat zunächst im Einzelnen dargelegt, worin das dienstliche
Bedürfnis für die Versetzung im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 BBG besteht und warum
der Antragsteller im Verhältnis zu anderen Beschäftigten des Dienstortes E. für eine
Tätigkeit in P1. ausgewählt worden ist. Das bloße Leugnen eines solchen Bedürfnisses
im Beschwerdeverfahren zieht diese Erwägungen nicht ansatzweise in Zweifel und
begründet keine Notwendigkeit zu einer Vertiefung im vorliegenden Beschluss. Auf die
einschlägigen Beschlussgründe (Abdruck S. 9, 16) kann Bezug genommen werden.
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Es ist auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens weiterhin nicht erkennbar, dass
die Versetzungsentscheidung aufzuheben sein wird, weil der Antragsteller bereits seit
dem 1. April 2004 unterwertig beschäftigt wird und weiterhin so beschäftigt werden soll.
Die rechtliche Bewertung dieses Umstandes hat, wie das Verwaltungsgericht zu Recht
hervorgehoben hat, auszugehen von § 6 des Gesetzes zum Personalrecht der
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Beschäftigten der Deutschen Bundespost (Postpersonalrechtsgesetz - PostPersRG).
Danach kann der Antragsteller "vorübergehend" auf einem anderen Arbeitsposten von
geringerer Bewertung verwendet werden. Es spricht nichts dafür, dass die zeitliche
(Ober-)Grenze zulässiger unterwertiger Beschäftigung durch den Zwei-Jahres-Zeitraum
des § 27 Abs. 2 Satz 3 BBG zu konkretisieren ist, wie der Antragsteller meint. Auch dies
hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt. Bekräftigend ist darauf
hinzuweisen, dass die genannte Zwei-Jahres-Grenze ausdrücklich nur für Abordnungen
gilt und für die hier in Rede stehende Versetzung eines Bundesbeamten weder in § 26
Abs. 2 Satz 2 BBG noch in § 6 PostPersRG enthalten oder in Bezug genommen ist.
Schon dies belegt, dass der Gesetzgeber mit § 6 PostPersRG eine eigenständige - den
allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen vorgehende - Regelung treffen wollte,
um dem im Übrigen unberührt bleibenden Anspruch auf amtsangemessene
Beschäftigung von Beamten in Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost
Grenzen zu ziehen. Zweck dieser Regelung ist es, den Nachfolgeunternehmen wegen
des dort bestehenden Personalüberhangs eine Möglichkeit zur Flexibilisierung des
Personaleinsatzes zu eröffnen, die im allgemeinen Beamtenrecht nicht vorgesehen ist.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2006 - 2 C 26.05 -, ZBR 2006, 344.
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Systematik und Zwecksetzung schließen es somit aus, die für Abordnungen geltende
Sonderregelung in § 27 Abs. 2 Satz 3 BBG auf § 6 PostPersRG zu übertragen. Daraus
ist indes keineswegs der Gegenschluss zu ziehen, dass mit dieser Vorschrift die
Verwendung von Beamten auf Arbeitsposten von geringerer Bewertung zeitlich
unbegrenzt zugelassen wäre. Schon der Wortlaut ("vorübergehend") zieht der
Auslegung insoweit eine unüberwindbare Grenze, nach der unterwertige
Beschäftigungen in jedem Falle befristet bleiben müssen. Mehr als dies zuzulassen,
wäre dem einfachen Gesetzgeber verfassungsrechtlich auch nicht erlaubt. Die
Möglichkeit zu einer unterwertigen Beschäftigung ist nämlich im Lichte des Art. 33 Abs.
5 GG zu sehen, der u.a. die amtsangemessene Beschäftigung von Beamten absichert.
Andererseits spricht der Normzweck ebenso deutlich dagegen, die zulässige Dauer der
Beschäftigung durch eine absolute, für alle Fälle geltende Obergrenze zu bestimmen.
Vielmehr verlangt § 6 PostPersRG, die konkrete Dauer der unterwertigen Beschäftigung
durch eine Abwägung im Einzelfall festzulegen, in der die Belange des Beamten in ein
konkretes Verhältnis zu den betrieblichen Gründen gesetzt werden, welche die
unterwertige Beschäftigung "erfordern". Mit der Voraussetzung der Erforderlichkeit ist
klargestellt, dass der grundsätzliche Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung
nicht weitergehend eingeschränkt werden darf als nach den konkreten betrieblichen
Erfordernissen unerlässlich. Von daher lässt sich der Vorschrift zwar keine zeitliche
Obergrenze entnehmen, aber ebenso wenig eine Mindestgrenze, deren Wahrung
unterwertige Verwendungen ohne weitere Erwägungen stets als rechtens erscheinen
ließe. Bei einer deutlichen Unterschreitung der Amtsangemessenheit der Verwendung
kann etwa - je nach dem Gewicht der betrieblichen Gründe - auch nur eine deutlich
kürzere Verwendungszeit als zwei Jahre zulässig (zumutbar) sein.
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Im Fall des Antragstellers ist nicht erkennbar, dass die streitigen Verfügungen in
Würdigung aller abwägungserheblichen Umstände mit Blick auf die bisherige und die
weitere Dauer der unterwertigen Beschäftigung durchgreifend zu beanstanden wären.
Dies macht der Antragsteller, der sich vorwiegend gegen die Ortsveränderung seiner
Tätigkeit und die daraus resultierenden Nachteile wendet, letztlich auch selbst nicht
geltend. Berechtigt ist allerdings seine Kritik, dass die Verfügungen die Dauer der
unterwertigen Beschäftigung in keiner Weise konkretisieren. Die Verfügung vom 21.
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Dezember 2005 erwähnt den Umstand fortdauernder unterwertiger Beschäftigung, ohne
aber Aussagen zu ihrer Beendigung zu machen; die Verfügung vom 3. April 2006 geht
auf Art und Dauer der voraussichtlichen Beschäftigung in P1. nicht mehr ein. Überdies
spricht der Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren dafür, dass die Antragsgegnerin eine
zeitliche Begrenzung der (unterwertigen) Tätigkeit in P1. überhaupt noch nicht - also in
Verkennung der Grenzen des § 6 PostPersRG - ins Auge gefasst hat. Hiergegen ist zu
betonen, dass die hinreichende Präzisierung der Dauer einer unterwertigen
Beschäftigung - sei es durch einen Endtermin, sei es durch eine anderweitig
bestimmbare Festlegung - bereits in der Verfügung selbst zu erfolgen hat; sie ist
Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Versetzung. Der Dienstherr ist verfassungsrechtlich
verpflichtet, für die amtsangemessene Beschäftigung seiner Beamten zu sorgen. Es
geht deshalb auch im Rahmen einer Versetzung bei den Nachfolgeunternehmen der
Deutschen Bundespost nicht an, den Beamten für unbestimmte Zeit auf einen nicht
amtsangemessenen Dienstposten zu versetzen und ihn auf die Realisierung seines
Anspruchs auf amtsangemessene Beschäftigung in dem Zeitpunkt zu verweisen, in dem
die Voraussetzungen des § 6 PostPersRG nicht mehr gegeben sind - mit allen Risiken,
die sich insoweit schon aus der Wahl des Zeitpunktes eines solchen Begehrens
ergeben.
Dem Rechtsfehler mangelnder Konkretisierung des Endes der unterwertigen
Beschäftigung lässt sich hier jedoch kein Grund für ein Überwiegen der
Aufschubinteressen des Antragstellers entnehmen. Maßgeblich für die gerichtliche
Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Versetzungsentscheidung ist, wie gewöhnlich bei
Anfechtungsklagen, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. November 2000 - 2 B 42.00 -, Buchholz 232 § 26 BBG
Nr. 40; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2005, Rn. 118 m.w.N.;
Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Band 1, § 26
BBG Rn. 44.
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Steht die Widerspruchsentscheidung - wie hier - noch aus, so hat das Gericht bei
Feststellung eines Fehlers im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu
berücksichtigen, ob und inwieweit der Fehler im Verlauf des Widerspruchsverfahrens
voraussichtlich geheilt werden wird. Ist eine Heilung nach dem Erkenntnisstand der
gerichtlichen Entscheidung zu bejahen, so ist weiter zu erwägen, welchen Inhalt die
angefochtene (Ausgangs-)Verfügung durch den Widerspruchsbescheid erhalten wird.
Der Rechtsschutzausspruch hat sich sodann daran auszurichten, inwieweit sich
entscheidungsrelevante Veränderungen ergeben werden und ob zu deren Sicherung
eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung erforderlich ist.
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Vgl. zum Ganzen auch Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO,
Loseblatt-Kommentar (Stand: April 2006), § 80 Rn. 287 ff.; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger
Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rn. 870.
21
Im vorliegenden Fall fällt die prognostische Beurteilung zulasten des Antragstellers aus:
Die gebotene Konkretisierung des vorübergehenden Charakters der unterwertigen
Beschäftigung ist im Widerspruchsbescheid ohne weiteres möglich, da Ausgangs- und
Widerspruchsbehörde identisch sind und die Prüfung im Widerspruchsverfahren nicht
auf bestimmte Gesichtspunkte eingeschränkt ist. Den Anforderungen des § 6
PostPersRG kann durch die gebotene zeitliche Begrenzung der unterwertigen
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Beschäftigung, wie oben dargelegt, Rechnung getragen werden, und zwar wegen der
Einheit von Ausgangs- und Widerspruchsentscheidung unabhängig von sonst
geltenden verfahrens- bzw. prozessrechtlichen Einengungen, wie sie § 45 VwVfG oder
§ 114 VwGO vorsehen. Obwohl sich im Zuge der Fehlerheilung der Inhalt der
Versetzungsentscheidung absehbar verändern wird, sieht der Senat hier keine
Veranlassung, dem Antragsteller bis zum Widerspruchsbescheid Rechtsschutz durch
Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu gewähren; denn der Fehler der
unterlassenen Präzisierung des vorübergehenden Charakters der unterwertigen
Beschäftigung hat keine Bedeutung für die Rechtmäßigkeit der vom Antragsteller
gegenwärtig ausgeübten Tätigkeit, sondern lediglich für den Zeitpunkt ihrer
Beendigung.
Aus entsprechenden Erwägungen ist dem Aufschubinteresse des Antragstellers weiter
nicht wegen eines (etwaigen) Ermessensausfalls in den angefochtenen Verfügungen
Vorrang einzuräumen. Auch der Senat lässt insofern ausdrücklich offen, ob der vom
Verwaltungsgericht unterstellte Ermessensausfall tatsächlich vorliegt bzw. ob es sich
bei den fraglos dürftigen Erwägungen in den angefochtenen Verfügungen um einen
bloßen Mangel der Begründung gemäß § 39 VwVfG handelt oder ob es der vom
Antragsteller vermissten Begründung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG nicht einmal
bedurfte. Die derzeit erkennbaren Umstände sprechen jedenfalls stark dafür, dass die
Deutsche Telekom AG im Vorfeld der Entscheidung ihr Ermessen erkannt und
ausgeübt, dies in den hier streitigen Versetzungsverfügungen aber nicht zum Ausdruck
gebracht hat. Zum einen ist insoweit zu bedenken, dass die Versetzung des
Antragstellers keine Einzelmaßnahme war, sondern Teil eines im übergeordneten
Rahmen organisierten Interessenausgleichs für zahlreiche Beschäftigte der aufgelösten
Organisationseinheiten in E. , wie es in den Gründen zu I. des angefochtenen
Beschlusses im Anschluss an die erstinstanzliche Schilderung der Antragsgegnerin
beschrieben ist. Dieser Interessenausgleich schließt zwangsläufig Feststellungen und
Gewichtungen der persönlichen und dienstlichen Verhältnisse betroffener Beschäftigter
ein, die unstreitig im Umsetzungsteam vorgenommen worden sind. Dies könnte
bedeuten, dass sich die zuständige Behörde der Deutschen Telekom AG den
Interessenausgleich des Umsetzungsteams im Rahmen ihrer Versetzungsentscheidung
bezüglich des Antragstellers zu eigen gemacht und damit ihr Ermessen ordnungsgemäß
ausgeübt hat. Zwar vermag eine für die Maßnahme selbst unzuständige Stelle wie das
Umsetzungsteam das Ermessen nicht anstelle des Dienstherrn auszuüben; der
zuständigen Behörde ist es aber nicht verwehrt, sich solcherart gefundenen
Erwägungen anzuschließen, sofern dies in eigenständiger Ausübung von Ermessen bei
der Entscheidung über die Personalmaßnahme geschieht. Dass im vorliegenden Fall so
verfahren worden ist, dürfte den Erklärungen der Antragsgegnerin im erstinstanzlichen
Verfahren zu entnehmen sein. Was die Interessen des Antragstellers angeht, so ist zu
bedenken, dass er vor der Versetzungsentscheidung angehört worden war und sich im
Schreiben vom 15. November 2005 unter eingehender Darlegung seiner Interessen
geäußert hatte. Von daher brauchte es besonderer Anhaltspunkte um zu schließen,
dass die Interessen des Antragstellers bei der Versetzungsentscheidung gleichwohl
nicht erwogen worden sind. Vor diesem Hintergrund gibt vorliegend allein der Umstand,
dass ermessensrelevante Gesichtspunkte und ihre Bewertung in der letztlich
getroffenen Entscheidung unerwähnt geblieben sind, keine genügende Grundlage ab
für den Schluss auf ein Ermessensdefizit.
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Letztlich lässt aber auch der Senat dahingestellt, ob überhaupt ein relevanter, zur
Aufhebung führender Ermessensfehler vorliegt. Denn nach den oben dargestellten
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Grundsätzen ist konkret davon auszugehen, dass auch er im Zuge des laufenden
Widerspruchsverfahrens geheilt werden wird. Allerdings erscheint zweifelhaft, ob eine
Heilung mit den Ausführungen der Antragsgegnerin in ihren erstinstanzlichen
Schriftsätzen bereits eingetreten ist, sollte dies als erstmalige Ausübung von Ermessen
und nicht nur als bloße Aufdeckung bereits angestellter Ermessenserwägungen gemeint
sein. Denn grundsätzlich dürfte die Nachholung im Sinne einer erstmaligen Ausübung
von Ermessen ein Verwaltungsverfahren erfordern, das geeignet ist, zu einer
Abänderung des (fehlerbehafteten) Verwaltungsaktes zu führen. Erklärungen, die von
der zuständigen Behörde in einem Rechtsschutzverfahren dem Gericht gegenüber
abgegeben werden, dürften in der vorliegenden Fallgestaltung nicht ausreichen.
Insofern dürfte sich die Nachholung von Ermessen davon unterscheiden, was in
anderen Bereichen des Verwaltungshandelns mithilfe einer dem Gericht gegenüber
abgegebenen Präzisierung oder Plausibiliserung rechtlich zulässig ist. Dies mag
indessen dahingestellt bleiben, denn jedenfalls rechtfertigen im vorliegenden Falle die -
in der Substanz überzeugenden - Feststellungen des Verwaltungsgerichts
(Beschussabdruck S. 13 ff.) die Prognose, dass ein etwaiges (hier unterstelltes)
Ermessensdefizit mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides beseitigt werden wird,
ohne dass sich an der Entscheidung in der Sache etwas ändert.
Der Antragsteller wendet im Beschwerdeverfahren hierzu ein, dass die Antragsgegnerin
mögliche Alternativen bezüglich der "Sozialauswahl" nicht erwogen und ihm, dem
Antragsteller, zu Unrecht einen Teleheimarbeitsplatz verweigert habe. Mit beiden
Fragen hat sich das Verwaltungsgericht bereits eingehend befasst. Der Antragsteller
setzt sich damit nicht konkret auseinander, sondern wiederholt nur seinen bisherigen
Standpunkt. Dieser überzeugt nicht, sodass auf die Gründe des angefochtenen
Beschlusses (Abdruck S. 16 f.) Bezug genommen werden kann. Ergänzend und
vertiefend ist auf Folgendes hinzuweisen: Nach dem oben Ausgeführten wäre für den
Erfolg des Rechtsschutzantrags ohnehin nicht die - unterstellte -
Ermessensfehlerhaftigkeit als solche ausschlaggebend, sondern die Unmöglichkeit der
Fehlerheilung bzw. die Annahme, der Verwaltungsakt werde im Zuge der Heilung eine
Veränderung im Sinne der Vorstellungen des Antragstellers erfahren. Davon kann
jedoch auch mit Blick auf die vom Antragsteller angesprochenen Punkte nicht
ausgegangen werden. Was die Frage der Auswahl des Antragstellers im Verhältnis zu
anderen in Betracht kommenden Bediensteten des Standortes E. angeht, hat das
Verwaltungsgericht dargetan, dass für sie gewichtige Gründe sprechen. Dann aber ist
es nicht Sache der Antragsgegnerin substanziiert vorzutragen, welche Alternativen der
Verwendungsentscheidung in Betracht kamen. Unzweifelhaft bestand infolge des
Wegfalls des Arbeitsplatzes des Antragstellers in E. die Notwendigkeit einer
anderweitigen Verwendung. Ermessensfehlerhaft kann diese Entscheidung nur dann
sein, wenn sich die vom Antragsteller gewünschte Verwendung als eindeutig
vorzugswürdig aufdrängen musste. Dafür bietet das Beschwerdevorbringen, auf das es
insofern ankommt, aber auch der sonstige Akteninhalt keine Basis. Eine dauerhafte
amtsangemessene Beschäftigungsmöglichkeit in E. hat auch der Antragsteller nicht
aufgezeigt. Insofern ist zu berücksichtigen, dass es zwar maßgeblich auf die
Erwägungen des Umsetzungsteams in Anwendung der ZIA-Richtlinien ankommen
dürfte - jedenfalls soweit sich bestätigen sollte, dass sich die Deutsche Telekom AG
diese wie oben angenommen zu eigen gemacht hat; derzeit spricht aber nichts dafür,
dass nach den danach anzulegenden Kriterien die Auswahl des Antragstellers
fehlerhaft gewesen sein könnte.
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Weiter vermag auch der Senat nicht festzustellen, dass der Antragsteller wegen seiner
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familiären Situation bzw. seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht hätte versetzt
werden dürfen. Was die Betreuung seiner Schwiegereltern angeht, ist weiterhin nicht
substanziiert aufgezeigt - angesichts der im angefochtenen Beschluss beschriebenen
Familiensituation auch nicht erkennbar -, welche Betreuung durch den Antragsteller
bislang wahrgenommen worden ist und dass dies infolge einer Versetzung nach P1.
überhaupt gefährdet wäre. Es verhält sich ja offenkundig keineswegs so, dass der
Antragsteller bisher eine vollzeitige Betreuung sichergestellt hätte. Ebenso wenig lässt
sich dem erneuten Hinweis auf die gesundheitlichen Probleme des Antragstellers eine
unzumutbare Härte entnehmen. Dem zur Substanziierung angeführten ärztlichen Attest
des Dr. C. hat das Verwaltungsgericht bereits mangelnde Aussagekraft
entgegengehalten, soweit es um die allein entscheidungserheblichen
versetzungsbedingten Veränderungen der gegebenen Situation geht.
Schließlich hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen Gründe angeführt, nach denen der
Antragsteller rechtsfehlerfrei sowohl bei der Teleheimarbeit als auch beim Projekt
ePersA unberücksichtigt geblieben ist. Dem setzt der Antragsteller wiederum nichts
entgegen. Da er ausweislich der einschlägigen Beschlussgründe (Abdruck S. 16 f.) die
jeweils geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt, kann der Antragsgegnerin nicht
vorgeworfen werden, dass sie den Einsatz des Antragstellers auf einem solchen
Arbeitsplatz unzureichend geprüft habe. Zudem nennt der Antragsteller keine
Umstände, die eine solche Prüfung nahe gelegt hätten. Das Zitat aus einer über den
Antragsteller erstellten dienstlichen Beurteilung ist in diesem Zusammenhang
bedeutungslos.
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Ist der (etwaige) Ermessensfehler einer mangelnden Berücksichtigung der
vorstehenden Umstände voraussichtlich ohne weiteres heilbar, so kann dem
Rechtsbehelf in der Hauptsache insofern kein hinreichender Erfolg bescheinigt werden.
Auf die vom Antragsteller unter Nr. 2 thematisierte Zulässigkeit des Nachschiebens von
Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren - also nach Abschluss des
Verwaltungsverfahrens - kommt es demnach nicht an. Die Heilung von
Ermessensfehlern im Widerspruchsverfahren hängt nicht von der Reichweite des § 114
Satz 2 VwGO ab, sondern vom Übergang der Entscheidungskompetenz auf die
Widerspruchsbehörde. Ist diese wie vorliegend gegeben, so wird die Befugnis zur
Ausübung von Ermessen bzw. zur Änderung des Verwaltungsaktes von der Befugnis
zum Erlass des Verwaltungsaktes umfasst. So liegt der Fall hier.
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Eine Vollziehungsregelung zugunsten des Antragstellers für die Zeit bis zur
Widerspruchsentscheidung ist wegen der Ausführungen der Antragsgegnerin im
vorliegenden Rechtsschutzverfahren nicht geboten. Dem Sicherungsbedürfnis mit
Bezug auf das Hauptsachebegehren - der Aufhebung der angefochtenen Verfügungen -,
auf das die Regelung der Vollziehung allein abzielt, ist mit der Feststellung Genüge
getan, dass die Versetzungsentscheidung schon jetzt auf einer tragfähigen Grundlage
beruht. Dem Umstand eines bis zur formellen Heilung (möglicherweise) gegebenen
Erwägungsdefizits kann wegen der erkennbaren Folgenlosigkeit dieses Defizits bis zur
Entscheidung im Widerspruchsverfahren keine selbstständige Bedeutung beigemessen
werden.
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Nach alldem ist für eine von den Erfolgsaussichten des Widerspruchsverfahren
unabhängige Interessenabwägung kein Raum mehr. Die insofern bedeutsamen
Gesichtspunkte sind vorstehend bereits als nicht durchschlagend betrachtet worden. Ein
demgegenüber selbstständiges Gewicht kommt ihnen nicht zu.
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Eine Entscheidung über die Aufhebung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3
VwGO ist nicht zu treffen. Der Antragsteller begehrt eine solche Entscheidung nach der
Antragsfassung - der Regelungsstruktur der Vorschrift entsprechend - erkennbar
ausschließlich als Folgeregelung für den Fall einer gerichtlichen Anordnung der
aufschiebenden Wirkung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §
53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2, § 47 Abs. 1 GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar.
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