Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.08.2001

OVG NRW: arbeitsmarkt, aufenthalt, zugang, ausnahmefall, verfassung, aussetzung, bewährung, einzelrichter, diplom, vertragsstaat

Oberverwaltungsgericht NRW, 17 B 286/01
Datum:
21.08.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
17. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 B 286/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 23 L 2359/00
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 4.000,-- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde ist nicht begründet. Die geltend gemachten
Zulassungsgründe liegen nicht vor.
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Das Vorbringen des Antragstellers ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der
Richtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichts zu wecken, §§ 146 Abs. 4, 124
Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Der Antragsteller meint, der vom Verwaltungsgericht zugrundegelegten Anwendbarkeit
von § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG stehe Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls vom 23.
November 1970 (BGBl. II 1972, S. 385) - Zusatzprotokoll - zum Abkommen vom 12.
September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase (BGBl. II 1964, S. 509)
- Assoziierungsabkommen - entgegen. Dem kann nicht gefolgt werden.
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Auf Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls kann der Antragsteller sich nicht berufen. Die
Vorschrift betrifft die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr;
beide Grundfreiheiten werden vom Antragsteller nicht in Anspruch genommen. Auf den
Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist die Regelung nicht anwendbar,
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hierzu ausführlich: OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2001 - 17 A 5552/00 -, ebenso: OVG
NRW, Beschluss vom 29. Januar 2001 - 18 B 116/01 -, jeweils zur Veröffentlichung
vorgesehen.
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Informatorisch wird angemerkt, dass auch der im Zulassungsantrag nicht
angesprochene Art. 13 ARB 1/80 der Anwendung der Ist- und
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Regelausweisungstatbestände des § 47 Abs. 1 und Abs. 2 AuslG nicht entgegensteht.
Insoweit mag zugrundegelegt werden, dass der Antragsteller dem durch den
Assoziationsratsbeschluss 1/80 begünstigten Personenkreis angehört. Nach Art. 13
ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer
und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem
Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum
Arbeitsmarkt einführen. Die Vorschrift umfasst auch das Aufenthaltsrecht. Sie verwehrt
es den Vertragsparteien, neue Maßnahmen zu erlassen, die den Zweck oder die Folge
haben, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt und damit verbunden der Aufenthalt in dem
Vertragsstaat strengeren Bedingungen unterworfen werden, als sie im Zeitpunkt des
Inkrafttretens des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 galten. Zwar kann die Neuregelung
des Ausweisungsrechts durch Einführung der Ist- und Regelausweisung durch das
Ausländergesetz vom 9. Juli 1990, BGBl. I, S. 1354, zu solchen Beschränkungen führen.
Jedoch steht das Stillhaltegebot des Art. 13 Abs. 1 ARB 1/80 unter dem Vorbehalt von
Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, der Ausnahmen davon zulässt. Dieser Schrankenvorbehalt
berechtigt die Mitgliedstaaten dazu, das nationale Ausweisungsrecht in den Grenzen
vorrangigen Rechts - auch nachträglich - zu ändern. Dies ist durch die Einführung der
Ist- und Regelausweisungstatbestände geschehen, deren Anwendung auf
Gemeinschaftsangehörige und Assoziationsberechtigte keinen Bedenken begegnet,
wenn im konkreten Fall die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des
gemeinschaftsrechtlichen Ausweisungsschutzes gewahrt werden,
vgl. hierzu, das vorerwähnte Urteil vom 13. Juni 2001.
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Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 10. Mai 2001 die im erstinstanzlichen
Verfahren geltend gemachte gesundheitliche Problematik aufgreift und unter Vorlage
eines fachpsychologischen Gutachtens des Diplom-Psychologen und psychologischen
Psychotherapeuten O. C. vom 2. April 2001 vorträgt, es lägen Abschiebungshindernisse
nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vor, ist dies für die Entscheidung über den
Zulassungsantrag unerheblich. § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO ermöglicht die Zulassung der
Beschwerde nur aus den Gründen, die innerhalb der Frist des Satzes 1 der Vorschrift
dargelegt worden sind. Von einer Berücksichtigung nicht ausgeschlossen sind lediglich
Ergänzungen der Antragsbegründung. Der Antragsteller hat jedoch die vom
Verwaltungsgericht unter Erörterung der im Zeitpunkt seiner Entscheidung bekannten
ärztlichen und psychologischen Erkenntnisse gewonnene Überzeugung, die
gesundheitliche Verfassung des Antragstellers führe nicht auf einen Ausnahmefall, der
Anlass für ein Abweichen von der Regelrechtsfolge des § 47 Abs. 2 AuslG gebe, nicht
beanstandet.
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Wegen der durch § 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO gesetzten zeitlichen Grenzen ist
desweiteren unerheblich, dass die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts
Aachen, die zuvor mit Beschluss vom 15. Februar 2001 die Aussetzung des Strafrestes
nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe abgelehnt hatte, nunmehr zu einer relativ
günstigen Zukunftsprognose gelangt ist und mit Beschluss vom 4. Juli 2001 den
verbleibenden Strafrest mit sofortiger Wirkung zur Bewährung ausgesetzt hat.
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Der ebenfalls auf die Bedeutung von Art. 41 des Zusatzprotokolls für die Anwendbarkeit
der Regelausweisungstatbestände des § 47 Abs. 2 AuslG auf türkische Arbeitnehmer
gestützte Zulassungsgrund nach §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor.
Für das Vorliegen oder Fehlen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher
Schwierigkeiten der Rechtssache ist ohne indizielle Bedeutung, ob die Entscheidung im
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erstinstanzlichen Verfahren auf den Einzelrichter übertragen worden war oder nicht. Die
besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache sind aus der Sicht des
Oberverwaltungsgerichts im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag zu
beurteilen,
vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 31. Juli 1998 - 10 A 1329/98 -, NVwZ 1999, 202, und
vom 26. Januar 1999 - 3 B 2861/97 -, NVwZ-RR 1999, 696, sowie Seibert in:
Sodann/Ziekow, VwGO, § 124 Rdn. 170 ff., m.w.N.
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Sie liegen aus den eingangs dargelegten Gründen nicht vor.
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Aus den nämlichen Gründen sind die vom Antragsteller angesprochenen Rechtsfragen
im Zusammenhang mit Art. 41 des Zusatzprotokolls in einem Beschwerdeverfahren
nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§
13 Abs. 1, 14 Abs. 1 und 3, 20 Abs. 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.
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