Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.02.2000
OVG NRW (bundesrepublik deutschland, politische verfolgung, kläger, iran, verfolgung, mutter, mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit, amnesty international, deutschland, gefahr)
Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 4615/98.A
Datum:
15.02.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 A 4615/98.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 6 K 1912/94.A
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in
entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
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Der am 29. Mai 1971 geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste im
April 1985 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 2. Juni 1992 einen
Asylantrag unter Bezugnahme auf die mit Bescheid des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 15. November
1985 erfolgte Asylanerkennung seiner Mutter.
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Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 5. Januar 1994 gab der Kläger zur
Begründung seines Asylbegehrens im Wesentlichen Folgendes an: Bei einer Rückkehr
in den Iran befürchte er Probleme wegen der Asylanerkennung seiner Mutter und seiner
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beiden Schwestern. Zudem habe damals sein Bruder im Iran im Gefängnis gesessen,
weil sie, d.h. seine Mutter, seine beiden Schwestern und er selbst, vor seinem Bruder
das Land verlassen hätten. Später sei sein Bruder "auf Bewährung" freigelassen
worden. Sein Bruder habe damals nicht mit ausreisen können, da er bereits 14 Jahre alt
gewesen und somit mit einem Ausreiseverbot belegt gewesen sei. Im Iran sei er, der
Kläger, nicht politisch aktiv gewesen. In der Bundesrepublik Deutschland habe er einige
Male als Schauspieler in regimekritischen Theaterstücken mitgespielt, ansonsten
jedoch keine politischen Aktivitäten entfaltet.
Mit Bescheid vom 24. März 1994 lehnte das Bundesamt die Anerkennung des Klägers
als Asylberechtigten ab (Nr. 1 des Bescheides), stellte fest, dass die Voraussetzungen
des § 51 Abs. 1 AuslG (Nr. 2 des Bescheides) und Abschiebungshindernisse nach § 53
AuslG (Nr. 3 des Bescheides) nicht vorlägen, forderte den Kläger zur Ausreise aus der
Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats auf und drohte dem Kläger für den
Fall der Nichteinhaltung der Ausreisefrist die Abschiebung in den Iran an (Nr. 4 des
Bescheides). Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Inhalt des
angefochtenen Bescheides Bezug genommen.
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Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen
Folgendes angegeben: Seine Mutter sei Sympathisantin der Nationalen
Widerstandsbewegung Iran und habe der Gruppe um den später in Paris ermordeten
Baktiar nahe gestanden. Eine Nachbarin, die auf seine Mutter als Spitzel angesetzt
gewesen sei, habe den örtlichen Sicherheitsbehörden berichtet, dass seine Mutter
Spottverse über Khomeini rezitiert habe. Deshalb seien seine Mutter, seine Schwestern
und auch sein älterer Bruder inzwischen als Asylberechtigte anerkannt worden. Nach
seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland sei er wie auch seine Schwester A.
M. für die oppositionelle Kultur- und Künstlervereinigung der Iraner im Ausland "S.A.I."
in einer Schauspielgruppe tätig gewesen, die bundesweit Theaterstücke aufgeführt
habe, in denen zum Widerstand gegen das derzeitige Mullah-Regime im Iran aufgerufen
worden sei. Wegen der politischen Aktivitäten seiner Mutter habe er unter dem
Gesichtspunkt der Sippenhaft im Falle seiner Rückkehr in den Iran politische Verfolgung
zu befürchten. Wegen seiner Tätigkeit in der S.A.I., insbesondere seiner Mitarbeit bei
dem Fernsehprogramm der S.A.I., das über den "Offenen Kanal" ausgestrahlt worden
sei, müsse er mit Folter oder gar mit der Todesstrafe rechnen.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger im
Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Er habe im Iran noch keinen Wehrdienst geleistet.
Nach einer möglichen Rückkehr in den Iran wäre er auch nicht bereit, Wehrdienst zu
leisten. Er habe auch nicht versucht, eine Befreiung von einer Wehrpflicht etwa über die
iranische Botschaft in Bonn zu erreichen. In der Bundesrepublik Deutschland habe er
sich einer Theatergruppe angeschlossen. Sie hätten Tourneen unternommen und seien
beispielsweise in Köln, Berlin und Bonn aufgetreten. Ferner habe er an zahlreichen
Demonstrationen u.a. vor der iranischen Botschaft teilgenommen. Die genauen Daten
seien ihm jedoch nicht mehr erinnerlich. Bei einer dieser Demonstrationen, etwa vor
zwei Jahren, sei gegen die Hinrichtungen im Iran demonstriert worden. Bei einer
anderen Demonstration sei es um die blutige Niederschlagung eines Widerstandes in
der Bevölkerung gegangen. Ferner habe er sich an Demonstrationen auf dem Bonner
Münsterplatz beteiligt. Bei den Demonstrationen, an denen er teilgenommen habe, habe
es sich jeweils um größere Veranstaltungen gehandelt. Er selbst sei nicht Mitglied einer
bestimmten Organisation; wenn es sich um ein wichtiges Thema handele, dann mache
er bei Veranstaltungen mit.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte - unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 24. März 1994 - zu verpflichten, den Kläger als
Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass in der Person des Klägers die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfüllt sind sowie Abschiebungshindernisse
nach § 53 AuslG vorliegen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat sie auf die Gründe des angefochtenen Bescheides Bezug
genommen.
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Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und
zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger sich mit Erfolg auf
asylrechtlich relevante Nachfluchtgründe berufen könne. Ihm drohe bei einer etwaigen
Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung
wegen Wehrdienstentziehung aufgrund der zu erwartenden Vorenthaltung der
Wehrdienstbescheinigung für einen Zeitraum bis zu zehn Jahren und der Möglichkeit
der Verurteilung des Wehrdienstflüchtlings auch zu anderen Strafen (zu mehrjährigen
Freiheitsstrafen oder sogar zur Todesstrafe). Für die asylrechtliche Berücksichtigung
des Nachfluchttatbestandes der Wehrdienstentziehung komme es nicht darauf an, ob
der Kläger sich bereits vor seiner Flucht im Iran in Form einer vorhandenen und
erkennbar betätigten Überzeugung gegen die Ableistung des Wehrdienstes
ausgesprochen habe. Denn dies sei ausnahmsweise nicht zu fordern. Die Verpflichtung
der Beklagten zur Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ergebe sich
unmittelbar aus § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG. Die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1
AuslG seien erfüllt, da dem Kläger als politisch Oppositionellem bei der Rückkehr in den
Iran die konkrete Gefahr der Folter drohe. Schließlich sei die Abschiebungsandrohung
aufzuheben, da der Kläger als Asylberechtigter anzuerkennen sei. Zur Begründung im
Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug
genommen.
13
Hiergegen wendet sich der Beteiligte mit seiner zugelassenen Berufung. Zur
Begründung führt er aus, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf
tatsächlichen Feststellungen beruhe, die längst überholt seien. Die Auffassung des
Verwaltungsgerichts, der Kläger werde so behandelt werden, als habe er sich während
des Krieges dem Wehrdienst entzogen und habe sich erst in Friedenszeiten
zurückgemeldet, weswegen ihm eine sieben- bis zehnjährige Vorenthaltung der
Wehrdienstbescheinigung drohe, sei jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht
mehr vertretbar. Der Kläger sei nämlich erst im Jahre 1989 und damit fast ein Jahr nach
der Beendigung der Kampfhandlungen aufgrund des Waffenstillstandes vom August
1988 ins wehrfähige Alter gekommen. Die danach zu erwartende Vorenthaltung der
Wehrdienstbescheinigung für einen relativ kurzen Zeitraum von maximal zwei Jahren
enthalte keine asylrelevante Beeinträchtigung. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht
den Aspekt der Amnestien, etwa der Amnestie aus dem Jahre 1992/93, nicht in die
Betrachtung einbezogen, obwohl gerade dies zeige, dass die iranischen Behörden der
Wehrdienstentziehung ein politisches Gewicht gerade nicht beimäßen.
14
Der Beteiligte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
16
Der Kläger stellt keinen Antrag. Zur Sache hat er im Zulassungsverfahren im
Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Über die Asylanerkennung seiner Mutter, seiner
beiden Schwestern und seines Bruders hinaus seien weitere Nachfluchtgründe zu
beachten. Er, der Kläger, habe nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland
an zahlreichen Kundgebungen gegen das Mullah-Regime im Iran teilgenommen. Im
Juni 1991 habe der iranische Schriftsteller und Journalist Feridoun Gilani einen ca.
zweiwöchigen Hungerstreik auf dem Münsterplatz in Bonn durchgeführt. An dem
Hungerstreik habe sich auch seine Mutter beteiligt. Er, der Kläger, habe zwar selbst
nicht an dem Hungerstreik teilgenommen, er sei aber bei der Kundgebung anwesend
gewesen. Er habe darüber hinaus in den Jahren 1988 bis 1995 in Begleitung seiner
Mutter regelmäßig am "Tag der iranischen Revolution" an den Demonstrationen gegen
das Mullah-Regime vor der iranischen Botschaft in Bonn-Bad Godesberg
teilgenommen. Er habe weiterhin seine Mutter mehrfach begleitet, als diese von
internationalen Gruppen, wie amnesty international, zu Vorträgen eingeladen worden
sei. Auch über die genannten Veranstaltungen hinaus habe er häufig an
Demonstrationen gegen das Mullah-Regime teilgenommen, wann immer ihm dies
möglich gewesen sei. Zuletzt habe er am 10. Dezember 1998 an einer Demonstration
vor der Kunsthalle in Bonn anlässlich der Ermordung von iranischen Schriftstellern
teilgenommen. Diese Nachfluchtgründe seien auch beachtlich, da er den Iran im Alter
von 13 Jahren verlassen habe. Von ihm sei in Anbetracht seiner altersmäßigen
Entwicklung die Gewinnung und Bekundung einer schon gefestigten politischen
Überzeugung in seinem Heimatland noch nicht zu verlangen.
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Die Beklagte stellt keinen Antrag und nimmt zur Sache nicht Stellung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten, des Landrats des R. - S. -Kreises sowie der
Entscheidungen und Erkenntnisse, die in dem den Beteiligten zugestellten
Anhörungsschreiben des Gerichts vom 17. Januar 2000 näher bezeichnet sind.
19
II.
20
Der Senat kann gemäß § 130 a Satz 1 VwGO über die Berufung durch Beschluss
entscheiden, weil er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht
für erforderlich hält; die Beteiligten sind hierzu gemäß § 130 a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz
3 VwGO angehört worden.
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Die Beteiligten sind durch das Anhörungsschreiben des Gerichts vom 17. Januar 2000
auf die Rechtsprechung des Senats zur Sippenhaft, zur asyl- bzw.
abschiebungsrechtlichen Beachtlichkeit exilpolitischer Tätigkeiten und der
Asylantragstellung und auf Rechtsprechung und Erkenntnisse betreffend das Thema
"Wehrpflicht" hingewiesen worden. Des weiteren ist der Kläger aufgefordert worden,
zum Vorliegen der Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche vorzutragen
und gegebenenfalls Beweismittel zu bezeichnen. Eine Einsicht in die zitierten bzw.
darin ausdrücklich in Bezug genommenen weiteren gerichtlichen Entscheidungen des
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Senats oder aber in die in den Senatsentscheidungen verwerteten und von dem Senat
in der Dokumentationsstelle vorgehaltenen Erkenntnisse ist trotz einer ausreichend
bemessenen Frist nicht genommen worden. Eine über das Vorbringen im
Zulassungsverfahren hinausgehende Stellungnahme, zu der der Kläger mit dem oben
genannten Schreiben aufgefordert ist, ist nicht erfolgt. Etwaige Hinderungsgründe, die
Anlaß geboten hätten, die Stellungnahmefrist zu verlängern, sind nicht geltend gemacht
worden.
Die zugelassene Berufung des Beteiligten ist begründet.
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Die Ablehnung der Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten in dem Bescheid des
Bundesamtes vom 24. März 1994 (Nr. 1 des Bescheides) ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Anerkennung als
Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik
Deutschland (GG).
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Hiernach genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politische Verfolgung in diesem Sinn
ist grundsätzlich staatliche, d.h. unmittelbar vom Staat ausgehende oder aber ihm
zuzurechnende Verfolgung.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80,
315; BVerwG, Urteil vom 6. August 1996 - 9 C 172.95 -, BVerwGE 101, 328, Beschluss
vom 24. März 1995 - 9 B 747.94 -, NVwZ 1996, 85, Urteil vom 22. März 1994 - 9 C
443.93 -.
27
Das Asylrecht gewährt darüber hinaus nur Schutz vor einer - staatlichen - Verfolgung,
die dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale, wie die politische
Überzeugung und die religiöse Grundentscheidung des Betroffenen, oder an für ihn
unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, wie etwa Rasse, Religion,
Nationalität und Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, gezielt Rechtsverletzungen
zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der
staatlichen Einheit ausgrenzen, so dass der Betroffene gezwungen war, in begründeter
Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Land zu verlassen und im Ausland Schutz zu
suchen.
28
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989, a.a.O., S. 334 f., 342, 344.
29
Dabei steht der eingetretenen Verfolgung die unmittelbar, d.h. mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1993 - 9 C 45.92 -, InfAuslR 1994, 201,
31
drohende Gefahr der Verfolgung gleich.
32
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989, a.a.O., S. 344 f.
33
Die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer drohenden Verfolgung ist stets dann gegeben,
wenn bei "qualifizierender" Betrachtungsweise die für den jederzeitigen
Verfolgungseintritt,
34
vgl. BVerwG, Urteil vom 9. April 1991 - 9 C 91.90 -, NVwZ 1992, 270, Urteil vom 22. Juli
1991 - 9 C 38.91 -,
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sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den
dagegensprechenden Tatsachen überwiegen.
36
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1993, a.a.O., Urteil vom 5. November 1991 - 9 C
180.90 -, BVerwGE 89, 162.
37
Für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch Verfolgter ist, gelten
unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor
eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er
unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist.
38
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989, a.a.O., S. 344; BVerwG, Urteil vom 15. Mai
1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139 (140 f.).
39
Ist der Asylsuchende wegen bestehender oder unmittelbar drohender politischer
Verfolgung ausgereist und war ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines
Heimatstaates unzumutbar, so ist er asylberechtigt, wenn die fluchtbegründenden
Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderungen fortbestehen.
Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich beendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem
Wiederaufleben zu rechnen ist. Ist der Asylsuchende im Zeitpunkt der Entscheidung vor
erneuter Verfolgung hinreichend sicher, so kommt eine Anerkennung als
Asylberechtigter nicht in Betracht. Gleiches gilt, wenn sich - bei fortbestehender regional
begrenzter politischer Verfolgung - nach der Einreise in den Geltungsbereich des
Grundgesetzes eine zumutbare inländische Fluchtalternative eröffnet.
40
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989, a.a.O., S. 345; BVerwG, Urteil vom 15. Mai
1990, a.a.O.
41
Die hinreichende Sicherheit vor erneuter Verfolgung ist dann nicht gegeben, wenn über
die bloße Möglichkeit hinaus, Opfer eines erneuten Übergriffs zu werden, objektive
Anhaltspunkte eine Wiederholung der ursprünglichen oder aber das erhöhte Risiko
einer gleichartigen,
42
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1997 - 9 C 9.96 -, NVwZ 1997, 1134,
43
Verfolgung als nicht ganz entfernt und damit als "reale" Möglichkeit erscheinen lassen.
Für die Verneinung einer zumutbaren Fluchtalternative genügt nicht jede (noch so
geringe) Möglichkeit des abermaligen Verfolgungseintritts; auch muss die Gefahr
erneuter Übergriffe nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
ausgeschlossen werden.
44
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147,181,182/80 -, BVerfGE 54, 341;
BVerwG, Urteil vom 25. September 1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169, Urteil vom 30.
April 1996 - 9 C 170.95 -, DVBl. 1996, 1257 (1259) m.w.N..
45
Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat hingegen unverfolgt verlassen, so kann sein
Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen
46
Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung auf der Grundlage des nicht
herabgestuften Maßstabes der beachtlichen Wahrscheinlichkeit droht.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 (S.
64 ff.); BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1987 - 9 C 184.86 -, BVerwGE 77, 258 (260 f.).
47
Im Hinblick auf die den Asylsuchenden nach § 86 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO
treffende Mitwirkungspflicht ist es zunächst dessen Sache, seine guten Gründe für eine
politische Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. In Bezug auf die in seine Sphäre
fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse und seine Vor- und
ggf. auch seine Nachfluchtaktivitäten, muss er unter Angabe genauer Einzelheiten einen
in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass
ihm bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsstaat zu bleiben
oder dorthin zurückzukehren.
48
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1994 - 2 BvR 1183/92 -, DVBl. 1994, 1403;
BVerwG, Beschluss vom 19. März 1991 - 9 B 56.91 -, Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 25
m.w.N., Urteil vom 6. Dezember 1988 - 9 C 91.87 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr.
204 m.w.N., Urteil vom 24. März 1987 - 9 C 321.85 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG a. F.
Nr. 64 m.w.N., Urteil vom 28. Mai 1984 - 9 C 141.83 -, NVwZ 1985, 36, Urteil vom 23.
November 1982 - 9 C 74.81 -, BVerwGE 66, 237.
49
Soweit die Verfolgungsfurcht auf Vorgänge im Heimatland des Asylbewerbers gestützt
wird, genügt es für die Überzeugungsbildung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass
die Asylgründe glaubhaft gemacht sind. Soweit die asylbegründenden Tatsachen auf
dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland eingetreten sind, hat der
Asylsuchende demgegenüber den vollen Beweis zu führen.
50
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 1977 - 1 C 33.71 -, BVerwGE 55, 82 (86); Urteil
vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, BVerwGE 71, 180 (181 f.).
51
Hiernach bleibt das Asylbegehren des Klägers insgesamt ohne Erfolg.
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Dies gilt zunächst hinsichtlich der seitens des Klägers befürchteten Sanktionen wegen
Wehrdienstentziehung. Sanktionen für Wehrdienstverweigerungen stellen, selbst wenn
sie von weltanschaulich totalitären Staaten ausgehen, nicht schon für sich allein eine
politische Verfolgung dar. In eine politische Verfolgung schlagen derartige Maßnahmen
erst dann um, wenn sie zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt
werden, die durch die Maßnahmen gerade wegen ihrer Religion, ihrer politischen
Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals getroffen werden sollen.
Die Schwere der angedrohten Strafe für sich gesehen ist lediglich das Kriterium dafür,
ob die befürchtete Maßnahme eine Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG
darstellt; sie allein vermag den politischen Charakter der Bestrafung nicht zu begründen.
Dies gilt selbst für die Todesstrafe. Zwar mag ein Staat, indem er als Sanktion für
Straftaten seiner Staatsbürger die Todesstrafe vorsieht und verhängt, seine Strafgewalt
exzessiv und unter Verletzung einer nach der Wertordnung des Grundgesetzes
geltenden Grenze ausüben. Art. 16 a Abs. 1 GG schützt jedoch nicht schlechthin gegen
jede exzessive staatliche Machtausübung. Die außergewöhnliche Härte einer
drohenden Strafe kann allerdings Anlaß zur Prüfung ihrer Tat- und
Schuldangemessenheit sein, deren evidentes Fehlen ein Indiz für eine hinter der
53
Strafnorm stehende politische "Gerichtetheit" der Verfolgung ist.
Vgl. std. Rspr. des BVerwG, etwa: Beschluss vom 10. September 1999 - 9 B 7.99 -,
Urteil vom 24. November 1992 - 9 C 76.91 -, Urteil vom 31. März 1992 - 9 C 57.91 -,
NVwZ 1993, 193, Urteil vom 25. Juni 1991 - 9 C 131.90 -, InfAuslR 1991, 310,
Beschluss vom 9. Januar 1989 - 9 B 463.88 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 100,
Urteil vom 6. Dezember 1988 - 9 C 22.88 -, BVerwGE 81, 41, Urteil vom 15. März 1988 -
9 C 278.86 - , BVerwGE 79, 143, Urteil vom 19. August 1986 - 9 C 322.85 -, Buchholz
402.25 § 1 AsylVfG Nr. 54, m.w.N., Urteil vom 17. Mai 1983 - 9 C 36.83 -, BVerwGE 67,
184.
54
Gemessen hieran ist die Gefahr einer politischen Verfolgung des im Alter von 13 Jahren
aus dem Iran ausgereisten, nicht vorverfolgten Klägers wegen Wehrdienstentziehung
nicht beachtlich wahrscheinlich.
55
Dabei kann zu Gunsten des Klägers unterstellt werden, dass, wie das
Verwaltungsgericht angenommen hat, der Kläger mit Vollendung des 18. Lebensjahres
im Jahre 1989 wehrpflichtig geworden ist, Befreiungstatbestände nicht eingreifen, der
Kläger als im Ausland lebender Wehrpflichtiger gegen seine sich aus § 19 Abs. 2 des
Iranischen Wehrpflichtgesetzes vom 21. Oktober 1984 (IWPflG),
56
vgl. zum Gesetzestext: Auswärtiges Amt, Stellungnahme vom 6. November 1985 an VG
Köln,
57
ergebende Meldepflicht verstoßen hat, seine Abwesenheit auch nicht begründen kann
und damit unter die in § 58 Satz 4 IWPflG normierten Rechtsfolgen fällt.
58
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kommt in Bezug auf den Kläger
jedoch allenfalls die Vorschrift des § 58 Satz 4 Buchstabe a IWPflG in Betracht. Nach §
58 Satz 4 Buchstabe a Satz 1 IWPflG erhalten Wehrpflichtige, die sich im Frieden
freiwillig melden, erst nach sechs Monaten bis zu einem Jahr nach Ende des
Wehrdienstes einen Ausweis über die Ableistung des Militärdienstes. Gemäß § 58 Satz
4 Buchstabe a Satz 2 IWPflG erhalten diejenigen, die verhaftet werden, die
Bescheinigung erst nach ein bis zwei Jahren. Die vom Verwaltungsgericht für
einschlägig gehaltene Regelung des § 58 Satz 4 Buchstabe d IWPflG i.V.m. der
Anmerkung 1 zu § 58 IWPflG betrifft die Fallgestaltung, in denen Wehrpflichtige
während eines Krieges abwesend sind und sich erst im Frieden melden. Ein derartiger
Fall liegt hier jedoch nicht vor. Denn der Kläger hat seine Meldepflicht nicht während
eines Krieges, etwa des ersten Golfkrieges, verletzt, sondern frühestens mit Vollendung
des 18. Lebensjahres, mithin im Jahr 1989. In diesem Zeitpunkt fand jedoch kein Krieg
im Sinne der oben genannten Regelung statt, an dem der Iran beteiligt war.
59
Die Kampfhandlungen des ersten Golfkrieges fanden mit dem
Waffenstillstandsabkommen vom 20. August 1988 ihr Ende. Wenn es auch einen
formellen Friedensschluß nicht gab, ist davon auszugehen, dass ab diesem Zeitpunkt
von "Frieden" im Sinne des § 58 Satz 4 IWPflG auszugehen ist. Die verschärfte
Sanktion des § 58 Satz 4 Buchstabe d IWPflG rechtfertigt sich allein aus der besonderen
Schwächung der Verteidigungskraft durch Wehrdienstentziehung während eines
Krieges und dem Verhindern eines Einsatzes an der Kriegsfront,
60
vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Oktober 1988 - 16 A 10187/88 -,
61
so dass ab der durch das Waffenstillstandsabkommen gesicherten Beendigung der
kriegerischen Auseinandersetzung das Bedürfnis für eine gesteigerte Sanktion von
Wehrdienstentziehungen entfällt.
62
Das Urteil des Berufungsgerichts, auf das sich das Verwaltungsgericht in der
angefochtenen Entscheidung gestützt hat,
63
vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Oktober 1988, a.a.O.,
64
kann für dessen gegenteilige Auffassung nicht herangezogen werden. Denn in dem
seinerzeit mit dem vorzitierten Urteil entschiedenen Fall war jener im Jahre 1969
geborene Kläger bereits im Jahre 1987 wehrpflichtig geworden und hatte in diesem
Zeitpunkt, mithin noch während der andauernden Kriegshandlungen des ersten
Golfkrieges, seine Meldepflicht verletzt. Gerade weil der Krieg nach Auffassung des
seinerzeit für Iran zuständigen 16. Senates mit dem Waffenstillstandsabkommen
beendet gewesen ist und somit die - verspätete - Meldung zum Wehrdienst nur noch im
"Frieden" erfolgen konnte, hat der 16. Senat die Anwendung des § 58 Satz 4 Buchstabe
d IWPflG bejaht und ausdrücklich die Alternative des § 58 Satz 4 Buchstabe c IWPflG -
Wehrdienstentziehung im Krieg und Meldung des Wehrpflichtigen im Krieg - verworfen.
65
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Oktober 1988, a.a.O., S. 6 und 7 des Urteilsabdrucks.
66
Hiernach kann lediglich davon ausgegangen werden, dass als Sanktion für die
Entziehung von der Wehrpflicht nach dem Abschluss des Waffenstillstandsabkommens
allenfalls - neben dem Nachdienen - die Vorenthaltung der Wehrdienstbescheinigung
für einen Zeitraum vom max. zwei Jahren droht. Von einer lediglich kurzfristigen
Vorenthaltung der Wehrdienstbescheinigung im Falle der Wehrdienstentziehung im
Frieden und der - verspäteten - Meldung im Frieden gehen im übrigen auch die zur
Verfügung stehenden Erkenntnisquellen aus.
67
Vgl. etwa: Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 20. April 1999; Deutsches Orient-Institut,
Stellungnahme vom 30. Juli 1996 an OVG Saarlouis; amnesty international,
Stellungnahmen vom 4. Juni 1996 an OVG Saarlouis, vom 4. Januar 1995 an VG
Düsseldorf.
68
Die hiernach allenfalls zu erwartende verzögerte Erteilung der
Wehrdienstbescheinigung über einen Zeitraum von max. zwei Jahren (die Anmerkung 1
zu § 58 IWPflG, wonach der Wehrpflichtige auch zu anderen Strafen verurteilt werden
kann, gilt nur für die Fälle des § 58 Satz 4 Buchstabe d IWPflG, nicht aber für die
Alternative des Buchstabens a des Satzes 4) stellt nach Überzeugung des Senats auch
unter Berücksichtigung der existentiellen Bedeutung der Wehrdienstbescheinigung und
der mit ihrer Vorenthaltung verbundenen Härte,
69
vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 10. Juni 1988 - 16 A 10095/88 -, InfAuslR 1989, 177,
Urteil vom 17. Oktober 1988, a.a.O., Urteil vom 17 Oktober 1988, - 16 A 10098/88 -,
Urteil vom 3. Oktober 1989 - 16 A 10191/88 -, Urteil vom 7. November 1989 - 16 A
10119/88 -, Urteil vom 30. Mai 1990 16 A 10126/88 -,
70
keine politische Verfolgung dar.
71
Von dem gesetzlichen Tatbestand her gibt die Strafbestimmung des § 58 IWPflG, soweit
sie die Vorenthaltung der Wehrdienstbescheinigung regelt, auch unter Berücksichtigung
des Umstandes, dass die Verteidigung der Souveränität und Unabhängigkeit der
Islamischen Republik Iran eine religiöse und nationale Pflicht jedes Iraners ist (§ 1 Satz
1 IWPflG), keinen Hinweis darauf, dass mit dieser Maßnahme generell die politische
oder religiöse Überzeugung desjenigen getroffen werden soll, der sich seiner
Wehrpflicht entzieht. Mit der Vorenthaltung der Wehrdienstbescheinigung hat nach den
gesetzlichen Regelungen in § 58 Satz 4 IWPflG jeder Iraner, der sich nicht nach den
Wehrpflichtbestimmungen gemeldet hat und deshalb als abwesend gilt, gleichermaßen
zu rechnen. Die Differenzierungen innerhalb der gesetzlichen Bestimmungen
hinsichtlich des Zeitraums, währenddessen der Wehrpflichtige eine Entscheidung über
die Ableistung des Wehrdienstes nicht erhält, knüpfen an objektive Tatbestände (ob und
wann er sich nach der Entziehung vom Wehrdienst zum Wehrdienst freiwillig meldet,
bzw., ob er verhaftet wird) an und ziehen damit eine hinreichend bestimmte Grenze, die
eine dem freien subjektiven Empfinden folgende willkürliche Handhabung ausschließt.
Im übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Dauer der jeweils festzusetzenden Sperrfrist
für die Ausstellung der Wehrdienstbescheinigung wesentlich davon abhängt, ob sich
der Wehrdienstverweigerer in Kriegs- oder in Friedenszeiten dem Wehrdienst entzieht
und ob er sich im Kriege oder im Frieden nachträglich meldet oder verhaftet wird.
Hierbei handelt es sich nicht um willkürliche, auf die Unterdrückung politischer oder
religiöser Widersacher zielende Gesichtspunkte, sondern diese Differenzierung
kennzeichnet offensichtlich den je nach Sachlage unterschiedlichen Unrechtsgehalt
einer durch die Entziehung von der Wehrpflicht herbeigeführten Schwächung der
Wehrbereitschaft.
72
Die beschränkte, gerade nicht auf die Unterdrückung politisch oder religiös mißliebiger
Personen bezogene Zielrichtung der militärrechtlichen Sanktionsbestimmungen zeigt
sich im übrigen auch an den weitreichenden, dem üblichen Standard entsprechenden
gesetzlichen Befreiungsregelungen (Abschnitt IV, I., §§ 31-38 IWPflG: Befreiung vom
Militärdienst wegen Studiums, Abschnitt IV, II., §§ 39-43 IWPflG: Befreiung vom
Militärdienst aus Gesundheitsgründen, Abschnitt III, §§ 24-30 und Abschnitt IV, III., §§
44-46 IWPflG: Befreiung derjenigen vom Wehrdienst, die für den Lebensunterhalt ihrer
Familien verantwortlich sind), den sonstigen Befreiungsmöglichkeiten gegen Zahlung
bestimmter Geldsummen,
73
vgl. etwa die Darstellung in: Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 20. April 1999,
74
und den wiederholten Amnestien für Fahnenflüchtige etc..
75
Vgl.: Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 20. April 1999, vom 12. Januar 1992 und vom
21. September 1990.
76
Auch die Art der Bestrafung lässt - jedenfalls im Hinblick auf die hier in Rede stehende
Sanktionsnorm des § 58 Satz 4 Buchstabe a IWPflG - keinen Rückschluß darauf zu,
dass mit der Bestrafung der Entziehung von der Wehrpflicht zugleich auch die
Gesinnung des Wehrdienstverweigerers getroffen werden soll. Zwar bedeutet für den
Wehrpflichtigen die Nichtaushändigung der Wehrdienstbescheinigung wegen der
hiermit verknüpften Beschränkungen für sein Leben nach der Entlassung aus dem
Wehrdienst eine Härte,
77
vgl. die oben zitierten Urteil des 16. Senats,
78
jedoch ist nach der Überzeugung des Senats die - im Hinblick auf die den Kläger
allenfalls zu erwartende - Vorenthaltung der Wehrdienstbescheinigung über max. 2
Jahre nicht in einer Weise tat- und schuldunangemessen, dass schon hieraus die
politische Gerichtetheit des staatlichen Vorgehens hergeleitet werden könnte. Dass
aufgrund der Vorenthaltung der Wehrdienstbescheinigung über einen Zeitraum von
max. zwei Jahren eine allgemeine gesellschaftliche Ächtung, Erniedrigung oder
Demütigung des Betreffenden verbunden ist, ist angesichts des eng begrenzten
Zeitraums der Vorenthaltung auszuschließen.
79
Es liegen auch keine Hinweise darauf vor, dass die Sanktion des § 58 IWPflG
hinsichtlich der Verhängung einer Sperrfrist für die Ausstellung einer
Wehrdienstbescheinigung über den vorgegebenen gesetzlichen Rahmen hinaus in
willkürlicher Weise gehandhabt würde oder dass Wehrdienstverweigerer während ihres
nachträglich abzuleistenden Wehrdienstes einer besonders schikanösen Behandlung
ausgesetzt oder etwa zu besonders gefährlichen Einsätzen abkommandiert würden.
Nach der Beendigung des Golfkrieges müssen Wehrdienstverweigerer auch nicht mehr
damit rechnen, ohne eine weitere Ausbildung unmittelbar an die Kriegsfront geschickt
zu werden.
80
Soweit der Kläger geltend macht, er werde auch im Iran den Wehrdienst verweigern,
hält der Senat dies nicht für überwiegend wahrscheinlich. Der Kläger hat bislang nicht
erkennen lassen, dass er über eine eigenständige, politisch gegründete Persönlichkeit
verfügt, die erwarten lässt, dass er sich im Fall der Rückkehr in den Iran der Ableistung
des Wehrdienstes ernsthaft widersetzen und die damit verbundenen Nachteile
tatsächlich in Kauf nehmen wird. Die im April 1985 erfolgte Ausreise ist ersichtlich durch
seine Mutter veranlaßt worden, was sich angesichts des jugendlichen Alters des
Klägers zum damaligen Zeitpunkt (13 Jahre) aufdrängt. Die vom Kläger hinsichtlich
seiner Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland offenbarten Einzelheiten lassen
erkennen, dass er - teilweise im Gefolge seiner Mutter - allenfalls dem Unmut über die
Zustände im Iran in einigen Fällen ("nicht sehr oft") als Amateurschauspieler Gestalt
verliehen hat und diesen im Übrigen durch die - schlichte - Teilnahme an zahlreichen
Demonstrationen mit kritischen Themen jedweder Art deutlich werden ließ. Nichts
belegt jedoch auch nur ansatzweise, dass der Kläger in der Öffentlichkeit durch konkrete
politische Verlautbarungen, die über das übliche, massenhafte "Kritik üben"
hinausgehen, in einer Weise hervorgetreten ist, die den Verdacht einer ernsthaft und
aktiv, zielstrebig auf den Sturz des Mullah-Regimes hinarbeitenden und damit
gefährlichen Persönlichkeit erwecken könnte. Kennzeichnend ist insoweit etwa -
abgesehen von den niedrigprofilierten und völlig undifferenzierten (wenn es sich um ein
wichtiges Thema handele, mache er mit) Demonstrationsteilnahmen - die von ihm selbst
ins Verfahren eingeführte, offenbar einmalige und zudem lange zurückliegende
"Teilnahme" an einem Hungerstreik im Jahr 1991. Nicht der Kläger trat in der
Öffentlichkeit in den Hungerstreik - unabhängig von der offenen Frage, ob das iranische
Regime an einem solchen selbstzerstörerischen Protest im weit entfernten Ausland
überhaupt Anstoß nimmt -, sondern seine Mutter nahm daran teil; der Kläger hingegen
war lediglich "dabei", d.h. schlicht anwesend. Entsprechendes gilt im Übrigen
hinsichtlich der Mitarbeit des Klägers am Fernsehprogramm der S.A.I., die der Kläger im
Übrigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gar nicht mehr
erwähnt hat, weil sie offensichtlich für ihn keine wesentliche Bedeutung hatte. Insoweit
ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Kläger überhaupt im Fernsehen
aufgetreten ist und hierbei dezidierte, über die üblichen Grußworte, Parolen und
81
Statements hinausgehende politische Stellungnahmen einer breiten Öffentlichkeit zur
Kenntnis gebracht hat. Das sich insoweit aufdrängende Bild eines niedrigprofilierten
Mitläufers mit gelegentlichen Amateurschauspielambitionen, der in der Öffentlichkeit
eher strafrechtlich, selbst im sicheren Ausland jedoch nicht mit entschiedener politischer
Gegnerschaft zum herrschenden Regime im Iran in Erscheinung getreten ist, lässt nicht
erwarten, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr in den Iran, zumal ohne sein
gewohntes und durch seine Mutter mitgeprägtes politisch-kulturelles Umfeld, nunmehr
zum eigenständigen und willensstarken Regimegegner erstarken und die ihm wegen
des Nichtantritts zum Wehrdienst drohenden Sanktionen sehenden Auges in Kauf
nehmen wird.
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung des Klägers wegen
der von ihm in der Bundesrepublik Deutschland entwickelten Aktivitäten ist nicht
gegeben.
82
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats reicht insoweit nicht jede öffentlich zur
Schau getragene Kritik, sondern nur ein nach außen hin in exponierter Weise für eine
regimefeindliche Organisation erfolgtes Auftreten aus.
83
Vgl. OVG NRW, Beschluss 16. April 1999 - 9 A 5338/98.A -, m.w.N.
84
Welche Anforderungen tatsächlicher Art an eine exilpolitische Tätigkeit gestellt werden
müssen, damit diese im Sinne der Rechtsprechung des Senats als "exponiert"
anzusehen ist, lässt sich nicht allgemein beantworten. Die "exponierte" Tätigkeit wird
vielmehr durch die jeweils völlig unterschiedlichen konkret-individuellen Umstände des
Einzelfalls geprägt.
85
Ausgangspunkt für die hiernach notwendige Differenzierung zwischen unbeachtlicher,
öffentlich zur Schau getragener Kritik einerseits und beachtlichem exponierten Auftreten
in der Öffentlichkeit für eine regimefeindliche Organisation andererseits bildet die
Erkenntnis, dass der iranische Geheimdienst in der Bundesrepublik Deutschland die
regimefeindlichen/re-gimekritischen Aktivitäten iranischer (Exil-)Organisationen intensiv
beobachtet und sich bemüht, die Mitglieder und/oder Anhänger dieser Organisationen
sowie die Teilnehmer von Demonstrationen oder sonstigen öffentlichen Aktionen zu
fotografieren und zu erfassen.
86
Abgesehen davon, dass aufgrund der Erkenntnislage nicht davon ausgegangen werden
kann, dass tatsächlich jeder in irgendeiner Weise exilpolitisch tätige Asylsuchende
namentlich erfaßt wird, ist in Rechnung zu stellen, dass den iranischen Behörden
aufgrund ihrer intensiven Beobachtungen bewusst ist, dass ein nach außen zum
Ausdruck gebrachtes politisches Engagement vielfach nicht wirklich ernsthaft ist und nur
zur Erlangung von Vorteilen im Asylverfahren an den Tag gelegt wird. Dies gilt um so
mehr, wenn das öffentlichkeitswirksame Auftreten - wie hier - erst im "sicheren" Ausland
erwacht ist.
87
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 1999, a.a.O.
88
Angesichts dessen werden die iranischen Stellen die schwierigen und aufwendigen
Ermittlungen zur Identifizierung von Asylsuchenden auf diejenigen Personen
beschränken, die aufgrund besonderer Umstände über die massentypischen und
niedrigprofilierten Erscheinungsformen exilpolitischer Proteste hinaus Funktionen
89
wahrgenommen und/oder Aktivitäten entwickelt haben, die den jeweiligen
Asylsuchenden aus der Masse der mit dem Regime im Teheran Unzufriedenen
herausheben und als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner erscheinen lassen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 1999, a.a.O.
90
Dies schließt es von Vornherein aus, der - üblichen - Mitgliedschaft iranischer
Asylsuchender in Exilorganisationen von im Iran verbotenen oppositionellen Parteien,
der Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisationen, der Teilnahme an
regimekritischen Demonstrationen und das hierbei übliche Tragen von Plakaten sowie
Rufen von Parolen, der Teilnahme an sonstigen regimekritischen Veranstaltungen, der -
ebenfalls typischen - Betreuung von Büchertischen und dem Verteilen von Informations-
/Propagandamaterial in Fußgängerzonen eine Bedeutung für die Feststellung einer
Verfolgungsgefahr beizumessen. Hieran ändert auch eine etwa erfolgte mehrfache
Teilnahme an Demonstrationen/Veranstaltungen oder aber die häufige Betreuung von
Büchertischen und die Verteilung von Flugblättern nichts, da die Erhöhung der Quantität
niedrig profilierter Tätigkeiten allein nicht zu einer Qualitätsänderung der Gesamtaktivität
führt: Gerade der, der über einen längeren Zeitraum im Rahmen zahlreicher
Veranstaltungsteilnahmen nach außen hin deutlich macht, dass er lediglich "dabei ist",
Parolen ruft, Plakate trägt und/oder Papier verteilt, liefert gegenüber dem iranischen
Nachrichtendienst den Beweis, dass von ihm allenfalls Unzufriedenheit, nicht aber - ggf.
im Zusammenwirken mit anderen - eine ernst zu nehmende Gefahr für das Mullah-
Regime in Teheran ausgeht.
91
Etwas Anderes folgt auch nicht aus Fernsehinterviews, die - wie mittlerweile üblich - in
lokalen Fernsehprogrammen ausgestrahlt werden. Zwar tritt derjenige Asylsuchende,
der das Interview gibt, aus der Anonymität einer Masse heraus und ist als Einzelner
individualisierbar und damit im Sinne einer Observation auch leichter greifbar,
92
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 1998 - 2 BvR 1328/96 -, DVBl. 1999, 165,
93
jedoch kommt es hierauf allein nicht entscheidend an.
94
Denn auch ein Demonstrationsteilnehmer, der in der ersten Reihe der Demonstration
etwa - wie üblich - vor der iranischen Botschaft in Bonn ein Plakat oder Spruchband mit
regimefeindlichem Inhalt schwenkt, tritt für die aus der Botschaft fotografierenden
Mitarbeiter des iranischen Nachrichtendienstes allein aufgrund des nicht durch andere
Demonstrationsteilnehmer verstellten Sichtfeldes individualisierbar hervor, ohne dass er
damit zwingend in den Augen des iranischen Nachrichtendienstes als eine Gefahr für
das Regime darstellender Oppositioneller erscheinen muss. Entsprechendes gilt für
einen Asylsuchenden, der allein oder mit einem weiteren Asylsuchenden einen
Büchertisch in einer Fußgängerzone betreut; auch dieser Asylsuchende ist für
Mitarbeiter oder Zuträger des iranischen Nachrichtendienstes ohne weiteres
individualisierbar, obwohl hinter dieser Tätigkeit nicht einmal eine ernsthafte
regimegefährdende politische Überzeugung stehen muss. Entscheidend ist daher nicht
allein das Hervortreten im Sinne einer optischen Erkennbarkeit und
Individualisierbarkeit, sondern ein Hervortreten in der Öffentlichkeit, das aufgrund der
Persönlichkeit des Asylsuchenden, der äußeren Form seines Auftritts und nicht zuletzt
aufgrund des Inhaltes der in der Öffentlichkeit abgegebenen Erklärungen den Eindruck
erweckt, dass der Asylsuchende allein oder aber im - ggf. konspirativen -
Zusammenwirken mit anderen zu einer Gefahr für den Bestand des Mullah-Regimes
95
wird.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 1999, a.a.O.
96
Gemessen hieran erreicht die exilpolitische Tätigkeit des Klägers nicht die Schwelle der
abschiebungsrechtlichen Beachtlichkeit. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf
seine Ausführungen zur fehlenden beachtlichen Wahrscheinlichkeit des vom Kläger
angekündigten Nichtantritts zum Wehrdienst im Iran.
97
Schließlich besteht auch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger im Fall
der Rückkehr in den Iran unter dem Aspekt der Sippenhaft politisch verfolgt werden wird.
98
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats besteht die Gefahr der Sippenhaft nur
dann, wenn die iranischen Behörden entweder im Hinblick auf die Person des
Asylberechtigten oder wegen der von ihm entfalteten politischen Betätigung ein
besonderes Interesse daran haben, durch "Druck" auf den Angehörigen zu bewirken,
dass sich jener Oppositionelle den iranischen Behörden stellt, bzw. den Asylbewerber
im Hinblick auf seine Verwandtschaft zum Oppositionellen (mit) zu verfolgen. Ein
derartiges besonderes Interesse ist gegeben, wenn es sich bei dem nahen und als
asylberechtigt anerkannten Angehörigen um einen prominenten Regimegegner handelt
oder dieser wegen politisch motivierter Verbrechen im Iran gesucht wird. In der
Senatsrechtsprechung ist des weiteren anerkannt, dass die Gefahr der Sippenhaft nicht
besteht, wenn nahe Angehörige des Asylberechtigten im Iran unbehelligt geblieben
sind.
99
Vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Urteil vom 4. Juni 1992 - 16 A 2543/91.A -, Beschluss
vom 4. Februar 1993 - 16 A 4036/92.A -, Beschluss vom 16. April 1999, a.a.O., sowie die
übrigen im Anhörungsschreiben vom 17. Januar 2000 zitierten Senatsbeschlüsse und
die darin ausgewerteten Erkenntnisse.
100
Konkrete Anhaltspunkte, die eine Änderung dieser Einschätzung rechtfertigen, sind
nicht ersichtlich und auch nicht von dem Kläger vorgebracht worden.
101
Gemessen hieran steht der Annahme der Gefahr der Sippenhaft entgegen, dass die als
asylberechtigt anerkannte Mutter des Klägers nicht als prominente Regimegegnerin
(dafür, dass die Mutter des Klägers wegen politisch motivierter Verbrechen gesucht
worden ist bzw. wird, fehlt es an jeglichen konkreten Anhaltspunkten) angesehen
werden kann. Sie mag vor ihrer Ausreis im Jahr 1985 durch die Zitierung von
Spottversen auf Khomeini aufgefallen und ihre Stelle als Lehrerin verloren haben,
jedoch ist nicht ersichtlich, dass sie damit als politische Gegnerin von Khomeini in der
iranischen Öffentlichkeit bekannt geworden ist, geschweige denn eine politische
Anhängerschaft gehabt hat. Kennzeichnend für die Bedeutungslosigkeit der Mutter des
Klägers im politischen System des Iran ist der Umstand, dass, wie ihr Sohn M. A. M. ,
alias T. R. , seinerzeit bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt bekundet hat, die
Ausreise der Mutter des Klägers erst nach etwa zwei Wochen entdeckt wurde, als ein
Nachbar, dem offenbar aufgefallen war, dass der oben genannte Sohn alleine wohnte,
das Komitee benachrichtigt hatte und dieses die Wohnung überprüfte; ein Vorgang, der
bei prominenten Regimegegnern angesichts des iranischen Überwachungsstaats, der
sogar im Ausland prominente Regimegegner aufzufinden weiß, auszuschließen ist.
Bestätigt wird dies auch dadurch, dass der oben genannte Sohn, wie er selbst im
Rahmen seiner Anhörung angegeben hat, wegen der Ausreise seiner Mutter und der
102
Gefahr ,dass er selbst illegal ausreise, nicht aber wegen der politischen Tätigkeiten
seiner Mutter verhaftet und darüber hinaus nach seiner Festnahme wieder freigelassen
worden ist, lediglich mit der - offensichtlich im Zusammenhang mit dem Golfkrieg
stehenden - Auflage, sich jeden Monat bis zum 18. Lebensjahr (Eintritt der Wehrpflicht)
zu melden. Lassen die iranischen Sicherheitsbehörden den - ältesten - Sohn, auf den
sie ohne weiteres Zugriff haben, gegen eine allein wehrpolitisch begründete Auflage
wieder frei, wird damit eindeutig dokumentiert, dass zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt
war, über den Zugriff auf ihren Sohn Druck auf die Mutter auszuüben oder ihren Sohn
allein wegen seiner Verwandtschaft zu ihr zu verfolgen, so dass ein besonderes
Interesse der iranischen Behörden an der Mutter des Klägers aufgrund ihrer politischen
Bedeutungslosigkeit offenkundig nicht bestand.
Nach Überzeugung des Senats kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die
Mutter des Klägers zwischenzeitlich in die Position einer prominenten Regimegegnerin
hineingewachsen ist. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie als Sympathisantin (nicht
einmal Mitglied) der Nationalen Widerstandsbewegung Iran die Schwelle einer
schlichten, ggf. auch aktiven Anhängerschaft überschritten und eine in der Öffentlichkeit
zu verzeichnende politische Meinungsführerschaft erlangt hat sowie aus diesem Grund
über einen größeren Kreis politischer Anhänger verfügt, sind weder vorgetragen noch
sonst ersichtlich. Entsprechendes gilt in Bezug auf die beiden als Asylberechtigte
anerkannten Schwestern des Klägers.
103
Die Gefahr der Sippenhaft im Verhältnis zu seinem Bruder M. A. M. , alias T. R. ,
scheidet schon deshalb aus, weil dessen Asylanerkennung auf die Klage des
Bundesbeauftragten hin aufgrund der Rücknahme des Asylantrags bereits mit Urteil des
Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Dezember 1991 - VG 23 A 607/87 - aufgehoben
worden ist.
104
Auch die Feststellung des Bundesamtes in seinem Bescheid vom 24. März 1994, dass
die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen (Nr. 2 des Bescheides), ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da er gegen die Beklagte
keinen Anspruch auf eine gegenteilige Feststellung hat.
105
Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine die materielle
politische Verfolgung des Klägers betreffenden Ausführungen zu Art. 16 a Abs. 1 GG
Bezug. Da § 51 Abs. 1 AuslG sowohl hinsichtlich des Erfordernisses einer staatlichen
politischen Verfolgung als auch in Bezug auf die zur Anwendung gelangenden
Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe mit den sich aus Art. 16 a Abs. 1 GG ergebenden
Anforderungen identisch ist.
106
Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1992 - 9 C 59.91 -, BayVBl. 1992, 377, Urteil vom
3. November 1992 - 9 C 91.92 -, BVerwGE 91, 150.
107
Des weiteren ist die Feststellung in dem Bescheid des Bundesamtes, dass
Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG nicht bestehe, ebenfalls rechtmäßig und verletzt
den Kläger nicht in seinen Rechten.
108
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger wegen der
Wehrdienstentziehung, wie oben dargelegt, lediglich seinen Wehrdienst nachzuleisten
und mit einer Vorenthaltung der Wehrdienstbescheinigung von max. zwei Jahren zu
rechnen. Eine menschenrechtswidrige Behandlung ist hierin nicht zu sehen.
109
Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 10. Februar 2000 - 9 A 229/99.A -.
110
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Falle der Ableistung des
Wehrdienstes gefoltert oder in sonstiger Weise menschenrechtswidrig behandelt wird,
sind nicht ersichtlich. Auch eine ggf. erfolgende Verhaftung des Wehrdienstflüchtlings
begründet nicht die Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung. Folter und
dergleichen sind bei einem ganz unpolitischen Delikt wie der Wehrdienstentziehung,
die im Übrigen im Iran häufig ist, auszuschließen.
111
Vgl. Deutsches Orient-Institut, Stellungnahme vom 26. Mai 1997 an VG Frankfurt/Main.
112
Allein die Asylantragstellung i.V.m. einem längeren Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland reicht zur Begründung von Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG ebenfalls
nicht aus.
113
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 1999, a.a.O., sowie die darin in Bezug
genommenen Entscheidungen und weiteren Erkenntnisse.
114
Die Abschiebungsandrohung ist nach § 34 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 50 AuslG
gerechtfertigt; die Ausreisefrist von einem Monat ergibt sich aus § 38 Abs. 1 AsylVfG.
115
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
116
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
hierfür nicht vorliegen.
117