Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 10.09.2010

OVG NRW (gebäude, verwaltungsgericht, prostitution, richtigkeit, zweifel, antrag, klageschrift, ergebnis, begriff, aufnahme)

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 A 1057/10
Datum:
10.09.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 A 1057/10
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abge-lehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfah-rens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfah-ren auf 50.000,00
Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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Aus den innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegten Gründen
ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils
(Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Ordnungsverfügung des Beklagten
vom 22. Juli 2009 als unbegründet abgewiesen, mit der der Beklagte von der Klägerin
unter Zwangsgeldandrohung verlangt, die Nutzung des Hauses M.-----straße 118 in
T. als Bordellbetrieb aufzugeben. Die Klägerin hält der Ordnungsverfügung
entgegen, sie sei weder Handlungs- noch Zustandsstörerin, denn sie habe
"grundsätzlich" keine Einflussmöglichkeiten darauf, wie ihre Untermieterinnen die drei
von ihr angemieteten Wohnungen nutzen würden.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils begründen diese
Ausführungen nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass die Klägerin auf der Internetseite
des Bordellbetriebs namentlich erwähnt ist nicht. Die Ordnungsbehörde kann ihre
Maßnahmen gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt richten (vgl. § 18 Abs. 2 Satz
1 OBG NRW), was insbesondere dann in Betracht zu ziehen sein wird, wenn auf diese
Weise die (formell und) materiell rechtswidrige Nutzung am effektivsten unterbunden
werden kann. Dass die Klägerin als Mieterin der Wohnungen im Hause M.-----straße
118 nicht in der Lage wäre, eine materiell rechtswidrige Nutzung zu unterbinden, geht
aus dem Zulassungsantrag nicht hervor. Die Klägerin behauptet die Untervermietung
der von ihr angemieteten Räume, legt jedoch weder die (angeblichen)
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Untermietverträge vor noch deren Inhalt dar noch benennt sie die Personen, an die sie
die Wohnungen untervermietet haben will. Hierauf kommt es jedoch nicht einmal an,
denn sie behauptet nicht, sie könne keine den (angeblichen) Untermietverträgen
entsprechende vertragsgemäße Nutzung der Wohnungen bewirken (vgl. § 541 BGB).
Dass die Wohnungen zur Ausübung der Prostitution und nicht als Wohnungen vermietet
worden sind, behauptet sie nicht, sondern führt lediglich an, in den Wohnungen werde
der Prostitution nachgegangen. Selbst wenn als Vertragszweck die Ausübung der sog.
Wohnungsprostitution angegeben worden wäre – und nur auf eine solche bezieht sich
die Antragstellerin im Übrigen – würde die tatsächliche Nutzung nicht vertragsgemäß
sein, denn von einer tatsächlich ausgeübten sog. Wohnungsprostitution kann keine
Rede sein.
Wie das Verwaltungsgericht unter Bezug auf die Entscheidungen des Senats vom 19.
Juli 2007 – 7 E 623/07 –, des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 24. Juli
2002 – 5 S 149/01 –, GewArch 2003, 496 und des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Mai 1999 – 26 ZB 99.770 –, BRS 62 Nr. 73, zutreffend
dargelegt hat, ist der Wohnungsprostitution jedenfalls zu Eigen, dass die Prostituierten
in dem betreffenden Gebäude wohnen, dass die gewerbliche Betätigung nach außen
nur wohnähnlich in Erscheinung tritt und dem Gebäude, in dem sie stattfindet, nicht das
Gepräge gibt. Auch die hierauf bezogene Begründung des Verwaltungsgerichts wird
durch das Zulassungsvorbringen nicht substantiiert in Frage gestellt. Die Klägerin
bestreitet nicht, dass neben den (namentlich nicht benannten) Untermieterinnen weitere
"Personen" in den Wohnräumen "dem horizontalen Gewerbe nachgehen". Dass diese
"Personen" in dem Hause M.-----straße 118 aber wohnen würden, wird von der Klägerin
nicht einmal behauptet, sondern nur ausgeführt, die "Personen" seien von ihren
Untermieterinnen in "ihre Mieträume ... aufgenommen" worden. Für eine dem
baurechtlichen Begriff des Wohnens entsprechende "Aufnahme" gibt dieser Vortrag
nichts her.
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Es kommt daher nicht einmal darauf an, dass die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts in diesem Zusammenhang im Ergebnis aus einem weiteren
Grunde richtig ist. Denn von einer Wohnungsprostitution dürfte jedenfalls auch dann
nicht mehr gesprochen werden können, wenn ein Gebäude ausschließlich von
Prostituierten (und gegebenenfalls einer "Betriebsleiterin") bewohnt und gewerblich
genutzt wird.
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Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 19. Mai 1999 – 26 ZB 99.770 –, a. a. O..
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So aber sind die Gegebenheiten hier, denn wie die Klägerin Seite 2 der Klageschrift
ausgeführt hat, hat sie die Wohnungen im Parterre sowie im ersten und zweiten
Obergeschoss des Gebäudes angemietet. Das Dachgeschoss wurde ausweislich der
polizeilichen Feststellungen am 9. Februar 2009 nicht genutzt, ausweislich der
polizeilichen Feststellungen vom 16. Juli 2009 "für die Mädchen hergerichtet."
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Die Klägerin stellt mit dem Zulassungsantrag zu Recht nicht in Abrede, dass die Frage,
ob ein bordellartiger Betrieb in einem Mischgebiet zu wesentlichen Störungen führen
kann, auf Grundlage einer typisierenden Betrachtungsweise zu beurteilen ist, meint
aber, es sei vor Ort zu prüfen gewesen, ob Störungen wesentlichen Gewichts zu
befürchten seien, denn "weder aus der Anzahl der gewerbetreibenden Personen im
Hause noch aus dem Internetauftritt" ergebe sich "notgedrungen und zwingend, dass
das Gebäude, in dem die Prostitution stattfindet, nach außen anders als nur
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wohnähnlich in Erscheinung tritt und dass die betreffenden Aktivitäten in dem
Wohngebäude diesem das Gepräge geben, sich entsprechend nach außen hin
dokumentieren." Auf die Gründe, die das Verwaltungsgericht Seite 5 unten des
Urteilsabdrucks für die Feststellung angeführt hat, es sei typischerweise mit
entsprechenden Störungen zu rechnen (verstärkter Kraftfahrzeugverkehr, milieubedingte
Störungen (im Einzelnen dargelegt)) geht die Klägerin mit dem Zulassungsantrag
jedoch nicht ein, zeigt insbesondere nicht auf, weshalb hierzu durch eine
Augenscheinseinnahme Entscheidungserhebliches hätte ermittelt werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 52 Abs. 1 GKG.
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig.
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