Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.01.2001

OVG NRW: stand der technik, kosten und nutzen, aktiven, passiven, schallschutzwand, dachgeschoss, angemessene entschädigung, technische norm, wohnhaus, erlass

Oberverwaltungsgericht NRW, 20 D 75/98.AK
Datum:
18.01.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
20. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 D 75/98.AK
Tenor:
Die Beklagte wird verpflichtet, den Planfeststellungsbeschluss vom 30.
April 1998 für den Bau des Abschnitts 22 der Eisenbahn-Neubaustrecke
Köln- Rhein/Main um einen Vorbehalt des Inhalts zu ergänzen, dass
eine Entscheidung über erschütterungsmindernde Maßnahmen an den
Häusern der Kläger K. -P. - Straße 26 - 28 und K. -P. -Straße 25
getroffen wird, sofern die vorgesehene Prüfung ergibt, dass keine in der
erschütterungsmindernden Wirkung über die festgestellte Gleisbettung
hinausgehenden, dem Stand der Technik entsprechenden
Gleisbettungssysteme zur Verfügung stehen oder deren Realisierung
un-
tunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sein sollte.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger je 7/16 der
Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und
der Beigeladenen, die Beklagte und die Beigeladene je 1/16 der
Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Kläger. Im
Übrigen tragen die Beteiligten ihre Kosten jeweils selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung
in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 30. April 1998, mit
dem das Eisenbahn-Bundesamt den Plan für den Bau eines Abschnitts der Eisenbahn-
Neubaustrecke Köln- Rhein/Main festgestellt hat.
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Die Neubaustrecke Köln-Rhein/Main soll als Bestandteil des Europäischen
Hochgeschwindigkeitsnetzes eine rechtsrheinisch geführte leistungsfähige
Eisenbahnverbindung zwischen den Räumen Rhein-Ruhr und Rhein-Main schaffen.
Dieses Projekt ist in der Anlage zum Bundesschienenwegeausbaugesetz (SchWAbG)
vom 15. November 1993 (BGBl. I S. 1874) als "vordringlicher Bedarf" aufgeführt. Im
streitgegenständlichen Planfeststellungsabschnitt 22, der von Planungs-km 19,870 bis
Planungs-km 22,793 reicht, verläuft die Trasse der Neubaustrecke in Grobrichtung
West-Ost vollständig auf dem Gebiet der Stadt T. . Zunächst soll die zweigleisige
Strecke über Bahnanlagen im Bereich des Bahnhofs T. und im weiteren Verlauf
gebündelt mit der ebenfalls zweigleisigen Siegstrecke auf deren Südseite geführt
werden.
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Der Kläger zu 1. ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung T. , F. 7, F. 1262 und
1263, das mit dem Wohnhaus K. -P. -Straße 26 - 28 bebaut ist. In dem
zweigeschossigen Gebäude mit ausgebautem Dachgeschoss befinden sich drei
Wohnungen. Im Eigentum des Klägers zu 2. steht das ebenso wie das Grundstück des
Klägers zu 1. durch Bebauungsplan als Teil eines Mischgebiets ausgewiesene, mit dem
Wohnhaus K. -P. -Straße 25 bebaute Grundstück Gemarkung T. , F. 7, Flurstück 1151.
Es handelt sich bei dem Gebäude um eine 2 ½-geschossige Doppelhaushälfte mit zwei
Wohnungen. Beide Kläger wohnen selbst in ihren Häusern. Zwischen der
Neubaustrecke, die wie die bestehende Bahnstrecke in Dammlage geführt werden soll,
und den südlich davon gelegenen Grundstücken der Kläger verläuft die Trasse der L
332 a, einer durch Bebauungspläne der Stadt T. aus dem Jahre 1984 ausgewiesenen,
derzeit in Bau befindlichen Umgehungsstraße. Der angefochtene
Planfeststellungsbeschluss sieht vor, die Wohnbebauung u.a. an der K. -P. -Straße
durch eine 4 m hohe Schallschutzwand, die auf einer Stützwand zwischen dem
Bahndamm und der tiefer gelegenen Umgehungsstraße errichtet werden soll, von der
Neubaustrecke abzuschirmen. Die Straßenplanung sieht eine weitere
Schallschutzwand südlich der Umgehungsstraße vor.
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Nach Auslegung des Planes bei der Stadt T. , die wegen fehlerhafter Unterlagen in der
Zeit vom 1. Oktober bis 2. November 1993 wiederholt wurde, erhoben die Kläger
Einwendungen und machten insbesondere geltend, der Plan sehe keine ausreichenden
Maßnahmen aktiven Schallschutzes vor und treffe auch gegen Erschütterungen keine
genügenden Vorkehrungen. Aufgrund von Stellungnahmen und Einwendungen brachte
die Beigeladene drei Deckblätter in das Planfeststellungsverfahren ein, die u.a.
verstärkte Maßnahmen aktiven Schallschutzes betrafen. Im Anhörungsverfahren über
das vom 12. Mai bis 11. Juni 1997 ausgelegte zweite Deckblatt wiederholten und
vertieften die Kläger ihre gegenüber der Ursprungsplanung erhobenen Einwendungen.
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Mit Beschluss vom 30. April 1998 stellte das Eisenbahn- Bundesamt den Plan für den
Abschnitt 22 mit der Maßgabe fest, dass der Träger des Vorhabens nach
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Inbetriebnahme der Strecke noch Messungen zur Erfassung der Erheblichkeit nicht
vorhersehbarer Erschütterungseinwirkungen vorzunehmen hat. Danach gegebenenfalls
notwendige bauliche Maßnahmen wurden einer Planergänzung vorbehalten.
Ergänzend heißt es in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses, nach
aktuellem Stand der Technik gebe es keine geeigneten Maßnahmen zur Vermeidung
bzw. hinreichenden Verminderung der Erschütterungswirkungen; der Vorhabenträger
werde deshalb verpflichtet, bis zum Baubeginn weiter zu prüfen, ob geeignete
technische Schutzanlagen in Form von schwingungsmindernden
Gleisbettungssystemen realisierbar seien, und die Planfeststellungsbehörde über die
Ergebnisse zu unterrichten. Soweit bei Baubeginn keine geeigneten technischen
Möglichkeiten zur Minderung von Erschütterungen gegeben seien, stehe den
Betroffenen, in deren Häusern die maßgeblichen Anhaltswerte der einschlägigen DIN-
Norm voraussichtlich überschritten würden, dem Grunde nach ein
Entschädigungsanspruch zu. Gleiches gelte, wenn mögliche Maßnahmen nach
Entscheidung der Planfeststellungsbehörde untunlich oder mit dem Vorhaben
unvereinbar seien.
Die Einwendungen der Kläger wurden, soweit ihnen nicht durch die Deckblätter bereits
Rechnung getragen worden war, im Wesentlichen zurückgewiesen. Der technische und
wirtschaftliche Aufwand für eine weitere Erhöhung der Schallschutzwand sowie die mit
der Erhöhung verbundenen optischen Beeinträchtigungen stünden außer Verhältnis zu
der erzielbaren Lärmminderung. Um den Lärm spürbar zu reduzieren, müsste die Wand
überwiegend um mindestens zwei Meter erhöht werden. Den dafür nötigen
Mehraufwendungen von 1,7 Mio. DM stünden Ersparnisse beim passiven Schallschutz
und bei den Entschädigungen für den Außenwohnbereich von nur 12.000,-- DM
gegenüber. Weitergehende Regelungen zum Erschütterungsschutz seien nicht geboten.
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Der Planfeststellungsbeschluss wurde den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 14.
Mai 1998 zugestellt.
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Am 15. Juni 1998, einem Montag, haben die Kläger gegen den
Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben. Einen am selben Tage gestellten Antrag auf
Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat der Senat mit Beschluss vom 13. Juli 2000 -
20 B 1298/98.AK - abgelehnt.
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Zur Begründung ihrer Klage machen die Kläger hauptsächlich geltend: Die
planfestgestellten Maßnahmen aktiven Schallschutzes reichten nicht aus. Sie beruhten
auf fehlerhaften Lärmprognosen und einer Fehlgewichtung der Lärmschutzbelange der
Betroffenen. Die voraussichtlichen Zugzahlen seien nicht vollständig in die
Berechnungen eingegangen. Ausweislich eines von ihnen - den Klägern - eingeholten
Gutachtens des TÜV R. wiesen die Berechnungen weitere Unstimmigkeiten auf. Ferner
sei unberücksichtigt geblieben, dass die Schallschutzwand zwischen der
Neubaustrecke und der L 332 a den Straßenlärm in einer Größenordnung von mehr als
1 dB(A) reflektieren werde. Außerdem bestünden Zweifel, ob der sogenannte
Schienenbonus bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses noch dem aktuellen
Erkenntnisstand entsprochen habe. Die zu erwartende Lärmbelastung werde die
Schwelle zur Gesundheitsgefährdung für sie deutlich überschreiten. Angesichts dessen
hätte neben dem durch das Planungsvorhaben verursachten Lärm auch der von der L
332 a und einer vorhandenen Güterverkehrsstrecke ausgehende Lärm im Wege der
Summation berücksichtigt werden müssen. Die Annahme, dessen bedürfe es nicht, weil
die Summenpegel aus Schienen- und Straßenlärm künftig abnähmen, sei verfehlt. Unter
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Berücksichtigung der durch die tatsächlichen Zugzahlen veranlassten Korrektur und der
Reflektion des Straßenlärms durch die Schallschutzwand zwischen ICE-Stecke und
Straße ergebe sich allenfalls ein Gleichstand. Zusätzlich sei aber zu beachten, dass das
Prognoseverfahren nach der Verkehrslärmschutzverordnung eine Prognoseunsicherheit
von 3 dB(A) aufweise. Demgemäß müsse sogar von einer Verschlechterung
ausgegangen werden. Im Rahmen der gebotenen Summation hätten zudem die
auftretenden Spitzenpegel Berücksichtigung finden müssen. In den Schlafzimmern, die
in den Dachgeschossen ihrer Häuser lägen, sei mit Maximalpegeln über 40 dB(A) zu
rechnen. Die Erwägungen zur Frage, ob eine Erhöhung der Schallschutzwände mit
unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre, wiesen Ungereimtheiten auf. Die
Kostenansätze für größere Wandhöhen seien überzogen. Planungsalternativen wie die
Errichtung einer Mittelwand zwischen der Neubaustrecke und der Siegstrecke seien mit
fehlerhaften Erwägungen verworfen worden. Die Erschütterungsproblematik sei
gleichfalls nicht ordnungsgemäß bewältigt worden. Der Planfeststellungsbeschluss
enthalte hierzu Aussagen, die in sich widersprüchlich seien. Die zugrunde liegenden
Prognoseberechnungen enthielten insoweit ebenfalls Unstimmigkeiten und
vernachlässigten die von der geplanten Umgehungsstraße ausgehenden
Erschütterungen. Hinsichtlich des Erschütterungsschutzes sei der Stand der Technik im
Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses verkannt worden. Neben anderen
Systemen seien schon damals das Masse-Feder-System und die Feste Fahrbahn als
Maßnahmen der Schwingungsdämpfung realisierbar gewesen; erst recht hätten sie bei
Baubeginn dem Stand der Technik entsprochen. Eigene Erwägungen zur
Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen zur Schwingungsdämpfung habe die
Planfeststellungsbehörde überhaupt nicht angestellt. Ebenso sei das Problem des
sekundären Luftschalls unbewältigt geblieben, obgleich angesichts der für ihre
Wohnhäuser prognostizierten Erschütterungswerte und der bei einer exemplarischen
Körperschalluntersuchung an einem anderen Objekt gewonnenen Erkenntnisse Anlass
zu eingehender Prüfung bestanden habe.
Die Kläger beantragen,
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den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 30. April 1998
aufzuheben,
12
hilfsweise,
13
1. die Beklagte zu verpflichten, im Wege der Planergänzung durch Festsetzung
geeigneter Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes dafür Sorge zu tragen, dass
14
a) durch die vom Betrieb der Bahnanlage ausgehenden Verkehrsgeräusche unter
Berücksichtigung der von der innerstädtischen Umgehungsstraße L 332 a nach
Fertigstellung ausgehenden Verkehrsgeräusche
15
b) weiter hilfsweise nur durch die vom Betrieb der Bahnanlage ausgehenden
Verkehrsgeräusche
16
die Immissionsgrenzwerte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Verkehrslärmschutzverordnung (16.
BImSchV) nicht überschritten werden,
17
2. die Beklagte zu verpflichten, im Wege der Planergänzung durch Festsetzung
geeigneter Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass
18
a) durch die vom Betrieb der Bahnanlage ausgehenden Erschütterungen die
Anhaltswerte der DIN-Norm 4150, Teil 2, Ausgabe 1992 auf ihren Grundstücken nicht
überschritten werden,
19
b) weiter hilfsweise keine schädlichen Umwelteinwirkungen verursacht werden,
20
äußerst hilfsweise,
21
Beweis zu erheben gemäß ihrem Schriftsatz vom 8. Januar 2001 Seite 2, Seite 3 unten
("Zur Substantiierung..."), Seite 4, Seite 5 oben und unten und Seite 6.
22
Die Beklagte beantragt,
23
die Klage abzuweisen.
24
Sie trägt im Wesentlichen vor: Die dem planfestgestellten Lärmschutzkonzept zu Grunde
liegende schalltechnische Untersuchung sei durch die von den Klägern vorgelegte
Vergleichsberechnung des TÜV R. im Ergebnis bestätigt worden; Abweichungen
hielten sich im Rahmen der üblichen Fehlertoleranz. Divergenzen zwischen den in den
Berichten über die lärmtechnische und die erschütterungstechnische Untersuchung
ausgewiesenen Zugzahlen beruhten auf einem Druckfehler in dem Bericht über die
erstgenannte Untersuchung und hätten die Berechnungen nicht beeinflusst. Soweit die
Rechnerauszüge für eine lärmtechnische Nachberechnung abweichende Zahlen
auswiesen, habe diese Abweichung ebenfalls das Berechnungsergebnis nicht
wesentlich beeinflusst. Der Planfeststellungsbeschluss gewähre den Betroffenen
überdies eine "Schallgarantie"; eine etwaige stärkere Frequentierung der Strecke könne
deshalb nicht zu nachteiligen Folgen für die Anlieger führen. Die von den Klägern
geforderte Summation von Schienen- und Straßenlärm widerspreche der
Verkehrslärmschutzverordnung und sei auch unter dem Gesichtspunkt der
Gesundheitsgefährdung nicht geboten. Etwaige Gesundheitsgefahren, die übrigens im
Anhörungsverfahren nicht gerügt worden seien, würden nicht durch das
Planungsvorhaben hervorgerufen, da die Prognosebelastung hinsichtlich der kritischen
Nachtwerte unter Berücksichtigung aktiven Schallschutzes hinter der Vorbelastung
zurück bleibe. Darüber hinaus schließe ergänzender passiver Schallschutz eine
Gesundheitsgefährdung aus. Die Kosten für weitergehenden aktiven Schallschutz
stünden außer Verhältnis zu dem damit erzielbaren Nutzen. Eine Schallschutzwand
zwischen der Neubaustrecke und der Siegstrecke würde die Lärmbelastung für den
Großteil der benachbarten Grundstücke nur geringfügig senken und erfordere im
Vergleich dazu einen unvertretbar hohen Kostenaufwand; um den nötigen
Sicherheitsabstand zwischen Wand und Gleisen zu ermöglichen, müssten außerdem
die Gleise der Siegstrecke auf beträchtlicher Länge verschwenkt werden. Systeme, mit
denen sich Erschütterungen bereits am Gleis dämpfen ließen, seien bei Erlass des
Planfeststellungsbeschlusses nicht mit vertretbarem Aufwand realisierbar gewesen.
Daran habe sich bis heute nichts geändert. Sollte es nach Inbetriebnahme der
Neubaustrecke zu unzumutbaren Erschütterungen kommen, so müsse nach dem
Planfeststellungsbeschluss darüber entschieden werden, ob technische Abhilfe möglich
sei. Andernfalls entstünden Entschädigungsansprüche. Mit Einwänden zum sekundären
Luftschall seien die Kläger präkludiert. Weitere Untersuchungen zu diesem Problem
hätten sich nicht aufgedrängt. Durch den für Erschütterungen geltenden Vorbehalt sei
zudem auch insoweit eine ausreichende Regelung getroffen worden. Im Übrigen
25
könnten die Einwände der Kläger allenfalls zu einer Planergänzung, keinesfalls aber zu
einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen.
Die Beigeladene beantragt gleichfalls,
26
die Klage abzuweisen.
27
Sie unterstützt das Vorbringen der Beklagten und vertieft es namentlich hinsichtlich der
untersuchten Systeme zur Schwingungsdämpfung.
28
Am 6. November 2000 hat der Berichterstatter einen Erörterungstermin durchgeführt und
dabei die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Auf das Terminsprotokoll wird Bezug
genommen.
29
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und des zugehörigen Verfahrens vorläufigen
Rechtsschutzes 20 B 1298/98.AK, der von der Beklagten vorgelegten
Verwaltungsvorgänge einschließlich des Planfeststellungsbeschlusses und der
planfestgestellten Unterlagen sowie der von den Beteiligten überreichten
Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen verwiesen.
30
Entscheidungsgründe
31
Die Klagen sind nur zu einem geringen Teil begründet. Die Kläger können
beanspruchen, dass die Beklagte den Planfeststellungsbeschluss um einen Vorbehalt
des aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Inhalts ergänzt. Der Planergänzung
bedarf es, um das Erschütterungsschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses in
einer § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG entsprechenden Weise zu vervollständigen. Im Übrigen
sind die Klagen unbegründet.
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Die Kläger können nicht die mit ihrem Hauptantrag erstrebte Aufhebung des
Planfeststellungsbeschlusses beanspruchen. Auch eine dem Hauptantrag teilweise
Rechnung tragende Feststellung, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist
und nicht vollzogen werden darf, kann nicht getroffen werden.
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Die Kläger rügen ausschließlich, im Planfeststellungsbeschluss seien die mit dem
Planvorhaben für ihre Grundstücke verbundenen Lärm- und Erschütterungsimmissionen
nicht hinreichend erkannt und bewältigt worden. Etwaige Defizite in dieser Hinsicht
berühren zwar die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Wegen der
Möglichkeit von Schutzauflagen gegen Lärmeinwirkungen nach § 41 Abs. 1 BImSchG
und gegen Erschütterungsimmissionen nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG kann ein solcher
Mangel zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zur Feststellung seiner
Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit aber nur dann führen, wenn er für die
Planungsentscheidung von so großem Gewicht ist, dass dadurch die Ausgewogenheit
der Gesamtplanung oder eines abtrennbaren Planungsteils überhaupt in Frage gestellt
wird. Lässt sich eine im Planfeststellungsbeschluss unterbliebene oder unzureichende
Schutzauflage nachholen oder nachbessern, ohne dass dadurch das Gesamtkonzept
der Planung in einem wesentlichen Punkt berührt wird und in dem Interessengeflecht
der Planung nunmehr andere Belange nachteilig betroffen werden, so korrespondiert
der objektiven Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses allein ein mit der
Verpflichtungsklage geltend zu machender Anspruch auf Planergänzung.
34
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. November 1995 - 11 VR 15.95 -, NVwZ 1997, 165
(167 f.); Beschluss vom 24. September 1997 - 4 VR 21.96 -, NVwZ-RR 1998, 297 (299);
Urteil vom 26. Februar 1999 - 4 A 47.96 -, NVwZ 2000, 560 (563).
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Mängel von einer das Gesamtkonzept der Planung beeinträchtigenden Tragweite sind
auf der Grundlage des Vortrags der Kläger nicht erkennbar. Zur Begründung wird auf
den im zugehörigen Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss des
Senats vom 13. Juli 2000 - 20 B 1298/98.AK - Bezug genommen. Bei der Prüfung in der
Hauptsache sind keine Gesichtspunkte hervorgetreten, die zu einer anderen Beurteilung
führen.
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Das gilt zum einen hinsichtlich der - möglicherweise das Planungskonzept berührenden
- Alternative einer Lärmschutz- Mittelwand zwischen der ICE- und der Siegstrecke. Zwar
trifft die Angabe in den der Planfeststellung zugrunde liegenden Untersuchungen, eine
zusätzliche Mittelwand von 5 m Höhe bewirke "weitere Schallpegelminderungen von bis
zu 2 dB(A)", für das Wohnhaus des Klägers zu 1. nicht zu, wie zwischen den Beteiligten
unstreitig geworden ist. Das für die Beigeladene tätig gewordene Ingenieurbüro
Uderstädt geht nunmehr im Einklang mit der von dem Kläger zu 1. eingeholten TÜV-
Stellungnahme für das Dachgeschoss des Hauses von einer Lärmminderung um bis zu
7 oder gar 8 dB(A) aus. Auch an einigen anderen Immissionsorten in der Umgebung
dürften demnach beträchtliche Pegelminderungen durch eine Mittelwand zu erzielen
sein. Die frühere, nachträglich als typisierend interpretierte Angabe einer Minderung von
bis zu 2 dB(A) zeichnet daher zumindest ein schiefes Bild. Aber insoweit lässt ein
etwaiger Ermittlungsfehler das Abwägungsergebnis unberührt. Die im Klageverfahren
dargelegten Erwägungen zu den Konsequenzen des Baus einer Mittelwand lassen es
als ausgeschlossen erscheinen, dass sich die Beklagte durch den erheblichen
Lärmminderungseffekt einer Mittelwand in Einzelfällen wie dem des Dachgeschosses
im Wohnhaus des Klägers zu 1. in ihrer Entscheidung hätte beeindrucken lassen.
Neben den beträchtlichen Zusatzkosten für den Bau der Mittelwand fielen vor allem die
Schwierigkeiten ins Gewicht, den Platzbedarf einer solchen Wand zu befriedigen. Um
die ICE- Strecke und die L 332 a zwischen der vorhandenen Siegstrecke und der
Bebauung an der K. -P. -Straße gebündelt verwirklichen zu können, waren Lage und
Abgrenzung der beiden Planungstrassen frühzeitig aufeinander abgestimmt worden; der
Straßenbaulastträger hatte sich in seinen Planungen und deren Ausführung ausweislich
einer Stellungnahme an die Anhörungsbehörde vom 14. Oktober 1996 darauf
eingestellt. Für die ICE-Strecke stand danach ein in der planfestgestellten
Schnittzeichnung B-B (Anlage 4.2 zum Planfeststellungsbeschluss) ausgewiesener
Zwischenraum von 15,20 m zwischen der Achse des südlichen Gleises der Siegstrecke
und der Grenze zur Straße zur Verfügung. Um in diesem Querschnitt neben der zur
Straße hin geplanten Stützwand auch die Leitungsanker der Strommasten und die zu
den Notausgängen in der Schallschutzwand gehörigen Treppenabgänge unterbringen
zu können, wurde im Verlauf des Planfeststellungsverfahrens der Achsabstand
zwischen den Gleisen der ICE-Strecke von 4,5 auf 4 m verringert. Zusätzlicher Platz für
eine Mittelwand als solche und den von ihr einzuhaltenden Gleisabstand hätte, wie sich
aus der Schnittzeichnung ergibt und durch die vorerwähnten Schreiben der
Beigeladenen und des Straßenbaulastträgers zusätzlich untermauert wird, nicht zur
Verfügung gestanden. Aus der von den Klägern vorgelegten Zeichnung des
Straßenquerschnitts folgt nichts Abweichendes. Dass die Grenze zwischen
Schienenweg und Straße anders als oben angegeben festgelegt gewesen wäre, lässt
sich ihr ebenso wenig entnehmen wie die Annahme, zwischen der Stützwand und der
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Fahrbahn hätte ein zu Straßenbauzwecken nicht benötigter Geländestreifen von 2,2 m
zur Verfügung gestanden. Die Schnittzeichnungen in der Zusammenschau und die
ergänzenden Erläuterungen der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung belegen
vielmehr stringent, dass diese Fläche für Bahnzwecke (Anker und Nottreppen)
einerseits und Zwecke des Straßenbaus (Randstreifen) andererseits verplant war.
Angesichts dessen wird der von den Klägern aus der Zeichnung des
Straßenquerschnitts gezogene Schluss, der Platz zum Bau der Mittelwand hätte sich
technisch durch Verschiebung der Neubaustrecke in Richtung Straße schaffen lassen,
den planerischen Eckpunkten in Bezug auf die Wahrung der Belange des Straßenbaus
nicht gerecht; ihr diesbezügliches Vorbringen begründet folglich keinen Bedarf für
weitere Sachaufklärung durch die beantragte Einholung eines
Sachverständigengutachtens. Das bedeutet, dass der benötigte Platz nur durch eine
Gleisverschiebung der Siegstrecke mit den im Senatsbeschluss vom 13. Juli 2000
aufgezeigten weitreichenden Konsequenzen hätte befriedigt werden können. Aufgrund
dessen stellt sich der Bau einer Mittelwand - wie der Senat im vorerwähnten Beschluss
näher ausgeführt hat - trotz der mit ihr erreichbaren beträchtlichen Pegelminderungen in
den Dachgeschossen der Häuser der Kläger nicht als eine ernsthaft in Betracht zu
ziehende Planungsalternative dar.
Dass der Planfeststellungsbeschluss kein spezielles Gleisbettungssystem angeordnet
hat, um den Schutz der Wohnhäuser der Kläger vor Erschütterungen sicherzustellen,
lässt auch weiterhin keine Rechtsfehler erkennen, die dem Hauptantrag zum Erfolg
verhelfen könnten. Aus den im Senatsbeschluss vom 13. Juli 2000 genannten Gründen
wäre es zwar bedenklich, die Kläger wegen Maßnahmen am Gleiskörper auf ein
Planergänzungsbegehren zu verweisen. Nach wie vor ist aber davon auszugehen, dass
ein Anspruch auf Anordnung entsprechender aktiver Schutzanlagen gemäß § 74 Abs. 2
Satz 2 VwVfG scheitert, weil solche untunlich wären (§ 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG). Ob der
gebotene Schutz der Nachbarschaft vor Immissionen durch Anlagen bzw. Vorkehrungen
im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zu gewährleisten ist oder ob sich die
Planungsbetroffenen nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG auf einen
Entschädigungsanspruch verweisen lassen müssen, steht nicht im Ermessen der
Planfeststellungsbehörde und ist deshalb verwaltungsgerichtlich voll überprüfbar; der
planerischen Gestaltungsfreiheit der Behörde unterliegt nur die Auswahl unter
verschiedenen geeigneten Schutzmaßnahmen.
38
Vgl. Allesch/Häußler in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 74 Rdnr. 90; Bonk in:
Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 74 Rdnr. 90.
39
Für die Dämpfungssysteme MFS und KES ergibt diese Überprüfung, dass sie bei Erlass
des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht dem Stand der Technik entsprachen, an
dem sich Schutzvorkehrungen nach § 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3 VwVfG i.V.m. § 3 Abs. 1
und 2 BImSchG auszurichten haben. Die Kläger haben - auch nach Ergehen des
Senatsbeschlusses im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes - nichts vorgetragen, was
die in jenem Beschluss hierzu angestellten Erwägungen in Frage stellen könnte. Ihr
weiteres Vorbringen zu den technischen Möglichkeiten einer erschütterungsmindernden
Gleisbettung beschränkt sich vielmehr auf die pauschale Behauptung, bei Erlass des
Planfeststellungsbeschlusses hätten Gleisbettungssysteme, die die bahnbedingten
Erschütterungen in ihren Häusern mindern würden, dem Stand der Technik
entsprochen. Dieser Vortrag geht auf die im Senatsbeschluss angeführten Sachgründe
nicht ansatzweise ein. Mangels ausreichender Substantiierung brauchte der Senat dem
hierzu gestellten Beweisantrag nicht zu entsprechen.
40
Ob die weiteren in Betracht zu ziehenden Dämpfungssysteme (USM, FF, BSG, HES/FF)
bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses zum Stand der Technik gehörten, kann
weiterhin offen bleiben; einer Beweiserhebung bedarf es mithin auch insoweit nicht. Sie
anzuordnen war jedenfalls deshalb untunlich, weil die anfallenden Kosten außer
Verhältnis zum Schutzzweck gestanden hätten. Um die Häuser der Kläger zu schützen,
hätte ein Gleisabschnitt von 150 m Länge mit einem der genannten Systeme
ausgestattet werden müssen. Obgleich dafür bei Einsatz selbst des kostengünstigsten
Systems BSG Mehrkosten von ca. 1 Mio. DM entstanden wären, käme der Schutz nur
wenigen Gebäuden zugute, die in gleichem oder ähnlichem Abstand vom Schienenweg
liegen. Die Erschütterungswerte nähmen deutlich ab, lägen im Dachgeschoss des
Hauses des Klägers zu 1. aber immer noch weit über dem von der Beklagten
herangezogenen Anhaltswert der DIN 4150 Teil 2. Maßnahmen passiven
Erschütterungsschutzes oder Entschädigungsleistungen hätten sich also nach dem
zugrunde gelegten, auch von den Klägern reklamierten Schutzstandard, der - wie noch
auszuführen sein wird - keinen Anlass zu Beanstandungen gibt, nicht erübrigt. Dass für
die weiteren begünstigten Objekte einschließlich des Hauses des Klägers zu 2. ein
wesentlich höherer Schutzeffekt erzielt worden wäre, kann nach den örtlichen
Verhältnissen nicht angenommen werden. Nimmt man die beträchtliche Vorbelastung
der Bebauung mit Erschütterungen durch die vorhandene Bahnstrecke und die
erheblichen Unsicherheiten über die erschütterungsmindernde Wirkung der im Zeitpunkt
des Planfeststellungsbeschlusses - soweit überhaupt - nur wenig erprobten
Gleisbettungssysteme hinzu, so erscheint das Kosten-Nutzen-Verhältnis für die in Rede
stehenden Systeme auch nach erneuter Überprüfung als deutlich unausgewogen.
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Der Hilfsantrag zu 1. a) muss gleichfalls erfolglos bleiben. Der damit verfolgte Anspruch
auf Planergänzung um Maßnahmen verbesserten aktiven Lärmschutzes, die die
Einhaltung der Grenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 16. BImSchV unter Einbeziehung
der von der L 332 a ausgehenden Lärmimmissionen gewährleisten würden, findet in der
maßgeblichen Regelung der §§ 41, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 2 Abs. 1
Nr. 3 der 16. BImSchV keine Grundlage. Nach dieser Regelung ist bei der wesentlichen
Änderung eines Schienenwegs grundsätzlich durch aktive Schallschutzmaßnahmen
sicherzustellen, dass der nach § 3 der 16. BImSchV berechnete Beurteilungspegel auf
den in der Nachbarschaft gelegenen Grundstücken bestimmte Immissionsgrenzwerte
nicht überschreitet. Auf passiven Schallschutz muss sich der Betroffene nur verweisen
lassen, soweit die Kosten aktiver Schutzmaßnahmen außer Verhältnis zu dem
angestrebten Schutzzweck stehen (§ 41 Abs. 2 BImSchG). Der Beurteilungspegel im
Sinne des § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV bezieht sich allein auf den von Seiten des
planfestgestellten Vorhabens einwirkenden Verkehrslärm. Dies folgt aus § 3 Satz 1 der
16. BImSchV, der das in der Anlage 2 zu der Verordnung geregelte Verfahren zur
Berechnung des Beurteilungspegels für anwendbar erklärt; nach diesem Verfahren
gehen in die Berechnung nur Faktoren ein, die sich auf den neuen oder zu ändernden
Schienenweg beziehen. Für die Bildung eines Summenpegels, in den Immissionen
anderer Lärmquellen eingehen, ist demnach jedenfalls im Regelfall kein Raum.
42
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 - 4 C 9.95 -, NVwZ 1996, 1003 (1005);
Beschluss vom 5. März 1999 - 4 A 7.98 -, NVwZ-RR 1999, 556 (557).
43
Der Hilfsantrag zu 1. a) zielt demgegenüber auf einen Standard aktiven Lärmschutzes
ab, der neben den vorhabenbedingten Immissionen auch diejenigen der L 332 a
berücksichtigt. Einen so weitgehenden Schutz können die Kläger nicht zu Lasten der
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Beigeladenen beanspruchen.
Über den Lärmschutz anhand eines Summenpegels zu entscheiden könnte lediglich
geboten sein, wenn der Lärm des änderungsbetroffenen Schienenwegs im
Zusammenwirken mit Vorbelastungen durch andere Lärmquellen insgesamt zu einer
Lärmbelastung führte, die mit Gesundheitsgefahren oder einem Eingriff in die Substanz
des Eigentums verbunden wäre. Unter Beachtung des Schutzgehalts von Art. 2 Abs. 2
Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG kann die verordnungsrechtliche Regelung nicht
als abschließend betrachtet werden. Der Staat darf keine verkehrlichen Maßnahmen
zulassen, die im Ergebnis einen Eingriff in Leben oder Gesundheit oder eine nicht
rechtfertigungsfähige Beeinträchtigung des Eigentums auslösen. Er verstieße gegen
seine verfassungsrechtlichen Schutzpflichten, wenn er es zuließe, dass durch den Bau
oder die wesentliche Änderung eines öffentlichen Verkehrswegs eine die menschliche
Gesundheit gefährdende oder das Eigentum verletzende Verkehrslärmbelastung
entstünde, und sei es auch nur durch die Erhöhung einer bereits vorhandenen
Vorbelastung durch einen anderen Verkehrsweg.
45
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 a.a.O.; Beschluss vom 5. März 1999 a.a.O.
46
Allerdings greift die grundrechtliche Schutzpflicht nur dann, wenn die ihr widerstreitende
Immissionssituation gerade durch das Planvorhaben entsteht oder verschärft wird.
47
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 a.a.O.
48
Anderenfalls leistet die Zulassungsentscheidung zu der kritischen Lärmbelastung
keinen relevanten Ursachenbeitrag, der Grundlage des grundrechtlichen
Schutzanspruchs gegenüber dieser Entscheidung sein könnte.
49
Letzteres ist hier der Fall. Die planfestgestellten Schutzmaßnahmen führen dazu, dass
die von dem geänderten Schienenweg verursachten Außenpegel auf den Grundstücken
der Kläger nicht ansteigen, sondern im Gegenteil sogar sinken. Nach den im
Planfeststellungsverfahren durchgeführten lärmtechnischen Berechnungen wird sich der
Dauerschallpegel für das am stärksten belastete Dachgeschoss im Haus des Klägers zu
1. an der der Bahnstrecke zugewandten Gebäudefront von 66 dB(A) auf 63 dB(A) tags
und von 65 dB(A) auf 62 dB(A) nachts verringern. Auch die von dem Kläger zu 1.
eingeholte lärmtechnische Stellungnahme des TÜV R. stellt eine sinkende Tendenz der
Werte nicht in Frage. Zwar dürften die im Planfeststellungsverfahren prognostizierten
Werte etwas zu niedrig angesetzt sein. Dass die Zugzahlen aus dem Betriebsprogramm
der Beigeladenen nicht vollständig in die Berechnungsunterlagen eingegangen sind,
schlägt nach den von den Klägern nicht substantiiert in Zweifel gezogenen Angaben
des von der Beigeladenen beauftragten Büros U. mit 1 dB(A) tags und 0,5 dB(A) nachts
zu Buche. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Straßenlärm, der durch die
Schallschutzwand zwischen Schiene und Straße reflektiert werden wird und daher dem
planfestgestellten Vorhaben zurechenbar ist, nach den Angaben eines Ingenieurs des
Büros U. im gerichtlichen Erörterungstermin und in der mündlichen Verhandlung, an
denen zu zweifeln der Senat ebenfalls keinen Anlass hat, um einen Wert von weniger
als 1 dB(A) über den prognostizierten Pegeln liegen wird. Dem Beweisantrag der
Kläger, die einen höheren Reflektionswert behaupten, ist nicht zu entsprechen.
Obgleich sachverständig beraten, haben sie in der mündlichen Verhandlung den
Ausführungen des erwähnten Mitarbeiters des Büros U. zur Reflektionswirkung der
wenigen nicht hochabsorbierend ausgebildeten Wand- und Sockelpartien keine
50
Sachargumente entgegengesetzt, die Anlass zu einer Beweiserhebung hätten geben
können. Auch bei Berücksichtigung der danach nur im oben angegebenen Umfang
nötigen Korrekturen wird die dem geänderten Schienenweg zurechenbare
Lärmbelastung der Klägergrundstücke im Prognosezustand zurückgehen.
Die weiteren Erwägungen, mit denen die Kläger eine verstärkte Lärmbelastung ihrer
Grundstücke durch das planfestgestellte Vorhaben zu begründen suchen, überzeugen
demgegenüber nicht. Schon im Ansatz verfehlt ist der Vergleich zwischen der Ist-
Belastung durch die Siegstrecke und die von ihr westlich der Grundstücke der Kläger
abzweigende Güterzugstrecke einerseits und der Prognosebelastung aus Schienen-
und Straßenlärm andererseits. Denn die Kläger versäumen es, den Straßenlärm als
plangegebene Vorbelastung auch für die Ist-Werte zu berücksichtigen. Ebenfalls
unberechtigt ist ihr Einwand, wegen Ungenauigkeiten des angewandten
Prognoseverfahrens müssten die Prognosewerte um 3 dB(A) nach oben korrigiert
werden. Sowohl die Immissionsgrenzwerte als auch das Beurteilungsverfahren sind in
der Verkehrslärmschutzverordnung bezogen auf Schienen- und
Straßenverkehrsimmissionen verbindlich geregelt worden. Die verordnungsrechtliche
Regelung berechtigt und verpflichtet den Rechtsanwender, die anhand des
vorgeschriebenen Verfahrens ermittelten Werte seiner Beurteilung ohne Zu- und
Abschläge für etwaige Prognoseungenauigkeiten zugrunde zu legen. Die
Verbindlichkeit der Verordnung ist lediglich insofern eingeschränkt, als aus Gründen
des Grundrechtsschutzes eine Gesamtschau der Lärmbelastung durch verschiedene
Lärmquellen geboten sein kann. Das rechtfertigt es jedoch nicht, sich auch bei der
Prüfung der Voraussetzungen für eine summierende Betrachtung und bei der
Berechnung der von verschiedenen Verkehrswegen verursachten Beiträge zur
Gesamtlärmbelastung von den Vorgaben der Verordnung zu lösen. Auch unter
grundrechtlichem Aspekt ist keine abweichende Beurteilung geboten. Dass der
Verordnungsgeber sich unter Überschreitung seines Gestaltungsspielraums für ein
unsachgerechtes Prognoseverfahren entschieden haben könnte, machen die Kläger
selbst nicht geltend. Dennoch verbleibende Prognoseunsicherheiten in der hier geltend
gemachten Größenordnung sind sowohl mit Art. 2 Abs. 2 als auch mit Art. 14 Abs. 1 GG
vereinbar. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil Fehlprognosen noch nachträglich korrigiert
werden können. Stellt sich nach Verwirklichung des Vorhabens heraus, dass die
vorschriftsmäßig prognostizierten Werte in einem die Rechte des Betroffenen
beeinträchtigenden Maße überschritten werden, so kann dieser nach Maßgabe von § 75
Abs. 2 Satz 2 VwVfG nachträglichen Schutz verlangen. Da es hiernach auf die von den
Klägern behauptete Prognoseunsicherheit des Berechnungsverfahrens nach der
Verkehrslärmschutzverordnung und der im Planfeststellungsbeschluss durchgeführten
Prognoseberechnung nicht ankommt, brauchten die von den Klägern gemäß Seiten 3
und 4 ihres Schriftsatzes vom 8. Januar 2001 beantragten Beweise nicht erhoben zu
werden.
51
Aber auch unabhängig von dem Gesichtspunkt des fehlenden Ursachenbeitrags ist für
die Bildung eines Summenpegels kein Raum. Unter dem Gesundheitsaspekt kommt es
letztlich nicht auf die Außen-, sondern auf die Innenraumpegel an.
52
Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 1997 - 11 A 17.96 -, Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 13,
S. 9; Urteil vom 17. November 1999 - 11 A 4.98 -, BVerwGE 110, 81 (90).
53
Der Planfeststellungsbeschluss ordnet an, dass über die Maßnahmen aktiven
Schallschutzes hinaus durch passiven Schallschutz im Rahmen des Möglichen die
54
Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte nach der Verkehrswege-
Schallschutzmaßnahmenverordnung (24. BImSchV) zu gewährleisten ist (A III 1.2, 1.3
des Beschlusses). Dass trotz entsprechenden passiven Schallschutzes summierte
Innenpegel verbleiben werden, die nicht nur die insoweit maßgebliche Grenze von 37
dB(A) tags und 27 dB(A) nachts überschreiten, sondern sogar oberhalb der - im Bereich
zwischen 30 und 35 dB(A) Dauerschallpegel nachts anzusetzenden - Schwelle zur
Gesundheitsgefährdung liegen, ist weiterhin weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Vgl. zu den letztgenannten Werten BVerwG, Urteil vom 23. April 1997 a.a.O., S. 9 f.;
Urteil vom 17. November 1999 a.a.O., S. 90.
55
Ebenso wenig ist erkennbar, dass die nach dem Planfeststellungsbeschluss gebotenen
Maßnahmen aktiven und passiven Schallschutzes nicht ausreichen werden, um
gesundheitlich bedenkliche Pegelspitzen in einer Größenordnung von mehr als 40
dB(A) nachts auszuschließen.
56
Vgl. zu der maßgeblichen Schwelle die vorgenannten Urteile.
57
Wieso von einem - summierten - Beurteilungspegel von 65 dB(A) außen auf einen
Innenraum-Maximalpegel von über 40 dB(A) trotz des vorgesehenen passiven
Schallschutzes sollte geschlossen werden können, haben die Kläger nicht
nachvollziehbar ausgeführt. Auch in dieser Hinsicht hat der Senat deshalb keinen
Grund, den beantragten Beweis zu erheben.
58
Unter eigentumsrechtlichem Aspekt ist eine Summation ebenfalls nicht geboten.
Tagsüber werden keine Außenpegel erreicht werden, bei denen eine enteignende
Wirkung in Betracht gezogen werden müsste. Bezogen auf das am stärksten betroffene
Dachgeschoss im Haus des Klägers zu 1. hat die Beklagte im zugehörigen Eilverfahren
mit Schriftsatz vom 30. Juli 1998 einen Summenpegel von knapp 69 dB(A) tags als
Prognosewert mitgeteilt. Der vom Bundesgerichtshof für Mischgebiete entwickelte
Annäherungswert von 72 dB(A) tags
59
- vgl. Urteile vom 10. Dezember 1987 - III ZR 204/86 -, BauR 1988, 204 (206) und vom
25. März 1993 - III ZR 60/91 -, BGHZ 122, 76 (82) -
60
würde also selbst dann nicht erreicht, wenn die Werte aus dem Schienenverkehr und
dem Straßenverkehr entsprechend den vorstehenden Ausführungen nach oben
korrigiert werden müssten. Für die Nachtzeit kann auch aus eigentumsrechtlicher Sicht
nicht maßgeblich auf die Außenpegel abgestellt werden, falls - wie hier - durch
Maßnahmen ergänzenden passiven Schallschutzes die Lärmbelastung im
Rauminneren auf ein erträgliches Maß vermindert wird.
61
Das mit dem Hilfsantrag zu 1. b) verfolgte Begehren, die (allein) vorhabenbedingten
Lärmimmissionen durch verstärkten aktiven Lärmschutz auf die nach der
Verkehrslärmschutzverordnung geltenden Grenzwerte zu vermindern, findet in den §§
41, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 16. BImSchV keine
Grundlage. Zwar werden die von dem Betrieb des veränderten Schienenwegs künftig
einwirkenden Lärmimmissionen diese Grenzwerte voraussichtlich überschreiten.
Weitergehenden aktiven Schallschutz hat die Beklagte aber in Anwendung des § 41
Abs. 2 BImSchG zu Recht abgelehnt.
62
Die Voraussetzungen, unter denen vorbehaltlich der Ausnahmeregelung des § 41 Abs.
2 BImSchG weitergehender aktiver Schallschutz verlangt werden könnte, sind erfüllt.
Die Immissionsgrenzwerte des § 2 der 16. BImSchV kommen zum Tragen, da durch das
planfestgestellte Vorhaben der den Klägergrundstücken benachbarte Schienenweg um
mehrere durchgehende Gleise baulich erweitert und damit wesentlich geändert wird (§ 1
Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1 der 16. BImSchV). Maßgeblich sind die für Mischgebiete
geltenden Grenzwerte von 64 dB(A) tags und 54 dB(A) nachts gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3
der 16. BImSchV. Welcher Gebietsart ein Grundstück zuzurechnen ist, ergibt sich nach §
2 Abs. 2 Satz 1 der 16. BImSchV vorrangig aus den Festsetzungen einschlägiger
Bebauungspläne. Die Grundstücke der Kläger werden durch die Bebauungspläne Nr. T
33, 1. Änderung bzw. Nr. T 88, 1. Änderung der Stadt T. als Teile von Mischgebieten
ausgewiesen. Die hiernach zugrunde zu legenden Grenzwerte werden ausweislich der
dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Lärmprognose auch unter
Berücksichtigung des im festgestellten Plan vorgesehenen Schallschutzes teilweise
weit überschritten. Für das Haus des Klägers zu 1. sind unter Berücksichtigung der
geplanten 4 m hohen Schallschutzwand Tag-/Nachtwerte von 56/54 dB(A) im
Erdgeschoss, 62/61 dB(A) im ersten Obergeschoss und 63/62 dB(A) im Dachgeschoss
ermittelt worden; für das Haus des Klägers zu 2. ist von einer eher geringeren
Lärmbelastung auszugehen.
63
Diese Werte sind sogar noch nach oben zu korrigieren, so dass im Dachgeschoss des
Hauses des Klägers zu 1. auch der tagsüber maßgebliche Grenzwert leicht
überschritten werden dürfte.
64
Allerdings ist der Schienenbonus von 5 dB(A) zur Berücksichtigung der geringeren
Störwirkung des Schienenverkehrslärms (Anlage 2 zu § 3 und § 3 Satz 2 der 16.
BImSchV) in der Lärmuntersuchung zu Recht in Ansatz gebracht worden. Dies hat der
Senat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
bereits in seinem Beschluss vom 13. Juli 2000 ausgeführt. Darauf wird verwiesen.
Weitergehende Erkenntnisse haben sich seither nicht ergeben.
65
Ebenfalls ohne Rechtsfehler geht die Lärmprognose von dem Betriebsprogramm der
Beigeladenen und nicht von der möglicherweise - vor allem nachts - höheren Kapazität
der Bahnstrecken aus. Der nach § 41 Abs. 1 BImSchG gebotene Schutz gegen
Verkehrslärm bemisst sich nach der realistischerweise zu erwartenden, nicht nach der
theoretisch möglichen Belastung. Es lässt sich nicht feststellen, dass in der
Untersuchung der von der Beigeladenen für die ICE-Strecke ins Auge gefasste schnelle
Güterverkehr außer Betracht geblieben ist. Die Beigeladene hat ausdrücklich erklärt,
dort voraussichtlich verkehrende Cargo-Züge seien in die zugrunde gelegten Zugzahlen
eingeschlossen. Den Wahrheitsgehalt dieser Versicherung zu bezweifeln hat der Senat
keinen Anlass. Wie bereits erwähnt sind die Zugzahlen des Betriebsprogramms der
Beigeladenen jedoch nicht vollständig in die durchgeführten Prognoseberechnungen
eingegangen; die ermittelten Pegel bedürfen, wie eine Nachberechnung ergeben hat,
der Korrektur um 1 dB(A) tags und 0,5 dB(A) nachts nach oben.
66
Ein weiterer, auf weniger als 1 dB(A) zu beziffernder Korrekturbedarf resultiert - wie
ebenfalls bereits dargestellt - aus der dem planfestgestellten Vorhaben zurechenbaren
Reflektion des von der L 332 a ausgehenden Schalls durch die Schallschutzwand
zwischen Schienenweg und Straße. Aufgrund der vorgenannten Mängel muss also
davon ausgegangen werden, dass die Prognosepegel um Werte unterhalb von 2 dB(A)
tags/1,5 dB(A) nachts zu niedrig ermittelt worden sind.
67
Weitere Fehler sind nicht belegt. Der TÜV R. hat in seiner gutachtlichen Stellungnahme
vom 18. November 1998 zwar von den in der Planfeststellung zugrunde gelegten
Werten teilweise deutlich abweichende Werte der Prognosebelastung des Wohnhauses
des Klägers zu 1. ermittelt. Für das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss ist er aber
von unzutreffenden Höhenverhältnissen ausgegangen. Insoweit kommt seinen Werten
keine Aussagekraft zu. Für das Dachgeschoss stimmen seine Werte hingegen mit den
vom Büro U. im Planfeststellungsverfahren ermittelten Werten nahezu überein (TÜV
62,4/62,1 dB(A), U. 63/62 dB(A)) und bestätigen damit - vorbehaltlich des vorerwähnten
Korrekturbedarfs - die der Planfeststellung zugrunde gelegten Werte.
68
Die Entscheidung der Beklagten gegen zusätzlichen aktiven Schallschutz trotz
verbleibender Grenzwertüberschreitung ist nicht zu beanstanden; weder die aufgezeigte
Korrekturbedürftigkeit der Lärmprognose noch andere Gesichtspunkte stellen das
Entscheidungsergebnis in Frage.
69
§ 41 Abs. 2 BImSchG normiert den Vorrang des aktiven Lärmschutzes vor Maßnahmen
des passiven Lärmschutzes. Nach dem Stand der Technik verfügbare Maßnahmen
aktiven Lärmschutzes brauchen zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen
durch Verkehrsgeräusche nur insoweit nicht ergriffen zu werden, als die Kosten der
Schutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden.
Um darüber zu entscheiden, bedarf es einer Kosten-Nutzen-Analyse, wobei die
Gesamtumstände des Falles wertend zu betrachten sind.
70
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2000 - 11 A 42.97 -, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG
Nr. 33 (S. 73, 75).
71
Zu den bei der Entscheidung zu berücksichtigenden Gesichtspunkten zählen
namentlich das Maß der Lärmminderung durch die in Betracht kommenden aktiven
Schutzmaßnahmen und der dafür jeweils entstehende Kostenaufwand, ferner negative
Auswirkungen der Maßnahmen auf sonstige Schutzgüter wie die städtebauliche
Entwicklung sowie das Orts- und Landschaftsbild. Das der Lärmminderung
beizumessende Gewicht wird wesentlich beeinflusst durch tatsächliche und planerische
Vorbelastungen der geschützten Bebauung.
72
Die Notwendigkeit, diese verschiedenen, teilweise in einem Spannungsverhältnis
zueinander stehenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen, macht deutlich, dass es sich
bei der Entscheidung nach § 41 Abs. 2 BImSchG um eine Abwägungsentscheidung
handelt. Der Senat folgt der Auffassung des 11. Senats des Bundesverwaltungsgerichts,
für diese Abwägung stehe der Planungsbehörde ein Spielraum zu, der vom Gericht nur
auf die Einhaltung seiner rechtlichen Grenzen hin zu überwachen sei.
73
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2000 a.a.O., S. 73 m.w.N. gegen BVerwG, Urteil vom
28. Januar 1999 - 4 CN 5.98 -, DVBl. 1999, 1288 (1289 f.).
74
Denn die von der Norm geforderte Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Maßgabe der
vorgenannten Kriterien ist untrennbar mit der allgemeinen fachplanerischen Abwägung
verbunden, die Entwicklung eines Lärmschutzkonzepts ist selbst ein Akt planerischer
Gestaltung. Das hat zur Folge, dass sich die gerichtliche Kontrolle einerseits an den von
der Planfeststellungsbehörde angestellten Erwägungen auszurichten hat und
andererseits Fehler der gebotenen Abwägung unter den Voraussetzungen des § 20
75
Abs. 7 Satz 1 AEG die gewählte Lärmschutzkonzeption unberührt lassen.
Hiervon ausgehend hält die Entscheidung der Beklagten, über die vorgesehene 4 m
hohe Schallschutzwand hinaus keine weiteren Maßnahmen aktiven Schallschutzes zu
treffen, der Überprüfung Stand. Die abwägungserheblichen Aspekte sind in die
Entscheidung eingegangen. Im Planfeststellungsverfahren ist das Verhältnis von Kosten
und Nutzen verstärkten aktiven Schallschutzes durch Berechnung alternativer
Höhenmaße von 5 und 6 m für die Schallschutzwand ermittelt worden, nachdem vorher
bereits Berechnungen zu geringeren Wandhöhen angestellt worden waren. Dabei hat
sich die Betrachtung zutreffend nicht speziell auf die Grundstücke der Kläger, sondern
auf die Bebauung südlich der in Rede stehenden Schallschutzwand als Ganze
gerichtet. Für insgesamt 13 Objekte in dem durch die Wand geschützten Bereich hat das
beauftragte Büro U. die Lärmpegel für Wandhöhen von 4, 5 und 6 m alternativ
prognostiziert und den jeweils anfallenden Kosten sowie der Vorbelastung
gegenübergestellt. Die so ermittelte Kosten- Nutzen-Relation ist in die Abwägung
ebenso eingestellt worden wie die verstärkte Trennwirkung und größere
Beeinträchtigung des Ortsbildes, die mit Wandhöhen von mehr als 4 m verbunden
wären. Die auf dieser Basis getroffene Entscheidung lässt Fehlgewichtungen nicht
erkennen. Beträchtliche Lärmminderungen von 3 dB(A) oder mehr ergäben sich zumeist
erst bei einer Wandhöhe von 6 m. Die für Mischgebiete geltenden Grenzwerte würden
gleichwohl nicht überall eingehalten; passiver Schallschutz bliebe also teilweise
weiterhin notwendig. Andererseits würden sich die Kosten der Wand nach den
Erfahrungswerten der Beigeladenen aus anderen Vorhaben, die die Beklagte sich zu
eigen gemacht hat, dann nahezu verdoppeln. Dies entspricht der allgemeinen
Erfahrung, dass bei zunehmender Höhe von Schallschutzwänden die Kosten
überproportional ansteigen, während die erzielbaren Verbesserungen der Lärmsituation
zunehmend geringer werden. Das von den Klägern eingeholte Angebot des von der
Beigeladenen mit dem Bau der Schallschutzwand beauftragten Unternehmens ist nicht
geeignet, die Kostenannahmen der Beklagten zu alternativen Wandhöhen zu
erschüttern. Das Angebot weist nur die reinen Materialkosten für eine Wand anderer
Höhe (5 und 6 m) aus, enthält sich hingegen jeglicher Angaben zu den
Gründungskosten, die für den überproportionalen Kostenanstieg höherer Wände in
erster Linie ursächlich sind.
76
Die genannten, der Abwägung zugrunde gelegten Erwägungen belegen plausibel,
warum die Planfeststellungsbehörde die Grenze aktiven Schallschutzes bei einer
Wandhöhe von 4 m gezogen hat. Das Ergebnis ihrer Abwägung steht zudem im
Einklang mit der vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Regel, nach der bei
planfestgestellten Wandhöhen von 4 m die Schlussfolgerung nahe liegt, eine weitere
Wanderhöhung würde wegen der auftretenden "Sprungkosten" einen
unverhältnismäßigen Aufwand verursachen.
77
Vgl. Urteil vom 15. März 2000 a.a.O., S. 80.
78
Rechtlichen Bedenken begegnet es umso weniger, als die prognostizierte
Lärmbelastung in dem geschützten Gebiet bereits durch die 4 m hohe Wand gegenüber
der vorhandenen, als Vorbelastung zu berücksichtigenden Situation abnimmt und damit
zu einer Lärmsanierung führt.
79
Dass die Entscheidung nach § 41 Abs. 2 BImSchG von fehlerhaft ermittelten
Prognosewerten ausgeht, ist nach § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG unerheblich. Das
80
Abwägungsergebnis ist dadurch nicht beeinflusst worden. Nach den obigen
Ausführungen ist der Korrekturbedarf wegen unvollständig aus dem Betriebsprogramm
der Beigeladenen übernommener Zugzahlen und der Außenreflektion der
Lärmschutzwand gering. Das Verhältnis zwischen dem Nutzen und den Kosten einer
Erhöhung der Lärmschutzwand wird dadurch nicht erheblich verschoben. Die
Überlegung, dass selbst bei einer Wandhöhe von 6 m ergänzend passiver Schallschutz
nötig würde, gilt auf der Grundlage der nach oben zu korrigierenden Prognosewerte erst
recht.
Soweit die Beklagte im Planfeststellungsbeschluss für ihre Verhältnismäßigkeitsprüfung
auch auf die Relation der Mehrkosten für verstärkten aktiven Schallschutz und die
korrespondierende Kostenersparnis beim passiven Schallschutz abgestellt hat, ist ihr
gleichfalls kein ergebnisrelevanter Abwägungsfehler unterlaufen. Zwar fehlt dieser
Erwägung ein unmittelbarer Bezug zum Schutzzweck des § 41 Abs. 2 BImSchG. Nicht
auf das Verhältnis der Kosten für aktiven und für passiven Schutz, sondern auf
dasjenige zwischen Kosten und Nutzen aktiven Schutzes kommt es nach der
gesetzlichen Regelung an.
81
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2000 a.a.O., S. 79.
82
Ein darin etwa liegender Abwägungsmangel hat sich aber wiederum nicht im Sinne des
§ 20 Abs. 7 Satz 1 AEG ausgewirkt. Denn der Planfeststellungsbeschluss stellt
selbständig tragend auch auf die nach der gesetzlichen Regelung maßgebliche Kosten-
Nutzen-Relation ab.
83
Dem Hilfsantrag zu 1. b) verhilft auch nicht zum Erfolg, dass die Beklagte nicht den Bau
einer Schallschutz-Mittelwand zwischen den Gleisen der Siegstrecke und der ICE-
Strecke angeordnet hat. Ungeachtet der Frage, ob diese Planungsalternative überhaupt
Gegenstand eines bloßen Planergänzungsbegehrens sein kann, ergibt sich aus den
Ausführungen zum Hauptantrag, dass die Entscheidung der Beklagten gegen sie keine
Fehler enthält, die das Entscheidungsergebnis beeinflusst haben könnten.
84
Der auf Planergänzung gerichtete Hilfsantrag zu 2. a) hat teilweise Erfolg. Die Kläger
können zwar nicht die Verpflichtung der Beklagten zu einer Ergänzung des
festgestellten Plans um Maßnahmen des Erschütterungsschutzes zur Gewährleistung
der in dem Antrag bezeichneten Anhaltswerte verlangen; sie haben aber immerhin
einen - dahinter zurückbleibenden, aber vom Klagebegehren mit umfassten - Anspruch
auf Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um einen Entscheidungsvorbehalt,
der Maßnahmen passiven Erschütterungsschutzes betrifft.
85
Nach der als Grundlage des geltend gemachten Anspruchs allein in Betracht zu
ziehenden Regelung in § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG sind dem Träger des Vorhabens
Schutzmaßnahmen aufzuerlegen, wenn das Vorhaben anderenfalls für Dritte
unzumutbare Nachteile hervorrufen würde. Die Zumutbarkeit ist unter Beachtung des
Gebietscharakters und der Vorbelastung zu bestimmen. Erschütterungswirkungen
machen Schutzvorkehrungen erforderlich, wenn eine vorhandene Vorbelastung in
beachtlicher Weise erhöht wird und gerade dadurch eine unzumutbare Belastung
eintritt.
86
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2000 a.a.O., S. 81.
87
Die Verpflichtung greift allerdings nur, sofern die Maßnahmen nicht untunlich oder mit
dem Vorhaben unvereinbar sind; anderenfalls hat der Betroffene einen Anspruch auf
angemessene Entschädigung in Geld (§ 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG).
88
Das Erschütterungsschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses wird diesen
Vorgaben im Ansatz gerecht, bedarf aber der Ergänzung. Das Konzept beruht auf der
Annahme, der Standard des rechtlich gebotenen Erschütterungsschutzes sei an den
Werten der DIN 4150, Teil 2 (Erschütterungen im Bauwesen, Einwirkungen auf
Menschen in Gebäuden) auszurichten. Der Beschluss enthält zwar den Hinweis, die
Werte dieser technischen Norm seien bloße Anhaltswerte und die Norm finde außerdem
grundsätzlich nur bei reinen Neubaustrecken Anwendung. Gleichwohl - so wird aber
betont - werde sie "als Beurteilungsgrundlage herangezogen" (C II 3.1.2 des
Planfeststellungsbeschlusses). Soweit nachfolgende Ausführungen diese Feststellung
relativieren, beziehen sie sich nur auf den Fall, dass die Anlagenänderung die
vorhandenen Immissionen nicht in beachtlicher Weise erhöht. Den im Grundsatz für
maßgeblich erachteten Anhaltswerten der DIN-Norm hat die Beklagte die durch
Messung und Prognose für ausgewählte Immissionsorte ermittelten Belastungswerte
gegenübergestellt. Da die prognostizierten Immissionen die Anhaltswerte teilweise
deutlich überschreiten, ist sie zu dem Ergebnis gelangt, prinzipell seien
Schutzmaßnahmen geboten. Für das Haus des Klägers zu 1. (Immissionsort MO 22/3)
ist schon in der Ursprungsfassung des Beschlusses ausdrücklich festgestellt worden,
wegen wesentlicher Überschreitung des Anhaltswerts Ar bestehe grundsätzlich "ein
physisch realer Abwehranspruch"; im gerichtlichen Erörterungstermin hat die Beklagte
diese Feststellung durch planergänzende Protokollerklärung auf das Haus des Klägers
zu 2. mit Rücksicht auf dessen vergleichbare Lage übertragen. Aus den getroffenen
Feststellungen zum voraussichtlichen Eintritt als unzumutbar bewerteter
Erschütterungen zieht der Planfeststellungsbeschluss allerdings nicht die Konsequenz,
über einen fachgerechten Regelunterbau hinausgehende Maßnahmen zum
Erschütterungsschutz zu treffen. Der Einbau spezieller Gleisbettungssysteme wird als
im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses nicht dem Stand der
Technik entsprechend abgelehnt. Darauf beschränkt sich das Regelungskonzept des
Beschlusses indes nicht. Es richtet sich vielmehr darauf, die Beigeladene zu einer
weiteren Prüfung der Möglichkeit des Einbaus von Gleisbettungssystemen
entsprechend dem Fortschritt der Technik bis zum Zeitpunkt des Baubeginns und zum
Bericht darüber zu verpflichten und dann gegebenenfalls den Einbau solcher Systeme
anzuordnen. Eine entsprechende Entscheidung ist im Planfeststellungsbeschluss nicht
ausdrücklich, jedoch der Sache nach vorbehalten worden. Das erhellt namentlich aus
dem Umstand, dass in der Beschlussbegründung von der gemäß § 74 Abs. 2 VwVfG
noch zu treffenden "Entscheidung der Planfeststellungsbehörde" die Rede ist (C II 3.1.2
des Planfeststellungsbeschlusses). Für den Fall, dass Maßnahmen am Gleis auch bei
Baubeginn technisch nicht möglich sein oder dass sie von der Planfeststellungsbehörde
als untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar beurteilt werden sollten, wird den
unzumutbar Betroffenen einschließlich der Kläger ein Entschädigungsanspruch
zugesprochen. Neben diesen Regelungen zu den prognostizierten
Erschütterungseinwirkungen oberhalb der Zumutbarkeitsgrenze enthält der
Planfeststellungsbeschluss einen Vorbehalt, nach Inbetriebnahme Anlagen oder
Vorkehrungen gegen nicht vorhersehbare Erschütterungseinwirkungen anzuordnen
oder ersatzweise den Betroffenen einen Anspruch auf Entschädigung zuzusprechen.
89
Die Beklagte ist in ihrem Schutzkonzept zu Recht von der Annahme ausgegangen, die
Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG seien für die Kläger erfüllt. Ohne
90
Schutzmaßnahmen werden deren Häuser unzumutbaren Erschütterungsbelastungen
ausgesetzt sein. Das ergibt sich auf der Grundlage der im Planfeststellungsverfahren
erarbeiteten Belastungsprognose. Die Prognose ist zugeschnitten auf das
Beurteilungsverfahren nach der DIN 4150, Teil 2 erstellt worden, bei dem die ermittelten
Beurteilungsgrößen mit den Anhaltswerten der DIN-Norm verglichen werden. Mangels
eines normativ geregelten Verfahrens ist es nicht zu beanstanden, dass in den
Untersuchungen auf diese technische Norm, die den Erkenntnisstand der einschlägigen
Fachkreise wiedergibt, zurückgegriffen worden ist. Für das Wohnhaus des Klägers zu 1.
hat das eingeschaltete Ingenieurbüro U. maximale bewertete Schwingstärken (KBF
max) prognostiziert, die den unteren Anhaltswert Au überschreiten, den oberen
Anhaltswert Ao hingegen unterschreiten. Für diesen Fall sieht die DIN-Norm einen
Vergleich der Beurteilungsschwingstärke KBFTr mit dem Anhaltswert Ar vor, der für
Mischgebiete tags 0,1 und nachts 0,07 beträgt. Während die Tag- und Nachtwerte
bisher eingehalten sind, werden sie künftig nach der Prognose mit KBFTr 0,14 tags und
nachts im Dachgeschoss überschritten. Die Gutachter gehen davon aus, dass diese
Ergebnisse auf das Wohnhaus des Klägers zu 2. übertragbar sind.
Die von den Klägern erhobenen Einwände gegen die Belastungsprognose stellen
deren Tragfähigkeit nicht in Frage. Die angeblichen Fehler der Prognose - Übertragung
an anderen Messorten gewonnener, aber nicht vergleichbarer Messergebnisse auf das
Anwesen des Klägers zu 1., fehlende Berücksichtigung der Entfernung eines Messortes
von der Neubaustrecke, mangelnde Rechtfertigung eines in der DIN-Norm
vorgesehenen Schienenbonus, unterbliebene Summation mit Erschütterungen seitens
der L 332 a - schlagen auf das Regelungskonzept des Planfeststellungsbeschlusses
jedenfalls nicht durch. Mit der für beide Kläger geltenden Feststellung, wegen der
Überschreitung des Anhaltswertes Ar bestehe grundsätzlich ein physisch-realer
Abwehranspruch, bringt der Planfeststellungsbeschluss deutlich zum Ausdruck, dass
und welche prognostizierten Erschütterungen als unzumutbar bewertet werden. Etwaige
Prognosefehler, die eine Korrektur der ermittelten Beurteilungswerte nach oben hin
nötig machen würden, sind unerheblich, weil daraus resultierende Ansprüche im
Planfeststellungsbeschluss über die Bestimmung des Schutzstandards hinaus nicht
umfangmäßig festgelegt sind, dem tatsächlichen Grad der Beeinträchtigung mithin noch
Rechnung getragen werden kann. Folglich können etwaige Prognosefehler Rechte der
Kläger insoweit nicht berühren.
91
An den Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG fehlt es nicht etwa deshalb,
weil der im Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegte Schutzstandard überzogen
wäre. Den Schutz an den Anhaltswerten Ar auszurichten, wie auch die Kläger mit ihrem
Hilfsantrag zu 2. a) fordern, erscheint nach den Umständen des Falles angemessen; ein
Anspruch auf diesem Standard entsprechende, aber im Planfeststellungsbeschluss
nicht vorgesehene Schutzmaßnahmen scheitert also nicht etwa daran, dass die
Zumutbarkeitsgrenze im Planfeststellungsbeschluss zu eng gezogen wäre. Die DIN
4150, Teil 2 bezieht die Anhaltswerte zwar nur auf den Neubau von Schienenwegen,
nicht auf deren Erweiterung (vgl. Nr. 5.5.2.2 der Ausgabe 1992 und Nr. 6.5.3.4 Buchst. a
und c der Ausgabe 1999). Im Falle der Erweiterung soll sich die Beurteilung der DIN-
Norm, Ausgabe 1999, zufolge vielmehr maßgeblich nach der Vorbelastung richten. Aber
auch dann ist dem Anhaltswert Ar Bedeutung zumindest insofern beizumessen, als
seine Überschreitung das Auftreten erheblicher Erschütterungen signalisiert. Sie mögen
hinzunehmen sein, soweit sie der Vorbelastung entsprechen, wovon auch der
Planfeststellungsbeschluss ausgeht. Führt aber ein Erweiterungsvorhaben - wie hier -
dazu, dass eine die Anhaltswerte einhaltende Vorbelastung über die Anhaltswerte
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hinaus wesentlich gesteigert wird, so umreißen diese auch insoweit die
Zumutbarkeitsgrenze.
Obgleich die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG vorliegen, können die
Kläger nicht die Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um die Anordnung von
Schutzanlagen oder -vorkehrungen verlangen. Sie haben jedoch einen Anspruch auf
Aufnahme eines ergänzenden Entscheidungsvorbehalts in den Beschluss.
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Der Anordnung von Maßnahmen aktiven Erschütterungsschutzes stand jedenfalls § 74
Abs. 2 Satz 3 VwVfG entgegen. In Betracht zu ziehende besondere
Gleisbettungssysteme entsprachen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des
Planfeststellungsbeschlusses entweder nicht dem Stand der Technik oder wären mit
unverhältnismäßigen Kosten verbunden gewesen. Dies hat der Senat bereits in seinem
Beschluss vom 13. Juli 2000 und ergänzend oben zum Anfechtungsbegehren der
Kläger ausgeführt. Derartige Systeme schieden daher als untunlich aus mit der Folge,
dass ein auf sie gerichtetes Planergänzungsbegehren unabhängig davon scheitert, ob
sie die Planungskonzeption berühren würden. Anlagen zwischen Schienenweg und
Gebäuden waren gleichfalls untunlich. Ausweislich der gutachtlichen Stellungnahme
des Ingenieurbüros U. vom 8. Dezember 1999 hätten sie nämlich Kosten in
vergleichbarer Höhe verursacht wie das kostengünstigste Gleisbettungssystem BSG,
ohne die Erschütterungen deutlich stärker zu dämpfen.
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Für erschütterungsdämpfende Maßnahmen an den Häusern der Kläger, die vom
Hilfsantrag zu 2. a) ebenfalls erfasst werden, lässt sich hingegen nicht feststellen, dass
sie im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG untunlich wären. Es ist weder untersucht
worden, ob und mit welchem Erfolg solche Maßnahmen technisch realisiert werden
könnten, noch hat die Beklagte den dafür notwendigen Kostenaufwand ermittelt und
bewertet. Daraus allein ergibt sich indessen kein dem Antrag zum Erfolg verhelfender
Mangel und ebenso keine Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung im vorliegenden
Verfahren. Mit Rücksicht auf die vorbehaltene nachträgliche Entscheidung über
Gleisbettungssysteme brauchte die Beklagte im Planfeststellungsbeschluss noch nicht
abschließend über alternative Schutzmaßnahmen zu befinden. Fehlerhaft und
ergänzungsbedürftig ist der Planfeststellungsbeschluss jedoch insofern, als er in den
Regelungen unter C II 3.1.2 die Möglichkeit passiver Schutzmaßnahmen völlig
übersprungen und als Alternative zu aktiven Schutzmaßnahmen nur eine
Entschädigungsleistung in das Konzept des Erschütterungsschutzes einbezogen hat.
Notwendig wäre es demgegenüber gewesen, in Erweiterung des aktive
Schutzmaßnahmen betreffenden Entscheidungsvorbehalts sicherzustellen, dass die
Entscheidung über passive Schutzmaßnahmen gegebenenfalls nachgeholt wird.
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Der Grundsatz der Problembewältigung verpflichtet zwar die Planfeststellungsbehörde,
über die Zulässigkeit des Vorhabens mit seinen rechtserheblichen Auswirkungen im
Planfeststellungsbeschluss prinzipiell umfassend und abschließend zu entscheiden.
Jedoch kann die Entscheidung über einzelne Punkte ausnahmsweise vorbehalten
werden, soweit eine abschließende Entscheidung noch nicht möglich ist (§ 74 Abs. 3
VwVfG). Hierbei muss hinreichend gewährleistet sein, dass der zunächst ungelöst
gebliebene Konflikt später in einer Weise bewältigt werden kann, die die
Planungsentscheidung nicht nachträglich als unausgewogen erscheinen lässt.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1987 - 4 C 49.83 -, NVwZ 1989, 147 (148); Urteil
vom 5. März 1997 - 11 A 25.95 -, UPR 1997, 295 (298).
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Nach dem Erschütterungsschutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses durfte die
Beklagte die Entscheidung über Maßnahmen passiven Erschütterungsschutzes im
Beschluss noch aussparen. Passive Schutzmaßnahmen würden sich erübrigen oder in
ihrer Dringlichkeit in einem anderen Licht darstellen, wenn die im
Planfeststellungsbeschluss vorbehaltene Entscheidung über Gleisbettungssysteme
positiv ausfiele. Die Entscheidung über diese Systeme, die die
Planfeststellungsbehörde gerade im Interesse der Betroffenen als möglichen
Nutznießern eines weiteren technischen Fortschritts auf den Zeitpunkt des Baubeginns
verschoben hat, ist mithin gegenüber derjenigen über passive Schutzmaßnahmen
vorgreiflich. Das rechtfertigte es, auch über die letztgenannten Maßnahmen noch nicht
im Planfeststellungsbeschluss zu befinden. Eine nachträgliche Problemlösung bleibt
ohne weiteres möglich, da Schutzmaßnahmen an den Häusern der Kläger unabhängig
von der fortschreitenden Realisierung des Vorhabens verwirklicht werden können. Unter
diesen Umständen ist ein Anspruch auf Anordnung ergänzender Schutzmaßnahmen im
Planfeststellungsbeschluss zu verneinen, auch ohne dass geklärt werden müsste, ob
derartige Maßnahmen an § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG scheitern würden.
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Andererseits folgt aus den vorstehenden Ausführungen, dass die Beklagte die Kläger für
den Fall, dass es nicht zur nachträglichen Anordnung von Gleisbettungsmaßnahmen
kommen würde, nicht einfach auf Entschädigungsansprüche verweisen durfte, sondern
die Möglichkeit einer alternativen Problemlösung durch Anordnung von Maßnahmen
passiven Erschütterungsschutzes mittels eines entsprechenden
Entscheidungsvorbehalts offen halten musste. Der Senat ist gehalten, die Beklagte zur
Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um einen solchen zur Wahrung der
Rechte der Kläger gebotenen Vorbehalt zu verpflichten. Das Begehren einer hierauf
gerichteten Verpflichtung wird von dem Hilfsantrag zu 2. a) umfasst. Der Vorbehalt, über
Schutzmaßnahmen bestimmter Art zu entscheiden, ist kein aliud gegenüber der
Anordnung derartiger Maßnahmen, sondern bleibt lediglich hinter ihr zurück. Zeitlich ist
der Vorbehalt auf den Termin des Baubeginns zu beziehen, zu dem aus der
maßgeblichen Sicht bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses abschließend über
Gleisbettungssysteme entschieden werden sollte. Dass dieser Zeitpunkt mittlerweile
verstrichen ist, steht dem nicht entgegen, zumal die vorzubehaltende Entscheidung
noch nachgeholt werden kann. Inhaltlich hat die Beklagte bei dieser Entscheidung auch
zu berücksichtigen, in welchem Maße die Häuser der Kläger neben den
Erschütterungen als solchen auch Folgewirkungen in Gestalt von
Körperschallimmissionen ausgesetzt sein werden; auch davon kann abhängen, ob und
gegebenenfalls welche passiven Schutzmaßnahmen gemäß § 74 Abs. 2 Sätze 2 und 3
VwVfG anzuordnen sind.
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Über den Hilfsantrag zu 2. b) braucht nicht entschieden zu werden, obwohl der
Hilfsantrag zu 2. a) nur teilweise Erfolg hat. Ersterer ist für den Fall gestellt, dass der
Standard des Erschütterungsschutzes nach Auffassung des Senats hinter den
Anhaltswerten der DIN 4150 Teil 2 zurückbleiben sollte. Eben dies trifft jedoch - wie
ausgeführt - nicht zu.
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Den äußerst hilfsweise gestellten Beweisanträgen war nicht zu entsprechen, wie aus
den vorstehenden Ausführungen folgt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO, § 159
Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über ihre vorläufige
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Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach §§ 132 Abs. 2, 137
Abs. 1 VwGO nicht gegeben sind.
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