Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.07.2007

OVG NRW: eigenes verschulden, vollstreckung, berufungsschrift, datum, beförderung, berufungsfrist, brief, ergänzung, vollstreckbarkeit, postaufgabe

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 1496/07
Datum:
12.07.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 A 1496/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 1 K 7056/04
Tenor:
Die Berufung wird als unzulässig verworfen.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des
zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf die Wertstufe bis
2.000,- Euro festgesetzt.
G r ü n d e:
1
Die Berufung war nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 125 Abs. 2 VwGO als
unzulässig zu verwerfen, weil das beklagte Land sie verspätet eingelegt hat und
Wiedereinsetzungsgründe nicht vorliegen.
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Nach § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO ist die Berufung, wenn sie von dem
Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des
vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Das die Berufung
zulassende verwaltungsgerichtliche Urteil ist mit einer zutreffenden
Rechtsmittelbelehrung dem beklagten Land am 12. April 2007 zugestellt worden. Die
Berufungsschrift ging aber erst nach Ablauf der Monatsfrist am 16. Mai 2007 beim
Verwaltungsgericht ein.
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Dem beklagten Land war die beantragte Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist nach §§
125 Abs. 1 Satz 1, 60 VwGO nicht zu gewähren, weil es nicht glaubhaft gemacht hat,
dass es die Frist unverschuldet versäumt hat. Der um Wiedereinsetzung Nachsuchende
muss zum fehlenden Verschulden alle Umstände vortragen und glaubhaft machen, aus
denen sich ergibt, dass er alles ihm Zumutbare getan hat, um die Rechtsmittelfrist zu
wahren.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Juli 1991 - 5 B 89/91 - (juris).
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Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Verzögerung der Briefbeförderung durch die
Deutsche Post AG als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost, derer sich ein
Prozessbeteiligter als Hilfsperson bedient, diesem nicht als eigenes Verschulden
zuzurechnen. Er darf sich darauf verlassen, dass die nach den organisatorischen und
betrieblichen Vorkehrungen für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten eingehalten
werden.
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Vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 22. September 2000 - 1 BvR 1059/00 -, NJW 2001,
744.
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Der Briefumschlag (Verfahren 6 A 1497/07 GA Bl. 73), in dem die Berufungsschrift
verschickt worden ist, trägt das von der Deutschen Post AG aufgestempelte Datum 15.
Mai 2007. Hieraus folgt, dass der Brief erst nach dem letzten Tag der Berufungsfrist (14.
Mai 2007) der Deutschen Post AG zur Beförderung übergeben worden ist.
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Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags, dessen nachträgliche Ergänzung § 60
Abs. 2 Satz 2 VwGO ausschließt, legt nicht dar, dass das vom beklagten Land
beauftragte Unternehmen, das die ausgehende Post der Bezirksregierung abholt,
vorsortiert und danach beim Briefverteilzentrum der Deutschen Post AG einliefert
("Konsolidierer"), über eine Organisationsstruktur verfügt, die eine zeitgerechte und
sichere Beförderung in aller Regel erwarten lässt. Die Antragsbegründung wiederholt
lediglich die werblichen Aussagen des Unternehmens ("taggleiche Einlieferung") aus
dem Internet. Sie legt aber nicht dar, dass das beklagte Land mit sein Verschulden
ausschließender Sorgfalt den bei der Postaufgabe eingesetzten Konsolidierer
ausgewählt, angeleitet und überwacht hat. Es ist nicht erkennbar, dass dessen offenbar
verspätete Einlieferung des Berufungsschriftsatzes bei der Deutschen Post AG sich
nach seinen Organisationsstrukturen als so außergewöhnliches Ereignis darstellt, dass
es das Verschulden des beklagten Landes ausschließt.
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Vgl. zu den Darlegungsanforderungen OVG NRW, Beschluss vom 5. August 1993 - 22
A 1339/93 -, NJW 1994, 402.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über deren
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
und die des § 127 des Beamtenrechtsrahmengesetzes hierfür nicht gegeben sind.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 40, 52 Abs. 1 GKG.
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