Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 19.07.2001

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Oberverwaltungsgericht NRW, 7 B 834/01
Datum:
19.07.2001
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
7 B 834/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 2 L 1034/01
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens
einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als
Gesamtschuldner.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,-- DM
festgesetzt.
G r ü n d e:
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Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
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Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen ergeben sich die behaupteten
ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses
(Zulassungsgrund gemäß §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht.
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Das Verwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung der insoweit einschlägigen
Rechtsprechung einen aus den Dimensionen des der Beigeladenen genehmigten
Baukörpers herzuleitenden Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme verneint.
Ernsthafte Zweifel an dieser Einschätzung begründet das Zulassungsvorbringen nicht.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich das Wohnhaus der Antragsteller in einem
Bereich befindet, der durch weit in das Hintergelände hineinreichende Bebauung
geprägt ist. Die unmittelbar nordöstlich des Grundstücks der Antragsteller vorhandene
Bebauung reicht mit den vier hintereinanderliegenden Gebäuden A. Straße 41 bis 41c
bis ca. 100 m in das südlich der A. Straße gelegene Gelände hinein. Auch südwestlich
des Grundstücks der Antragstellers waren nach dem vorliegenden Kartenmaterial mit
den Häusern A. Straße 49 bzw. 51 Gebäude vorhanden, die erst rd. 80 m hinter der A.
Straße enden. An diese weit in das Hintergelände hineinreichende Bebauung lehnt sich
der das Grundstück der Beigeladenen erfassende Bebauungsplan Nr. 196 "N. - A.
Straße" der Stadt G. an, indem er die nach Nordosten - zum Grundstück der
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Antragsteller hin - ausgerichtete Baugrenze gut 100 m hinter der A. enden lässt. In
dieser Situation müssen die Antragsteller - sei es nach den Festsetzungen des
Bebauungsplans, sei es bei dessen Unwirksamkeit nach der die Baumöglichkeiten
nach § 34 BauGB prägenden vorhandenen Bebauung - damit rechnen, dass
südwestlich ihres Wohnhauses Bebauung entsteht, die jedenfalls in etwa der vollen
Länge ihres Grundeigentums (Flurstücke 1157, 1158 und 1306) entspricht. Es ist damit
keine städtebauliche Sondersituation erkennbar, die nach den vom Verwaltungsgericht
zutreffend angeführten Maßstäben der Rechtsprechung eine trotz Einhaltung der
abstandrechtlichen Erfordernissen anzunehmende Rücksichtlosigkeit des strittigen
Vorhabens wegen einer von ihm ausgehenden "erdrückenden Wirkung" begründet.
Dies gilt umso mehr, als das mit Flachdach versehene Objekt der Beigeladenen
lediglich eine Höhe von rd. 6,5 m über dem Gelände erreicht und auch in seiner
architektonischen Gestaltung Auflockerungen und Versätze aufweist.
Lässt sich hiernach aus der im Beschluss des Verwaltungsgerichts wie auch dem
Zulassungsvorbringen allein näher angesprochenen Wirkung des Baukörpers als
solchem ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht herleiten, besteht
gleichwohl Anlass, auf Folgendes hinzuweisen: Eine den Antragstellern gegenüber
anzunehmende Rücksichtslosigkeit erscheint im vorliegenden Fall jedenfalls insoweit
nicht ausgeschlossen, als das strittige Objekt zum Grundstück der Antragsteller hin
praktisch durchgehend Fenster enthält. Nach der genehmigten Nordostansicht handelt
es sich um zwei übereinanderliegende Reihen von insgesamt 84 größeren Fenstern zu
Büroräumen sowie zwei mit jeweils 6 Fenstern praktisch völlig verglaste
Treppenhausbereiche. Aus der Lage der Grundstücke zueinander folgt, dass jedenfalls
auf nahezu 50 m Länge das Grundstück der Antragsteller aus relativ geringer
Entfernung mehr oder weniger deutlich eingesehen werden kann, auch wenn die
Antragsteller wegen der auf einem Teilbereich ihres Grundstücks vorhandenen
Lebensbaumhecke derzeit nicht gleichsam "auf breiter Front auf dem Präsentierteller
leben" müssen. Hinzu kommt, dass es sich bei der genehmigten Nutzung um solche zu
Bürotätigkeiten handelt, die nach den genehmigten Bauvorlagen bis 20.00 Uhr
zugelassen ist, so dass damit gerechnet werden muss, dass sich bis weit in den Abend
hinein praktisch ständig hinter den Fenstern Beschäftigte aufhalten. Für diese ist der
Blick in Richtung auf das Grundstück der Antragsteller die einzige Aussichtsmöglichkeit
aus den sonst geschlossenen Räumen. Schließlich ist nach den genehmigten
Bauvorlagen auch keine Abschirmung etwa durch Anpflanzungen zum Grundstück der
Antragsteller hin vorgesehen, die - solange die eigene Hecke der Antragsteller
vorhanden ist - diese jedenfalls ergänzt und im übrigen deren abschirmende Funktion
übernimmt bzw. ersetzt. Solche Maßnahmen wären der Beigeladenen als Bauherrin
ohne weiteres zuzumuten, zumal der Freiraum zur Grenze des Grundstücks der
Antragsteller mit durchgehend deutlich mehr als 5 m Breite auch hinreichend Platz
hierfür lässt.
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In einer solchen Sondersituation kommt eine Ausnahme von dem sonst anerkannten
Grundsatz in Betracht, dass eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme
regelmäßig nicht schon deshalb anzunehmen ist, weil vom Nachbargrundstück
nunmehr Einsicht in das Grundstück des Betroffenen genommen werden kann.
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Zur Möglichkeit solcher Ausnahmen vgl.: OVG NRW, Beschluss vom 17. September
1991 - 7 B 2249/91 - und Urteil vom 2. September 1993 - 10 A 608/89 -.
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Ergänzend mag die Annahme einer Rücksichtslosigkeit hier auch dadurch jedenfalls
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verstärkt sein, dass angesichts der Zeitdauer der genehmigten Nutzung - werktags von
8.00 bis 20.00 Uhr - von Herbst bis Frühjahr damit zu rechnen ist, dass die Antragsteller
etliche Stunden einer durchgehenden, über 50 m langen doppelten Lichtfront dicht
neben ihrem Grundstück ausgesetzt sind. Die Baugenehmigung trifft keine Vorsorge
davor, dass ggf. bei Notwendigkeit der Nutzung von Kunstlicht Abstrahlungen dieser
ausserordentlich breiten Lichtquelle auf das Grundstück der Antragsteller beschränkt
werden.
Dazu, dass auch Lichteinwirkungen ggf. einen Verstoß gegen das
Rücksichtnahmegebot begründen können, vgl.: OVG NRW, Urteil vom 2. September
1993 - 10 A 684/89 -.
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Wenn die vorgenannten, im Zulassungsverfahren nicht angesprochenen Aspekte auch
nicht dazu führen, dass dem Zulassungsantrag stattzugeben ist, werden sie jedenfalls
im Hauptsacheverfahren nicht zu vernachlässigen sein.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO,
die Streitwertfestsetzung auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist gem. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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