Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.02.2000

OVG NRW: erwerbsunfähigkeit, zustand, bauer, deckung, nichterfüllung, vertrauensschutz, rentenanspruch, entstehungsgeschichte, versorgung, beendigung

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 5531/99
Datum:
22.02.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 A 5531/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 12 K 3263/98
Tenor:
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 7.756,78 DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Entscheidung über den Zulassungsantrag kann mit Einverständnis der Beteiligten
durch den Berichterstatter an Stelle des Senats ergehen (§§ 87 a Abs. 2 und 3, 125 Abs.
1 Satz 1 VwGO).
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Der Antrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht
hinreichend dargelegt sind oder nicht vorliegen.
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Hinsichtlich des zunächst geltend gemachten Zulassungsgrundes "ernstliche Zweifel an
der Richtigkeit des Urteils" (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) fehlt es bereits in einer
substantiierten inhaltlichen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung. Zu
der insoweit tragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts, es sei auch für den Fall
einer Fehlerhaftigkeit der rentenversicherungsrechtlichen Festsetzung an diese
gebunden, enthält die Antragsschrift keine näheren Ausführungen. Allein der Hinweis
auf den auf das Rentenversicherungsrecht begrenzten Zuständigkeitsbereich der
Bundesversicherungsanstalt genügt in diesem Zusammenhang nicht. Denn die vom
Verwaltungsgericht insoweit in den Blick genommene Tatbestandswirkung des
Rentenbescheides wird dadurch nicht in Frage gestellt. Mit seinem weiteren Vortrag,
Erwerbsunfähigkeit habe bei ihm erst ab Mitte März 19 und nicht bereits ab August 19
vorgelegen, wiederholt der Kläger lediglich sein erstinstanzliches Vorbringen, ohne
darzutun, weshalb die rechtliche Argumentation des Verwaltungsgerichts im Ergebnis
fehlerhaft sein soll. Dies genügt dem Darlegungserfordernis des § 124 a Abs. 1 Satz 4
VwGO nicht. Überdies begegnet die vom Verwaltungsgericht angenommene
Verbindlichkeit der hier maßgebenden Festsetzungen des Rentenbescheides in der
Sache auch keinen Bedenken (vgl. die hierzu in der angegriffenen Entscheidung zitierte
Rechtsprechung).
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Auch der Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§
124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht gegeben. Soweit der Kläger hierzu zunächst geltend
macht, er sei bei Erhalt des Rentenbescheides vom 13. Juni 19 geschäftsunfähig und
damit nicht in der Lage gewesen, diesen Bescheid rechtzeitig anzufechten, führt dieses
Vorbringen nicht zu einem überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad.
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Der Zulassungsgrund besonderer rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2
VwGO) ist weiter nicht gegeben, soweit der Kläger geltend macht, die Ruhensregelung
gemäß § 55 BeamtVG habe ebenso wie die Aufhebung des Bescheides über die
Erhöhung der Versorgungsbezüge gemäß § 14 a BeamtVG nur mit Wirkung für die
Zukunft, dagegen nicht rückwirkend ab 1. November 19 erfolgen dürfen. Dass die
Neufestsetzung der Versorgungsbezüge gemäß § 55 BeamtVG im Hinblick auf die
Regelung in § 55 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG sowie darauf, dass die Versorgungsbezüge
unter einem gesetzesimmanenten Vorbehalt stehen, ohne weiteres mit Wirkung vom 1.
November 19 durchgeführt werden durfte, hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend
dargelegt. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Bewilligungsbescheid über die
Erhöhung des Ruhegehaltssatzes gemäß § 14 a BeamtVG vom 21. März 19 durch den
angegriffenen Regelungs- und Rückforderungsbescheid vom 26. August 19 ebenfalls
mit Wirkung für die Vergangenheit (d.h. hier ab 1. November 19 ) zurückgenommen
werden durfte. Diese Frage ist zu bejahen, weil die in § 48 VwVfG genannten
Rücknahmevoraussetzungen erfüllt sind. Der Bewilligungsbescheid vom 21. März 19
war von vornherein rechtswidrig, weil der Kläger seit dem 21. August 19 Anspruch auf
eine Versichertenrente der gesetzlichen Rentenversicherung hatte und deshalb der
Anspruch auf Erhöhung des Ruhegehaltssatzes von vornherein nicht bestand (§ 14 a
Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG). Dass dem Kläger ein Anspruch auf Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit seit dem genannten Zeitpunkt zustand, ergibt sich aus dem
Rentenbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 13. Juni 19 . Dass
dem Kläger die Rente erst ab 1. April 19 gezahlt worden ist, beruht auf der
entsprechenden Antragstellung am 12. April 19 (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Die
Existenz dieses Rentenanspruchs führte dazu, dass der Anspruch auf vorübergehende
Erhöhung des Ruhegehaltssatzes gemäß § 14 a BeamtVG entfiel. Zwar ist dem Kläger
zuzugeben, dass nach dem Wortlaut von § 14 a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG erst der
Bezug einer Versichertenrente zur Beendigung des Anspruchs auf Erhöhung des
Ruhegehaltssatzes zu führen scheint. Gleichwohl hat der Beklagte zu Recht dem
Rentenbezug die Existenz eines Anspruches hierauf, der lediglich nicht realisiert wird,
gleichgestellt. Diese Vorgehensweise ist berechtigt, weil eine allein am Wortlaut
haftende Auslegung - der Wortlaut ist zwar ein wichtiges, aber nicht das einzige und
stets ausschlaggebende Kriterium bei der Auslegung von Gesetzesbestimmungen - im
Widerspruch zu dem der Norm innewohnenden Gesetzeszweck stehen würde. Der
erkennbare und eindeutige Gesetzeszweck des § 14 a BeamtVG besteht darin, eine
solche Versorgungslücke zumindest teilweise zu schließen, die bei einem
Ruhestandsbeamten bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand dadurch aufgetreten
ist, dass er aufgrund der durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 eingetretenen
Änderungen des Rentenrechts keine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente mehr
beziehen kann. Nach den Änderungen des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22.
Dezember 1983 (BGBl. I Seite 1532) besteht ein Anspruch auf eine Rente wegen
Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit grundsätzlich nur noch dann, wenn von den letzten 60
Kalendermonaten vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähikeit mindestens 36
Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt sind. Diese Voraussetzungen für den Bezug
einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit können Beamte in aller Regel nicht
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mehr erfüllen, weil sie zuletzt eine versicherungsfreie Tätigkeit ausgeübt haben.
Bezogen Beamte vor der rentenrechtlichen Neuregelung eine etwa notwendige
ergänzende Versorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der
früheren Beschäftigung, kommt nunmehr eine Rente wegen Berufs- oder
Erwerbsunfähigkeit wegen Nichterfüllung der vorgenannten verschärften
Anspruchsvoraussetzungen in der Regel nicht mehr in Betracht. Zur Deckung dieser
Versorgungslücke ist § 14 a BeamtVG durch Art. 2 Nr. 2 des Vierten Gesetzes zur
Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 1985, BGBl. I Seite
2466, in Kraft getreten. Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 14 a
BeamtVG machen deutlich, dass nur die Nachteile ausgeglichen werden sollten, die
Ruhestandsbeamte infolge der durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 eingeführten
Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer Berufs- oder
Erwerbsunfähigkeitsrente hinnehmen mussten.
Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 12 A 2398/89 -, Seite 7 ff.
des Entscheidungsabdrucks; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer,
Beamtenversorgungsgesetz, Kommentar, Loseblatt, Stand: September 99, Erläuterung 1
zu § 14 a.
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Liegen die Voraussetzungen für die Rentengewährung grundsätzlich vor und wird die
Rente lediglich aus Gründen, die in den Verantwortungsbereich des
Ruhestandsbeamten fallen, nicht gewährt, so besteht die vom Gesetzgeber in den Blick
genommene Versorgungslücke nicht. So aber liegt es im Falle einer verspäteten oder
unterlassenen Antragstellung, bei der es allein in der Rechtssphäre des Betroffenen
liegt, dass er einen solchen Antrag verspätet oder gar nicht stellt. Aus welchen Gründen
dies geschieht, ist dabei unerheblich.
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Vgl. hierzu etwa Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, a.a.O., Erläuterung 15 a.E. zu § 14 a;
Kümmel und andere, Kommentar zum BeamtVG, Loseblatt, Stand: Dezember 96, § 14 a
Rdnr. 24.
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Steht aber fest, dass dem Kläger bereits seit August 19 ein von ihm bis zum April 19
nicht realisierter Rentenanspruch zustand, ergibt sich nach dem vorstehend Gesagten
hieraus, dass die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes gemäß § 14 a
BeamtVG von Beginn an rechtswidrig erfolgt ist. Dass die weiteren
Rücknahmevoraussetzungen vorliegen, hat das Verwaltungsgericht zutreffend
dargelegt, insbesondere dass der Kläger sich nicht auf Vertrauensschutz berufen kann.
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Über die vorstehenden Ausführungen hinaus besteht kein weiterer Klärungsbedarf,
sodass der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr.
3 VwGO zukommt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 13 Abs. 2 GKG.
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrages wird das Urteil des Verwaltungsgerichts
rechtskräftig (§ 124 a Abs. 2 Satz 3 VwGO).
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Rapsch
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