Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 08.06.2010

OVG NRW (arzneimittel, bvo, anlage, kläger, echte rückwirkung, gesetz, beihilfe, fürsorgepflicht, ausschluss, buchstabe)

Oberverwaltungsgericht NRW, 1 A 1328/08
Datum:
08.06.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 A 1328/08
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig voll-streckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
vollstreck¬baren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der 1935 geborene Kläger ist Versorgungsempfänger. Er stand – zuletzt als Richter am
Amtsgericht – im Dienst des Beklagten und ist mit einem Bemessungssatz von siebzig
vom Hundert beihilfeberechtigt.
2
Mit Beihilfeantrag vom 21. Juni 2007 (BA 1, Teil 2, 53 ff.) beantragte er unter anderem
die Gewährung von Beihilfe zu den ärztlich verordneten und von ihm erworbenen
Präparaten Bazoton ® uno Filmtabletten (Verordnungen vom 7. Februar 2007 und vom
7. März 2007 zum Preis von jeweils 74,58 Euro, BA 1, Teil 1, 92 f. = GA 8) sowie
Crataegutt ® novo 450 Filmtabletten (Verordnungen vom 7. Februar 2007 zum Preis von
29,78 Euro und vom 10. Mai 2007 zum Preis von 17,90 Euro, BA 1, Teil 1, 93 = GA 8).
Mit Beihilfebescheid vom 28. Juni 2007 (BA 1, Teil 2, 57 ff.) lehnte das Landesamt für
Besoldung und Versorgung NRW die Gewährung von Beihilfe insoweit ab. Der Kläger
legte mit – offensichtlich versehentlich – auf den 4. Juni 2007 statt 4. Juli 2007 datiertem
Schreiben (BA 1, Teil 2, 60), welches am 6. Juli 2007 beim Beklagten einging,
"vorsorglich" hinsichtlich "einiger Kürzungen Widerspruch" ein und kündigte dessen
ergänzende Begründung an. Mit Schreiben vom 24. Juli 2007 (BA 1, Teil 2, 61) legte er
unter anderem eine Bescheinigung seines Hausarztes Dr. med. H.J. T. vom 10. Juli
3
2007 vor (BA 1, Teil 1, 84). Darin bescheinigte der behandelnde Arzt auf einem
entsprechenden Vordruck unter anderem unter 1., dass die Gabe von Bazoton ® uno
Filmtabletten zur Behandlung bei "Prostatahypertrophie" dem in dem verwendeten
Formular umseitig erläuterten Therapiestandard entspräche und unter 2., dass dies auch
zur Behandlung bei "labile(r) Hypertonie; Aorteninsuffizienz bei bestehendem
Herzklappenfehler; interm. Vorhofflimmern" für Crataegutt ® novo 450 Filmtabletten
gelte. Als Beleg wurde für das Präparat Crataegutt ® novo 450 Filmtabletten Nr. 16.4.2
der Arzneimittelrichtlinie benannt. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW
lehnte daraufhin mit Beihilfebescheid vom 7. August 2007 (BA 1, Teil 2, 63 f.) unter
anderem die Gewährung einer weiteren Beihilfe zu den Aufwendungen für die
Präparate Bazoton ® uno Filmtabletten und Crataegutt ® novo 450 Filmtabletten mit der
Begründung ab, eine Ausnahme zu der mangels Verschreibungspflichtigkeit
grundsätzlich nicht gegebenen Beihilfefähigkeit sei nach Prüfung der eingereichten
Unterlagen vorliegend nicht gegeben. Der Kläger legte mit Schreiben vom 10. August
2008 – eingegangen bei der Beklagten am 14. August 2007 – Widerspruch gegen die
Ablehnung ein (BA 1, Teil 1, 86 f.), führte unter anderem aus, dass er das Präparate
Crataegutt ® novo 450 Filmtabletten seit Jahren regelmäßig benötige und bat um einen
rechtsmittelfähigen Bescheid.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2007 (BA 1, Teil 1, 95 ff.) wies das
Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW den Widerspruch des Klägers gegen
den Bescheid vom 7. August 2007 als nicht begründet zurück. Seit dem 1. Januar 2007
seien nur noch verschreibungspflichtige Arzneimittel beihilfefähig. Soweit durch
Anlage 2 zur Beihilfenverordnung NRW und durch Verwaltungsvorschriften hiervon
Ausnahmen eröffnet seien, lägen deren Voraussetzungen nicht vor.
4
Der Kläger hat am 22. November 2007 unter Berufung auf das Urteil des
Verwaltungsgerichts Aachen vom 24. Mai 2007 – 1 K 111/07 – Klage erhoben (GA 1 ff.)
und im Wesentlichen vorgetragen, das zur Ablehnung der beantragten
Beihilfegewährung geltend gemachte Kriterium der fehlenden Verschreibungspflicht
verstoße gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn.
5
Der Kläger hat schriftsätzlich – nach Auslegung durch das Verwaltungsgericht –
beantragt,
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den Beklagten unter teilweiser Aufhebung der Beihilfebescheide des
Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW vom 28. Juni 2007 und
vom 7. August 2007 sowie unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides
vom 31. Oktober 2007 zu verpflichten, ihm zu den mit Beihilfeantrag vom
21. Juni 2007 geltend gemachten Aufwendungen für Bazoton ® uno
Filmtabletten und Crataegutt ® novo 450 Filmtabletten eine weitere Beihilfe
in Höhe von 137,76 Euro zu gewähren.
7
Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
9
Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage unter
Bezugnahme auf sein Urteil vom 18. Januar 2008 – 26 K 3923/07 – stattgegeben. Die
Aufwendungen des Klägers für die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel Bazoton
® uno Filmtabletten und Crataegutt ® novo 450 Filmtabletten seien beihilfefähig. Die
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Notwendigkeit der Anschaffungen ergebe sich aus den jeweiligen ärztlichen
Verordnungen. Bedenken an der Angemessenheit bestünden nicht. In der Summe seien
dem Kläger Aufwendungen in Höhe von 196,84 Euro nicht erstattet worden. 70 %
hiervon ergäben gerundet 137,79 Euro. Den danach zu gewährenden Betrag
unterschreite der Klageantrag um 0,03 Euro, so dass auch nur eine entsprechende
Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von
137,76 Euro ausgesprochen werden könne.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. April 2008, zugestellt am 10. April
2008, hat der Beklagte am 9. Mai 2008 die vom Verwaltungsgericht zugelassene
Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Die vom Verwaltungsgericht
vertretene Auffassung, der ausdrückliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger
Arzneimitteln in § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchstabe b BVO NRW 2007 sei unwirksam,
vermöge nicht zu überzeugen. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass das
Landesbeamtengesetz NRW a.F. überhaupt keine Ermächtigungsgrundlage für eine
Beihilfegewährung zu Aufwendungen für Arzneimittel enthalte. Seit jeher sehe der
Beklagte die Verordnung von Arzneimitteln als Nebenleistung der ärztlichen Leistung
an. Für die Beihilfegewährung zu Aufwendungen für ärztliche Leistungen enthalte § 88
LBG NRW a.F. in den Sätzen 1 und 2 eine Ermächtigungsgrundlage. Somit unterlägen
alle getroffenen Regelungen zu den Arzneimitteln den allgemeinen Bestimmungen des
Landesbeamtengesetzes NRW zu den ärztlichen Leistungen, d.h. insbesondere den
Grundsätzen der Notwendigkeit und Angemessenheit. Die nunmehr für die Beamten
getroffenen Arzneimittelregelungen basierten auf den Bestimmungen der gesetzlichen
Krankenversicherung – GKV – (§§ 31, 34 SGB V), die für über 90 v.H. der Bevölkerung
maßgeblich seien. Das, was die GKV für über 90 v.H. der Bevölkerung hinsichtlich der
Arzneimittelversorgung für notwendig erachte, müsse auch für die Beamten gelten.
Vergleichbare Regelungen gälten zudem unter anderem für die Beamten des Bundes
und des Landes Niedersachsen. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verlange nicht die
lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen. So wie die Leistungen der GKV, die zu
Lasten der Versichertengemeinschaft erbracht würden, müssten sich auch die
Fürsorgeleistungen des Dienstherrn, die zu Lasten der Allgemeinheit gewährt würden,
an den Maßstäben der Notwendigkeit sowie der Wirtschaftlichkeit bzw. Angemessenheit
messen lassen. Zur Ausfüllung dieser Maßstäbe besitze der Gesetz bzw.
Verordnungsgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Es seien Aspekte des
individuellen Fürsorgebedarfs mit den finanziellen Interessen der Allgemeinheit unter
Berücksichtigung medizinischer Erfordernisse gegeneinander abzuwägen. Die Grenze
werde hier durch den sogenannten Kernbereich der Fürsorgepflicht gebildet. Nach
diesen Grundsätzen verstoße der Ausschluss von nicht verschreibungspflichtigen
Arzneimitteln nicht gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Dies gelte umso mehr,
als für jede denkbare Erkrankung verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Verfügung
stünden, die grundsätzlich alle ohne Einschränkungen beihilfefähig seien. In den Fällen,
in denen diese Mittel aus individuellen Gründen nicht eingenommen werden könnten,
könne das Finanzministerium Ausnahmen nach der geltenden Beihilfenverordnung
zulassen. Insofern sei der Fürsorgepflicht ausreichend Rechnung getragen. Hinsichtlich
der Angemessenheit der Aufwendungen sei ferner zu beachten, dass nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht mehr der Preisbindung unterlägen. Die
Umsetzung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts würde bedeuten, dass bei
jedem nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel rückwirkend auf den Tag der
Beschaffung des Arzneimittels seitens der Beihilfestelle der angemessene Preis
ermittelt werden müsse. Die Preise für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel
variierten aber um teilweise mehr als 100 %. Im Hinblick auf die Massenverwaltung der
11
Bearbeitung von Beihilfeanträgen wäre eine solche Prüfung verwaltungsmäßig nicht
möglich.
Der Beklagte beantragt sinngemäß (GA 33),
12
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
13
Der Kläger beantragt sinngemäß (GA 38),
14
die Berufung zurückzuweisen.
15
Zur Begründung trägt er ergänzend vor: Die mit dem grundsätzlichen Ausschluss der
Beihilfefähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel verfolgte Gleichstellung von
Beihilfeberechtigten und gesetzlich Krankenversicherten verstoße gegen den
Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG und die hergebrachten Grundsätze des
Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG. Der Beklagte übersehe zudem, dass nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht wegen ihrer geringeren Wirksamkeit
verschrieben würden, sondern wegen der geringeren Belastung und der geringeren
Gefahr schädlicher Nebenwirkungen. Im Übrigen würden die Preise von
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in nahezu gleicher Weise wie die von nicht
verschreibungspflichtigen Arzneimitteln variieren.
16
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt (Bl. 40 und Bl. 42 der Gerichtsakte).
17
Mit dem Gesetz zur Erhebung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Anlage 2 der
Beihilfenverordnung in Gesetzesrang vom 17. Februar 2009 (GV. NRW. S. 83) sind die
Regelungen des § 4 Abs. 1 Nr. 7 und der Anlage 2 der BVO NRW 2007 i.d.F. des Art. I
Nr. 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb und Nr. 14 der 21. Änderungsverordnung vom
22. November 2006 (GV. NRW. S. 596) rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Gesetzkraft
erwachsen. Das Gesetz ist mit Wirkung vom 1. April 2009 wieder außer Kraft gesetzt
worden; es gilt allerdings weiterhin für Aufwendungen, die – wie hier – in dem Zeitraum
vom 1. Januar 2007 bis zum 31. März 2009 entstanden sind (Art. 23 des Gesetzes zur
Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 21. April 2009 (GV. NRW. S. 224)).
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang (1 Heft) Bezug genommen.
19
Entscheidungsgründe
20
Der Senat kann über die Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung
entscheiden, weil sich die Beteiligten damit mit Schriftsatz vom 18. Juni 2008 (GA 38 ff.)
bzw. vom 25. Juni 2008 (GA 42) einverstanden erklärt haben (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101
Abs. 2 VwGO). Das Einverständnis der Beteiligten ist weder in zeitlicher noch in
sachlicher Hinsicht verbraucht.
21
Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist namentlich nicht etwa deshalb
unzulässig, weil seit der Zustimmung der Beteiligten mehr als drei Monate verstrichen
sind.
22
Denn § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO, welcher eine entsprechende Rechtsfolge vorsieht, ist im
23
Verwaltungsprozess nicht über § 173 VwGO entsprechend anwendbar. § 101 Abs. 2
VwGO enthält insoweit eine abschließende Regelung, der eine zeitliche Bindung des
Gerichts nach Verzicht auf mündliche Verhandlung fremd ist.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. September 2009 – 4 BN 4/09 -, ZfBR
2010, 67 ff. = juris Rn. 27 m.w.N. und vom 15. Februar 1980 – 2 CB 19/79 -,
NJW 1980, 27, sowie Dolderer in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage, § 101
Rn. 29 und 40.
24
Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung scheidet ferner nicht etwa wegen
(sachlichen) Verbrauchs der abgegebenen Einverständniserklärungen aus.
25
Denn selbst eine wesentliche Änderung der Prozesslage infolge einer Änderung der
maßgeblichen materiellen Rechtslage – hier durch das rückwirkende Inkrafttreten des
Gesetzes zur Erhebung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Anlage 2 der Beihilfenverordnung in
Gesetzesrang vom 17. Februar 2009 (GV. NRW. S. 83) – führt nicht zu einem
"Unwirksamwerden" der abgegebenen Einverständniserklärungen, sondern allenfalls
zu deren Widerruflichkeit.
26
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1. März 2006 – 7 B 90/05 –, juris Rn. 16, und
vom 14. Februar 2003 – 4 B 11/03 –, NVwZ-RR 2003, 460 = juris Rn. 11,
welches die vorgenannte alleinige Rechtsfolge der Widerruflichkeit aus dem
in § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanke
entnimmt; vgl. auch Dolderer, a.a.O., § 101 Rn. 40, welcher die
Widerruflichkeit aus § 173 VwGO in Verbindung mit § 128 Abs. 2 Satz 1
ZPO herleitet; a.A. BSG, Urteil vom 6. Oktober 1999 – B 1 KR 17/99 R –,
Breith. 2000, 612 ff. = juris Rn. 10, wonach die Einverständniserklärung bei
Rechts- und Rechtsprechungsänderungen verbraucht und deshalb ohne
Widerruf gegenstandslos wird.
27
Weder der Kläger noch der Beklagte haben aber ihren Verzicht auf die Durchführung
einer mündlichen Verhandlung mit Blick auf die eingetretene Rechtsänderung
widerrufen.
28
Der Senat hatte keine Veranlassung, auf die veränderte Rechtslage hinzuweisen (§ 86
Abs. 3 VwGO).
29
Eine Entscheidung ohne vorherige mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) – wie
vorliegend – hängt zwar nicht nur von der – hier erteilten – Zustimmung der Beteiligten
ab, sondern liegt darüber hinaus im Ermessen des Gerichts. Es hat in diesem
Zusammenhang dafür einzustehen, dass trotz der unterbleibenden mündlichen
Verhandlung das rechtliche Gehör der Beteiligten nicht verletzt wird.
30
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. August 2003 – 6 B 32/03, 6 PKH 9/03 –,
NVwZ-RR 2004, 77 f. = juris Rn. 10; vgl. auch Neumann in: Sodan/ Ziekow,
VwGO, 3. Auflage, § 138 Rn. 170.
31
Bei einem im Einklang mit § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO anwaltlich vertretenen Beteiligten –
wie vorliegend – darf das Berufungsgericht aber davon ausgehen, dass sich der
Prozessbevollmächtigte mit der maßgeblichen Sach- und Rechtslage hinreichend
vertraut gemacht hat.
32
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2001 – 4 B 31/01 –, NVwZ-RR 2001,
798 = juris Rn. 13; vgl. auch Eichberger in: Schoch/Schmidt-
Aßmann/Pietzner, VwGO, LBS, Stand: November 2009, § 138 Rn. 97;
Neumann, a.a.O., § 138 Rn. 147.
33
Das Gesetz zur Erhebung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Anlage 2 der Beihilfenverordnung in
Gesetzesrang datiert bereits vom 17. Februar 2009, so dass der Senat auch unter
zeitlichen Gesichtspunkten davon ausgehen darf, dass dem Prozessbevollmächtigten
des Klägers bei zu erwartender gewissenhafter und kundiger Prozessführung die
rückwirkend veränderte Rechtslage bekannt war und ist.
34
Nach der eingetretenen Rechtsänderung durch das rückwirkende Inkrafttreten des
Gesetzes zur Erhebung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Anlage 2 der Beihilfenverordnung in
Gesetzesrang vom 17. Februar 2009 ist die seinerzeit mit Schreiben des
Berichterstatters vom 4. November 2008 geäußerte vorläufige erste Einschätzung nach
auf der Rechtsänderung fußender weiterer eingehender Befassung mit dem Sachverhalt
und seiner rechtlichen Würdigung ferner rechtlich "überholt", ohne das es hierzu eines
besonderen Hinweises bedurfte.
35
Denn auch das Verbot, eine sogenannte Überraschungsentscheidung zu erlassen,
schützt die Beteiligten nicht davor, dass sich ein Gericht auf der Grundlage weiterer
Erörterung der Rechtslage von einer vom Berichterstatter nur vorläufig gefassten
Einschätzung löst und im Ergebnis zu Ungunsten eines Beteiligten entscheidet, der
zuvor eine für ihn günstigere Entscheidung erhofft hatte.
36
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 – 4 B 82/01 –, juris Rn. 6;
vgl. auch Eichberger a.a.O., § 138 Rn. 97.
37
Soweit danach der Kläger auf eine ihm günstige Entscheidung gehofft haben sollte, war
dieser Hoffnung (spätestens) nach der erfolgten rückwirkenden Gesetzesänderung vor
dem Hintergrund der erstinstanzlichen Entscheidung, die gerade auf das Fehlen einer
solchen nachträglich geschaffenen formellen Rechtsgrundlage abstellte, für den Kläger
ersichtlich die Grundlage entzogen.
38
Die zulässige Berufung ist begründet. Die zulässige Verpflichtungsklage ist nach
zwischenzeitlicher rückwirkender Rechtsänderung, welche zu berücksichtigen ist, nicht
(mehr) begründet. Die Ablehnung des Antrags des Klägers vom 21. Juni 2007 auf
Gewährung einer Beihilfe für die von ihm erworbenen Arzneimittel Bazoton ® uno
Filmtabletten und Crataegutt ® novo 450 Filmtabletten in den Bescheiden des
Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW vom 28. Juni 2007 und vom
7. August 2007 und mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2007 ist rechtmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
39
Der behauptete Anspruch ergibt sich nicht aus den – grundsätzlich abschließenden –
beihilferechtlichen Regelungen des Beklagten (A.). Sofern die gesamten Aufwendungen
des Klägers für verordnete nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel im Jahre 2007
nicht zumutbar sein sollten, kann er eine (weitere) Kostenerstattung in einem
eigenständigen Verfahren geltend machen (B.).
40
A.
41
Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Beihilfe zu den ihm ärztlich verordneten
und von ihm erworbenen Arzneimitteln Bazoton ® uno Filmtabletten und Crataegutt ®
novo 450 Filmtabletten ergibt sich nicht aus der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über
die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen vom 27. März
1975 (GV. NRW. S. 332) – BVO NRW – enthaltenen Grundregel, die im insoweit
maßgeblichen Zeitpunkt des Erwerbs des Medikaments (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 2 BVO
NRW) in der Fassung der 21. Änderungsverordnung vom 22. November 2006
(GV. NRW. S. 596, BVO NRW 2007) galt. Nach dieser Grundregel sind in
Krankheitsfällen unter anderem zur Wiedererlangung der Gesundheit die notwendigen
Aufwendungen in angemessenem Umfang beihilfefähig. Die Norm greift hier nicht.
Denn dem geltend gemachten Erstattungsanspruch steht § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2
Buchstabe b BVO NRW 2007 entgegen. Der Norm ist rückwirkend zum 1. Januar 2007
mit dem Gesetz zur Erhebung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Anlage 2 der
Beihilfenverordnung in Gesetzesrang formelle Gesetzeskraft verliehen worden. Sie
schließt infolge dessen und weil sie wirksam ist in ihrem Anwendungsbereich als
gegenüber § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW 2007 speziellere Vorschrift die Beihilfefähigkeit
für Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig sind, für Personen ab dem vollendeten
18. Lebensjahr – wie den Kläger – im Grundsatz aus; eine Ausnahme hierzu greift nicht.
42
Das Gesetz ist vorliegend zeitlich und sachlich anwendbar. Dem Kläger sind die geltend
gemachten Aufwendungen im Zeitraum zwischen den ärztlichen Verordnungen vom 7.
Februar 2007, 7. März 2007 und 10. Mai 2007 und seinem Antrag auf Gewährung von
Beihilfe vom 21. Juni 2007 und damit während der Geltung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 und
Anlage 2 der Beihilfenverordnung als Gesetz entstanden (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 2 BVO
NRW und Art. II der 21. Änderungsverordnung). Die Präparate Bazoton ® uno
Filmtabletten und Crataegutt ® novo 450 Filmtabletten gehören zudem zu den
sogenannten OTC-Arzneimitteln ("over-the-counter"), also solchen, die nicht
verschreibungspflichtig sind.
43
Eine Definition des Begriffs Arzneimittel findet sich in § 2 des Gesetzes über den
Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG –, in der Fassung der
Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005, BGBl. I, 3394, zuletzt geändert durch Art. 2
des Gesetzes vom 24. Oktober 2007, BGBl. I, 2510). Auch wenn der Gesetzgeber nicht
ausdrücklich auf diese Regelung Bezug genommen hat, ist sie zur Begriffsbestimmung
vorliegend aus gesetzessystematischen Erwägungen ebenso heranzuziehen wie § 48
AMG hinsichtlich der Frage der Verschreibungspflicht.
44
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die
dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten,
Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten
oder zu erkennen. Hierunter fallen auch die vom Kläger erworbenen
apothekenpflichtigen Arzneimittel Bazoton ® uno Filmtabletten und Crataegutt ® novo
450 Filmtabletten. Denn sie werden bei Miktionsbeschwerden bei benigner
Prostatahyperplasie (Beschwerden beim Wasserlassen bei gutartiger Vergrößerung der
Vorsteherdrüse) bzw. bei nachlassender Leistungsfähigkeit des Herzens entsprechend
Stadium II nach NYHA (Klassifizierung der Schweregrade der Herzinsuffizienz nach
New York Heart Association, Stadium II: eingeschränkte Leistungsfähigkeit bei stärkerer
Belastung) angewendet. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG regelt, dass bestimmte
Arzneimittel nur bei Vorliegen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen
Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden dürfen. Nach § 48 Abs. 2 AMG
45
bestimmt das zuständige Bundesministerium durch Rechtsverordnung, welche
Arzneimittel der Verschreibungspflicht unterfallen. Aus der Anlage zu der auf dieser
Grundlage erlassenen Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV, vom 21.
Dezember 2005, BGBl. I, 3632) ergeben sich die Stoffe und Zubereitungen, welche eine
Verschreibungspflicht begründen. Die wesentlichen Bestandteile der hier inmitten
stehenden Produkte Bazoton ® uno Filmtabletten (Brennesselwurzel Trockenextrakt)
und Crataegutt ® novo 450 Filmtabletten (Procyanidine, oligomer; Weißdornblätter, -
blüten Trockenextrakt) sind danach vorliegend nicht verschreibungspflichtig. Denn die
genannten Stoffe und Zubereitungen sind dort bereits nicht aufgeführt. Die Präparate
sind damit nicht verschreibungspflichtig. Aus der fehlenden Verschreibungspflichtigkeit
folgt der grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit.
Dieser grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente von der
Beihilfefähigkeit ist wirksam. Der Landesgesetzgeber hat § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO NRW
durch das Gesetz zur Erhebung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Anlage 2 der
Beihilfenverordnung in Gesetzesrang vom 17. Februar 2009 rückwirkend zum 1. Januar
2007 verfassungsgemäß und damit wirksam in formellen Gesetzesrang erhoben. Diese
rückwirkende Gesetzesänderung ist im Rahmen des vorliegenden Berufungsverfahrens
zu berücksichtigen. Das Gesetz verstößt insbesondere weder gegen den Grundsatz der
Normenklarheit (I.), noch widerspricht die darin angeordnete Rückwirkung
rechtsstaatlichen Grundsätzen (II.). Das Gesetz ist, dies hat bereits der 3. Senat des
Berufungsgerichts mit jedenfalls im Einzelfall gleichlautendem Ergebnis entschieden,
unter Berücksichtigung der zu im Wesentlichen parallel gelagerten Fällen ergangenen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Beihilferecht des Bundes,
46
vgl. zum Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für nicht
verschreibungspflichtige Medikamente nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b)
der vom Bundesministerium des Inneren erlassenen Allgemeinen
Verwaltungsvorschriften für Beihilfen in Krankheits-, Pflege und
Geburtsfällen (Beihilfevorschriften – BhV – vom 1. November 2001, GMBl
S. 919), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verwaltungsvorschriften vom
30. Januar 2004 (GMBl S. 379) (2004): BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010 – 2
C 12/10 – amtlicher Umdruck, Rn. 12 ff., vom 26. August 2009 – 2 C 62/08 –,
NVwZ-RR 2010, 366 ff. = juris Rn. 10 ff, und vom 26. Juni 2008 – 2 C 2/07 –,
BVerwGE 131, 234 ff. = juris, Rn. 12 ff. jeweils m.w.N., insbesondere auch
zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
47
auch inhaltlich als verfassungsgemäß zu erachten.
48
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Juni 2009 – 3 A 1795/08 –, juris Rn. 63 ff.
49
Der erkennende Senat sieht sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des
3. Senats des Berufungsgerichts zu den hier streitgegenständlichen beihilferechtlichen
Regelungen des Landes,
50
vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Juni 2009 – 3 A 1795/08 –, juris Rn. 63 ff.,
51
gehalten, unter Zurückstellung rechtlicher Bedenken,
52
vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 25. Juni 2009 – 1 A 2092/07 –, juris Rn. 64
ff., zur Beihilfefähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Medikamente nach
53
dem Bundesbeihilferecht trotz § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b) BhV (2004) -,
welche in der vorgenannten Entscheidung zu der seinerzeitigen beihilferechtlichen
Ausschlussnorm des Bundes ausführlich erörtert worden sind, der mittlerweile
wiederholt geäußerten Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu einzelnen
sich parallel im Bundesbeihilferecht stellenden Fragen zu folgen. Dies geschieht aus
Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung.
54
Nach der genannten Rechtsprechung des 3. Senats des Berufungsgerichts wie auch
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der vergleichbaren
Ausschlussnorm im Beihilferecht des Bundes ist der grundsätzliche Ausschluss der
Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Medikamente mit
der Fürsorgepflicht des Dienstherrn jedenfalls insoweit vereinbar, als damit der
Grundsatz der im Beihilfesystem angelegten Sachgesetzlichkeit nicht verletzt worden
ist, der unter anderem zu beachten ist, wenn bestimmte Aufwendungen von der
Beihilfefähigkeit ausgeschlossen werden. Ob es hier – wie auch seinerzeit im
Beihilferecht des Bundes,
55
vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010 – 2 C 12/10 – amtlicher
Umdruck, Rn. 16, vom 26. August 2009 – 2 C 62/08 –, a.a.O., juris Rn. 17,
und vom 26. Juni 2008 – 2 C 2/07 –, a.a.O., juris, Rn. 15 ff.,
56
darüber hinaus an einer (hinreichenden) Regelung zur Vermeidung unzumutbarer
Härten fehlt, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn dieser Umstand wirkt sich im
vorliegenden Verfahren letztlich nicht aus (III.). Ferner sind die Voraussetzungen für eine
der (bislang) landesrechtlich vorgesehenen Rückausnahmen von dem Ausschluss der
Beihilfefähigkeit der nicht verschreibungspflichtigen Medikamente Bazoton ® uno
Filmtabletten und Crataegutt ® novo 450 Filmtabletten vorliegend nicht gegeben (IV.).
57
I.
58
Die nachträgliche Erhebung des § 4 Abs. 1 Nr. 7 und der Anlage 2 BVO NRW 2007 in
formellen Gesetzesrang ist am Grundsatz der Normenklarheit gemessen
verfassungsgemäß.
59
Die Notwendigkeit klarer gesetzlicher Strukturen resultiert aus dem Grundsatz der
Formenstrenge der Rechtssetzung und dem Prinzip der Rechtssicherheit, welche
ihrerseits dem Rechtsstaats- als auch dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2, 3 GG)
erwachsen. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass nur die Einordnung von Normen
nach ihrem Rang, also als förmliches Gesetz oder als Verordnung, eine klare
Zuordnung von Kompetenzen und Verantwortungen gewährleistet. Dem
parlamentarischen Gesetzgeber steht danach bei der Rechtssetzung eine freie
Formenwahl nicht zu.
60
Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 – 2 BvF 2/03 –,
BVerfGE 114, 196 ff. = juris Rn. 207.
61
Dem parlamentarischen Gesetzgeber ist es grundsätzlich jedoch nicht verwehrt,
Regelungen einer Rechtsverordnung nachträglich – wie hier – in formellen
Gesetzesrang zu erheben. Denn dem Gesetzgeber steht es frei, eine zunächst dem
Verordnungsgeber überlassene Regelungsbefugnis wieder für sich in Anspruch zu
62
nehmen. Hierzu zählt auch, eine bereits vorliegende Rechtsverordnung durch
Bezugnahme auf ihren Inhalt nunmehr als formelles Gesetz zu erlassen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. November 1967 – 2 BvF 7/64 u.a. –,
BVerfGE 22, 330 ff. = juris Rn. 69; BVerwG, Urteil vom 13. September 2006
– 6 C 10.06 –, NVwZ-RR 2007, 192 ff. = juris Rn. 18; die gegen die
vorgenannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erhobene
Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss
vom 27. Februar 2007 – 1 BvR 3140/06 –, NVwZ-RR 2007, 433 ff., juris,
nicht zur Entscheidung angenommen.
63
Allerdings setzt der Grundsatz der Normenklarheit voraus, dass die in Gesetzesrang
erhobene Norm erkennen lässt, dass sie nunmehr diesen Rang hat, aus welchem sich
dann die der Norm gegenüber bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten und
Verwerfungskompetenzen ergeben. Die Grenzen zwischen formellem Gesetz und
Verordnung dürfen mithin nicht verwischt werden.
64
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 – 2 BvF 2/03 –, a.a.O.,
juris Rn. 205 ff.; OVG NRW, Urteil vom 24. Juni 2009 – 3 A 1795/08 –, juris
Rn. 31 ff.
65
Das Gesetz zur Erhebung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Anlage 2 der Beihilfenverordnung in
Gesetzesrang genügt diesem Grundsatz der Normenklarheit.
66
So bereits OVG NRW, Urteil vom 24. Juni 2009 – 3 A 1795/08 –, juris Rn. 24
ff.; a. A. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24. Juni 2009 – 3 K 1256/09 –, juris,
Rn. 54 ff.
67
Das Gesetz zur Erhebung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Anlage 2 der Beihilfenverordnung in
Gesetzesrang lässt sowohl den Rang dieser Norm in der Normenhierarchie wie auch
ihre inhaltliche Reichweite in Abgrenzung zu den übrigen, weiterhin als
Verordnungsrecht bestehenden Regelungen der Beihilfenverordnung erkennen.
Letzteres ergibt sich bereits daraus, dass der Landesgesetzgeber an der bis dahin
bestehenden Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO NRW und Anlage 2 inhaltlich keinerlei
Veränderungen vorgenommen hat. Er hat sich allein darauf beschränkt, die zuvor durch
die 21. Änderungsverordnung mit Wirkung vom 1. Januar 2007 eingefügte Regelung in
den Rang eines formellen Gesetzes zu erheben. Damit hat der Gesetzgeber vorliegend
parlamentarische und exekutive Rechtssetzungsbefugnisse nicht unzulässig in einer
Vorschrift vermischt. Vielmehr ist eine klare Zuordnung gegeben. Eine klare
Unterscheidung zwischen den im Verordnungstext enthaltenen Normen mit
Gesetzesrang und solchen mit Verordnungsrang ist nach wie vor möglich.
68
Auch liegt kein Fall des Einfügens einer Regelung durch den parlamentarischen
Gesetzgeber in eine bestehende Verordnung vor, für welchen das
Bundesverfassungsgericht als einzigen Lösungsweg angesehen hat, der geänderten
Verordnung den einheitlichen Rang einer solchen zuzuweisen.
69
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 – 2 BvF 2/03 –, a.a.O.,
juris Rn. 205.
70
Denn hier wurde keine neue Verordnungsregelung eingefügt bzw. keine bestehende
71
Verordnungsregelung geändert, sondern der bestehende Verordnungsinhalt in klar
begrenztem Umfang in formellen Gesetzesrang erhoben. Allein die Bezeichnung
"Beihilfenverordnung" des in formellen Gesetzesrang erhobenen § 4 Abs. 1 Nr. 7 und
der Anlage 2 der BVO NRW 2007 ist danach nicht geeignet, den Rechtsadressaten des
Gesetzes zur Erhebung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Anlage 2 der Beihilfenverordnung in
Gesetzesrang bei Anwendung der hier gebotenen Sorgfalt in die Irre zu führen.
Dass das Gesetz auf den Wortlaut des § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Anlage 2 BVO NRW 2007
Bezug nimmt, also nicht selbst einen Regelungsgegenstand ausformuliert, verletzt
letztlich ebenfalls nicht den Grundsatz der Normenklarheit. Denn diese rein technische
Vorgehensweise führt nicht zu einer Unklarheit des Normeninhalts. Auch eine
besondere Erschwernis, vom sachlichen Normeninhalt Kenntnis zu nehmen, ist damit
nicht verbunden.
72
So bereits OVG NRW, Urteil vom 24. Juni 2009 – 3 A 1795/08 -, juris Rn. 37.
73
II.
74
Das Gesetz zur Erhebung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Anlage 2 der Beihilfenverordnung in
Gesetzesrang verstößt auch nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs.
3 GG) erwachsene grundsätzliche Verbot einer sogenannten echten Rückwirkung.
75
Eine sogenannte echte Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen liegt vor,
wenn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm und der Eintritt ihrer
Rechtsfolgen auf einen Zeitpunkt festgelegt sind, der vor demjenigen liegt, zu dem die
Norm gültig geworden ist, so dass der Gesetzgeber nachträglich ändernd in einen
abgeschlossenen Sachverhalt eingreift.
76
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2007 – 2 BvR 1673/03 u. a. –,
DVBl. 2007, 1435 ff. = juris Rn. 65 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom
19. Dezember 2002 - 2 C 34/01 -, BVerwGE 117, 305, 313 = juris Rn. 24 ff.
77
Nach Art. 1 des Gesetzes zur Erhebung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Anlage 2 der
Beihilfenverordnung in Gesetzesrang vom 17. Februar 2009 wurde die formelle
Gesetzeskraft der vorgenannten Beihilfenormen mit Wirkung vom 1. Januar 2007 und
damit rückwirkend angeordnet. Das Gesetz, welches im Übrigen bereits mit Wirkung
vom 1. April 2009 wieder außer Kraft gesetzt worden ist, griff somit nachträglich ändernd
in Sachverhalte ein, die bereits in der Vergangenheit abgeschlossen worden waren. Da
ein Anspruch auf Beihilfegewährung in dem Zeitpunkt entsteht, in welchem dem
Beihilfeberechtigten die beihilfefähigen Aufwendungen entstehen,
78
vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – 2 C 36/02 –, BVerwGE 118, 277 ff. =
juris Rn. 29,
79
griff das Gesetz zur Erhebung von § 4 Abs. 2 Nr. 7 und Anlage 2 der
Beihilfenverordnung in Gesetzesrang in abgewickelte Tatbestände ein. Denn
Beihilfeberechtigten – wie dem Kläger –, denen für ärztlich verordnete nicht
verschreibungspflichtige Medikamente im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum
17. Februar 2009 Aufwendungen entstanden waren, hatten in diesem Zeitraum
entgegen der eingetretenen rückwirkenden Rechtslage einen Anspruch auf
Beihilfegewährung. Zwar waren nicht verschreibungspflichtige Medikamente auch nach
80
der zum 1. Januar 2007 zunächst in Kraft getretenen Verordnungsregelung des § 4
Abs. 1 Nr. 7 BVO NRW i. d. F. der 21. Änderungsverordnung von der Beihilfefähigkeit
ausgenommen. Diese verordnungsrechtliche Ausschlussregelung war aber mangels
hinreichender Ermächtigungsgrundlage unwirksam.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 31. August 2007 – 6 A 2321/06 –, NWVBl 2008,
17 f. = juris Rn. 20 ff., und Beschluss vom 7. Mai 2008 – 6 A 419/08 –, juris,
Rn. 3 ff.
81
Weitere Ausführungen hierzu bedarf es nicht, denn die daraus resultierende sogenannte
echte Rückwirkung des hier inmitten stehenden Gesetzes zur Erhebung von § 4 Abs. 2
Nr. 7 und Anlage 2 der Beihilfenverordnung in Gesetzesrang war jedenfalls, d.h. letztlich
unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der vormaligen Beihilferegelung,
verfassungsrechtlich zulässig.
82
Vgl. zur grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit der
Rückwirkung von Rechtsfolgen (sog. echte Rückwirkung) in der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: etwa BVerfG, Beschluss
vom 27. Februar 2007 – 1 BvR 3140/06 –, a.a.O., juris Rn. 28 f., m.w.N.
83
Von der verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit der echten Rückwirkung bzw.
Rückbewirkung von Rechtsfolgen ist nämlich – wie hier – nicht auszugehen, wenn sich
– im Ausnahmefall – ein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden
Rechts nicht bilden konnte oder wenn überragende Belange des Gemeinwohls, die dem
Gebot der Rechtssicherheit vorgehen, eine rückwirkende Beseitigung von Normen
erfordern.
84
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 – BvR 3140/06 –, a. a. O.,
juris Rn. 29 m.w.N. aus der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts.
85
Vorliegend war ein etwaiges Vertrauen der Beihilfeberechtigten auf die Unwirksamkeit
des § 4 Abs. 1 Nr. 7 Buchstabe b BVO NRW aber nicht schützenswert.
86
Das Rückwirkungsverbot, welches im Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 5 GG für
Beamte eine besondere Ausprägung erfahren hat,
87
vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1985 – 2 BvL 18/83 –, BVerfGE 71,
255 ff. = juris Rn. 54 ff.; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – 2 C 36/02 –,
BVerwGE 118, 277 ff. = juris Rn. 29 f.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom
15. Oktober 2008 – 2 B 50/08 –, juris Rn. 4,
88
soll letztlich Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten. Auch das Vertrauen
von Beamten und Richtern auf den künftigen Erhalt ihnen günstiger
Gesetzesregelungen ist allerdings als solches grundsätzlich nicht schutzwürdig. Denn
dem Gesetzgeber muss die Möglichkeit verbleiben, dem Wandel der
Lebensverhältnisse durch Änderung der bestehenden Rechtsordnung im notwendigen
Umfang Rechnung zu tragen.
89
In Fällen – wie dem vorliegenden –, in welchen bereits eine jedenfalls vermeintlich
belastende Verordnungsregelung besteht, kann der Betroffene – auch bei Zweifeln an
90
der Einhaltung des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts und damit der Wirksamkeit der
Rechtsverordnung – nicht schützenswert darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber die
Belastung nicht nachträglich durch ein formelles Gesetz rechtmäßig bestätigt.
Ein etwaiges Vertrauen auf die formelle Ungültigkeit einer Norm ist nämlich regelmäßig
nicht schützenswert. Denn jede Norm vermittelt zunächst den Schein ihrer Gültigkeit.
Der Normadressat hat daher grundsätzlich bis zur Verwerfung der für ungültig
erachteten Norm durch die zuständigen Gerichte von deren Gültigkeit auszugehen.
91
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. November 1967 – 2 BvL 7/94 u. a. –,
a.a.O., juris Rn. 71, und vom 27. Februar 2007 – 1 BvR 3140/06 –, a. a. O.,
juris Rn. 28 ff.; BVerwG, Beschluss vom 18. August 1982 – 4 N 1/81 –,
BVerwGE, 66, 116 ff. = juris Rn. 11, und Urteil vom 5. Dezember 1986 – 4 C
31/85 –, BVerwGE 75, 262 ff. = juris Rn. 28.
92
Im hier streitgegenständlichen Zeitpunkt Anfang 2007 lag eine rechtskräftige
obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung zur Ungültigkeit des § 4 Abs. 1
Nr. 7 Buchstabe b BVO NRW nicht vor. Soweit erstinstanzliche Verwaltungsgerichte von
der Ungültigkeit der Norm ausgegangen sind,
93
vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 18. Januar 2008 – 26 K 4566/07 –, juris Rn.
20; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. November 2008 – 3 K 254/08 –, juris
Rn. 27, und VG Minden, Urteil vom 19. Januar 2009 – 4 K 1778/07 –, juris
Rn. 18; vgl. darüber hinaus indiziell OVG NRW, Urteil vom 31. August 2007
– 6 A 2321/06 –, a.a.O., juris Rn. 20 ff., und dieser Entscheidung
nachgehend: BVerwG, Beschluss vom 29. September 2008 – 2 B 128/07 –,
juris Rn. 4,
94
sind die Urteile, soweit ersichtlich, im hier fraglichen Zeitraum nicht rechtskräftig
geworden. Das vom Kläger zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 24. Mai
2007 – 1 K 111/07 – betraf Beihilfevorschriften des Bundes und ist insofern hier nicht
heranzuziehen. Die Beihilfeberechtigten mussten sich daher vorsorglich auf die
Wirksamkeit der Regelung einstellen. Die Unwirksamkeit der hier inmitten stehenden
Regelung war auch nicht von Anfang an offenbar. Ihre Annahme bedurfte vielmehr einer
umfassenden Auseinandersetzung unter anderem mit der Entwicklung der
Rechtsprechung zu den Beihilfevorschriften des Bundes. Die Beihilfeberechtigten
mussten sich infolge dieser Rechtsunsicherheit auf ein etwaiges erneutes Tätigwerden
des Gesetzgebers einstellen. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Ungültigkeit des § 4
Abs. 1 Nr. 7 und Anlage 2 BVO NRW 2007 konnte sich daher nicht bilden. Das Gesetz
zur Erhebung von § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Anlage 2 der Beihilfenverordnung in
Gesetzesrang verstößt daher nicht gegen das grundsätzliche Verbot einer echten
Rückwirkung bzw. der Rückbewirkung von Rechtsfolgen.
95
III.
96
Der Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchstabe b BVO NRW 2007 steht
höherrangiges Recht namentlich mit Blick auf den Gleichheitssatz und die
Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Ergebnis nicht entgegen. Die Frage der Verlagerung
von Entscheidungskompetenzen auf ein unabhängiges Gremium im Wege dynamischer
Verweisung stellt sich vorliegend – anders als im (seinerzeitigen) Beihilferecht des
Bundes – nicht. Denn eine Rückausnahme von dem generellen Ausschluss nicht
97
verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Beihilfefähigkeit im Wege der Verweisung
auf ein Entscheidungsgremium, dem der Dienstherr nicht angehört und dessen Kriterien
für die Entscheidungsfindung keine Bezüge zur Fürsorgepflicht des Dienstherrn
aufweisen, sieht das hier anzuwendende Landesrecht – anders als § 6 Abs. 1 Nr. 2
Satz 2 Buchstabe b Satz 2 BhV (2004) – nicht vor. Die diesbezügliche Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts zu der Ausschlussregel im Beihilferecht des Bundes
(§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchstabe b BhV (2004)) ist deswegen im gegebenen
Zusammenhang nicht einschlägig.
Zur Wahrung der Rechtseinheit stellt der Senat seine bislang (zum Bundesbeihilferecht)
geäußerten Bedenken hinsichtlich der Berücksichtigung der im Beihilfesystem
angelegte Sachgesetzlichkeit im Anschluss an die Rechtsprechung des 3. Senats des
Berufungsgerichts (zum Landesbeihilferecht) zurück. Deswegen ist auch im gegebenen
Fall der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Beihilferecht des Bundes
zu folgen, nach der die regelmäßige Geringfügigkeit der Kosten
nichtverschreibungspflichtiger Arzneimittel hinreichendes Differenzierungskriterium zur
Rechtfertigung des grundsätzlichen Beihilfeausschlusses ist. Mit Blick darauf, dass das
Bundesverwaltungsgericht seine diesbezügliche Rechtsansicht bereits wiederholt
bekundet hat,
98
vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010 – 2 C 12/10 – amtlicher
Umdruck, Rn. 12, und vom 26. August 2009 – 2 C 62/08 –, a.a.O., juris
Rn. 10 f., jeweils m.w.N.,
99
und dass mit einer Rechtsprechungsänderung nicht gerechnet werden kann, ist daher
davon auszugehen, dass auch die landesrechtliche Ausschlussregelung mit der
Fürsorgepflicht des Dienstherrn (2.) und dem Gleichheitssatz (1.), welcher im
Beihilferecht an dieser zu orientieren ist, im Grundsatz vereinbar ist.
100
1.
101
Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu
behandeln, stellt es dem Normgeber aber frei, auf Grund autonomer Wertungen
Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder
Ungleichbehandlung anknüpft. Dabei hat er grundsätzlich einen weiten
Gestaltungsspielraum, wenn die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes,
d.h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern
an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen
abhängt. Betrifft die angegriffene Maßnahme ein Gebiet, in dem der Normgeber über ein
weites Ermessen verfügt, so ist ein Gleichheitsverstoß nur dann anzunehmen, wenn
sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger,
einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also
willkürlich erscheint. Bewegt sich der Normgeber dagegen auf einem Gebiet, auf dem er
engen rechtlichen Bindungen unterliegt, so kann ein Verstoß gegen den
Gleichheitsgrundsatz schon dann angenommen werden, wenn für die Differenzierung
keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen
Rechtsfolgen rechtfertigen können.
102
Vgl. hierzu und zum folgenden: BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010 – 2 C
12/10 – amtlicher Umdruck, Rn. 12, vom 26. August 2009 – 2 C 62/08 –,
a.a.O., juris Rn. 10 f.; und vom 28. Mai 2008 – 2 C 24/07 –, DVBl 2008, 1193
103
ff. = juris Rn. 25 f., jeweils m.w.N., insbesondere zur Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts.
Die vom Normgeber für eine Differenzierung im Beihilfesystem angeführten Gründe
müssen im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz auch vor
dem Hintergrund Bestand haben, dass die Beihilfe ihre Grundlage in der in ihrem Kern
verfassungsrechtlich geschützten Fürsorgepflicht des Dienstherrn findet. Solange der
Gesetzgeber am gegenwärtig praktizierten "Mischsystem" aus privat finanzierter
Eigenvorsorge und ergänzender Beihilfe festhält, ist der allgemeine Gleichheitssatz
insofern verletzt, wenn eine bestimmte Regelung die im Beihilfesystem angelegte
Sachgesetzlichkeit ohne zureichenden Grund verlässt. Diese Sachgesetzlichkeit kommt
darin zum Ausdruck, dass Beihilfeleistungen anlassbezogen, d.h. in Fällen besonderer
Lebenslagen, wie Krankheit, Geburt oder Tod gewährt werden, die typischerweise mit
einer erhöhten finanziellen Belastung des Beamten einhergehen. Bezweckt wird somit
ein Ausgleich solcher erhöhten finanziellen Belastungen, allerdings beschränkt auf die
notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang (§ 3 Abs. 1 BVO NRW 2007).
Durch Leistungseinschränkungen und Leistungsausschlüsse darf sich der
Vorschriftengeber innerhalb des geltenden Beihilfesystems danach nicht zu seiner
grundsätzlichen Entscheidung in Widerspruch setzen, Beihilfe zu gewähren, soweit sie
dem Grund nach notwendig und der Höhe nach angemessen ist. Da es sich bei der
Begrenzung der Beihilfefähigkeit durch Leistungsausschlüsse und
Leistungsbeschränkungen um eine Einschränkung dieses Grundsatzes handelt, bedarf
ein Ausschluss oder eine Begrenzung in formeller Hinsicht – wie ausgeführt – einer
ausdrücklichen Rechtsgrundlage und in materieller Hinsicht einer inneren, den
Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG standhaltenden Rechtfertigung.
104
Hieran gemessen ist, wie das Bundesverwaltungsgericht (zuletzt nochmals) in seinen
Urteilen vom 5. Mai 2010 und vom 26. August 2009 (a.a.O.) für die insoweit
vergleichbare bundesrechtliche Ausschlussnorm dargelegt hat, der grundsätzliche
Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente rechtlich nicht zu
beanstanden. Zwar hat der Vorschriftengeber mit dem Abgrenzungsmerkmal der
Verschreibungspflicht mittelbar auf die Regelung des § 48 des Arzneimittelgesetzes
(AMG) Bezug genommen, welche (allein) die Sicherheit des Verkehrs mit Arzneimitteln
im Auge hat und in diesem Zusammenhang auf die Gefährlichkeit des jeweils in Rede
stehenden Mittels abstellt.
105
Vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2008 – 1 A 1701/07 –, amtl. Umdruck, Seite
24 f.
106
Mit dem gewählten Differenzierungsmerkmal knüpfte er aber – in dem in Rede
stehenden beihilferechtlichen Zusammenhang – nach den Ausführungen des
Bundesverwaltungsgerichts gleichwohl nicht an die Gefährlichkeit der in Rede
stehenden Arzneimittel, sondern daran an, dass die Kaufpreise für diese Medikamente
im Allgemeinen deutlich unter den Abgabepreisen für verschreibungspflichtige
Medikamente bzw. relativ niedrig liegen.
107
Vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010 – 2 C 12/10 – amtlicher Umdruck, Rn.
12, und vom 26. August 2009 – 2 C 62/08 –, a.a.O. = juris Rn. 13, zu § 6
Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 (Buchstabe b) BhV.
108
Denn die entsprechende Ausschlussregelung im Recht der gesetzlichen
109
Krankenversicherung, welche auch dem Vorschriftengeber der hier streitigen
landesgesetzlichen Ausschlussregelung als Vorbild gedient hat (Absicht der
"wirkungsgleichen Übertragung"), war gerade auch mit dieser Erwägung begründet
worden.
Vgl. hierzu bereits die Ausführungen zu der politischen Motivationslage in:
OVG NRW, Urteil vom 24. Juni 2009 – 3 A 1795/08 –, juris Rn 98; sowie
den Hinweis des Senats (zur bundesrechtlichen Ausschlussregelung) im
Urteil vom 14. Mai 2008 – 1 A 1701/07 –, amtl. Umdruck, Seite 25 auf die
Begründung zu Nummer 22 (§ 34), Buchstabe a, Doppelbuchstabe aa, des
Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG), BT-Drs.
15/1525, S. 86.
110
Der Entscheidung des Vorschriftengebers, Aufwendungen für diese
Medikamentengruppe grundsätzlich von der Beihilfefähigkeit auszuschließen, liegt
danach die Wertung zugrunde, dass ihre Beschaffung finanzielle Aufwendungen
verursacht, die dem Beamten im Regelfall ohne beihilferechtlichen Ausgleich zugemutet
werden können.
111
Ausgehend von dem Grundsatz, dass der Dienstherr nicht verpflichtet ist, den Beamten
von sämtlichen Behandlungskosten im Krankheitsfall freizustellen, beruht dieser
Ausschluss somit auf einem, an Art. 3 Abs. 1 GG gemessen, sachlich vertretbaren
Gesichtspunkt.
112
Vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010 – 2 C 12/10 – amtlicher Umdruck, Rn.
11 f., und vom 26. August 2009 – 2 C 62/08 –, a.a.O. = juris, Rn. 13, zu § 6
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 (Buchstabe b) BhV.
113
Allerdings liegt im hier betroffenen Landesrecht ebenso wie im seinerzeitigen
Bundesbeihilferecht ein etwaiger (im Beihilferechtsstreit rügefähiger) Verstoß im
Hinblick auf das Fehlen einer sogenannten Härtefallregelung vor.
114
Zwar ist hier zunächst in Rechnung zu stellen, dass die Ausschlussregelung des § 4
Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchstabe b BVO NRW 2007 in Satz 4 der Norm Rückausnahmen
vorsieht. Eine solche Regelung von Rückausnahmen dient (auch) zur Vermeidung nicht
zumutbarer (finanzieller) Härten, welche durch die grundsätzlich ausgeschlossene
Beihilfefähigkeit von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Einzelfällen
hervorgerufen werden können.
115
Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht, welche die dem Dienstherrn ebenfalls durch
Art. 33 Abs. 5 GG aufgegebene Alimentationspflicht ergänzt, fordert aber, dass der
Dienstherr den amtsangemessenen Lebensunterhalt der Beamten und ihrer Familien
auch in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit
sicherstellt. Der Dienstherr muss dafür Sorge tragen, dass Beamte in diesen
Lebenslagen nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleiben, die sie
nicht mehr in zumutbarer Weise aus ihrer Alimentation bestreiten können. Dies ist auf
der Grundlage des bereits erwähnten, gegenwärtig praktizierten "Mischsystems" zu
beurteilen, in dem neben die zur Eigenvorsorge abgeschlossene und auf die
Beihilfevorschriften abgestimmte Versicherung des Beamten die ergänzende
Beihilfegewährung tritt. Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht verlangt weder, dass
116
Aufwendungen der Beamten in Krankheitsfällen durch Leistungen einer
beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt
werden, noch, dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang
versicherbar sind.
Diesen Anforderungen wird der in Rede stehende Ausschluss der Beihilfegewährung
für die Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel möglicherweise
aber nur zum Teil gerecht, weil die Beihilfevorschriften insoweit gegebenenfalls keine
– unter verschiedenen rechtlichen Aspekten – hinreichenden Regelungen zur
Vermeidung unzumutbarer Härten enthalten.
117
Anders OVG NRW, Urteil vom 24. Juni 2009 – 3 A 1795/08 –, juris Rn 91;
vgl. stattdessen zum Fehlen einer solchen speziellen Härtefallregelung für
nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in den bis zum Inkrafttreten der
Bundesbeihilfeverordnung – BhV – vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326)
am 14. Februar 2009 geltenden Beihilfevorschriften des Bundes:
Senatsurteil vom 14. Mai 2008 – 1 A 1701/07 –, amtl. Umdruck, Seite 27 und
34, unter Hinweis auf eine u.U. unzumutbar hohe finanzielle Belastung
eines auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel/Medizinprodukte
angewiesenen Beihilfeberechtigten, wenn eine länger andauernde oder
sogar chronische Erkrankung vorliegt, wenn das erforderliche Präparat
(ausnahmsweise) hochpreisig ist oder wenn eine Vielzahl solcher
Medikamente benötigt wird; nunmehr grundsätzlich ebenso: BVerwG,
Urteile vom 5. Mai 2010 – 2 C 12/10 – amtlicher Umdruck, Rn. 13 ff., und
vom 26. August 2009 – 2 C 62/08 –, a.a.O. = juris, Rn. 15.
118
Allerdings ist der Dienstherr durch die Fürsorgepflicht in ihrem von Art. 33 Abs. 5 GG
erfassten Kernbereich grundsätzlich nicht gehindert, nach medizinischer Einschätzung
der behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von
Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Er
muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im
Krankheitsfall gewährleisten. Das bedeutet jedoch nicht, dass er die Aufwendungen
eines medizinisch notwendigen Arzneimittels in jedem Fall erstatten muss. Der
Dienstherr kann die Kosten bestimmter Medikamente ganz oder teilweise von der
Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den Maßstab des medizinisch Gebotenen
nicht unterschreitet. Das gilt insbesondere für Aufwendungen, die bezwecken,
Beeinträchtigungen des allgemeinen Wohlbefindens entgegenzuwirken. Jedoch hält die
verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht den Dienstherrn dazu an, Beihilfe für notwendige
und angemessene Aufwendungen im Krankheitsfall nicht ohne Rücksicht auf die
wirtschaftlichen Folgen für den Beamten auszuschließen. Er muss im Blick behalten,
dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie nicht
gefährdet werden darf. Demgegenüber werden die Aufwendungen für nicht
verschreibungspflichtige Medikamente durch § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchstabe b BVO
NRW 2007 auch dann von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, wenn die
herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und
Angemessenheit erfüllt sind (vgl. § 3 Abs. 1 BVO NRW 2007). Dies mag zwar die
Erfüllung der Fürsorgepflicht gegenüber der großen Mehrzahl der Beamten nicht in
Frage stellen. Unter Geltung des gegenwärtig praktizierten "Mischsystems" aus Beihilfe
und darauf abgestimmter Eigenvorsorge kann der pauschale Ausschluss nicht
verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Beihilfegewährung aber in Einzelfällen
die finanziellen Möglichkeiten des Beamten erheblich übersteigen. Solche Folgen
119
können etwa bei chronischen Erkrankungen auftreten, wenn deren Behandlung die
Einnahme nicht verschreibungspflichtiger Medikamente erfordert, um Nebenwirkungen
verschreibungspflichtiger Medikamente zu verringern. Für derartige Fallgestaltungen
muss der Dienstherr normative Vorkehrungen treffen, damit dem Beamten nicht
erhebliche Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation
nicht mehr zumutbar sind. An diesen Anforderungen der verfassungsrechtlichen
Fürsorgepflicht ändert nichts, dass die fragliche Ausschlussregelung eingeführt worden
ist, um eine Gleichbehandlung der Beihilfeberechtigten mit den gesetzlich
Krankenversicherten zu erreichen. Denn die Sicherungssysteme "gesetzliche
Krankenversicherung" und "private Eigenvorsorge mit ergänzender Beihilfe" weisen
grundlegende Strukturunterschiede auf. Sie unterscheiden sich im Hinblick auf die
verfassungsrechtliche Verankerung, die Finanzierung, die Leistungsvoraussetzungen,
das Leistungsspektrum und die Leistungsformen. Aus diesem Grund wird das Gebot der
Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG durch Unterschiede bei der
Leistungsgewährung in aller Regel nicht verletzt. Erst recht vermag das Bestreben nach
einer Angleichung der Systeme Eingriffe in den durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten
Kernbereich der Fürsorgepflicht nicht zu rechtfertigen. Zudem sind die Regelungen des
Rechts der gesetzlichen Krankenversicherungen über die Kostenübernahme für nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht "wirkungsgleich" auf das Beihilferecht
übertragen worden. So fehlt eine § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V in der seinerzeitigen
Fassung (heute: § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V) entsprechende Regelung, welche es
Vertragsärzten in medizinisch begründeten Einzelfällen gestattet, auch solche nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel zu verordnen, die nach den Arzneimittelrichtlinien
des Bundesausschusses nicht zugelassen sind. Hierdurch ermöglicht das Recht der
gesetzlichen Krankenversicherungen Einzelfallentscheidungen, die am Kriterium der
medizinischen Notwendigkeit ausgerichtet sind.
Vgl. zu den vorgenannten Anforderungen: BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010
– 2 C 12/10 – amtlicher Umdruck, Rn. 18, und vom 26. August 2009 – 2 C
62/08 –, a.a.O. = juris, Rn. 16 ff., m.w.N.
120
Einzelfallentscheidungen sind für den streitgegenständlichen Zeitraum im Landesrecht
allerdings – ebenso wie im seinerzeitigen Bundesrecht – nur in einem gegebenenfalls
nicht (mehr) vertretbaren Umfang durch die – auf den in Rede stehenden
Leistungsausschluss bezogene – Härtefallregelung möglich.
121
A.A. OVG NRW, Urteil vom 24. Juni 2009 – 3 A 1795/08 –, juris Rn 91.
122
Ob dies nach den landesrechtlichen Neuregelungen des Beihilferechts in § 77 Abs. 8
LBG NRW in der seit dem 1. April 2009 geltenden Fassung (GV. NRW. S. 244) bzw. seit
1. Januar 2010 mit Inkrafttreten des § 77 Abs. 9 LBG NRW (§ 138 Abs. 1 LBG NRW)
nach wie vor der Fall ist, bedarf hier keiner Klärung.
123
Soweit in Einzelfällen die finanziellen Möglichkeiten eines Beamten durch den
Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente von der Beihilfefähigkeit
überschritten werden – etwa bei chronischen Erkrankungen – hat der Gesetzgeber mit
der in formellen Gesetzesrang erhobenen Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 in
Verbindung mit Anlage 2 – dort insbesondere Nr. 3 – der BVO 2007 zwar
Ausnahmeregelungen getroffen, die geeignet sind, einer gewissen Anzahl denkbarer
Härtefälle Rechnung zu tragen. § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 in Verbindung mit Anlage 2 BVO
2007 sieht die Beihilfefähigkeit nichtverschreibungspflichtiger apothekenpflichtiger
124
Arzneimittel als Rückausnahme insofern vor, wenn diese als Begleitmedikation zu einer
medikamentösen Haupttherapie mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln eingesetzt
werden und als Begleitmedikation zwingend vorgeschrieben sind oder zur Behandlung
unerwünschter Wirkungen des verschreibungspflichtigen Medikaments verordnet
werden (Anlage 2 Nr. 3 zu § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO NRW 2007). Diese sachlich gebotenen
Rückausnahmen verhindern gerade im Bereich schwerwiegender Erkrankungen aber
nur zu einem Teil ein Unterschreiten des medizinisch gebotenen Mindestmaßes.
Dass das Finanzministerium darüber hinaus Ausnahmen zum grundsätzlichen
Beihilfeausschluss in Verwaltungsvorschriften vorgesehen hat, beispielsweise dann,
wenn die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel bei der Behandlung
schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten (vgl. Satz 1 der Regelung
in Nr. 10.1a der Verwaltungsverordnung zur Ausführung der Beihilfenverordnung –
VVzBVO – vom 9. April 1965, geändert durch Runderlass vom 22. November 2006 (GV.
NRW. S. 816), zuletzt geändert durch Runderlass vom 24. November 2008 (SMBl.
NRW. 203204), führt zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis. Welche Wirkstoffe vom
Dienstherrn als Therapiestandard in bestimmten Indikationsgebieten schwerwiegender
Erkrankungen angesehen werden, hat der Dienstherr zwar ebenfalls in Nr. 10.1a
VVzBVO, dortiger Satz 6, Nr. 1. bis 44. – orientiert an den Arzneimittelrichtlinien – als
Auslegungshilfe zur Vereinheitlichung der Verwaltungspraxis aufgelistet. Ferner hat er
auch Rückausnahmen für apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige
Arzneimittel vorgesehen, wenn die zur Behandlung der Erkrankung alternativ zur
Verfügung stehenden verschreibungspflichtigen Arzneimittel teuer sind, Nr. 10.1a
VVzBVO, vorletzter Satz. Der diesbezügliche Nachweis ist nach den
Verwaltungsvorschriften durch den Beihilfeberechtigten bzw. seinen Arzt zu führen.
Selbst wenn aber die zum Erlass der Rückausnahmeregelungen in der Form von
Verwaltungsvorschriften ermächtigende formelle Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4
BVO 2007 materiell verfassungsmäßig und damit wirksam sein sollte, woran bereits
Zweifel bestehen, wäre auch durch die aufgezeigten weiteren Rückausnahmen ein
Verstoß gegen den Kernbereich der Fürsorge infolge des Unterschreitens des
medizinisch gebotenen Mindestmaßes nicht auszuschließen und damit nicht
hinreichend gewährleistet. Zudem bestehen Zweifel an der Bestimmtheit der in den
Verwaltungsvorschriften vorgesehenen Ausnahmeregelungen, so dass auch Bedenken
hinsichtlich einer darauf fußenden einheitlichen Verwaltungspraxis und einer damit
unter Gleichheitsgesichtspunkten (Art. 3 Abs. 1 GG) einhergehenden Selbstbindung der
Verwaltung bestehen.
125
Dass das Finanzministerium im Einzelfall Ausnahmen zulassen (Anlage 2 zu § 4 Abs. 1
Nr. 7 BVO NRW 2007) und auf diese Weise anderweitig nicht erfasste Einzelfälle
berücksichtigen kann, in denen die angefallenen Aufwendungen eine Größenordnung
erreichen, die das Maß der bei dem Beamten verbleibenden Belastung als
unangemessen hoch bzw. unzumutbar erscheinen lassen, führt letztlich ebenfalls zu
keinem anderen Ergebnis.
126
Denn auch hier ist bereits zweifelhaft, ob eine solche, vom Gesetzgeber nicht näher
konkretisierte (Einzelfall)entscheidung den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts
genügt,
127
vgl. Urteile vom 26. Juni 2008 – 2 C 2/07 –, a.a.O., juris, Rn. 12, und vom
26. August 2009 – 2 C 62/08 –, a.a.O., juris, Rn. 17 und 20, und vom 5. Mai
2010 – 2 C 12/10 – amtlicher Umdruck, Rn. 14 ff.,
128
welches insofern eine abstrakt-generelle normative Regelung fordert. Für ein solches
Erfordernis einer abstrakt-generelle normative Regelung des formellen Gesetz- oder
Verordnungsgebers spricht, dass es letztlich nicht um Einzelfallentscheidungen geht,
wie die individuelle Ausnahmeregelung in Anlage 2 zu § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO NRW 2007
suggerieren mag. Obgleich die finanzielle Belastungen durch den Ausschluss der
Beihilfefähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Regelfall eine
zumutbare Grenze nicht überschreiten dürften, geht es hier dennoch um eine allgemeine
Grenzziehung für eine bestimmte, nicht völlig unbedeutende Gruppe von
Anwendungsfällen der Norm, wie bereits die getroffenen umfangreichen spezifischen
Ausnahmeregelungen zeigen. Die Kompetenz für den Erlass einer solchermaßen
abstrakt-generelle Regelung hat aber nur der formelle Gesetzgeber selbst bzw. der
Verordnungsgeber, wenn er normativ unter hinreichender Bestimmung von Inhalt,
Zweck und Ausmaß hierzu ermächtigt wird, Art. 70 der Verfassung für das Land
Nordrhein-Westfalen – Verf NRW –. Die hier in Rede stehende inhaltlich völlig
unbestimmte "Globalermächtigung" des Finanzministeriums dürfte mit diesen Vorgaben
kaum vereinbar sein.
129
Das Fehlen einer solchen normativen Härtefallregelung kann – ebenso wie im
seinerzeitigen Bundesbeihilferecht – allerdings nicht dazu führen, dass die
Ausschlussregelung für nicht verschreibungspflichtige Medikamente in dem
gesetzlichen Anwendungszeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. März 2009 generell
keine Anwendung mehr finden darf. Das Gesetz bedarf vielmehr mangels
Gewährleistung des durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereichs der Fürsorge im
Einzelfall einer entsprechenden ergänzenden normativen Regelung. Einer solchen
ergänzenden Regelung braucht vorliegend aber nicht weiter nachgegangen zu werden.
Denn für eine die Zumutbarkeitsgrenze überschreitende finanzielle Belastung sind im
Falle des Klägers keine Anhaltspunkte gegeben.
130
Die finanzielle Belastungsgrenze dürfte unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts,
131
Vgl. Urteile vom 5. Mai 2010 – 2 C 12/10 – amtlicher Umdruck, Rn. 19 f., und
vom 26. Juni 2008 – 2 C 2/07 –, a.a.O., juris, Rn. 22,
132
in Anlehnung an § 12 Abs. 2 Satz 2 BhV 2004 erst dann überschritten sein, wenn der
Beihilfeberechtigte und seine berücksichtigungsfähigen Angehörigen infolge des
grundsätzlichen Beihilfeausschlusses für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel
Kosten für im Übrigen beihilfefähige Aufwendungen zu tragen haben, die zwei vom
Hundert des jährlichen Einkommens bzw. bei chronisch Kranken, die wegen derselben
Krankheit in Dauerbehandlung sind, eins vom Hundert des jährlichen Einkommens
überschreiten. Als Einkommen in diesem Sinne sind die Dienst- und
Versorgungsbezüge (ohne den kinderbezogenen Anteil im Familienzuschlag) nach
beamten- und richterrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen sowie die Renten aus
der gesetzlichen Rentenversicherung und aus einer zusätzlichen Alters- und
Hinterbliebenenversorgung des Beihilfeberechtigten und des Ehegatten einschließlich
dessen laufenden Erwerbseinkommens zu Grunde zu legen (vgl. § 9 Abs. 7 Satz 5 BhV
2004).
133
Für ein Überschreiten diese Einkommensgrenze bestehen vorliegend keine
Anhaltspunkte.
134
Ein etwaiger Härtefall – sollte er denn von dem Kläger im Rückblick auf das Jahr 2007
geltend gemacht werden – wäre nach den auch insofern heranzuziehenden
Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in einem gesonderten eigenständigen
Verfahren zu behandeln.
135
Vgl. BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010 – 2 C 12/10 – amtlicher Umdruck, Rn.
20; vom 26. August 2009 – 2 C 62/08 –, a.a.O., juris, Rn. 20 f. und vom
26. Juni 2008 – 2 C 2/07 –, a.a.O., juris, Rn. 22, vgl. auch OVG NRW, Urteil
vom 24. Juni 2009 – 3 A 1795/08 –, juris, Rn. 126 sowie VG des
Saarlandes, Urteil vom 24. November 2009 – 3 K 648/09 -, juris Rn. 46.
136
2.
137
Schließlich kann der Kläger vorliegend auch nicht mit dem etwaigen Argument
durchdringen, § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchstabe b BVO NRW 2007 verletze unter einem
weiteren – selbständigen – Gesichtspunkt die Fürsorgepflicht des Dienstherrn,
namentlich weil bei Anwendung der Norm nicht hinreichend gewährleistet sei, dass die
Beihilfeberechtigten aus ihrer Alimentation nicht mit Kosten belastet würden, welche
unter Berücksichtigung des Alimentationsniveaus im Jahre 2007 als erheblich
einzustufen seien und die insofern zu einer Gefährdung des verfassungsrechtlich
gesicherten Anspruchs auf amtsangemessene Alimentation führen könnten. Auch das
Argument, dass in diesem Zusammenhang zumindest nicht diejenigen Anforderungen
beachtet worden seien, die hier an die Willensbildung des Fürsorgegebers zu stellen
seien, greift nicht durch.
138
Zum Ganzen ausführlich: Senatsurteil vom 14. Mai 2008 – 1 A 1701/07 –,
amtl. Umdruck, S. 28 ff.
139
Wie der Senat bereits in der vorgenannten Entscheidung näher ausgeführt hat, stehen
Fürsorge und Alimentation nicht isoliert nebeneinander, sondern sind in einem
Ergänzungsverhältnis wechselseitig aufeinander bezogen. Die Gewährung von
Beihilfen findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Dieser muss
Vorsorge treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner
Familie bei Eintritt besonderer Belastungen wie (u.a.) durch Krankheitsfälle nicht
gefährdet wird. Wie er diese Pflicht erfüllt, ob dies also etwa über eine entsprechende
Bemessung der Dienstbezüge geschieht oder über Sachleistungen, Zuschüsse oder
sonst in geeigneter Weise, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung
überlassen. Der Dienstherr muss allerdings gewährleisten, dass der Beamte nicht mit
erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare
Eigenvorsorge nicht absichern kann. Ein Anspruch auf lückenlose Erstattung der unter
anderem durch Krankheitsfälle entstandenen Aufwendungen folgt aus der
Fürsorgepflicht demgegenüber nicht.
140
Nach dem geltenden Beihilfesystem, einem sogenannten Mischsystem, erfüllt der
Dienstherr seine Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten durch eine finanzielle
Hilfeleistung aus öffentlichen Mitteln, die zu der Eigenvorsorge des Beamten hinzutritt.
Die betreffenden anlassbezogenen Leistungen sollen den Beamten von den durch die
Besoldung nicht gedeckten notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang
freistellen. Da die dergestalt nur ergänzend konzipierte Beihilfe lediglich einen Teil der
aus Anlass unter anderem von Krankheitsfällen entstehenden Aufwendungen des
141
Beamten abdeckt, setzt sie voraus, dass der Beamte aus seinen Mitteln für die
Begleichung des übrigen Teils der Aufwendungen selbst Vorsorge trifft. Hierfür stellt ihm
der Besoldungsgesetzgeber einen Alimentationsteil zur Verfügung, mit dem er den von
der Beihilfe nicht abgedeckten Teil der im Krankheitsfalle zu erwartenden
Aufwendungen begleichen soll. Dieser Alimentationsteil ist namentlich dazu bestimmt,
eine beihilfekonforme private Krankenversicherung abzuschließen, über welche die
verbleibenden Kostenrisiken im Wesentlichen vollständig abgesichert werden.
Die Wechselbezüglichkeit beider Leistungen, der Beihilfe und des zum Abschluss einer
privaten Versicherung vorgesehenen Alimentationsteils, zeigt sich dabei an Folgendem:
Werden die Beihilfeleistungen gemindert, so erhöht sich damit zugleich der Anteil, den
der Beamte für die Krankheitsvorsorge selbst aufbringen muss – sei es durch höhere
Krankenversicherungsprämien oder durch den stärkeren Einsatz eigener Finanzmittel
bei der Begleichung der krankheitsbedingt entstehenden Kosten. Dies bewirkt jeweils
im Ergebnis eine Absenkung desjenigen Standards, den sich der Beamte tatsächlich
aus seinen Bezügen noch leisten kann. Dies berücksichtigend führt eine Minderung der
Beihilfe zwar noch nicht als solche auf einen verfassungswidrigen Zustand. Als
problematisch erweisen sich Abschläge bei der Beihilfegewährung aber spätestens
dann, wenn sie nicht mehr in zumutbarer Weise durch die insgesamt gewährte
Alimentation bestritten und auf diese Weise aufgefangen werden können, so dass der
Beamte am Ende mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt. Besoldungswirksame
Kürzungen im Beihilfebereich können daher (mittelbar) eine Verletzung des durch Art.
33 Abs. 5 GG geschützten Alimentationsprinzips bewirken.
142
Vgl. zum Ganzen etwa BVerfG, Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 2 BvR
1715/03 –, ZBR 2007, 416, 419 f., m.w.N.
143
Trotz der aufgezeigten möglichen Auswirkungen von beihilferechtlichen Regelungen
über Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen auf das Alimentationsniveau
und einem damit etwaig verbundenen Verstoß gegen die Amtsangemessenheit der
Alimentation, ist auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung in diesen
Fällen – wie auch dem vorliegenden – verfassungsrechtlich nicht die Anpassung der
Beihilfe, sondern eine entsprechende Korrektur der das Alimentationsprinzip
konkretisierenden Besoldungsgesetze geboten. Eine solche Korrektur kann danach
aber nur durch eine Klage des Betroffenen auf Feststellung erfolgen, sein
Nettoeinkommen sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen.
144
Vgl. zum Erfordernis der Geltendmachung einer Verletzung des
Alimentationsgrundsatzes im Wege einer isolierten Feststellungsklage,
nicht aber inzident im Rahmen eines anderen Klageverfahrens u.a.: BVerfG,
Beschlüsse vom 14. Oktober 2009 – 2 BvL 3/08 u.a. –, juris Rn. 14 ff. unter
Verweis auf BVerwG, Urteil vom 20. März 2008 – 2 C 49/07 –, amtl.
Umdruck Rn. 34 sowie BVerwG, Urteile vom 25. März 2010 – 2 C 52/08 –,
amtl. Umdruck, Rn. 14; vom 28. Mai 2009 – 2 C 23/07 –, amtl. Umdruck
Rn. 40 f.; vom 26. August 2009 – 2 C 62/08 –, a.a.O. = juris Rn. 24 f., m.w.N.;
und vom 6. November 2009 - 2 C 60/08 -, juris Rn. 25, und Beschlüsse vom
24. September 2009 – 2 B 50/09 –, juris Rn. 5 und vom 1. Oktober 2009
– 2 B 79/09 –, juris Rn. 1 (ständige Rechtsprechung) sowie
Vorlagebeschlüsse des Senats vom 9. Juli 2009 – 1 A 373/08 u.a. –, juris
Rn. 159 f., und Urteil des Senats vom 26. März 2010 – 1 A 3049/06 –, juris
Rn. 44.
145
Eine solche allgemeine Feststellungsklage auf verfassungsmäßige Alimentierung im
Jahre 2007 hat der Kläger aber nicht erhoben.
146
IV.
147
Soweit nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 BVO NRW 2007 – wie aufgezeigt –
Rückausnahmen von dem Ausschluss der Beihilfefähigkeit nicht
verschreibungspflichtiger Medikamente vorgesehen sind, liegen deren
Voraussetzungen hier nicht vor. Insbesondere ist eine sogenannte Begleitmedikation im
Sinne von Nr. 3 der Anlage 2 zu § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO 2007 nicht gegeben. Auch dient
die vorliegende Medikation entgegen der Ausführungen des Dr. T. vom 10. Juli 2007
nicht als Therapiestandard zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung im
Sinne von Nr. 10.1 a VVzBVO. Denn in der unter Nr. 10.1 a VVzBVO aufgeführten
Wirkstoffliste sind die wesentlichen Bestandteile der hier inmitten stehenden
apothekenpflichtigen Produkte Bazoton ® uno Filmtabletten (Brennesselwurzel
Trockenextrakt) und Crataegutt ® novo 450 Filmtabletten (Procyanidine, oligomer;
Weißdornblätter, -blüten Trockenextrakt) bereits nicht aufgeführt. Insbesondere ist
entgegen der Bescheinigung des behandelnden Arztes die Nr. 2 (= 16.4.2. AMR) nicht
einschlägig, wonach die Aufwendungen für den hier nicht in Rede stehenden Wirkstoff
Acetylsalicylsäure unter bestimmten Voraussetzungen beihilfefähig sind. Für den
Umstand, dass vorliegend eine Rückausnahme in Betracht käme, weil etwaige zur
Behandlung der Erkrankung alternativ zur Verfügung stehenden
verschreibungspflichtigen Arzneimittel teuer sind, sind keine Anhaltspunkte gegeben
(vgl. Nr. 10.1a VVzBVO, vorletzter Satz). Ein entsprechender Nachweis ist durch den
Kläger bzw. den behandelnden Arzt, welchem ein solcher Nachweis obliegen würde
(vgl. Nr. 10.1a VVzBVO, letzter Satz), nicht geführt worden. Stattdessen hat der Kläger
allgemein darauf verwiesen, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht
wegen ihrer geringeren Wirksamkeit verschrieben würden, sondern wegen der
geringeren Belastung und der geringeren Gefahr schädlicher Nebenwirkungen. Dieser
Fall kann der genannten Ausnahmeregelung, die ausdrücklich auf teure
verschreibungspflichtige Alternativpräparate abstellt und folglich offensichtlich der
Ersparnis von Beihilfeleistungen dienen soll, aber jedenfalls nicht in der vorgetragenen
Pauschalität gleichgesetzt werden; auch für eine analoge Anwendung ist kein Raum.
Mangels Rückausnahme kommt somit eine beihilferechtliche Erstattung der
Aufwendungen des Klägers allenfalls unter Zumutbarkeitserwägungen im Einzelfall in
einem gesonderten Antragsverfahren in Betracht.
148
B.
149
Ein Härtefall im Sinne des Gesetzes zur Erhebung von § 4 Absatz 1 Nummer 7 und
Anlage 2 der Beihilfenverordnung in Gesetzesrang ist vorliegend nicht gegeben (vgl.
A.IV.). Der Kläger hat hierzu nicht vorgetragen. Es ist insbesondere nicht vorgetragen
oder sonst ersichtlich, dass der Kläger im Jahr 2007 insgesamt Aufwendungen für nicht
verschreibungspflichtige Medikamente in einer finanziell unzumutbaren Größenordnung
getätigt hat (vgl. oben). Sofern die Aufwendungen für verordnete nicht
verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Jahressumme eine noch als zumutbar
anzusehende Belastungsgrenze überschreiten, kann der Beihilfeberechtigte in einem
eigenständigen Verfahren die Anerkennung des unzumutbaren Teils der Aufwendungen
als beihilfefähig beantragen (vgl. A.III.1.). Etwaige Fristüberschreitungen nach § 13 Abs.
3 BVO NRW können ihm dabei in Anlehnung an die aufgezeigten Rechtsprechung des
150
Bundesverwaltungsgerichts nicht entgegengehalten werden (§13 Abs. 3 Satz 2 BVO
NRW).
Vgl. zum Ganzen (zum insoweit parallel gelagerten Beihilferecht des
Bundes): BVerwG, Urteile vom 26. Juni 2008 – 2 C 2/07 –, a.a.O., juris Rn.
22 f.; vom 26. August 2009 – 2 C 62/08 –, a.a.O., juris, Rn. 21, und vom 5.
Mai 2010 – 2 C 12/10 – amtlicher Umdruck, Rn. 20.
151
Der Kläger wäre somit bei Vortrag einer unzumutbaren Härte auf ein gesondertes
Antragsverfahren ggfls. im Rahmen der vom Gesetzgeber etwaig zu schaffenden
ergänzende Härtefallregelung zu verweisen.
152
Zu einem vergleichbaren Übertragungsfall für das saarländische
Beihilferecht: VG Saarland, Urteil vom 24. November 2009 – 3 K 648/09 –,
juris Rn. 51 ff.
153
Das denkbare Begehren in einem entsprechenden gesonderten Verfahren gehört aber
nicht zu dem vorliegend in den Blick zu nehmenden Streitgegenstand.
154
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
155
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2 VwGO,
127 Beamtenrechtsrahmengesetz – BRRG – nicht gegeben sind.
156