Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 01.07.2003

OVG NRW: wartezeit, beförderung, anwendungsbereich, wechsel, dienstzeit, gymnasium, erlass, datum

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 B 1096/03
Datum:
01.07.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 B 1096/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 2 L 1033/03
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,00 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e:
1
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die mit ihr dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Sätze
3 und 6 VwGO) rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und den
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
2
Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung
verpflichtet, den Antragsteller nicht mangels Einhaltung einer Wartezeit von zwei Jahren
aus dem Auswahlverfahren betreffend die Stelle eines Oberstudienrats
(Besoldungsgruppe A 14 BBesO) am Städtischen Gymnasium in T. auszuschließen.
Die gegenteilige Auffassung des Antragsgegners beruhe auf einer Verkennung der
laufbahnrechtlichen Vorschriften. Zu Unrecht sei der Antragsgegner davon
ausgegangen, dass der Antragsteller die erforderliche Wartezeit für eine Beförderung in
das erste Beförderungsamt erst ab dem 1. Januar vorweisen könne. Auf die Wartezeit
von zwei Jahren seien die in der Laufbahn des gehobenen Dienstes
(Besoldungsgruppe A 12 BBesO) verbrachten Zeiten anzurechnen. Das ergebe sich
aus Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes zur Überleitung von Lehrkräften mit den
Befähigungen für die Lehrämter für die Sekundarstufen I und II an Gymnasien und
Gesamtschulen in die Besoldungsgruppe A 13 (höherer Dienst) vom 19. Dezember
2001 - Überleitungsgesetz - (GV NRW S. 876, 882). Danach finde § 53 Abs. 3 LVO auf
die übergeleiteten Lehrkräfte - zu denen der Antragsteller gehöre - entsprechende
Anwendung. § 53 Abs. 3 Halbsatz 1 LVO bestimme, dass beim Wechsel der Laufbahn
die Zeiten in der bisherigen Laufbahn als Dienstzeiten im Sinne §11 LVO gälten. Damit
verfüge der Antragsteller über eine Wartezeit von deutlich über dreieinhalb Jahren. Der
Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelung könne nicht durch eine behördliche
Verwaltungspraxis eingeschränkt werden.
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Der Antragsgegner wendet ein: Der Dienstherr könne exekutiv über die Bestimmungen
der LVO hinausgehende Wartezeiten für die Verleihung bestimmter Beförderungsämter
festlegen. Dies sei durch Beschluss der Landesregierung vom 14. Dezember 1976 (MBl.
NRW. 1977,16) in der Fassung des Beschlusses der Landesregierung vom 26. Januar
1993 (MBl. NRW. 1993, 565) erfolgt. Danach sei vor der Verleihung des ersten
Beförderungsamtes im höheren Dienst eine Dienstzeit (§ 11 LVO) von zwei Jahren
abzuleisten. Diese Wartezeit müsse nach der Intention der Beschlüsse mit der ersten
Verleihung eines Amtes im höheren Dienst nach der Besoldungsgruppe A 13 BBesO
beginnen. Daran ändere der Verweis auf § 53 Abs. 3 LVO im Überleitungsgesetz nichts,
weil diese Vorschrift zum Zeitpunkt der Festlegung der Wartezeit noch nicht in Kraft
gewesen sei. Letztlich könne dies aber offen bleiben. Durch Absprache aller
Bezirksregierungen sei festgelegt worden, bei den durch Gesetz in den höheren Dienst
übergeleiteten Lehrkräften die Mindestwartezeit für eine Beförderung mit dem Zeitpunkt
der Überleitung (1. Januar 2002) beginnen zu lassen. Eine derartige Verlängerung der
Mindestwartezeit für eine Beförderung durch übereinstimmende Änderung der
behördlichen Praxis sei zulässig. Sie gründe darauf, dass vor einer Beförderung die
Beständigkeit der Leistungen für eine gewisse Zeit zu beobachten sei, um eine
Beurteilungsgrundlage zu gewinnen. Außerdem sei zu verhindern, dass übergeleitete
Lehrkräfte gegenüber den Lehrkräften, die unmittelbar in die Laufbahn des höheren
Dienstes eingestellt worden seien und zwei Jahre bis zu ihrer ersten Beförderung zu
warten hätten, bei der Verleihung weiterer Beförderungsämter gleichsam
"durchstarteten".
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Dem ist nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die
Verwaltungspraxis des Antragsgegners im Widerspruch zu der gesetzlichen Vorgabe
nach Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 des Überleitungsgesetzes steht, wonach § 53 Abs. 3 LVO auf
die betroffenen Laufbahnwechsler entsprechende Anwendung findet und damit auch die
Beförderungswartezeit geregelt ist. Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses
wird insoweit Bezug genommen. Ob die Landesregierung die Problematik der
Laufbahnwechsler im Lehrerbereich bei der Festlegung der Mindestwartezeit anlässlich
der Beschlüsse in den Jahren 1976 und 1993 in den Blick nehmen konnte oder nicht, ist
unerheblich. Der Gesetzgeber selbst hat im Überleitungsgesetz - zeitlich nachfolgend
und damit selbst einen früher geäußerten, möglicherweise anderslautenden Willen der
Landesregierung verdrängend - verbindlich festgelegt, was für die betroffene Gruppe
von Beamten als "Wartezeit" anzusehen ist. An diese gesetzliche Vorgabe ist der
Dienstherr gebunden. Zwar ist es ihm erlaubt, die Verwaltungspraxis bezüglich der
Mindestwartezeiten auf Grund mündlicher Absprache unter den zuständigen Behörden
und dem zuständigen Ministerium zu ändern und allgemein eine verlängerte
Mindestwartezeit vor einer Beförderung zu verlangen.
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Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Dezember 1999 - 4 S 2518/97 -,
NVwZ-RR 2000, 801 bis 803; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 7. April 2000
– 2 B 21/00 – (zitiert nach juris Rechtsprechung Nr. WBRE 410006652).
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Die vom Antragsgegner reklamierte Verwaltungspraxis aufgrund einer Absprache unter
den Bezirksregierungen ist aber der Sache nach keine auf eine Verlängerung der
Mindestwartezeit gerichtete Maßnahme. Vielmehr soll durch die Absprache "definiert"
werden, welches für die vom Überleitungsgesetz betroffene Gruppe der
Laufbahnwechsler die gesetzliche Wartezeit ist bzw. welche Zeiten als Wartezeit
anzurechnen sind. Eine solche Absprache ist unzulässig, denn diese "Definition" hat
der Gesetzgeber im Überleitungsgesetz durch seinen Verweis auf § 53 Abs. 3 LVO
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selbst vorgenommen. Jedenfalls aber verfehlt das Ergebnis der Absprache den wahren
Inhalt der gesetzlichen Regelung und ist deshalb für die rechtliche Beurteilung ohne
Bedeutung.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners dürfte im Übrigen die vom Gesetzgeber
vorgesehene Anrechnung von Wartezeiten bei den betroffenen Laufbahnwechslern
diesen kein "Durchstarten" bei (weiteren) Beförderungen gegenüber Berufsanfängern in
der Laufbahn des höheren Schuldienstes ermöglichen. Die in § 53 Abs. 3 Halbsatz 2
LVO auch für die Laufbahnwechsler geltende Mindestwartezeit von einem Jahr vor einer
Beförderung zum Oberstudienrat kann nicht durch "Anrechnungszeiten" ausgeglichen
werden.
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Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§
13 Abs. 1, 14 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.
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