Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 16.03.2004

OVG NRW: vertreter, leiter, landrat, vertretung, unterzeichnung, geschäftsordnung, beförderung, vorschlag, zugehörigkeit, gespräch

Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 4887/01
Datum:
16.03.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 A 4887/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 2 K 3287/00
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides der
Bezirksregierung B. vom 17. Juli 2 verurteilt, die dienstliche Beurteilung
vom 13. März 2 aufzuheben und dem Kläger eine neue dienstliche
Beurteilung unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts zu
erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist bezüglich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der im Jahre 19 geborene Kläger steht im Polizeidienst des beklagten Landes und ist
bei der Kreispolizeibehörde (KPB) T. beschäftigt. Er ist als Schwerbehinderter
anerkannt. Am 24. August 19 wurde er zum Polizeioberkommissar - POK -
(Besoldungsgruppe A 10 der Bundesbesoldungsordnung - BBesO - ) ernannt.
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Unter dem 13. März 2 erteilte der Landrat als KPB T. dem Kläger eine die Zeit vom 24.
August 19 bis zum 31. Dezember 19 umfassende dienstliche Regelbeurteilung nach
den Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen -
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BRL - (Rd. Erl. des Innenministeriums vom 25. Januar 1996, MBl. NRW S. 278, geändert
durch Rd. Erl. vom 19. Januar 1999, MBl NRW S. 96). Die Beurteilung schloss mit dem
Gesamturteil "Die Leistungen und Befähigung des POK Klaus T. entsprechen voll den
Anforderungen" (3 Punkte gemäß Nr. 6.3 BRL).
Die Beurteilung war wie folgt zu Stande gekommen: Der unmittelbare Vorgesetzte des
Klägers, Erster Polizeihauptkommissar - EPHK - I. (Leiter des Verkehrskommissariats T.
), hatte einen Beurteilungsvorschlag erstellt, in dem er den Kläger in den
Hauptmerkmalen nach Nr. 6 BRL (Leistungsverhalten, Leistungsergebnis und
Sozialverhalten) und in der Gesamtnote jeweils mit "übertrifft die Anforderungen" (4
Punkte gemäß Nr. 6.3 BRL) beurteilt hatte. Dieser Vorschlag wurde - ebenso wie die
weiteren Beurteilungsvorschläge für die bei der Kreispolizeibehörde T. tätigen, nach A
10 BBesO besoldeten Beamten - in einer am 19. Januar 2 durchgeführten
Beurteilungsbesprechung nach Nr. 9.2 BRL erörtert. An dieser Besprechung nahmen
neben dem Landrat des Kreises T. - X. als Leiter der KPB T. und Kreisdirektor (KD) T.
als stellvertretendem Leiter der KPB T. u.a. die Gleichstellungsbeauftragte sowie ein
Vertreter des Personalrats teil. Laut Ergebnisprotokoll der Besprechung entschied der
Endbeurteiler in den Fällen, in denen die Beamten durch die Dienststellenleiter zu
positiv eingeschätzt worden seien, dass seine Einschätzung in den Beurteilungen
ausgewiesen und die "Abweichung" in der jeweiligen Beurteilung begründet werde. In
der Endbeurteilung wurden daraufhin die Hauptmerkmale Leistungsverhalten und -
ergebnis mit 3 Punkten bewertet; das Gesamturteil lautet: "Die Leistung und Befähigung
des POK Klaus T. entsprechen voll den Anforderungen." Zur Begründung seiner
Abweichungen vom Vorschlag des Erstbeurteilers (Nr. 8.1, 9.2 BRL) führte er aus:
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"Im Quervergleich mit dem Kreis der Leistungsstärksten innerhalb der Vergleichsgruppe
zeigt sich, dass aufgrund der erst kurzen Zugehörigkeit zu der Vergleichsgruppe ein so
hoher Leistungsstand noch nicht erreicht wurde und daher die Leistungen des Beamten
voll den Anforderungen entsprechen."
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Die Beurteilung wurde unter dem 13. April 2 von KD T. als Endbeurteiler unterzeichnet.
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Der Kläger erhob gegen die ihm eröffnete Beurteilung Widerspruch und trug vor: Die
dienstliche Beurteilung sei insgesamt nicht plausibel. Die von dem Endbeurteiler
vorgenommene Abqualifizierung in dem Gesamturteil und den jeweiligen
Hauptmerkmalen um eine Stufe sei nicht verständlich. Die Absenkungsbegründung sei
nicht nachvollziehbar. Er - der Kläger - befinde sich bereits seit 1 ½ Jahren in seinem
Beförderungsamt, so dass von einer kurzen Zugehörigkeit zu seiner sich hieraus
ergebenden Vergleichsgruppe nicht die Rede sein könne. Zudem habe der
Endbeurteiler eine falsche Vergleichsgruppe herangezogen. Denn er habe ihn - den
Kläger - nur mit den Leistungsstärksten verglichen. Zudem sei der
Schwerbehindertenvertreter am Beurteilungsverfahren nicht ordnungsgemäß beteiligt
worden.
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Mit Bescheid vom 17. Juli 2 wies die Bezirksregierung B. den Widerspruch unter
Verwertung einer Stellungnahme des Landrats als KPB T. vom 28. Juni 2 mit im
Wesentlichen folgender Begründung zurück: Nach glaubhafter Versicherung des
Landrats als Leiter der KPB T. sei der Schwerbehindertenvertreter mit Schreiben vom
21. Dezember 19 über die anstehenden dienstlichen Beurteilungen informiert worden.
Gleichzeitig sei ihm mitgeteilt worden, welche Beamten als Erstbeurteiler jeweils
zuständig seien. Es habe seitens des Schwerbehindertenvertreters kein Interesse an
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der weiteren Beteiligung am Beurteilungsverfahren des Klägers bestanden. Lediglich
durch ein Versehen sei diese zunächst nicht in der dienstlichen Beurteilung vermerkt
worden. Das habe man nunmehr nachgeholt. Die dienstliche Beurteilung sei auch
plausibel. In der Vergleichsgruppe A 10 hätten sich leistungsstärkere Beamte als der
Kläger befunden. Deshalb sei eine Absenkung bei einzelnen Hauptmerkmalen und im
Gesamturteil notwendig geworden. Die Herabsetzung widerspreche den BRL nicht.
Auch die Begründung sei ausreichend. Es genüge, hinsichtlich der Absenkung darauf
hinzuweisen, dass ein Quervergleich innerhalb der Vergleichsgruppe diese notwendig
gemacht habe.
Der Kläger hat Klage erhoben und zur Begründung sein Vorbringen aus dem
Vorverfahren wiederholt und ergänzend geltend gemacht: Der schlusszeichnende
Kreisdirektor habe nicht als Vertreter des Landrats als Leiter der KPB gehandelt, da er
seine Vertretung bei Unterzeichnung der dienstlichen Beurteilung nicht kenntlich
gemacht habe. Die dienstliche Beurteilung sei aber auch deshalb verfahrensfehlerhaft,
weil ein Vertreter des Personalratsvorsitzenden an der Beurteilungsbesprechung
teilgenommen habe und seine Schwerbehinderung nicht ausreichend berücksichtigt
worden sei. Zudem sei der dienstlichen Beurteilung ein zu kurzer Beurteilungszeitraum
zu Grunde gelegt worden; er umfasse nicht die in den Beurteilungsrichtlinien
vorgesehenen drei Jahre.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbe-scheides der Bezirksregierung B.
vom 17. Juli 2 zu verurteilen, die dienstliche Beurtei- lung vom 13. März 2 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat sich zur Begründung seines Antrags auf den Inhalt des Widerspruchsbe- scheids
bezogen und ergänzend ausgeführt: Der Schwerbehindertenvertreter sei mit Verfügung
vom 20. Dezember 19 u.a. über die anstehende dienstliche Beurteilung des Klägers
informiert worden und habe am 19. Januar 2 als Vertreter des Personalratsvorsitzenden
an der abschließenden Beurteilungsbesprechung teilgenommen. Zu keinem Zeitpunkt
habe er Bedenken gegen die dienstliche Beurteilung des Klägers geäußert. Der
Beurteilungszeitraum sei auf die Zeit ab der letzten Beförderung des Klägers zu
verkürzen gewesen, weil bei der Regelbeurteilung die Anforderungen des im
Beurteilungszeitpunkts innegehabten Amts maßgeblich seien. Im übrigen sei der
Vertreter des Personalratsvorsitzenden in der Beurteilungsbesprechung an der
Entscheidungsfindung nicht beteiligt gewesen.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen und
zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die dienstliche Beurteilung in Gestalt des
Widerspruchsbescheids sei rechtmäßig. Nach ständiger Rechtsprechung sei die
dienstliche Beurteilung gerichtlich nur beschränkt überprüfbar. Allerdings sei der
Dienstherr, wenn er - wie hier - Beurteilungsrichtlinien erlassen habe, zu deren
Beachtung verpflichtet. Gemessen an diesen Grundsätzen erweise sich die angegriffene
dienstliche Beurteilung als rechtsfehlerfrei.
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Die angegriffene Beurteilung sei nicht deshalb mit einem Verfahrensfehler behaftet, weil
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- über die Unterrichtung des Schwerbehindertenvertreters über die anstehende
Beurteilung des Klägers hinaus - der Schwerbehindertenvertreter nicht weiter im
Beurteilungsverfahren beteiligt worden sei. Nr. 10.1 BRL bestimme in teilweise
wörtlicher Übereinstimmung mit Nr. 10 der Richtlinien zur Durchführung des
Schwerbehindertengesetzes im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen
(RdErl. des Innenministeriums vom 11. November 1994, MBl. NRW S. 1522), dass die
Personalstelle die bevorstehende Beurteilung eines Schwerbehinderten der
Schwerbehindertenvertretung rechtzeitig mitteile und ihr ermögliche, ein Gespräch mit
dem Erstbeurteiler zu führen. Angaben hierüber seien - wenngleich nachträglich - im
Beurteilungsvorgang vermerkt, und es sei kein Anhaltspunkt ersichtlich, der gegen die
Richtigkeit dieser Angaben spreche.
Ein wesentlicher Verfahrensmangel sei auch nicht darin zu sehen, dass der
stellvertretene Leiter der KPB T. , KD T. , die Endbeurteilung unterzeichnet habe. Für die
Endbeurteilung bzw. Schlusszeichnung sei gemäß Nr. 9.3 Abs. 1 BRL der jeweilige
Behördenleiter zuständig. Dieser könne sich gemäß §§ 7, 8 der Geschäftsordnung der
Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen (RdErl. des Innenministeriums
vom 10. September 1993 MBl. NRW S. 1674) vertreten lassen. Dass der stellvertretende
Leiter der KPB T. das Vertretungsverhältnis nicht besonders kenntlich gemacht habe,
sei unerheblich. Maßgeblich sei allein der Gesichtspunkt, dass der Schlusszeichnende
die - ihm vertretungsweise zukommende - Letztverantwortung für das
Beurteilungsergebnis nur tragen könne, wenn er sich - wie hier - in der Besprechung die
für seine Aufgabe notwendige Grundlage selbst verschafft habe.
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Die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung sei auch nicht dadurch in Frage
gestellt worden, dass ein Vertreter des Personalrats teilgenommen habe. Seine
Teilnahme habe sich - nach Angaben des Beklagten - in der schlichten Anwesenheit
erschöpft; eine Beteiligung am Entscheidungsprozess habe nicht stattgefunden.
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Unbedenklich sei auch, dass der Beklagte nur den Zeitraum seit der letzten Beförderung
bis zum Beurteilungsstichtag zugrunde gelegt habe. Zwar seien Regelbeurteilungen
gemäß Nr. 3.1 BRL alle drei Jahre zu vom Innenministerium festzulegenden Stichtagen
abzugeben. Eine Abweichung von der Regel - wie sie der Beklagte vorgenommen habe
- sei aber dann sachgerecht und im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn der Beamte
unterdessen befördert worden sei. Bei der Regelbeurteilung seien grundsätzlich die
Anforderungen des im Beurteilungszeitpunkt innegehabten Amtes maßgebend. Dieser
Maßstab müsse im Hinblick auf das Gesamturteil während des ganzen
Beurteilungszeitraumes identisch sein. Dabei sei die Entstehung einer
Beurteilungslücke als "systemimmanent" zur Wahrung der Vergleichbarkeit der
Leistungen innerhalb einer Vergleichsgruppe in Kauf zu nehmen.
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Entgegen der Auffassung des Klägers sei die ihm erteilte Beurteilung nicht in sich
widersprüchlich. Das Gegenteil folge nicht daraus, dass der Erstbeurteiler, dessen
Bewertung der Endbeurteiler übernommen habe, einen Teil der zu den
Hauptmerkmalen Leistungsverhalten, Leistungsergebnis und Sozialverhalten
gehörenden Submerkmale nicht mit 3, sondern mit 4 Punkten bewertet habe. Hierin
zeige sich, dass die mit 3 Punkten abschließende dienstliche Beurteilung eine Tendenz
zu einer besseren Leistungsbewertung aufweise. Die Plausibilität der Beurteilung leide
unter der Bewertung einzelner Submerkmale mit einer besseren als der im Gesamturteil
vergebenen Note aber nicht.
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Auch die Abweichung des Schlusszeichnenden vom Beurteilungsvorschlag des
Erstbeurteilers sei nicht zu beanstanden. Wenn auch der Schlusszeichnende seine
abweichende Bewertung nur knapp begründet habe, sei diese noch als hinreichend
anzusehen. Insbesondere sei er nicht gehalten gewesen, in der Begründung konkrete
Abwägungsvergleiche mit allen anderen Beamten der Vergleichsgruppe oder
wenigstens den Beamten vorzunehmen, denen er die gleiche Gesamtnote zuerkannt
habe. Es genüge seine Begründung, dass der Kläger - mit Blick auf die
Vergleichsgruppe (A10) - mit seiner geringen Zeit im Statusamt nicht mit einer der
Spitzennoten (4 und 5 Punkte) habe bewertet werden können. Mit dem Vortrag, der
Endbeurteiler sei von einer falschen Vergleichsgruppe ausgegangen, könne der Kläger
nicht durchdringen. Aus dem Vorbringen des Beklagten ergebe sich, dass der Kläger
nicht ausschließlich mit den Leistungsstärksten verglichen worden sei. Der
Schlusszeichnende habe seine Abweichung vom Vorschlag des Erstbeurteilers in erster
Linie mit der Notwendigkeit begründet, innerhalb der Behörde gleiche Maßstäbe
einzuhalten. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Gesichtspunkt unter Verstoß gegen
allgemein anerkannte Beurteilungsgrundsätze schematisch und ohne Rücksicht auf den
konkreten Einzelfall dazu geführt habe, von einer ansonsten besseren Bewertung
abzusehen, bestünden nicht.
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Mit der - zugelassenen Berufung - wiederholt der Kläger sein bisheriges Vorbringen.
Ergänzend führt er aus, eine Vertretung des als Behördenleiter für die Endbeurteilung
zuständigen Landrats durch den Kreisdirektor komme nicht in Betracht. Diese sei
gemäß § 7 und 8 der Geschäftsordnung der Kreispolizeibehörden nur bei Abwesenheit
oder Verhinderung zulässig. Ein solcher Fall sei hier nicht dargetan. Die Hinzuziehung
eines Mitglieds des Personalrats zur Beurteilerbesprechung sei unzulässig. Nach § 65
Abs. 3 Satz 2 LPVG seien dienstliche Beurteilungen auf Verlangen des Beschäftigten
dem Personalrat zur Kenntnis zu bringen. Daraus sei zu schließen, dass die
Kenntnisnahme einer dienstlichen Beurteilung nur mit ausdrücklicher Zustimmung des
einzelnen Beschäftigten möglich sei. Diese Vorschrift würde durch die Teilnahme eines
Mitglieds der Personalvertretung an einer Beurteilerbesprechung gemäß Nr. 9.2 BRL
umgangen.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung B. vom 17. Juli 2 zu verurteilen, die
dienstliche Beurteilung vom 13. März 2 aufzuheben, und ihm eine neue Beurteilung
nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Hinsichtlich der Vertretung bei der
Schlusszeichnung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor: Sowohl der Landrat als auch
der zeichnende Kreisdirektor hätten ausweislich des Protokolls vom 19. Januar 2 an den
wesentlichen Besprechungen teilgenommen. Der Kreisdirektor sei daher ausreichend
informiert und in der Lage gewesen zu zeichnen (Schriftsatz vom 19. Februar 2 ). Warum
der Landrat im März 2 verhindert gewesen sei, die Beurteilung des Klägers zu
unterzeichnen, sei von dort aus nicht mehr nachvollziehbar (Schriftsatz vom 22. Mai 2 ).
Aufgrund der Erkrankung des Landrats habe der Kreisdirektor T. diesen vertreten.
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Während der Beurteilerbesprechung vom 19. Januar 2 habe der Landrat als
Behördenleiter/Endbeurteiler fungiert. Kreisdirektor T. habe u. a. auch nach Nr. 9.2 BRL
als weiterer personen- und sachkundiger Bediensteter an der Besprechung
teilgenommen und sei dadurch über die Ergebnisse informiert gewesen. Da die
Bekanntgabe der Beurteilung spätestens drei Monate nach dem Beurteilungsstichtag
habe erfolgen müssen, habe Kreisdirektor T. aus den bereits mehrfach erläuterten
Gründen die Vertretung übernehmen müssen (Schriftsatz vom 18. Juni 2 ). Der Landrat
sei am Tag der Unterzeichnung der streitigen Beurteilung zwar nicht erkrankt gewesen;
es lasse sich aber auch nicht mehr nachvollziehen, warum er die Unterzeichnung nicht
selbst habe durchführen können. Dies spiele aus den hierzu vom Verwaltungsgericht
dargelegten Gründen auch keine Rolle (Schriftsatz vom 1. März 2 ).
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der
Gerichts- und Verwaltungsakten (1Heft) ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger wird durch die streitige Beurteilung
rechtswidrig in seinen Rechten verletzt. Dementsprechend wird der Beklagte verurteilt,
die an einem Verfahrensfehler leidende dienstliche Beurteilung vom 13. März 2 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung B. vom 17. Juli 2
aufzuheben und dem Kläger eine neue Beurteilung nach Maßgabe der
Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
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Dienstliche Beurteilungen sind verwaltungsgerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbar.
Auf die zutreffende und ausführliche Beschreibung des insoweit zu beachtenden
Prüfungsrahmens in dem angefochtenen Urteil wird verwiesen.
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Soweit der Kläger in formeller Hinsicht u.a. rügt, er sei in einer falschen
Vergleichsgruppe beurteilt worden, die Schwerbehindertenvertretung sei nicht
ausreichend beteiligt worden und ein Vertreter des Personalrats habe fehlerhaft an der
Beurteilerbesprechung teilgenommen, kann er damit nicht durchdringen.
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Es spricht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger in einer falschen Vergleichsgruppe
beurteilt worden ist. Insbesondere lässt sich das nicht auf den die Begründung
abschließenden Text mit dem Wortlaut stützen: "Im Quervergleich mit dem Kreis der
Leistungsstärksten innerhalb der Vergleichsgruppe zeigte sich, dass aufgrund der erst
kurzen Zugehörigkeit zu der Vergleichsgruppe ein so hoher Leistungsstand noch nicht
erreicht wurde und daher die Leistungen des Beamten voll den Anforderungen
entsprechen." Schon dieser Wortlaut zwingt nicht zu der seitens des Klägers vertretenen
Auslegung, er sei nur mit den Leistungsstärksten der Gruppe verglichen worden.
Vielmehr hat der Wortlaut weitergehend zum Inhalt, dass der Kläger im Vergleich mit
den Leistungsstärksten der Gruppe deren Leistungsstand noch nicht erreicht hatte und
damit für ein besseres Gesamturteil - wie vom Erstbeurteiler vorgeschlagen - nicht in
Betracht kam. Es handelt sich hierbei um die Begründung des Gesamturteils, die
erforderlich wurde, weil der Schlusszeichnende von dem Beurteilungsvorschlag abwich
und diese Abweichung gemäß Nr. 9.2 BRL begründet werden musste. Wie der Kläger
im Vergleich zu weniger Leistungsstarken abschnitt, bedurfte keiner ausdrücklichen
Erwähnung, weil es im Rahmen der Abweichungsbegründung nicht darauf ankam.
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Auch war die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausreichend. Nach Nr. 10.2
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BRL teilt die Personalstelle der Schwerbehindertenvertretung die bevorstehende
Beurteilung eines schwerbehinderten Beamten mit und ermöglicht ihr ein Gespräch mit
dem Erstbeurteiler (ebenso Nr. 10.2.2 der Richtlinien zur Durchführung des
Schwerbehindertengesetzes im öffentlichen Dienst im Lande NRW, aaO. Dem genügt
das Schreiben des Landrats als KPB T. an die Schwerbe-hindertenvertretung bei der
KPB T. vom 21. Dezember 19 , deren Anlagen die zu beurteilenden schwerbehinderten
Polizeibeamten und die vorgesehenen Erstbeurteiler entnommen werden konnten.
Es trifft auch nicht zu, dass nach § 65 Abs. 3 Satz 2 LPVG die Teilnahme eines Mitglieds
des Personalrats an der Beurteilerbesprechung rechtlich fehlerhaft wäre. Nur bereits
erstellte dienstliche Beurteilungen dürfen nicht ohne Weiteres, sondern nur auf
Verlangen des Beschäftigten dem Personalrat zur Kenntnis gebracht werden. Die
Reichweite dieser Vorschrift ist aber nicht auf die Beurteilerbesprechungen
auszudehnen. Nr. 9.2 BRL sieht vielmehr die Hinzuziehung weiterer personen- und
sachkundiger Bediensteter zur Beratung in der Beurteilerbesprechung ausdrücklich vor,
wobei "u.a. die Gleichstellungsbeauftragte" erwähnt, sonstige personelle Hindernisse
(außer den genannten Qualifikationen) aber nicht aufgeführt werden.
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Entscheidend für das Ergebnis des Berufungsverfahrens ist hingegen, dass nicht
erkennbar ist, dass KD T. zur Schlusszeichnung der dienstlichen Beurteilung berechtigt
war. Nach Nr. 9.3 BRL obliegt die Endbeurteilung des Beamten des mittleren und
gehobenen Dienstes dem Leiter der Behörde, bei der der Beamte beschäftigt ist. Das
war bei der KPB T. der Landrat. Zwar konnte der Behördenleiter nach § 8 Abs. 1 der
Geschäftsordnung für die Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen, a.a.O.
durch den allgemeinen Vertreter, den KD T. , vertreten werden. Eine Vertretung ist durch
diese Vorschrift aber beschränkt auf die Fälle der Abwesenheit oder Verhinderung des
Behördenleiters. Das Vorliegen dieser Ausnahmen ist nicht erkennbar geworden. Das in
die Sachdarstellung aufgenommene schriftliche sowie auch das sonstige Vorbringen
des Beklagten zu dieser Frage ist vielfältig, teilweise widersprüchlich und lässt
jedenfalls eine eindeutige Feststellung, dass die Ausnahmevoraussetzungen seinerzeit
gegeben waren, nicht zu. Dass somit die Rechtmäßigkeit des Verfahrensablaufs in
diesem Punkt nicht festgestellt werden kann, reicht aus, den Beklagten zur Aufhebung
der streitigen dienstlichen Beurteilung zu verurteilen.
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Der Neubescheidungsantrag, der erstmalig in der zweitinstanzlichen mündlichen
Verhandlung gestellt worden ist, ist gemäß §§ 125 Abs. 1, 91 Abs. 1 VwGO zulässig,
weil der Senat ihn zur Klärung der Frage, welcher Zeitraum der neuen dienstlichen
Beurteilung zugrunde zu legen ist, für sachdienlich ansieht. Zu dieser Frage ist
vorrangig zu berücksichtigen, dass die Regelbeurteilung ihr Ziel, durch vergleichende
Bewertung zu einer sachgerechten Beurteilung und damit auch zu einer zuverlässigen
Grundlage für künftige Beförderungen zu gelangen, nur dann erreichen kann, wenn die
für die Vergleichbarkeit maßgeblichen äußeren Kriterien so weit wie möglich
eingehalten werden. Höchstmögliche Vergleichbarkeit wird - nach der inzwischen
ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
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vgl. Urteil vom 18. Juli 2001 - 2 C 41.00 -, ZBR 2002, 211,
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grundsätzlich durch den gemeinsamen Stichtag und den gleichen Beurteilungszeitraum
erreicht. Einschränkungen dieses Grundsatzes sind nur aus zwingenden Gründen
hinzunehmen. Einen solchen Grund stellt es nach Auffassung des
Bundesverwaltungsgerichts, a.a.O., nicht dar, wenn der Beamte innerhalb des
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Beurteilungszeitraums bereits aus besonderem Anlass beurteilt worden ist.
Dementsprechend sieht der Senat - in Übereinstimmung mit dem
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Februar 2002 - 10 A 11751/01 -, Schütz,
Beamtenrecht, ES/D I 2 Nr. 62, auch eine Beförderung des Beamten während des
Beurteilungszeitraums nicht als Vorgang an, der eine Ausnahme von dem Grundsatz
der lückenlosen Erstellung dienstlicher Beurteilungen zulässt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die
Revision wird nicht zugelassen, weil weder die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO noch die des § 127 Beamtenrechtsrahmengesetz gegeben sind.
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