Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 26.01.2011

OVG NRW (eltern, rückzahlung, verwaltungsgericht, vereinbarung, darlehen, richtigkeit, umstände, zweifel, darlehensvertrag, aufnahme)

Oberverwaltungsgericht NRW, 14 A 425/10
Datum:
26.01.2011
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 A 425/10
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsan-tragsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfah-ren auf 1.584 Euro
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil Zulassungsgründe nach
§ 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht vorliegen oder im Sinne
des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO bereits nicht hinreichend dargelegt sind.
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Die Erklärung, das angefochtene Urteil werde in vollem Umfang zur Überprüfung durch
das Berufungsgericht gestellt, lässt sich keinem Zulassungsgrund zuordnen. Sie
entspricht inhaltlich einer Berufungsbegründung, denn eine Überprüfung in vollem
Umfang kann nur in einem Berufungsverfahren, nicht aber in dem vorgeschalteten
Verfahren auf Zulassung der Berufung erreicht werden. Selbst wenn man den
Ausführungen der Antragsbegründung im Übrigen entnehmen will, dass der
Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit
des Urteils des Verwaltungsgerichts) geltend gemacht werden soll, vermögen die
angeführten Gründe den Zulassungsgrund im Ergebnis nicht auszufüllen. Kein
tragender Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen
Urteils ist mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden.
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Wenn die Klägerin geltend macht, das Verwaltungsgericht habe die Leistung ihrer Eltern
in Höhe von 300 Euro monatlich zu Unrecht als Unterhalt statt als nicht
anrechnungsfähiges Darlehen im wohngeldrechtlichen Sinne bewertet, so wecken die
darauf bezogenen Erläuterungen im Einzelnen keine Zweifel an der Richtigkeit des vom
Verwaltungsgericht eingenommenen Standpunkts. Das Verwaltungsgericht ist
zutreffend - und insoweit grundsätzlich auch von der Klägerin nicht angegriffen - davon
ausgegangen, dass die Unterscheidung zwischen einer freiwilligen Unterhaltsleistung
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und einem auch im Wohngeldrecht nicht als Einkommen anzurechnenden Darlehen
anhand des Gesetzeszwecks und unter Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände
zu erfolgen habe, wobei Darlehen, die für den Lebensunterhalt verwandt würden, nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1972 - VIII C 81.71 -, BVerwGE 41,
220 ff; ebenso aus jüngerer Zeit der ebenfalls für das Wohngeldrecht
zuständige 12. Senat des beschließenden Gerichts: OVG NRW, Beschluss
vom 10. November 2009 - 12 E 276/09 -, m. w. N.,
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dann wohngeldrechtlich wie Einnahmen zu behandeln seien, wenn mit der
Rückzahlung entweder überhaupt nicht oder doch nur bei Eintritt eines ungewissen
Ereignisses gerechnet werden könne. Von Letzterem sei hier - so die Auffassung des
Verwaltungsgerichts - auszugehen. Bei der gebotenen wirtschaftlichen
Betrachtungsweise fehle es bereits an der Verbindlichkeit der zwischen der Klägerin
und ihren Eltern getroffenen Vereinbarung.
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Wenn die Klägerin demgegenüber einwendet, sie habe mit ihren Eltern ausdrücklich
eine Vereinbarung des Inhalts getroffen, dass sie sich verpflichte, den ihr gewährten
Betrag von monatlich 300,00 EUR zurückzuzahlen, sobald sie dazu in der Lage sei,
nämlich nach Abschluss des Studiums und mit Aufnahme der dann folgenden
Erwerbstätigkeit, und sie habe sich "hierzu sogar schriftlich bereit erklärt", so vermag
das die Erwägung des Verwaltungsgerichts nicht zu entkräften, weder die Klägerin noch
ihre Eltern hätten es - eigenem Bekunden zufolge - für sinnvoll gehalten, die Klägerin
bei einem ungewissen Studienabschluss und ungewissen finanziellen Aussichten eine
Rückzahlung verbindlich festzulegen. Dies bedeute unter Berücksichtigung der
gleichfalls vorgetragenen engen, liebevollen Beziehung zwischen der Klägerin und
ihren Eltern aber zugleich, dass tatsächlich ein Rückzahlungstermin bei fehlender
Arbeitsaufnahme der Klägerin hinausgeschoben bzw. gänzlich entfallen könnte.
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Im Hinblick darauf, dass es etwa im Schreiben des Vaters der Klägerin vom 25. Februar
2009 an das Amt für Wohnungswesen der Beklagten heißt,
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"Richtig ist auch, dass es nach meiner Auffassung besser ist, einem in Ausbildung
und Studium befindlichen Menschen keinen auf ein Datum bezogenen festen
Rückzahlungstermin vorzugeben, ohne dessen Berufseinstieg und die daraus
resultierenden finanziellen Voraussetzungen zu berücksichtigen. Das gilt umso
mehr, wenn die Vertragsbeteiligten in engster Verwandtschaft verbunden sind."
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und der Darlehensvertrag vom 15. Dezember 2008 u.a. lautet,
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"In dem bislang mündlichen Vertrag wurde die monatliche Rückzahlungshöhe und
der Rückzahlungsbeginn vernünftigerweise vom Zeitpunkt des Berufseinstieges
und des dann erzielten Verdienstes abhängig gemacht. Beides ist z.Z. nicht
festzulegen. Sollte zum Zwecke der Bearbeitung des Antrages auf Mietzuschuss
hier eine Festlegung erfolgen müssen, wird die Rückzahlung ab 01.08.2011 mit
monatlich 200,-- EUR beginnen."
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bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Würdigung des
Verwaltungsgerichts. Die Vereinbarung der Rückzahlung von während des Studiums
erfolgten Zuwendungen für die Zeit nach erfolgreicher Beendigung des Studiums und
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des sich möglicherweise anschließenden Referendariats sowie der Aufnahme eines
Berufs wird in Rechtsprechung,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. November 2009 - 12 E 276/09 -, m. w.
N.,
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und Literatur,
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vgl. Stadler/Gutekunst/Forster/Wolf/Rahm/Dietrich/ Fröba, Kommentar zum
WoGG (Stand April 2008) § 10 Rn. 155,
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gerade als typischer Fall der völlig ungewissen Rückzahlung im Sinne der oben
angesprochenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angesehen. Auch im
Falle der Klägerin kann nicht ohne weiteres ein garantiertes, zügiges Durchlaufen der
bevorstehenden Examina und eine sichere anschließende Anstellung angenommen
werden.
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Im übrigen spricht auch deshalb nichts für einen wirksamen Darlehensvertrag, weil die
Zahlungen der Eltern der Klägerin nicht als Leistung auf eine Darlehensverpflichtung,
sondern als gemäß § 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geschuldeter
Unterhalt anzusehen sein dürften. Dieser umfasst gemäß § 1610 Abs. 2 BGB den
gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu
einem Beruf, hier eines berufsqualifizierenden Studiums.
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Vgl. im einzelnen Brudermüller, in: Palandt, BGB, 70. Aufl., § 1610 Rn. 19.
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Dabei ist die Dauer des Studienunterhalts nicht auf die Regelstudienzeit mit der
Förderungshöchstdauer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz begrenzt.
Diese ist vielmehr nur ein Anhaltspunkt für die übliche Studiendauer. Der
Unterhaltsberechtigte ist lediglich gehalten, seine Ausbildung mit dem gehörigen Fleiß
und der gebotenen Zielstrebigkeit zu betreiben, damit er sie innerhalb angemessener
und üblicher Dauer beenden kann.
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Vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 2. Dezember 1998 - 12 UF 95/98 -, juris
Rn. 4.
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Nach der in den Akten befindlichen Bescheinigung der X. -Universität vom
9. Dezember 2008 beträgt die Regelstudienzeit und Förderungshöchstdauer für das
Studium der Klägerin zehn Semester. Nach den Ausführungen im angegriffenen Urteil
befindet sich die Klägerin im 13. Fachsemester Deutsch und 12. Fachsemester Sport
und beabsichtigt den Studienabschluss für das Ende des Jahres. Damit kann nicht ohne
Hinzutreten weiterer Umstände von einem Wegfall der Unterhaltspflicht der Eltern der
Klägerin ausgegangen werden. Inwieweit die Höhe eines eventuellen
Unterhaltsanspruchs durch die elterlichen Zahlungen überschritten wird, bedürfte
ebenfalls der Prüfung, wenn ein Erfolg der Klage in Betracht kommen soll.
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Ob bei der anzustellenden Gesamtwürdigung ausnahmsweise eine hinreichend
gesicherte Rückführung der geleisteten Zahlungen angenommen werden kann, wenn
die den Zuschuss gewährenden Eltern selbst in finanziell engsten Verhältnissen leben,
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vgl. den Sachverhalt, der dem Urteil des OVG Schleswig-Holstein vom 23.
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April 2008 - 2 LB 46/07 , NVwZ-RR 2009, 119, zugrunde gelegen hat, wo
ein getrennt lebender Elternteil seinen eigenen Lebensunterhalt aus
offenbar nicht allzu hohen Ersparnissen bestreiten musste,
kann dahinstehen. Denn ein derartiger Fall wirtschaftlich schwierigster Verhältnisse ist
auch bei Würdigung der von der Klägerin beschriebenen Umstände im Falle ihrer Eltern
nicht anzunehmen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§
47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes.
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Dieser Beschluss ist gem. § 152 Abs. 1 VwGO und - hinsichtlich der
Streitwertfestsetzung - §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG unanfechtbar. Das
Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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