Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.11.2000

OVG NRW: evangelische kirche, auskunft, staatliche verfolgung, amnesty international, gesellschaft, religiöse gemeinschaft, politische verfolgung, genfer konvention, alte leute, asylbewerber

Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 902/96.A
Datum:
24.11.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 A 902/96.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 5 K 114/95.A
Tenor:
Soweit die Klage auf Aufhebung von Ziffer 1. des Bescheids des
Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 16.
Dezember 1994 gerichtet ist, wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil
des Verwaltungsgerichts Minden vom 12. Januar 1996 wird insoweit für
unwirksam erklärt.
Im Übrigen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 12.
Januar 1996 teilweise geändert. Die Beklagte wird auf die Berufung des
Klägers verpflichtet festzustellen, dass in der Person des Klägers die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Die Berufung der
Beklagten wird insoweit zurückgewiesen, als die Aufhebung von Ziffer 2
und die Androhung der Abschiebung in die Türkei in Ziffer 4 des
Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge vom 16. Dezember 1994 betroffen sind. Im Übrigen wird die
Klage auf die Berufung der Beklagten im noch anhängigen Umfang
abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge - für die erste Instanz
insoweit unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts - trägt
der Kläger zu 2/5, die Beklagte zu 3/5. Gerichtskosten werden nicht
erhoben.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheits-
leistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht
der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der 1968 in C. K. (Nusaybin, Kreis Mardin) geborene Kläger ist türkischer
Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und nach seinen Angaben
yezidischer Religionszugehörigkeit. Er verließ die Türkei am 7. Juli 1994 und reiste am
12. Juli 1994 mit dem Bus nach Deutschland ein.
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Seinem Asylantrag fügte er zur Begründung eine schriftliche Erklärung vom 12. Juli
1994 bei. Darin führte er aus, seine Familie stamme aus dem Dorf Cilesiz Köyü bei
Nusaybin im Kreis Mardin, sei aber wegen der religiösen Unterdrückung vor 30 Jahren
nach Elbistan umgezogen. Auch dort sei die Unterdrückung weitergegangen. Man habe
die Dorfbewohner zwingen wollen, Dorfschützer zu werden. Wer sich geweigert habe,
sei zwangsumgesiedelt worden. Wegen des Vorwurfs, der kurdischen Guerilla zu
helfen, seien viele Leute festgenommen und gefoltert worden; einige seien in der Haft
verschwunden. Die Kämpfer der Guerilla seien ebenfalls ins Dorf gekommen und hätten
Unterstützung verlangt, die man ihnen auch gewährt habe. Weiter gab der Kläger an, er
habe vom 27. Februar 1987 an seinen Militärdienst abgeleistet und sei dabei immer als
Kurde in vorderster Reihe eingesetzt worden. Als er danach in sein Dorf
zurückgekommen sei, sei die Situation noch schlimmer gewesen. Im Mai sei er
schriftlich aufgefordert worden, für die Geheimpolizei zu arbeiten. Er habe den Brief
nicht beantwortet und sei im Oktober von zwei Gendarmen aufgesucht und zur
Militärpolizei gebracht worden. Dort sei die Aufforderung wiederholt worden; er habe
jedoch abgelehnt. Dasselbe sei einem Freund passiert, der ebenfalls abgelehnt habe;
der Freund habe in Elbistan ein Büro der DEP eröffnet, wo man sich getroffen habe.
Nach dem Verbot der DEP sei der Freund im Dorf Nergele bei Elbistan am 15. März
1994 erschossen worden. Dies sei für den Kläger der Anlass gewesen, die Türkei zu
verlassen.
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In der Anhörung bei dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
(Bundesamt) führte der Kläger aus, er habe die Türkei verlassen, weil er aufgrund seiner
yezidischen Religions- und der kurdischen Volkszugehörigkeit unterdrückt worden sei.
Seit 1990 sei die Bevölkerung aufgefordert worden, ihre Dörfer zu verlassen. Die
Dorfbewohner seien auf dem Dorfplatz versammelt und erniedrigt worden. Auch er
selbst sei manchmal mitgenommen worden, kurz vor seiner Flucht einmal für drei Tage.
1990 und erneut 1991 sei er zur Mitarbeit beim Geheimdienst aufgefordert worden, habe
sich aber geweigert. Dies habe zu Drohungen gegen ihn und seine Familie geführt.
Außerdem seien die Yeziden von der moslemischen Bevölkerung beleidigt worden; es
sei die Parole verbreitet worden, die Yeziden sollten abgeschlachtet werden. Er als
Jugendlicher praktiziere den Glauben - anders als die älteren Generationen - nicht, weil
dies verboten sei und weil die Yeziden ihre Religionszugehörigkeit nicht öffentlich
bekannt werden lassen wollten. Heimlich habe er aber doch praktiziert, um die Religion
nicht zu vergessen. In Deutschland wolle er seine Religion besser kennen lernen und
studieren.
4
Das Bundesamt lehnte den Asylantrag des Klägers durch Bescheid vom 16. Dezember
1994 ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorlägen und forderte ihn zur Ausreise
auf, verbunden mit einer auf die Türkei oder einen anderen aufnahmeverpflichteten oder
-bereiten Staat bezogenen Abschiebungsandrohung. Zur Begründung führte es aus, der
vom Kläger behauptete Anwerbeversuch des Geheimdienstes sei nicht asylerheblich
gewesen. Der Kläger habe auch nicht nachweisen können, dass er der yezidischen
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Religion angehöre. Er stamme zwar aus einem yezidischen Dorf, habe jedoch selbst
angegeben, in der Türkei als Yezide nie in Erscheinung getreten zu sein. Auch die
kurdische Volkszugehörigkeit des Klägers begründe einen Asylanspruch nicht. Der
Bescheid wurde am 28. Dezember 1994 abgesandt.
Zur Begründung seiner am 5. Januar 1995 erhobene Klage hat der Kläger die Kopie
einer Bescheinigung über seine Zugehörigkeit zur yezidischen Religion vorgelegt,
ausgestellt am 28. Juli 1994 durch den Präsidenten des "Religiösen Zentrums der
Yeziden / Zarathustra", Prinz Anwar bin Muawia Al Yezidi. Weiter hat er den für ihn
zuständigen Scheich und mehrere Zeugen zum Beweis der Behauptung benannt, dass
er praktizierender Yezide sei.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge vom 16. Dezember 1994 zu verpflichten, ihn als
Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG vorliegen sowie dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG
vorliegen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Mit dem angefochtenen Urteil vom 12. Januar 1996 - dem Prozessbevollmächtigten des
Klägers und der Beklagten am 26. Januar 1996 zugestellt - hat das Verwaltungsgericht
den Bescheid des Bundesamtes vom 16. Dezember 1994 aufgehoben und im Übrigen
die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der
Asylanerkennungsanspruch sei wegen Eingreifens der Drittstaatenregelung
ausgeschlossen. Gleiches müsse nach der Zielvorstellung des Gesetzgebers sowie
nach Sinn und Zweck der Regelung hinsichtlich der Abschiebungsschutzbegehren
gelten. Zu Unrecht habe daher das Bundesamt den Kläger in der Sache beschieden;
eine auf Abschiebung ins Heimatland gerichtete Abschiebungsandrohung habe aber
nicht ergehen dürfen.
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Auf die am 31. Januar bzw. am 9. Februar 1996 gestellten Anträge der Beklagten bzw.
des Klägers hat der Senat durch Beschluss vom 22. November 1996 die Berufung der
Beklagten unbeschränkt, diejenige des Klägers insoweit zugelassen, als die
Feststellung von Abschiebungshindernissen nach den §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG
betroffen ist. Zur Begründung der Berufung verweist der Kläger in Ergänzung seines
bisherigen Vortrags darauf, er sei 1997 wegen einer Autobahnblockade zu einer
Geldstrafe von 45 Tagessätzen verurteilt worden.
12
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung mit generell erklärter Zustimmung der
Beklagten und des Beteiligten die Klage insoweit zurückgenommen, als die Aufhebung
von Ziffer 1. des angegriffenen Bescheides betroffen ist, und beantragt im Übrigen,
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1. das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Beklagte zu verpflichten
festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG, hilfsweise
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen,
14
2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
15
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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das angefochtene Urteil teilweise zu ändern und die Klage in vollem Umfang
abzuweisen.
17
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung am 24. November 2000
angehört. Auf die Niederschrift vom 24. November 2000 wird Bezug genommen.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Gerichtsakten dieses Verfahrens und auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des
Bundesamtes für den Kläger verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gemacht worden sind.
19
Entscheidungsgründe:
20
Der Senat konnte zur Sache verhandeln und entscheiden, obwohl kein Vertreter der
Beklagten erschienen war, da diese mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen
worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
21
Nachdem der Kläger seine Klage teilweise - nämlich soweit er mit Klageerhebung auch
die Aufhebung von Ziffer 1. des Bescheides vom 16. Dezember 1994 beantragt hatte -
zurückgenommen hat, und die übrigen Beteiligten durch allgemeine Erklärung ihre
Einwilligung hierzu erklärt haben, ist das Verfahren insoweit einzustellen und das
angefochtene Urteil in diesem Umfang für wirkungslos zu erklären (§§ 92 Abs. 3 Satz 1,
173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO).
22
Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist im
Wesentlichen begründet. Das Verwaltungsgericht hat seine auf Feststellung der
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gerichtete Klage zu Unrecht abgewiesen; der
Bescheid des Bundesamtes vom 16. Dezember 1994 ist insoweit rechtswidrig und
verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger kann die
Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG verlangen (dazu 1.). Die vom
Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten hingegen ist
im Wesentlichen unbegründet, da das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht die
Ziffern 2 und die Abschiebungsandrohung in die Türkei in Ziffer 4 des Bescheids des
Bundesamtes vom 16. Dezember 1994 aufgehoben hat. Im Übrigen hat die Berufung
der Beklagten Erfolg; über den Hilfsantrag zu § 53 AuslG ist nicht zu entscheiden (dazu
2.).
23
1. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG. Ihm droht in der Türkei politische Verfolgung (dazu 1.1.), ohne dass ihm
ein Ausweichen innerhalb des Landes zumutbar ist (dazu 1.2.), denn er ist
praktizierender Yezide (dazu 1.3.). Der Umstand, dass er auf dem Landweg nach
Deutschland eingereist ist, steht diesem Anspruch nicht entgegen, da § 26 a AsylVfG
insoweit nicht anwendbar ist.
24
Vgl. Senatsurteil vom 30. September 1996 - 25 A 790/96.A -, NVwZ 1997, 1141, m.w.N.
25
1.1. Yeziden, die ihren Glauben praktizieren, droht derzeit (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG)
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in der Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mittelbar staatliche Verfolgung.
Nach § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in
dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit,
seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner
politischen Überzeugung bedroht ist. Die Voraussetzungen dieser Norm sind
deckungsgleich mit denjenigen des Asylanspruchs aus Art. 16 a Abs. 1 GG, soweit es
die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der
Verfolgung betrifft.
27
BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1992 - 9 C 59.91 -, DVBl. 1992, 843 = DÖV 1992, 582 =
NVwZ 1992, 892.
28
Mit Blick darauf geht der Senat auch im Rahmen des streitigen
Abschiebungsschutzbegehrens - vorbehaltlich hier nicht einschlägiger Besonderheiten
bei selbstgeschaffenen Nachfluchtgründen - von denjenigen Grundsätzen aus, die für
die Auslegung des Art. 16 a Abs. 1 GG gelten.
29
Vgl. insbesondere grundlegend: BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86
u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.; vgl. ferner zur Deckungsgleichheit von Art. 16 a Abs. 1 GG
und § 51 Abs. 1 AuslG mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention: BVerwG, Urteil
vom 26. Oktober 1993 - 9 C 50.92 u.a. -, NVwZ 1994, 500 (503); Urteil vom 18. Januar
1994 - 9 C 48.92 -, NVwZ 1994, 497 (498 ff.).
30
Politisch Verfolgter ist, wer in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine
religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein
Anderssein prägen, gezielten Rechtsverletzungen ausgesetzt ist, die ihn ihrer Intensität
nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen.
31
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 (333
ff.).
32
Wenn derartige Rechtsverletzungen sich nicht nur gegen Einzelpersonen richten,
sondern gegen eine durch gemeinsame Merkmale verbundene Gruppe von Menschen,
so kann dies zur Folge haben, dass jeder einzelne Gruppenzugehörige allein deshalb
der aktuellen Gefahr - und nicht nur der bloßen Möglichkeit - ausgesetzt ist, zum Ziel
und möglichen Opfer politischer Verfolgung zu werden, weil er zu der gefährdeten
Gruppe zählt. Die Gefahr politischer Verfolgung des Asylbewerbers ergibt sich in Fällen
dieser Art nicht aus gegen ihn selbst, sondern aus gegen Dritte gerichteten
Maßnahmen, wenn diese wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das
er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und
Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet. Besteht die Gefahr der
Gruppenverfolgung, ist mithin jedes Gruppenmitglied unabhängig davon als politisch
verfolgt anzusehen, ob sich Verfolgungsmaßnahmen bereits konkret in seiner Person
verwirklicht haben oder Derartiges unmittelbar bevorsteht. Nur wenn Tatsachen
vorliegen, aus denen sich ergibt, dass ein einzelner Gruppenzugehöriger von der
Gruppenverfolgung aufgrund besonderer Umstände ausgenommen ist, kann eine
Betroffenheit von einer Gruppenverfolgung entgegen der Regelvermutung
ausgeschlossen werden.
33
BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216 (231);
34
BVerwG, Urteil vom 8. Februar 1989 - 9 C 33.87 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 105;
Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200.
Die Annahme einer Gruppenverfolgung ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn die
gegen Gruppenzugehörige gerichteten Verfolgungsmaßnahmen im Verhältnis zur
zahlenmäßigen Größe der Gruppe eine derartige Häufigkeit und Dichte erreichen, dass
jeder Gruppenzugehörige jederzeit damit rechnen muss, auch in eigener Person zum
Opfer von Übergriffen zu werden, wenn also seine bisherige Verschonung als eher
zufällig anzusehen ist. Die Feststellung dieser Verfolgungsdichte erfordert es, die
Relation zwischen der Anzahl der feststellbaren Verfolgungsschläge und der Größe der
Gruppe in den Blick zu nehmen, ohne sich aber andererseits auf eine rein quantitative
Betrachtungsweise zu beschränken; es bedarf vielmehr einer wertenden Betrachtung.
Zu berücksichtigen ist auch, dass eine Gruppenverfolgung nicht notwendig auf das
gesamte Gebiet eines Staates bezogen sein muss. Wo ein "mehrgesichtiger Staat" nur
in Teilen seines Staatsgebiets die Verfolgung einer durch gemeinsame asylrelevante
Merkmale gekennzeichneten Gruppe praktiziert oder duldet (regionale
Gruppenverfolgung), besteht nur in der betroffenen Region für jedes Gruppenmitglied
die aktuelle Gefahr politischer Verfolgung, die allerdings in eine landesweite Verfolgung
jederzeit umschlagen kann.
35
BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216;
BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200 (204); Urteil vom 30.
April 1996 - 9 C 170.95 -, BVerwGE 101, 123 (125); Beschluss vom 11. November 1999
- 9 B 564.99 -; Beschluss vom 29. November 1996 - 9 B 293.96 -; zur Abgrenzung von
regionaler zu örtlich begrenzter Gruppenverfolgung Beschluss vom 23. August 1999 - 9
B 96.99 - und Urteil vom 9. September 1997 - 9 C 43.96 - BVerwGE 105, 204.
36
Schließlich setzt die Annahme politischer Verfolgung - unabhängig davon, ob es sich
um Verfolgung in der Form der Gruppenverfolgung handelt - nicht notwendig voraus,
dass die asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen vom Staat ausgehen. Auch
Übergriffe von Privatpersonen können in den Schutzbereich des Art. 16 a Abs. 1 GG
bzw. § 51 Abs. 1 AuslG fallen und einen Asylanspruch begründen, wenn der Staat für
deren Handeln wie für eigenes verantwortlich ist. Wo der Staat von Dritten begangene
Rechtsverletzungen tatenlos hinnimmt oder nur verbal missbilligt, ohne effektiv zum
Schutz der Betroffenen einzuschreiten, obwohl ihm die hierfür erforderlichen Machtmittel
zur Verfügung stehen, sind ihm diese Rechtsverletzungen zuzurechnen (mittelbar
staatliche Verfolgung).
37
BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478/86 u.a. -, BVerfGE 76, 143; Beschluss
vom 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216; BVerwG, Urteile vom 23.
Juli 1991 - 9 C 154.90 -, BVerwGE 88, 367, 372, und vom 19. Mai 1992 - 9 C 21.91 -;
Beschluss vom 24. März 1995 - 9 B 747.94 -; Urteil vom 19. April 1994 - 9 C 462.93 -,
NVwZ 1994, 1121.
38
In Anwendung dieser Maßstäbe und unter Auswertung des zur Verfügung stehenden
Erkenntnismaterials geht der Senat davon aus, dass ihren Glauben praktizierende
Yeziden jedenfalls in ihren angestammten Siedlungsgebieten in der Türkei einer
mittelbar staatlichen Gruppenverfolgung wegen ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt
sind. Diese Einschätzung beruht auf der Annahme, dass Yeziden mit erkennbarer
religiöser Bindung in der Südosttürkei wegen ihrer Religionszugehörigkeit in einem
Klima allgemeiner religiöser und gesellschaftlicher Verachtung leben und einer Vielzahl
39
von Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sind, die in Relation zu der Anzahl der noch in
ihren Siedlungsgebieten verbliebenen Yeziden für jedes Mitglied dieser
Bevölkerungsgruppe die Gefahr begründen, jederzeit zum Ziel und Opfer von religiös
motivierten Rechtsverletzungen werden zu können, ohne dass der türkische Staat bereit
wäre, die ihm zur Verfügung stehenden Machtmittel zum Schutz der Yeziden
einzusetzen.
Die Lage der Yeziden im Südosten der Türkei wird durch den auf sie von Seiten der
muslimischen Bevölkerungsmehrheit ausgeübten, an Jahrhunderte zurückreichende
Verhaltensweisen anknüpfenden extremen Vertreibungsdruck gekennzeichnet. Yeziden
waren seit jeher in ihren angestammten Siedlungsgebieten nur in fest gefügten und
weitgehend von der andersgläubigen Umgebung abgewandten Dorfgemeinschaften als
religiös geprägte Gruppe überlebensfähig. Eine Vielzahl von mit häufig unerbittlicher
Härte durchgeführten Übergriffen - von Eigentumsverletzungen, entschädigungsloser
Landwegnahme und Viehdiebstahl bis hin zur Entführung, Vergewaltigung oder
Zwangsverheiratung yezidischer Frauen sowie der Misshandlung und Tötung von
Yeziden - führte jedoch bis in die jüngste Gegenwart dazu, dass die yezidischen
Dorfgemeinschaften im Laufe weniger Jahrzehnte fast vollständig ausgelöscht wurden;
diese Entwicklung ist durch zahlreiche Sachverständige und Institutionen für den
Zeitraum bis in die Mitte der neunziger Jahre ausserordentlich gut dokumentiert.
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Wießner, Auskunft an das VG Stade vom 22. Februar 1982; ähnlich schon Auswärtiges
Amt, Auskunft an VG Ansbach vom 13. September 1979; Roth, Gutachten vom 17.
Oktober 1982; Sternberg-Spohr, Gutachten vom 10. Februar 1988; Prieß, Reisebericht
Mai 1989; Wießner, Aussagen bei dem VG Bremen vom 14. Juni 1989, bei dem Bayer.
VGH vom 2. Mai 1991 und bei dem OVG NRW vom 10. Juli 1991; Referate Sternberg-
Spohr und Reese bei terre des hommes AG Weiden, Arbeitskreis Asyl, Seminar am 1.
Juli 1989; Schnoor, Reiseberichte für Mai 1989 vom 1. und 15. August 1989; Oehring,
Gutachten für VG Hannover vom 15. März 1990; Taylan an OVG Hamburg vom 5.
September 1993; Wießner an OVG Hamburg vom 6. September 1993; Gesellschaft für
bedrohte Völker an OVG Hamburg vom 9. Dezember 1993; Auswärtiges Amt, Auskunft
an OVG Hamburg vom 28. Dezember 1993; amnesty international, Bericht vom 17.
November 1994; Kaya, Gutachten für das VG Braunschweig vom 28. Mai 1995. Vgl.
auch Evangelische Kirche in Deutschland, Die Yeziden, eine Arbeitshilfe, 1992, S. 18,
wonach die traditionellen Besuchsreisen der Geistlichen unter Mitführung der
"Sindchaqs" (Darstellung des Melek Taus als Kultfigur) nicht mehr möglich sind, ebenso
schon Müller, Kulturhistorische Studien zur Genese pseudo-islamischer Sektengebilde
in Vorderasien, 1967, S. 191.
41
Der wesentliche Grund für die den Yeziden zugefügten Gewalttaten ist in der Haltung
der muslimischen Bevölkerungsmehrheit dem yezidischen Glauben gegenüber zu
sehen. Ohne dass den muslimischen Gläubigen Einzelheiten zum Inhalt der
yezidischen Religion - etwa der Anspruch der Yeziden, Monotheisten zu sein - bekannt
wären, unterliegen Yeziden schon deshalb dem Hass und der Verachtung, weil sie in
den Augen der Muslime durch ihre Verehrung des Melek Taus die Einzigartigkeit Gottes
leugnen und damit die Todsünde der "Hinzugesellung" begehen, die sie außerhalb des
islamischen Duldungsgebots stellt. Die etwa dem Christentum oder dem Judentum als
geduldeten Buchreligionen grundsätzlich eingeräumte Möglichkeit, den Glauben
öffentlich, wenn auch unter der Aufsicht des Islam, zu praktizieren, steht ihnen daher
nicht offen; vielmehr unterliegen sie dem Gesetz des Heiligen Krieges, das ihre Tötung
nach einmaligem erfolglosem Bekehrungsversuch zumindest billigt. Zahlreiche - oft
42
falsch verstandene - Besonderheiten des yezidischen Glaubens verstärken das von
islamischer Seite als gerechtfertigt eingestufte Bestreben, die Anhänger des
yezidischen Glaubens zu vertreiben oder zu vernichten. Dass die Vertreibung der
Yeziden zu einem wirtschaftlich-politischen Machtzuwachs bei den türkischen
Großgrundbesitzern geführt hat, ist vor diesem Hintergrund als eine von diesen
begrüßte und ausgenutzte Folge, nicht aber als Ursache der gegen die Yeziden
geführten Angriffe anzusehen.
Zur religiösen Motivation der Verfolgungsmaßnahmen Wießner, Gutachten für das VG
Stade vom 22. Februar 1982; ders., "... in das tötende Licht einer fremden Welt
gewandert", Geschichte und Religion der Yezidi, in: Schneider (Hrsg.), Die kurdischen
Yezidi. Ein Volk auf dem Weg in den Untergang, S. 49ff.; ders., Yezidi in ihrer türkischen
Heimatregion, Referat auf dem Kongress "Glaubensflüchtlinge aus der Türkei",
veranstaltet von der Gesellschaft für bedrohte Völker und den Diakonischen Werken der
Landeskirchen Hannover, Oldenburg und Westfalen, 10. November 1989, S. 44ff. (48).
Zur Einstufung des Yezidentums als monotheistisch etwa Baris, Gutachten vom 13.
Oktober 1998, S. 7; Evangelische Kirche in Deutschland, Die Yeziden, eine Arbeitshilfe,
1992, S. 7; Kizilhan, Die Yeziden, 1997 S. 17; Düchting, Stirbt der Engel Pfau?, 1992, S.
128.
43
Zwar waren die Yeziden in den letzten Jahrzehnten nicht das Ziel pogromartiger
Massenausschreitungen, doch dürfte der Grund hierfür eher in der Siedlungsstruktur
dieser Glaubensgemeinschaft - sie besiedelt bzw. besiedelte schwer zugängliche
ländliche Gebiete in einzelnen, meist kleineren Dörfern - zu finden sein als in der etwa
mangelnden Bereitschaft der Bevölkerungsmehrheit, dem Hass und der Verachtung
gegenüber den Yeziden auch durch kollektive Gewaltmaßnahmen Ausdruck zu
verleihen. Die Vielzahl, Häufigkeit und Dichte der von der muslimischen
Bevölkerungsmehrheit unternommenen Angriffe auf glaubensgeprägte Yeziden
begründet für jeden Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe angesichts ihrer geringen
zahlenmäßigen Stärke die reale Gefahr, jederzeit selbst zum Opfer vergleichbarer
Rechtsverletzungen werden zu können. Für die Jahre um 1982 schwankten
Schätzungen zur Anzahl der Yeziden - bezogen auf ihre traditionellen Siedlungsgebiete
in der Türkei - noch zwischen 2.000 und höchstens 8.000 bis 10.000 Personen.
Demgegenüber ergibt sich aus dem vorliegenden Erkenntnismaterial - auch wenn die
zahlenmäßige Erfassung der yezidischen Bevölkerung mit großen Unsicherheiten
belastet sein mag - für den entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat ein Rückgang auf allenfalls noch wenige Hundert
Personen. Die meisten, wenn nicht alle früher nur von Yeziden bewohnten Ortschaften
sind entweder vollständig von Yeziden verlassen, oder die (erkennbar
glaubensgebundenen) Yeziden bilden eine verschwindende, im Wesentlichen aus
einzelnen älteren Menschen bestehende Minderheit, die nach den Vorstellungen des
yezidischen Glaubens keine lebendige Gemeinde mehr bilden können.
44
Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge vom 10. August 1978: weniger als 14.700; Benzing, Auskunft an den Hess.
VGH vom 19. Oktober 82: etwa 2000 (Schätzung von 1962); Roth, Gutachten vom 17.
Oktober 82: 1979 noch 37 Dörfer, 82 noch 3-4; Wießner, Auskunft an das VG Stade vom
22. Februar 1982, auch zur religiösen Wurzel der Lebens- und Siedlungsformen der
Yeziden; Auskunft an das VG Gießen vom 6. März 1992 ("keine lebensfähigen
Yezidendörfer mehr im Raum Besiri"); Auskunft an OVG Hamburg vom 6. September
1993; Auskunft an Hess. VGH vom 15. Juli 1996: "Das Yezidentum in der Osttürkei ist
45
praktisch tot"; EKD - Kirchenamt -, Die Yeziden, eine Arbeitshilfe (März 1992), S. 4:
einige Hundert gegenüber etwa 8.000 im Jahre 1987; Kehl-Bodrogi, Gutachten vom 7.
Dezember 1993; Düchting, Stirbt der Engel Pfau? Geschichte, Religion und Zukunft der
Yezidi-Kurden, November 1992, S. 106 bis 110; Denge Ezidiyan, Yeziden in ihrer
Heimat, http://www.yezidi.org, 1998: auf 150 reduziert; Lerch in FAZ vom 1. Februar
2000 und Gesellschaft für bedrohte Völker, Kurdische Yeziden, Verfolgung in der
Heimat - neue Herausforderungen im Exil, 5. Aufl. Januar 2000: wenige Hundert, im
Wesentlichen alte Leute; differenzierend zwischen Südosttürkei (nur wenige, vor allem
alte Yeziden) und dem Rest des Landes (einige Tausend): Auswärtiges Amt,
Lagebericht Türkei vom 22. Juni 2000, S. 17.
Diese Entwicklung, die nachhaltig vor Augen führt, dass die von der muslimischen
Bevölkerungsmehrheit getragenen asylrelevanten Rechtsverletzungen gegen die
Yeziden ihr Ziel so gut wie vollständig erreicht haben, setzt sich bis in die unmittelbare
Gegenwart fort. Im Hinblick auf die extrem zurückgegangene Zahl der noch in ihrer
Heimat verbliebenen Yeziden ist allerdings festzustellen, dass der Nachweis konkreter
Vertreibungsmaßnahmen nicht mehr in demselben Umfang möglich ist wie für den
Zeitraum, in dem jene Maßnahmen noch gegen intakte yezidische Siedlungen gerichtet
waren, um deren Bevölkerung zu vertreiben.
46
Vgl. für die Zeit seit 1996: Denge Ezidiyan, Drei Kreuze im Pass bedeutet Yezide,
http://www.yezidi.org, 1996; Kizilhan (Hrsg.), Die Yeziden, 1997, S. 13ff., 56, 156ff. und
passim; Wießner, Auskunft an das VG Chemnitz vom 30. Juni 1997 ("Yeziden gelten bei
den Muslimen als Abschaum"); Baris, Gutachten vom 13. Oktober 1998, S. 12ff.;
Gesellschaft für bedrohte Völker, Kurdische Yeziden, Verfolgung in der Heimat - neue
Herausforderungen im Exil, 5. Aufl. Januar 2000.
47
Dennoch ist nach Einschätzung des Senats, die von der obergerichtlichen
Rechtsprechung aller mit Asylbegehren von Yeziden aus der Türkei befassten Gerichte
geteilt wird, auf der Grundlage einer wertenden Betrachtung der feststellbaren Übergriffe
weiter die Prognose gerechtfertigt, dass glaubensgebundene Yeziden bei einer
Rückkehr in ihre Siedlungsgebiete auch heute noch mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit
damit rechnen müssen, jederzeit zum Opfer neuerlicher Übergriffe werden zu können.
48
OVG NRW, Beschluss vom 5. Juli 2000 - 8 A 387/97.A -; Beschluss vom 27. August
1998 - 25 A 2679/98.A -; Urteil vom 27. Januar 1993 - 25 A 10241/88 - (unter
Bezugnahme auf OVG NRW, Urteil vom 13. November 1991 - 18a A 10259/85 -, S. 24-
50); OVG Lüneburg, Urteil vom 29. Mai 1997 - 11 L 6286/91 -; Urteil vom 24. September
1998 - 11 L 6819/96 -; Urteil vom 16. Februar 1999 - 11 L 2563/96 -; Urteil vom 28.
Januar 1999 - 11 L 2261/98 - (insbes. LS 4: "Die fluchtbegründenden Umstände haben
sich weiter verschlechtert"); Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 16.
September 1996 - 12 UE 3033/95 -; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom
13. April 1994 - Bf V 3/88 -; Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen,
Urteil vom 19. Oktober 1993 - 2 BA 35/91 -; Beschluss vom 11. September 1997 - 2 B
149/97 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 11. Oktober 1993 - 11 B
90.31837 -, DVBl 1994, S. 545.
49
Dies gilt schon deshalb, weil die Auflösung der rein yezidischen Dörfer, aber auch die
fast vollständige Gewichtsverschiebung in gemischt yezidisch-muslimischen
Ortschaften hin zu einer jetzt weit überwiegenden muslimischen Mehrheit dazu geführt
haben, dass die Yeziden in ihrer Heimat keinerlei Schutz mehr im Zusammenhalt
50
intakter Gemeinschaften finden können, wenn sie als Einzelpersonen oder in kleinen
Gruppen dort um ihr Überleben kämpfen müssten. Die Annahme fortbestehender
beachtlicher Verfolgungswahrscheinlichkeit ist - unabhängig von dem zuvor genannten
Gesichtspunkt - aber auch deshalb gerechtfertigt, weil die Bedingungen, unter denen es
zu der Vertreibung der Yeziden gekommen ist, sich nicht nur erhalten, sondern nach
Einschätzung des Senats sogar verschlechtert haben. Der Hass und die tiefe
Verachtung der Muslime gegenüber Yeziden bestehen fort und dürften mit einem
weiteren Erstarken islamistischer Tendenzen in der Türkei eher noch weiter zu- als
abnehmen. Außerdem finden sich diejenigen Teile der Bevölkerung, die von der
Vertreibung der Yeziden profitiert haben, nunmehr in der Situation, die hinzugewonnen
wirtschaftlichen und politischen Vorteile gegen jeden drohenden Anspruch auf
Rückgabe oder Wiedergutmachung verteidigen zu müssen,
so schon Auswärtiges Amt, Auskunft an OVG Hamburg vom 28. Dezember 1993 S. 4f.;
zur "Re-Islamisierung" der Türkei Steinbach, Die Türkei im 20.Jahrhundert. Schwieriger
Partner Europas, Lübbe Verlag 1996, S. 328ff.; Rumpf, Laizismus, Fundamentalismus
und Religionsfreiheit in der Türkei, in: Verfassung, Recht und Praxis, VRÜ 1999, 164ff.
51
Auch dies wird den Druck auf die wenigen noch in ihren traditionellen
Siedlungsgebieten lebenden und würde den Druck auf dorthin zurückkehrende Yeziden
weiter verstärken.
52
Die Verfolgung der Yeziden in der Südosttürkei stellt sich als mittelbar staatliche
Verfolgung dar. Zwar berichten einzelne Quellen auch von staatlich initiierten
Maßnahmen, die den Druck auf die betroffene Gruppe verstärken.
53
Etwa Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 18. August 1989 S. 4; Düchting, Stirbt
der Engel Pfau? Geschichte, Religion und Zukunft der Yezidi-Kurden, 1992, S. 224ff.;
Ates, ebenda, S. 276ff.
54
Insgesamt aber tragen die den Yeziden zugefügten Rechtsverletzungen das Gepräge
einer organisierten Vertreibung, die von der in ihrem Hass auf die Betroffenen einigen
Bevölkerungsmehrheit ausgeht und von einem schutzfähigen, aber nicht schutzbereiten
Staat geduldet wird.
55
Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 16. November 1993, S. 2f.; ähnlich
Ergänzung zum Lagebericht vom 22. August 1994; Roth, Gutachten zur Verfolgung der
Yeziden in der Türkei vom 17. Oktober 1982; Taylan, Auskunft an VG Hamburg vom 24.
Oktober 82; "Hirsch-Bericht" vom 26. April 1984, S. 17; Düchting und Ates, Stirbt der
Engel Pfau? 1992, S. 181ff., 271ff.; ebenso ausnahmslos die oben zitierte
Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe.
56
Dass der türkische Staat derzeit in der Lage wäre, Übergriffe gegen die Yeziden auch in
entlegenen Teilen seines Staatsgebiets effektiv zu unterbinden, unterliegt dabei
angesichts der Wirkungen, die bei seinem Vorgehen gegen Kämpfer und
Sympathisanten der PKK oder anderer als separatistisch eingestufter Bewegungen,
aber auch gegen radikal islamistische Kräfte erzielt werden, keinem vernünftigen
Zweifel.
57
Dazu OVG NRW, Urteil vom 25. Januar 2000 - 8 A 1296/96.A -, Rz 45ff., 134ff. und
passim; anders noch für die Zeit vor der flächendeckenden Errichtung von
58
Polizeistützpunkten: Deutsches Orient-Institut, Auskunft vom 23. August 1979 an VG
Ansbach (zur Einrichtung von Polizeistützpunkten auch Auswärtiges Amt, Lagebericht
Türkei vom 15. November 1989, S. 7); vgl. demgegenüber schon Garrer, Reese,
Reisebericht vom 18. Februar 1988.
1.2. Den von mittelbar staatlicher Gruppenverfolgung bedrohten glaubensgebundenen
(praktizierenden) Yeziden ist ein Ausweichen innerhalb der Türkei nicht zumutbar.
59
Der Senat lässt offen, ob die den glaubensgebundenen Yeziden in der Türkei drohende
Gruppenverfolgung noch als regionale oder - im Hinblick darauf, dass sie nicht vom
türkischen Staat, sondern von der muslimischen Bevölkerungsmehrheit ausgeht - schon
als landesweite Gruppenverfolgung einzustufen ist, weil die Erkenntnisgrundlage zu
schmal ist, diese Frage zuverlässig zu beantworten. Der Asylanspruch praktizierender
Yeziden kann jedenfalls - geht man von einer nur regionalen Gruppenverfolgung aus -
nicht mit dem Argument verneint werden, es bestehe außerhalb ihrer traditionellen
Siedlungsgebiete - etwa in den Großstädten der westlichen Türkei - die Möglichkeit,
Schutz vor Verfolgung zu finden (inländische Fluchtalternative). Da die Feststellung,
dass eine solche inländische Fluchtalternative nicht besteht, aufgrund des vorliegenden
Erkenntnismaterials mit hoher Sicherheit getroffen werden kann, kann auch offen
bleiben, ob ein Asylbewerber die Türkei vorverfolgt - nach dem Einsetzen der
Gruppenverfolgung - oder unverfolgt - etwa bei einer Ausreise vor diesem Zeitpunkt -
verlassen hat. Denn selbst in dem letztgenannten Fall kann zum einen für den Zeitpunkt
der mündlichen Verhandlung das Fortbestehen der Gruppenverfolgungsgefahr (oben
1.1.) und das Fehlen einer inländischen Fluchtalternative mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit angenommen und zudem ausgeschlossen werden, dass bei Beginn
der Verfolgung eine inländische Fluchtalternative bestanden hat. Die Frage eines
Vergleichs der wirtschaftlichen Lebensbedingungen am Ort einer denkbaren
inländischen Fluchtalternative mit denjenigen am Herkunftsort des Asylbewerbers stellt
sich in diesem Zusammenhang nicht, weil die den Yeziden in den Städten der
westlichen Türkei drohende wirtschaftliche Existenznot jedenfalls verfolgungsbedingt
ist.
60
Dazu und zu dem zuvor angesprochenen Problem einer erst nach der Flucht des
Asylbewerbers einsetzenden regionalen Gruppenverfolgung: BVerwG, Urteil vom 9.
September 1997 - 9 C 43.96 -, BVerwGE 105, 204ff.
61
Wer von nur regionaler politischer Verfolgung betroffen ist, ist erst dann politisch
Verfolgter im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG bzw. § 51 Abs. 1 AuslG, wenn er dadurch
landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist der Fall, wenn er in anderen
Teilen seines Heimatstaates eine zumutbare Zuflucht nicht finden kann. Eine derartige
inländische Fluchtalternative setzt voraus, dass der Asylsuchende in den in Betracht
kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm
jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer
Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus
politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am
Herkunftsort so nicht bestünde.
62
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 (342
ff.); st. Rspr. des BVerwG; vgl. etwa Urteil vom 9. September 1997 - 9 C 43.96 -,
BVerwGE 105, 204 (207 f., 211 f.); Urteil vom 8. Dezember 1998 - 9 C 17.98 -, NVwZ
1999, 544 ff.
63
Eine derartige inländische Fluchtalternative steht glaubensgebundenen
(praktizierenden) Yeziden in der Türkei weder derzeit zur Verfügung noch ist angesichts
der Besonderheiten der religiös motivierten mittelbaren Gruppenverfolgung
anzunehmen, dass sie mit Einsetzen der Gruppenverfolgung in irgend einem Landesteil
der Türkei eröffnet war. Die Möglichkeit, unbehelligt und mit Aussicht auf zumindest
minimale wirtschaftliche Sicherheit außerhalb der yezidischen Siedlungsgebiete leben
zu können, besteht nur für solche Yeziden, die ihren Glauben vollständig verbergen und
im Alltag ein Leben wie ein Anhänger des muslimischen Glaubens führen.
64
Die Gründe für diese Annahmen, die von der obergerichtlichen Rechtsprechung
einhellig geteilt werden,
65
OVG Lüneburg, Urteil vom 16. Februar 1999 - 11 L 2563/96 -; Hamburgisches
Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 13. April 1994 - Bf V 3/88 -; Bayerischer
Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 11. Oktober 1993 - 11 B 90.31837 -, DVBl 1994, S.
545; OVG NRW, Urteil vom 27. Januar 1993 - 25 A 10241/88 -; Oberverwaltungsgericht
der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 11. September 1997 - 2 B 149/97 -
(inländische Fluchtalternative liegt ausnahmsweise vor, wenn ein Yezide sich fast zehn
Jahre lang dort unbehelligt aufgehalten hat),
66
sind vor allem in dem Umstand zu suchen, dass es glaubensgebundenen Yeziden auf
Dauer nicht möglich ist, ihre Religionszugehörigkeit ohne Verlust der religiösen Identität
so vollständig zu verbergen, dass sie in einer muslimisch geprägten Umgebung ihren
Glauben unerkannt zumindest im nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich ausüben
können. Denn die Religionsausübung findet in einer islamisch geprägten Gesellschaft
öffentlich, täglich, kollektiv und damit unter einer gewissen sozialen Kontrolle auch im
nachbarschaftlichen Bereich statt, so dass jeder, der sich gemeinsamen Gebeten am
Arbeitsplatz oder gemeinschaftlichen Moscheebesuchen nicht anschließt, unweigerlich
auffallen muss. Unter diesen Bedingungen und vor dem Hintergrund der von Hass und
Verachtung geprägten Haltung vieler Muslime gegenüber der yezidischen Religion ist
nicht vorstellbar, dass ein Yezide außerhalb des Schutzes, den ihm geschlossene
Yezidendörfer in den yezidischen Siedlungsgebieten bieten, leben kann, ohne
massiven, asylrelevanten Anfeindungen ausgesetzt zu sein. Er würde eine abhängige
Beschäftigung gar nicht erst finden oder mit Bekanntwerden seiner
Religionszugehörigkeit wieder verlieren, hätte als selbständig Tätiger nicht die
Möglichkeit, einen breiten Kundenkreis anzusprechen und würde sich auch bei bloß
passivem Verhalten im Hinblick auf die Erfordernisse des religösen Lebens nach
muslimischer Vorstellung dem Vorwurf aussetzen, den islamischen Glauben zu
ignorieren oder gar zu verachten. Die sich ihm gegenüber in einer solchen Situation
aufbauende negativ- aggressive Haltung seiner muslimischen Umgebung könnte
jederzeit in offene Feindseligkeit umschlagen und zu asylrelevanten Angriffen führen.
67
Berner, Aussage bei dem VG Stade am 1. September 82; Wießner, Auskunft an VG
Stade vom 22. Februar 82; Aussage bei dem VG Bremen am 11. Juni 1986; Benzing,
Auskunft an Hess. VGH vom 19. Oktober 82; Roth, Gutachten vom 17. Oktober 1982;
Sternberg-Spohr, Gutachten vom 10. Februar 1988, S. 81ff.; Deutsches Orient-Institut,
Auskunft an OVG Hamburg vom 3. September 1993; amnesty international, Auskunft an
VG Stuttgart vom 1. Oktober 1993 und Bericht vom 17. November 1994; Gesellschaft für
bedrohte Völker, Auskunft an OVG Hamburg vom 9. Dezember 1993; Evangelische
Kirche in Deutschland, Die Situation in der Türkei für die christlichen und yezidischen
68
Minderheiten, 28. April 1994; Wießner, Auskunft an VG Chemnitz vom 30. Juni 1997
(keine Friedhöfe in den westtürkischen Städten).
Das Fehlen einer inländischen Fluchtalternative lässt sich aufgrund dieser Erkenntnisse
sowohl für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als auch für jenen früheren
Zeitpunkt - unabhängig von seiner genauen Datierung - feststellen, zu dem das
Vorliegen einer Situation der Gruppenverfolgung erstmalig angenommen werden kann;
es wird auch nicht mehr bestritten. So ist die früher gelegentlich vorgetragene
Behauptung, eine große Anzahl (praktizierender) Yeziden lebe unbehelligt in Istanbul,
inzwischen als widerlegt anzusehen.
69
Vgl. zunächst: Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Bremen vom 18. April 1986, an VG
Koblenz vom 28. Oktober 1988, Deutsche Botschaft Ankara, Mitteilung vom 13. Juni
1989; sodann: Auswärtiges Amt, Auskunft an OVG Rheinland-Pfalz vom 23. August
1989, und schließlich: Schnoor, Rede bei einer Veranstaltung des Bielefelder
Flüchtlingsrats am 23. Oktober 1989; Geismar, Nach dem Glaubenskampf der
Gutachterkrieg, pogrom 151 (Januar / Februar 1990); S. 44f.; Auswärtiges Amt, Auskunft
an OVG NRW vom 20. März 1990; Auskunft an OVG Bremen vom 3. November 1992
(kein yezidischer Friedhof in Istanbul); Amir Muawiya ben Ismail al-Yazidi, Aussage vor
dem OVG Saarland vom 6. Januar 1992. Vgl. aber inzwischen wieder: Auswärtiges Amt,
Lagebericht Türkei vom 22. Juni 2000, S. 17 (einige Tausend Yeziden "dürften in
anderen Teilen der Türkei unbehelligt leben, teils offen als Yeziden").
70
Das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative lässt sich auch nicht mit der
Überlegung annehmen, es sei Yeziden nach ihrem eigenen religiösen
Selbstverständnis erlaubt, ihren Glauben weitgehend zu verbergen, so dass es ihnen
zuzumuten sei, öffentliches Gebet oder die öffentlich bemerkbare Durchführung
liturgischen Fastens oder religiöser Feierlichkeiten zu unterlassen und sich ihrer
muslimischen Umgebung weitgehend anzupassen. Zwar dürfen Yeziden ihre religiöse
Identität nach außen verbergen - "taqiye" -, und diese Möglichkeit ist in den
vergangenen Jahrhunderten häufig extensiv genutzt worden. Nach dem für den Senat
maßgeblichen derzeitigen Verständnis des Instituts der taqiye im yezidischen Glauben
wird diese Möglichkeit jedoch zunehmend enger ausgelegt, weil mit einem zu weit
gehenden Verbergen des eigenen Glaubens und der damit verbundenen vollständigen
Anpassung an die äußerlichen Verhaltensweisen des die Umgebung dominierenden
Glaubens die Gefahr verbunden ist, dass die den Gläubigen ohnehin nur eingeschränkt
vermittelten Glaubensinhalte vollständig verloren gehen könnten. Nach den historischen
Erfahrungen der Yeziden ist die mit dem Institut der taqiye gerechtfertigte äußere
Angleichung an die Gepflogenheiten islamischer Gläubiger nur der erste Schritt zu einer
vollständigen Konversion zum Islam, insbesondere wenn sie außerhalb der vormals
existierenden geschlossenen Siedlungsgebiete der Yeziden praktiziert wird. Deshalb
werden die Grenzen der taqiye inzwischen stärker betont: Danach ist es nicht zulässig,
die Grenze der Verleugnung des yezidischen Glaubens zu überschreiten, etwa durch
das Mitsprechen des islamischen Glaubensbekenntnisses, als dessen wesentlicher Teil
die 112. Sure des Koran gilt. Da jedoch das Zusammenleben eines seine
Glaubensidentität verbergenden Yeziden mit Muslimen früher oder später
unausweichlich dazu führt, gerade diesen Teil des Korans gemeinsam zu rezitieren,
müsste der Yezide eine Grenze überschreiten, die zu überschreiten ihm sein Glaube
verbietet; dies ist ihm rechtlich nicht zuzumuten.
71
Zum Institut der taqiye: Sternberg- Spohr, Gutachten zur Situation der Yeziden in der
72
Türkei vom 10. Februar 1988, S. 6 - 13; Müller, Kulturhistorische Studien zur Genese
pseudo-islamischer Sektengebilde in Vorderasien, 1967, S. 204; Evangelische Kirche in
Deutschland, Die Yeziden, eine Arbeitshilfe, März 1992, S. 10; Düchting, Ates, Stirbt der
Engel Pfau? 1992, S. 123ff.; Emir Muawiya ben Ismail al-Yazidi, Zarathustra zu uns
sprach, 1990, S. 14, 32ff. Die 112. Sure des Koran ist die nach der Eröffnungssure am
häufigsten zitierte Sure des Koran, vgl. Schimmel, Anm. 34 zu Sure 112, S. 595 in: Der
Koran, übersetzt von Max Henning, Reclam Verlag 1960; ebenso Henning, Einleitung S.
14 zu der erwähnten Ausgabe des Koran (112. Sure spielt "in Theologie und Mystik, in
Volksglauben ... sowie in der Polemik eine kaum zu überschätzende Rolle").
1.3. Von der Gefahr politischer Verfolgung sind nur glaubensgebundene (praktizierende)
Yeziden betroffen. Deshalb bedarf es in jedem Einzelfall der positiven Feststellung,
dass der Asylbewerber Yezide ist (dazu 1.3.1.) und seinen Glauben praktiziert (unten
1.3.2.). Für den Kläger können diese Feststellungen getroffen werden (unten 1.3.3.).
73
1.3.1. Yezide ist nach den für den Senat maßgeblichen Regeln des yezidischen
Glaubens nur, wer diese Religionszugehörigkeit durch Abstammung von yezidischen
Eltern erworben und nicht durch unwiderrufliche Abwendung von diesem Glauben
verloren hat. Der wichtigste Fall einer unwiderruflichen Abwendung vom Yezidentum ist
die Heirat mit einem nicht der yezidischen Religion angehörenden Partner. Über diese
grundlegenden Aussagen besteht im Yezidentum nach wie vor fast vollständige
Einigkeit; sie wird mit dem Mythos der Herkunft der Yeziden als eines auserwählten
Volkes allein von Adam theologisch begründet und führt dazu, dass die Konversion
eines Nicht- Yeziden - auch eines früheren Yeziden, der seine Glaubenszugehörigkeit
aufgegeben hat - zum Yezidentum streng abgelehnt wird. Der Versuch des Amir
Muawiya ben Ismail al- Yazidi, die Konversion als zulässig anzusehen, um das
Überleben des yezidischen Volkes auch unter den Bedingungen der Diaspora zu
erleichtern, hat sich bisher nicht durchsetzen können.
74
Amir Muawiya ben Ismail al-Yazidi, Zarathustra zu uns sprach, deutsche Fassung
November 1990, S. 64; dazu Düchting, Ates, Stirbt der Engel Pfau? Geschichte,
Religion und Zukunft der Yezidi-Kurden, 1992, S. 148, 177ff.; ebenso Evangelische
Kirche in Deutschland, Die Yeziden, 1992 S. 19; Wießner, Auskünfte an VG Schleswig
vom 12. Februar 1992 und an OVG NRW vom 13. Dezember 1993; Kizilhan, Die
Yeziden, 1997, S. 72ff., 117 (Regel 5 der "Sad u Haq"); zur Kritik an der Person und
Praxis des Muawiya ben Isamail und seines Sohnes vgl. nur Wießner, Auskunft an VG
Kassel vom 23. Februar 1998; Auswärtiges Amt, Bericht vom 17. Januar 1995;
Unterstützerkreis für yezidische Flüchtlinge, Auskunft vom 27. Januar 1992; Prieß,
Auskunft an VG Schleswig vom 18. Januar 1992.
75
Die Feststellung, ob ein Asylbewerber Yezide ist, knüpft demnach an die Zugehörigkeit
beider Eltern zu dieser Religion an. Wichtigstes Indiz hierfür ist die Herkunft der Familie
- dies betrifft den Asylbewerber selbst, wenn er noch in der Türkei geboren ist, die
Generationen seiner Eltern bzw. Vorfahren, wenn er in Deutschland oder einem
anderen Exilland, beispielsweise Syrien, geboren ist - aus einem yezidisch besiedelten
Ort, weil die Yeziden in rein yezidischen Siedlungen lebten, um ihre Religionspraxis
Andersgläubigen nicht offenbaren zu müssen und weil die yezidische Religion in
hohem Maße auf ein Zusammenleben in engen gesellschaftlichen Verbänden
angewiesen ist. Welche Ortschaften als rein yezidisch einzustufen sind bzw. waren,
lässt sich in aller Regel anhand der Unterlagen ermitteln, die als Ergebnis von
Feldforschungen in den Siedlungsgebieten der Yeziden erstellt worden sind. Allerdings
76
dürfte der Umkehrschluss, dass Yezide nicht sein kann, wer nicht aus einem rein
yezidischen Ort stammt, schon deshalb nicht zulässig sein, weil es auch gemischt
yezidisch-muslimische Ortschaften gab bzw. gibt. Auch sind Fehler oder
Unvollständigkeiten in der Erfassung der rein yezidischen Dörfer nach Einschätzung
des Senats nicht gänzlich auszuschließen, und es muss berücksichtigt werden, dass
während der Zeit der starken Abwanderung von Yeziden die Ortschaften teilweise durch
nachrückende Muslime besiedelt wurden oder dass Yeziden zunächst in größeren -
nicht rein yezidischen - Ortschaften wie Viransehir Schutz suchten, bevor sie die Türkei
verließen.
Zu diesem Fragenkreis vor allem Wießner, Auskünfte an VG Kassel vom 12. Februar
1992; an VGH Kassel vom 15. Juli 1996; an VG Karlsruhe vom 30. Juni 1997;
Sternberg-Spohr, Bestandsaufnahme vom 16. März 1993 in der Fassung der
Aktualisierung vom 31. Oktober 1993; Andrews, Auskunft an VG Hannover vom 14.
September 1995 unter Hinweis auf weitere Literatur; Baris, Auskunft an VG Lüneburg
vom 13. Oktober 1998; Gesellschaft für bedrohte Völker (Prieß), Auskunft an Bundesamt
für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27. Juli 1999.
77
Ein meist nur unzuverlässiges Indiz für die Zugehörigkeit zum yezidischen Glauben
stellen demgegenüber die von Geistlichen ausgestellten Bescheinigungen dar, die in
zahlreichen Asylverfahren vorgelegt werden. Die Kompetenz zur Ausstellung derartiger
Bescheinigungen ist innerhalb der yezidischen Glaubensgemeinschaft in Deutschland
stark umstritten. Die Auseinandersetzung darüber wird von gegenseitigen Vorwürfen
geprägt; derzeit kann eine von allen oder doch den meisten Yeziden akzeptierte und
von den Adressaten als zuverlässig eingestufte Person oder Institution zur Ausstellung
der Bescheinigungen nicht benannt werden. Deshalb kann der Nachweis der
yezidischen Abstammung allein mit Hilfe einer solchen Bescheinigung nicht geführt
werden; sie kann lediglich den Stellenwert eines - ggf. durch Vernehmung des
Ausstellers zu verifizierenden - Indizes haben.
78
Als zuverlässig werden in neuerer Zeit von einigen das Kulturforum der yezidischen
Glaubensgemeinschaft in Oldenburg und das Eziden-Zentrum im Ausland (Hannover)
angesehen; vgl. Gesellschaft für bedrohte Völker (Prieß), Auskunft an das OVG NRW
vom 26. Juni 2000; Wießner, Auskunft an VG Ansbach vom 12. Februar 1996
(vermutlich zum Kulturforum, als "Oldenburger Verein" bezeichnet); zu diesem
Problemkreis noch Religionszentrum der Yeziden / Zarathustra e.V., Bonn, Auskunft an
VG Wiesbaden vom 1. März 1991 und an VG Wiesbaden vom 28. Oktober 1991;
Auskunft vom 4. Januar 1992; Deniz, Aussage vor dem VG Minden am 1. Juli 1991;
Cengil und Deniz, Auskunft vom 11. November 1991; Cengil, Auskunft an VG Ansbach
vom 27. Februar 1992; Unterstützerkreis für yezidische Flüchtlinge Bremen, Auskunft an
VG Stade vom 20. November 1991 und Auskunft vom 27. Januar 1992; Prieß, Auskunft
an VG Schleswig vom 18. Januar 1992; Gesellschaft für bedrohte Völker, Auskunft an
VG Schleswig vom 6. Februar 1992; Wießner, Auskünfte an VG Schleswig und an VG
Kassel, jeweils vom 12. Februar 1992; Auskunft an OVG NRW vom 13. Dezember 1993;
an VG Kassel vom 5. Juli 1994; Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Frankfurt vom 2.
August 1994 und Bericht vom 17. Januar 1995; Gesprächsvermerk VG Oldenburg vom
5. September 1994; anders nur Kaya, Auskunft an VG Ansbach vom 17. März 1996;
zweifelhaft Grenzschutzdirektion Koblenz, Auskunft an Bundesamt vom 20. März 1996;
Jesidische Religionsgemeinschaft in Gießen, Auskunft an VG Gießen vom 28. März
1996; Union der Zarathustischen Yeziden in Emmerich und Umgebung, Auskunft vom
26. Juni 1998.
79
Ist die Abstammung eines Asylbewerbers von yezidischen Eltern zur Überzeugung des
Gerichts festgestellt, so muss - falls Anlass dazu besteht - ergänzend geprüft werden, ob
sich der Kläger vom yezidischen Glauben definitiv wieder abgewandt hat. Eindeutig
lässt sich dies nach den bereits zitierten Erkenntnisquellen allerdings nur annehmen,
wenn er durch Heirat mit einem nicht yezidischen Partner aus der
Religionsgemeinschaft ausgeschieden ist. Welche anderen Verhaltensweisen zu einem
eindeutigen und unwiderruflichen Ausschluss oder Austritt aus der
Glaubensgemeinschaft führen, lässt sich demgegenüber den dem Senat zur Verfügung
stehenden Materialien nicht entnehmen; in Frage käme etwa die Konversion zu einem
anderen Glauben, insbesondere dem Islam, ohne dass indes ohne weiteres die
Maßstäbe dafür, wann aus Sicht der Yeziden eine Konversion vorliegt und wann nur
eine äußerliche Anpassung mit der Rechtfertigung der "taqiye", mit letzter Klarheit
feststünden. Die Frage bedarf indes auch keiner weiteren Ermittlungen. Denn in
sämtlichen Fällen, in denen das Verhalten eines Yeziden Anlass zu der Frage bietet, ob
er seine Religionsgemeinschaft unwiderruflich verlassen hat, dürfte eine
Asylanerkennung ausscheiden, weil nicht mehr festgestellt werden kann, dass der
Asylbewerber seine Religion (noch) praktiziert (dazu 1.3.2.). Es ist nicht Sache des
Senats als eines staatlichen Gerichts, die von Mitgliedern der Religionsgemeinschaft
der Yeziden geäußerten Vorstellungen dazu, wann die Grenze der unwiderruflichen
Abwendung vom Glauben überschritten ist, in verbindliche Regeln zu fassen; im Fall der
Heirat mit einem nicht yezidischen Ehepartner sieht sich der Senat als zu der
Feststellung einer solchen Regel berechtigt, weil diese von allen Vertretern der
yezidischen Religion - mit der einzigen Ausnahme des Amir Muawiya ben Ismail al-
Yazidi - übereinstimmend als Inbegriff ihrer Exklusivität gewertet wird.
80
1.3.2. Von politischer Verfolgung bedroht sind (gebürtige) Yeziden nur dann, wenn sie
ihren Glauben praktizieren.
81
Die Feststellung einer Glaubenspraxis stößt jedoch auf die Schwierigkeit, dass der
yezidische Glaube zwar einerseits durch Orthopraxie und die Befolgung äußerlicher
Verhaltensweisen geprägt wird, dass aber andererseits feststeht, dass es keinen
einheitlichen Kanon von Glaubenssätzen und Verhaltensweisen gibt, der für alle
Yeziden gleichermaßen verbindlich und damit ein sicheres Anzeichen für das Vorliegen
einer religiösen Praxis wäre.
82
Wießner, Stellungnahme vom 18. Dezember 1988; Auskunft an OVG Bremen vom 17.
September 1993; Kreyenbroek, Yezidism, S. 17ff., 125, 136; Evangelische Kirche in
Deutschland, Die Yeziden, 1992, S. 3, 6; Düchting, Ates, Stirbt der Engel Pfau?, 1992,
S. 121ff.; Sternberg- Spohr, Gutachten vom 10. Februar 1988 S. 12f.
83
Die Gründe hierfür sind zunächst in dem Umstand zu sehen, dass die yezidische
Religion im Wesentlichen mündlich überliefert wird und schon deshalb eine größere
inhaltliche Variationsbreite entstanden ist als es bei einer Buchreligion möglich wäre.
84
Neben dem "Schwarzen Buch" und dem "Buch der Offenbarung" existiert zwar ein
Konglomerat von Texten ("Qewls"), die aber den Gläubigen in aller Regel nicht bekannt
sind und erst in jüngster Zeit erforscht werden: Kreyenbroek, Yezidism, Its Background,
Oberservances and Textual Tradition, 1995, S. IXff., 10ff. und S. 170-326; vgl. auch
Kizilhan, Die Yeziden S. 70f., 82ff., S. 140f. (Verbot der Schriftlichkeit bis vor 20 Jahren);
Evangelische Kirche in Deutschland, Die Yeziden, März 1992, S. 7; Düchting, Ates,
85
Stirbt der Engel Pfau?, 1992, S. 143.
Hinzu kommt, dass die strenge Einteilung der Gläubigen in Kasten von Laien und
Geistlichen - bei diesen wiederum in Kasten, deren Kenntnisstand hinsichtlich der
thelogischen Inhalte höchst unterschiedlich ist - dazu geführt hat, dass es in aller Regel
nur sehr wenige Personen in der Gesamtheit einer Generation gibt, die überhaupt
Zugang zu umfassenden Kenntnissen haben, und dass diese Kenntnisse zudem meist
nur an das erstgeborene Kind weitergegeben werden, weil nur dieses die erblichen
geistlichen Ämter übernehmen darf. Auch hat es stets zahlreiche Machtstreitigkeiten
innerhalb der yezidischen Gesellschaft gegeben mit der Folge, dass sich
unterschiedliche Sichtweisen über Inhalt und Bedeutung von Glaubensinhalten
herausgebildet haben. Schließlich hat die yezidische Gesellschaft in ihrer historischen
Entwicklung bis in die Gegenwart durchweg in starker örtlicher Zersplitterung und in
Anlehnung an verschiedene, sie schützende Stammes- oder Volksgruppen gelebt, so
dass es zur Ausbildung von unterschiedlichen örtlichen Glaubenspraktiken gekommen
ist.
86
Die Annahme, glaubensgebundener (praktizierender) Yezide könne nur sein, wer über
ein für alle Yeziden unterschiedslos und gleichermaßen gültiges Mindestwissen zu
gleichsam katalogartig abfragbaren Glaubensinhalten in nennenswertem Umfang
verfüge, lässt sich vor diesem Hintergrund nicht verifizieren.
87
Vgl. Evangelische Kirche in Deutschland, Die Yeziden, 1992, S. 6, 10, 12, 23; Kizilhan,
Die Yeziden, 1997, S. 47, 58, 139f.; Düchting, Ates, Stirbt der Engel Pfau?, 1992, S. 125;
Kreyenbroek, Yezidism, S. 17ff., 69; Müller, Kulturhistorische Studien zur Genese
pseudo-islamischer Sektengebilde in Vorderasien, 1967, S. 167.
88
Allen glaubensgebundenen Yeziden gemeinsam ist nach den dem Senat vorliegenden
Erkenntnissen lediglich das Wissen um Melek Taus - allerdings nicht notwendig unter
dieser Bezeichnung - als für den yezidischen Glauben zentrales höheres Wesen sowie
das Bewusstsein, in einer hierarchisch strukturierten und von engen persönlichen und
funktionalen Verflechtungen zwischen Geistlichen verschiedener Kasten und Laien
geprägten Gesellschaft einen unverrückbaren Platz innezuhaben. Diese beiden
Elemente sind auch solchen Yeziden geläufig, die nur über wenige konkrete Kenntnisse
im Übrigen verfügen; sie bilden unabhängig von der Kenntnis von Glaubenssätzen die
Grundlage für das Yezidentum. Das Praktizieren des yezidischen Glaubens äußert sich
- weit mehr als in der Befolgung bestimmter, für alle Yeziden gleicher Rituale - vor allem
darin, engen Kontakt zu den jedem Yeziden aus religiösen Gründen zugeordneten
Personen - Sheikh, Pir und möglicherweise auch "Bruder bzw. Schwester der Anderen
Welt" - zu halten und auf diese Weise, durch Innehaben der jedem Gläubigen
zugewiesenen Stelle in der Hierarchie der yezidischen Gesellschaft, die Bindung an die
Religion zu äußern und zu halten. Wer über dieses Eingebundensein in eine religiöse
Gemeinschaft und seinen Platz in diesem System keine Auskunft erteilen kann,
begründet erhebliche, im Regelfall nicht überwindliche Zweifel an seiner Behauptung,
den yezidischen Glauben zu praktizieren.
89
Sternberg-Spohr, Gutachten 10. Februar 1988, S. 12f.; Kreyenbroek, Yezidism, S. 125,
135, 17ff.; Düchting, Ates, Stirbt der Engel Pfau?, S. 269, vgl. auch S. 111 und 125;
Wießner, Auskunft an VG Braunschweig vom 5. Dezember 1983; ders., "in das tötende
Licht einer fremden Welt gewandert", in: Schneider (Hrsg.), Die kurdischen Yezidi, 1984,
S. 31 (40ff.); vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 10. Januar 1994 - 11 L 4444/93 -
90
und OVG NRW, Beschluss vom 2. Juli 1996 - 25 A 2348/96.A -: Wer den Namen des
Satans ausspricht, ist nicht praktizierender Yezide.
Welche weiteren konkreten Kenntnisse über yezidische Glaubensinhalte ein Yezide
haben muss, um als praktizierender Gläubiger angesehen werden zu können, lässt sich
demgegenüber nicht mit dem Anspruch allgemeiner Verbindlichkeit für alle Yeziden
bezeichnen. Zwar würde das gänzliche oder weit gehende Fehlen jeglicher weiter
gehender Kenntnisse Zweifel an der religiösen Bindung und Praxis des Asylbewerbers
begründen.
91
Vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 16. September 1996 - 12 UE
3033/95 - ESVGH 47, 78: Der Asylbewerber muss von sich aus umfassend und
substantiiert auch zur Frage der Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft vortragen.
92
Dennoch lässt sich aus einzelnen "falschen" Antworten nicht mit Verlässlichkeit die
Schlussfolgerung ableiten, der Asylbewerber habe den Nachweis seiner praktizierten
Religionszugehörigkeit verfehlt, weil ein für alle Yeziden verbindlicher Kanon von
Glaubensinhalten - über die beiden als allgemein gültig bezeichneten Elemente hinaus
- nicht formuliert werden kann.
93
So lässt sich beispielsweise den vorliegenden Erkenntnismitteln entnehmen, dass
innerhalb der yezidischen Glaubensgemeinschaft nicht einmal Einigkeit über die Rolle
des von vielen als Religionsstifter bezeichneten Sheikh Adi besteht, ebenso wenig über
die Bezeichnung der Engel - sei es als Gestalten der Mythologie oder als menschliche
Reinkarnationen mythischer Wesen -, über die Frage, ob die yezidische Religion auf
einer Seelenwanderungslehre beruhe oder (stattdessen oder zusätzlich) die Konzepte
von Hölle und Paradies kenne. Auch die Rolle des Zarathustra wie überhaupt der
Einfluss zahlreicher anderer religiöser Strömungen wird unterschiedlich gesehen, und
selbst das Konzept - bis hin zur genauen Bezeichnung - des Melek Taus ist
uneinheitlich, widersprüchlich und wird von vielen Laien - abgesehen von dem allen
Yeziden gemeinsamen Bewusstsein, dass Melek Taus die für ihre Religion zentrale
Figur ist - nicht verstanden.
94
Hierzu und zum Kastenwesen: Kreyenbroek, Yezidism S. 69ff., 147 und passim;
Evangelische Kirche, Die Yeziden, S. 7ff.; Kizilhan, Die Yeziden S. 17, 62ff., 94ff., 103ff.;
Düchting, Ates, Stirbt der Engel Pfau? S. 128ff. (insbesondere zu Melek Taus), 133ff.,
141ff., 154ff.; Emir Muawiya, Zarathustra zu uns sprach, S. 20; Müller, Kulturhistorische
Studien zur Genese pseudo-islamischer Sektengebilde in Vorderasien, 1967, S. 142ff.,
187ff.; zum Einfluss fremder Religionen ausführlich Düchting, Ates, a.a.O. S. 17-72 und
Kreyenbroek, a.a.O. S. VIIff. und passim, etwa 45, 52ff.
95
Erst recht variieren die - jeweils von Vertretern des yezidischen Glaubens geäußerten
und von der orientalistischen Forschung oder den Gerichten festgestellten - Aussagen
über die Gestaltung des religiösen Alltags in Familie und Gesellschaft, über religiöse
Feste, Gepflogenheiten und Tabus. So besteht keineswegs Einigkeit über die vielen
Yeziden in unterschiedlichen Spielarten geläufigen Speise- und Bekleidungstabus, über
Notwendigkeit, Begründung und äußeren Ablauf von Fastentagen oder über
Notwendigkeit, Häufigkeit und Inhalte des Gebets. Selbst die Frage, welcher Wochentag
als heilig oder Ruhetag einzustufen ist, wird unterschiedlich beantwortet (Mittwoch,
Samstag, Freitag).
96
Allgemein Düchting, Ates, Stirbt der Engel Pfau? S. 145, 169f.; Kreyenbroek, Yezidism
S. 145; zum Familienleben als religiöse Praxis: Evangelische Kirche, Die Yeziden, S.
20ff.; Kizilhan, Die Yeziden, S. 92, 103ff.; Müller, Kulturhistorische Studien zur Genese
pseudo-islamischer Sektengebilde in Vorderasien, 1967, S. 194f.; Düchting, Ates, Stirbt
der Engel Pfau?, S. 146ff., 177 und passim; zum Fasten und zu religiösen Festen:
Evangelische Kirche, Die Yeziden, S. 15ff.; Kizilhan, Die Yeziden, S. 17, 87, 91; Müller,
Kulturhistorische Studien, S. 175ff., 182f.; Düchting, Ates, Stirbt der Engel Pfau?, S. 134,
153; zu Tabus: Kreyenbroek, Yezidism S. 147ff. ("sich an so viele Tabus wie möglich zu
erinnern, kann geradezu zu einem Spiel für Yeziden werden, wenn sie Forschern über
ihren Glauben berichten"); Evangelische Kirche, Die Yeziden, S. 18f.; Müller,
Kulturhistorische Studien, S. 184f.; Düchting, Ates, Stirbt der Engel Pfau?, S. 170ff.; zu
Gebet und Ruhetag: Kreyenbroek, Yezidism, S. 69ff. (Gebet spielt eine untergeordnete
Rolle); Evangelische Kirche, Die Yeziden, S. 15; Müller, Kulturhistorische Studien S.
181, Düchting, Ates, Stirbt der Engel Pfau?, S. 152, 169; Emir Muawiya, Zarathustra zu
uns sprach, S. 63.
97
Eine Hilfe bieten auch die Kataloge der als wesentlich eingestuften Glaubensinhalte
nicht, die in den Jahren um 1870 bis 1880 in dem Bemühen aufgestellt wurden,
Sonderregeln für Yeziden bei der Ableistung des Militärdienstes zu schaffen, da sie von
der Entwicklung - die durch einen stetigen Rückgang des religiösen Wissens bei den
Gläubigen gekennzeichnet ist - überholt sind.
98
Abgedruckt bei Kreyenbroek, Yezidism S. 6f. und 8ff., sowie bei Kizilhan, Die Yeziden
S. 48f.; vgl. Wießner, Auskunft an VG Braunschweig vom 5. Dezember 1983.
99
Ob ein Asylbewerber den Nachweis seiner Glaubensgebundenheit als praktizierender
Yezide erbracht hat oder nicht, hängt vor diesem Hintergrund nicht davon ab, ob er
einzelne, mit den zur Verfügung stehenden Erkenntnissen über die yezidische Religion
nicht oder nicht vollständig übereinstimmende Angaben zu konkreten Glaubenssätzen
oder Verhaltensweisen gemacht hat, sofern er erkennen lässt, dass er über seine
Einordnung in die yezidische Gesellschaft und die Verehrung des weltbewahrenden
Engels Melek Taus informiert ist. Es muss vielmehr eine Gesamtbewertung seines
Vortrags und Verhaltens im Verfahren und in der mündlichen Verhandlung
vorgenommen werden; dabei kann auch die Art und Weise seiner Reaktion auf Fragen
nach religiösen Kenntnissen und nach der religiösen Erziehung von Bedeutung sein.
Ebenfalls in die Bewertung einzubeziehen sind die Stellung des Asylbewerbers im
Kastensystem der Yeziden, die seine Möglichkeiten, religiöse Kenntnisse zu erwerben,
maßgeblich bestimmt, sowie sein Alter und die Frage, ob er seine religiöse Prägung
noch in der Türkei oder schon in Deutschland erfahren hat. Hat er im maßgeblichen
Alter - als Jugendlicher oder junger Erwachsener - noch in der Türkei gelebt, ist zu
fragen, ob der Erwerb religiöser Kenntnisse (noch) unbehindert in einer geschützten
yezidischen Umgebung erfolgen konnte oder schon von dem auf die Yeziden
ausgeübten Vertreibungsdruck geprägt war und möglicherweise von dem Bemühen
seiner religiösen Unterweiser, zu seinem Schutz vom Institut der taqiye so weit wie
zulässig Gebrauch zu machen. Ist hingegen der Erwerb religiöser Kenntnisse
maßgeblich erst in Deutschland erfolgt, so wird einerseits zu berücksichtigen sein, dass
die traditionellen Zuordnungen von Laien und Geistlichen im Exil möglicherweise
gestört, entgegen der ursprünglich als unabänderlich angesehenen persönlichen
Verbindung verändert oder teilweise unterbrochen waren und dass die Vermittlung
insbesondere von nicht weiter erklärten Verhaltenstabus in einer rationalen, von
Skepsis gegenüber religiösen Geboten geprägten Umgebung auf besondere
100
Schwierigkeiten stoßen mag. Andererseits mag das Fehlen religiöser Verfolgung dazu
führen, eine Glaubensbindung umfassender zu vermitteln als dies unter den in der
Türkei herrschenden Bedingungen möglich ist.
Zum Maßstab bei jugendlichen Betroffenen OVG Lüneburg, Urteil vom 24. September
1998 - 11 L 6819/96 -; Urteil vom 29. Mai 1997 - 11 L 6286/91 -; VG Dresden, Urteil vom
23. Juli 1999 - A 4 K 30485/96 -; vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 1993 - 9 C 8.93 -,
DVBl 1994, 60.
101
1.3.3. Nach diesen Maßstäben steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger
Yezide ist und seinen Glauben praktiziert.
102
Die Familie des Klägers stammt aus dem Dorf Cilesiz (kurdisch: Mezre), dessen
Bevölkerung in der Zeit zwischen 1980 und 1993 von 80 auf 18 yezidische Familien, bis
1999 schließlich auf etwa zehn Familien mit vorwiegend älteren Personen
zurückgegangen ist; muslimische Einwohner lebten dort nicht. Nach dem Reisebericht
einer Delegation, die die yezidischen Gebiete zwischen dem 5. und 13. Mai 1989
bereist hat, habe sich ein muslimischer Hirte geweigert, in dem rein yezidischen Dorf die
Tiere zu hüten, weil sie dort "unrein" seien; die Agas der umliegenden muslimischen
Dörfer hätten das Dorfgebiet von Mezre bereits unter sich aufgeteilt.
103
Sternberg-Spohr, Dokumentation vom 31. Oktober 1993 ("Bestandsaufnahme der
Restbevölkerung der Volksgruppen der kurdischen Ezdi und der christlichen Assyrer in
der Süd-Ost-Türkei im März 1993", aktualisierte Fassung Oktober 1993, S. 23; Bericht
über eine Konsultationsreise (Teilnehmer u.a. Gisela und Werner Prieß), Mai 1989, S. 8-
10. Die Bevölkerungszahl wird in dem Bericht für 1989 mit 24 von ehemals 60 Familien
angegeben. Für August 1999: Baris, Gutachten an VG Gelsenkirchen vom 27.
November 1999, S. 22
104
Diese Erkenntnisse belegen, dass die Eltern des Klägers Yeziden sind bzw. waren, so
dass auch der Kläger als Angehöriger dieser Glaubensgemeinschaft geboren wurde.
Dagegen spricht auch die vom Kläger berichtete Tatsache nicht, dass in seinem Nüfus
als Religionszugehörigkeit "Islam" eingetragen war, denn viele Yeziden versuchen so,
ihren Glauben verborgen zu halten. Dass auch die Eltern des Klägers ihren Sohn auf
diese Weise vor Schwierigkeiten schützen wollten, ist daher nicht ungewöhnlich und
vom Kläger auch ausdrücklich berichtet worden.
105
Vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Schleswig vom 1. Dezember 1988; Auskunft an
VG Wiesbaden vom 23. August 1989; Taylan, Gutachten für VG Schleswig vom 30.
September 1988; Sternberg-Spohr, Gutachten für Bayer. VGH vom 10. November 1993.
106
Der Kläger hat sich von seinem Glauben nicht in einer unwiderruflichen Art und Weise -
etwa durch Konversion zu einem anderen Glauben - abgewandt.
107
Der Kläger hat den Senat auch davon überzeugen können, dass er seinen Glauben
äußerlich erkennbar praktiziert. Schon in der Anhörung vor dem Bundesamt hat er
Kenntnisse über die yezidische Religion nachgewiesen, die sowohl die grundlegenden
Elemente - Verehrung des Melek Taus und Verwurzelung in der religiös geprägten
hierarchischen Gesellschaftsstruktur der Yeziden - als auch zahlreiche Details
umfassten. Diese Kenntnisse vermochte er in der mündlichen Verhandlung
widerspruchsfrei zu wiederholen und um eine große Zahl weiterer Einzelheiten zu
108
grundlegenden Glaubenfragen, aber auch zu Randfragen religiöser Bräuche sehr
umfassend zu ergänzen. So hat er beispielsweise über das Institut des Bruders bzw. der
Schwester "für die Andere Welt", aber auch über Einzelheiten der "Taufe" ("bisk") und
der Rituale anlässlich des Todes, etwa die Verwendung von "berat", sowie über
religiöse Feste berichten können. Auch durch sein Aussageverhalten hat er den
Eindruck vermittelt, in seinem Glauben verwurzelt und von der Richtigkeit seiner
Überzeugung durchdrungen zu sein. Dafür spricht schon, dass der Kläger in der
mündlichen Verhandlung von sich aus lediglich über äußere Abläufe und ihm im
Zusammenhang mit seiner kurdischen Volkszugehörigkeit widerfahrenen Ereignisse
berichtete, nicht aber über seinen Glauben, dass er aber, nachdem er zu einer
Stellungnahme auch zu diesem Thema aufgefordert worden war, umfangreich und
detailliert geantwortet hat. Die zunächst sehr deutliche und dem Wesen des Klägers
offenbar eigene Zurückhaltung, über den Glauben überhaupt zu sprechen, hat er im
Verlauf der mündlichen Verhandlung vollständig aufgegeben und dabei Formulierungen
verwendet, die erkennbar werden ließen, dass er nicht nur erlerntes Wissen
präsentierte, sondern persönliche Überzeugungen äußerte. Auch hat er die Wiedergabe
des Inhalts wichtiger Gebete durch Gesten begleitet, die den Eindruck erweckten, der
Kläger berichte nicht nur über Gebete, sondern spreche diese - für ihn heiligen - Texte
als Gebet. Schließlich scheute sich der Kläger nicht, auch solche Angaben über seinen
Glauben zu machen, die von der weit überwiegenden Zahl der Quellen über die
religiösen Inhalte des Yezidentums abwichen und deshalb das Risiko bargen, vom
Senat als "falsch" eingestuft zu werden, die aber seiner Überzeugung entsprachen. Dies
betrifft insbesondere seine Ausführungen zur Möglichkeit einer Heirat auch außerhalb
der yezidischen Gemeinschaft, die von fast allen Yeziden strikt abgelehnt wird. Mit den
Bemerkungen hierzu hat der Kläger zu erkennen gegeben, dass er Anhänger
derjenigen yezidischen Glaubenslehre ist, die diese Religion in wesentlichen Teilen auf
Zarathustra zurückführt und in Deutschland vom Religionszentrum der Yeziden /
Zarathustra e.V. (Prinz Muawiya) vertreten wird. Dass diese Einordnung für den Kläger
wichtig ist und als verbindlich empfunden wird, war auch daran zu erkennen, dass die
einzige nicht auf eine unmittelbare Frage zurückgehende Bemerkung des Klägers in
dem Satz bestand "Meine Religion ist Zerdust", also in der Bezugnahme auf Zarathustra
(kurdisch zerdust). Es war deutlich, dass der Kläger die Ausführungen des Amir
Muawiya in dessen Schrift "Zarathustra zu uns sprach" als für ihn verbindlich ansieht
und sie nicht etwa aus taktischen Rücksichten aus seinem Vortrag ausklammern wollte.
Amir Muawiya ben Ismail al-Yazidi, Zarathustra zu uns sprach, deutsche Fassung
November 1990, S. 64; zu den kritischen Stimmen hierzu schon oben 1.3.1.
109
Für diese Einordnung des Klägers in eine von dem weit überwiegenden,
gewissermaßen "orthodoxen" Teil der yezidischen theologischen Literatur abweichende
Glaubensrichtung spricht im Übrigen auch, dass er im Verfahren eine am 28. Juli 1994
durch den Präsidenten des "Religiösen Zentrums der Yeziden / Zarathustra", Prinz
Anwar bin Muawia Al Yezidi, ausgestellte Bescheinigung über die Zugehörigkeit zur
Religionsgemeinschaft der Yeziden vorgelegt hat. Nach der Einschätzung des Senats
sind Bescheinigung dieses Ausstellers zwar grundsätzlich als unzuverlässig
einzustufen, so dass die Zugehörigkeit zur yezidischen Religionsgemeinschaft allein auf
eine solche Bescheinigung nicht gestützt werden kann. Dem widerspricht indes nicht,
dass es möglich ist, aus einer derartigen Bescheinigung im Zusammenhang mit
anderen Äußerungen eines Asylbewerbers im Verfahren Rückschlüsse auf seine
Einstellung zum yezidischen Glauben und seine Glaubenspraxis zu ziehen. Dies trifft
auch auf den vorliegenden Fall zu.
110
Die Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat auch
ergeben, dass seine Familie in der Türkei zwar offenbar bemüht war, ihre
Religionszugehörigkeit und Glaubenspraxis so weit wie möglich zu verbergen,
gleichzeitig aber die notwendigen Glaubensäußerungen weiter gepflegt hat. Dies ergibt
sich etwa aus dem - lebendigen und mit Einzelheiten versehenen - Bericht des Klägers
über die Bezahlung der jährlichen Abgaben an den Scheich, die dieser entweder
abholte oder die ihm, wenn er nicht kommen konnte, vom Großvater des Klägers
persönlich überbracht wurden. In dieselbe Richtung weisen einige weitere Äußerungen
des Klägers sowie der schon oben erwähnte Umstand, dass in seinen Nüfus als
Religionszugehörigkeit "Islam" eingetragen war; auch dieses für ihn möglicherweise
"risikoträchtige" Detail hat der Kläger unbefangen vorgetragen, obwohl dem Senat eine
Nachprüfung nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund ist der Senat davon überzeugt,
dass der Kläger einer Familie entstammt, die stets bemüht war, ihre
Religionszugehörigkeit im Verborgenen zu halten, an ihre Kinder nur das Nötigste
weitergegeben hat, ohne sich aber von der Religion abzuwenden. Auf dieser Grundlage
hat der Kläger sein religiöses Wissen und seine Glaubenspraxis in Deutschland
erheblich ausgeweitet; bei einer Rückkehr in die Türkei wäre er nach Einschätzung des
Senats nicht mehr in der Lage, erneut eine nach außen in keiner Weise erkennbare
Glaubenspraxis zu entfalten.
111
Der Umstand, dass die Geschwister des Klägers - jedenfalls die Brüder, die Schweizer
Staatsangehörige nichtyezidischer Religionszugehörigkeit geheiratet haben - den
yezidischen Glauben möglicherweise nicht mehr praktizieren, spricht nicht gegen die
Einstufung des Klägers als praktizierender Yezide. Denn anders als bei der durch
Geburt vermittelten bloßen Religionszugehörigkeit kann es bei der Beurteilung der
Glaubenspraxis selbstverständlich zu abweichenden Ergebnissen für die einzelnen
Angehörigen einer Familie kommen. Wenn sich mehrere Kinder einer Familie von ihrem
Glauben abwenden, so rechtfertigt dies nicht die Vermutung, dass dasselbe auch für
alle Geschwister zu gelten hat.
112
Es kann offen bleiben, ob dem Kläger Abschiebungsschutz auch im Hinblick auf die von
ihm geschilderten Zusammenstöße mit Sicherheitskräften vor seiner Ausreise aus der
Türkei zu gewähren wäre, da es hierauf nicht mehr ankommt. Dasselbe gilt für
exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in Deutschland.
113
2. Aus den Ausführungen zu der Berufung des Klägers ergibt sich zugleich, dass die
Berufung der Beklagten, soweit sie die Aufhebung von Ziffer 2 und die Aufhebung der
Abschiebungsandrohung in die Türkei in Ziffer 4 des angegriffenen Bescheids betrifft,
unbegründet ist, hinsichtlich der Ziffer 4 des Bescheids im Übrigen dagegen Erfolg hat.
114
Vgl. Senatsurteil vom 30. September 1996 - 25 A 790/96.A -, NVwZ 1997, 1141, m.w.N.
115
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag hinsichtlich § 53 AuslG bedarf es nicht, da die
Klage schon im Hauptantrag Erfolg hat.
116
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 83
b Abs. 1 AsylVfG. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
117
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
118
nicht gegeben sind.