Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 05.04.2005

OVG NRW: aufschiebende wirkung, vollziehung, härte, hochschule, immatrikulation, abgeltung, studiengebühr, lehrmittel, bad, versendung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 8 B 220/05
05.04.2005
Oberverwaltungsgericht NRW
8. Senat
Beschluss
8 B 220/05
Verwaltungsgericht Arnsberg, 12 L 1671/04
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 17. Januar 2005 wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 162,50 EUR
festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der
Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die ablehnende
Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende
Wirkung eines Rechtsbehelfs anordnen, wenn das Aussetzungsinteresse des
Antragstellers das öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt. Dies ist im Fall der
Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO)
entsprechend der für die Aussetzung der Vollziehung durch die Behörde geltenden
Regelung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO in der Regel anzunehmen, wenn ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen oder die Vollziehung des
angegriffenen Bescheides für den Gebührenpflichtigen eine unbillige, nicht durch
überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in
diesem Sinne bestehen allerdings nur dann, wenn aufgrund summarischer Prüfung der
Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren
wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen; ist der Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens
offen, kann die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet werden.
Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass weder ernstliche Zweifel
an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Gebührenbescheides bestehen, noch dessen
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Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige Härte darstellt.
Rechtsgrundlage für die Erhebung der angegriffenen Studiengebühr ist §§ 9 Abs. 1 Satz 1,
13 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 StKFG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 RVO- StKFG NRW, §§ 1, 5
Abs. 2 Fern- und Verbundstudien - RVO NRW (FVSt-RVO NRW), § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 5 der
Gebührensatzung für die FernUniversität in I. (GebS FU). Danach wird auch von
Studierenden, die an der FernUniversität I. studieren und denen kein Studienguthaben zur
Verfügung steht, für jedes Vollzeitsemester eine Gebühr von 650,00 EUR erhoben. Nach
§§ 4 Abs. 2, 6 StKFG wird das Studienguthaben durch Regelabbuchungen je
Hochschulsemester innerhalb der eineinhalbfachen Regelstudienzeit für den gewählten
Studiengang verbraucht.
Unstreitig hat der Antragsteller seit dem Wintersemester 1994/1995 bis zum
Sommersemester 2004 bereits achtzehn Hochschulsemester an der FernUniversität I.
absolviert und damit - auch bei Außerachtlassung eines Orientierungssemesters nach § 2
Abs. 3 StKFG und einer nur halbwertigen Anrechnung von zwei Teilzeitstudiensemestern -
die eineinhalbfache Regelstudienzeit für den Bachelor- Studiengang Informatik von
gerundet vierzehn Semestern überschritten. Entgegen der Auffassung des Antragstellers
begegnet die Annahme des Antragsgegners, der Antragsteller habe damit sein
Studienguthaben verbraucht und sei im Wintersemester 2004/2005 gebührenpflichtig nach
§ 9 Abs. 1 StKFG, nicht deshalb ernstlichen Zweifel, weil nach § 6 Abs. 1 Satz 4 StKFG auf
den entsprechenden Antrag des Antragstellers für die bereits absolvierten Semester keine
Regelabbuchungen von seinem Studienkonto vorzunehmen wären.
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 4 StKFG bleiben im Rahmen der Regelabbuchungen solche
Semester unberücksichtigt, für die Studiengebühren erhoben wurden. Der Antragsteller
verweist insofern auf die im Rahmen des Studiums an der FernUniversität I. nach § 3a
HGebG vom 26. Januar 1982 in der jeweils geltenden Fassung erhobenen Gebühren für
den Bezug von Fernstudienmaterial (ab Sommersemester 2004: Gebühr für Fernstudien
nach § 13 Abs. 2 StKFG i.V.m. § 2 FVSt-RVO NRW, § 2 GebS FU). Diese Gebühren setzen
sich zusammen aus einer Grundgebühr (§ 3a Abs. 1 und 2 HGebG: 90,00 EUR inclusive
des Kursmaterials für zehn Kurseinheiten; § 2 Abs. 1 lit. a) GebS FU: 30,00 EUR) sowie
einer weiteren Gebühr für jede (darüber hinaus) in Anspruch genommene Kurseinheit (§ 3a
Abs. 3 HGebG: 9,00 EUR; § 2 Abs. 1 lit. b) GebS FU: 13,50 EUR). Wird ein Kurs nicht in
Form der Übersendung von Studienmaterial, sondern als Präsenzveranstaltung
durchgeführt, fallen keine Bezugsgebühren an (§ 2 Abs. 2 GebS FU).
Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung
sind jedenfalls überwiegende Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs des
Antragstellers nicht feststellbar. Die Rechtsauffassung des Antragsgegners, die
Bezugsgebühren nach § 3a HGebG/§ 2 GebS FU stellten keine Studiengebühren im Sinne
von § 6 Abs. 1 Satz 4 StKFG dar, begegnet keinen ernstlichen Zweifel. Sie wird getragen
von § 10 HG, der in Kenntnis der bereits seit 1982 durch die FernUniversität I. erhobenen
Bezugsgebühren die Studiengebührenfreiheit jedes ersten berufsqualifizierenden
Studiums normiert hat; es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er die Erhebung der
Bezugsgebühren ausschließen wollte. Studiengebühren wie die nach § 9 Abs. 1 StKFG
werden als Benutzungsgebühren für die Nutzung der Hochschule und ihrer Einrichtungen
angesehen. Dies ergibt sich bereits aus der Anknüpfung der Gebührenerhebung an die
Immatrikulation oder Rückmeldung (§§ 13 Abs. 1 Satz 2 StKFG i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1
RVO-StKFG NRW), die den Beginn der Benutzung der Hochschule als staatliche
Einrichtung darstellt. Sie stellen sich damit als Abgeltung des Vorteils dar, der mit der
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Immatrikulation oder Rückmeldung erworben wird, nämlich der Möglichkeit, das
Lehrangebot sowie die Lehrmittel der Hochschule und deren sonstige Einrichtungen in
Anspruch zu nehmen zu können.
Vgl. VGH Bad.- Württ., Urteil vom 6. April 2000 - 2 S 1860/99 -, DVBl 2000, 1782 (1785);
BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - 6 C 8.00 -, DVBl 2002, 60 (65); BVerfG, Urteil vom 19.
März 2003 - 2 BvL 9, 10, 11, 12/98 -, BVerfGE 108, 1 (29 f.); OVG NRW, Urteil vom 1.
Dezember 2004 - 8 A 3358/04 -, S. 26 des UA.
Zwar entsteht auch die Grundgebühr nach § 3a Abs. 1 HGebG/§ 2 Abs. 1 lit. a) GebS FU
gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 HGebG/§ 8 Abs. 1 Nr. 1 GebS FU mit der Einschreibung,
Rückmeldung oder Zulassung bei der Fernuniversität, während die Gebühren für weitere
Kurseinheiten nach § 3a Abs. 3 HGebG/§ 2 Abs. 1 lit. b) GebS FU gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6
HGebG/§ 8 Abs. 1 Nr. 2 GebS FU mit der Belegung entstehen. Diese Gebühren
unterscheiden sich jedoch insoweit von (allgemeinen) Studiengebühren, als sie der
(anteiligen) Deckung eines spezifischen, an Präsenzuniversitäten regelmäßig nicht
entstehenden Kostenaufwandes, nämlich der Herstellung und Versendung von
Studienmaterial dienen. Die allgemeinen Kosten der FernUniversität für Lehre und
Forschung werden bei der Gebührenbemessung nicht berücksichtigt. Dies gilt auch für die
(pauschale) Grundgebühr, die - wie auch der Antragsteller vorträgt - ebenso wie die
weiteren Kursgebühren nach den Vorgaben des Landeshaushaltes (Titel 06 260
Fernuniversität I. ) nur zur Finanzierung der Herstellung und des Versands von
Fernstudienmaterial eingesetzt werden darf. Damit knüpfen die Gebühren nach § 3a
HGebG/§ 2 GebS FU an eine besondere technische Leistung der FernUniversität I. an, die
es den Studierenden ermöglicht, das Lehrangebot zu Hause zu nutzen, und den Erwerb
von sonstiger Fachliteratur in erheblichem Umfang entbehrlich machen dürfte. Sie betreffen
die besonderen Rahmenbedingungen eines Fernstudiums, dienen aber nicht der
Abgeltung des Vorteils, der in der Inanspruchnahme des Lehrangebots als solchem sowie
der sonstigen Hochschuleinrichtungen liegt.
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 9. März 1988 - 9 A 58/87 -, S. 10 ff. des UA, und vom 4. Januar
1989 - 9 A 1519/88 -, S. 14 ff. des UA.
Diese besondere Zielsetzung der Bezugsgebühren nach § 3a HGebG/§ 2 GebS FU lässt
es bei summarischer Prüfung gerechtfertigt erscheinen, sie nicht als Studiengebühr im
Sinne des Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes anzusehen mit der Folge, dass ihre
Entrichtung einer gleichzeitigen Vornahme von Regelabbuchungen vom Studienkonto
nach § 6 StKFG nicht entgegensteht.
Dieses Ergebnis dürfte auch der Intention des Gesetzgebers entsprechen, die sich im
Studienkonten- und -finanzierungsgesetz niedergeschlagen hat. Stünden die für den Bezug
von Fernstudienmaterial zu entrichtenden Gebühren (Grundgebühr und kursgebundene
Gebühren) der Vornahme von Regelabbuchungen nach § 6 StKFG entgegen, bliebe das
Studienguthaben eines Studierenden an der FernUniversität I. auf Dauer unangetastet;
eine Gebührenpflicht nach § 9 StKFG träte auch bei längerer Studiendauer nicht ein. Dies
käme einer Unanwendbarkeit des Studienkontensystems auf Studierende an der
FernUniversität I. gleich. Da der Gesetzgeber bei Erlass des Studienkonten- und -
finanzierungsgesetzes jedoch die Besonderheiten von Fernstudiengängen offensichtlich
gesehen hat (vgl. den dem Studienkonten- und -finanzierungsgesetz vorangestellten Artikel
1 - Aufhebung des Hochschulgebührengesetzes -, § 13 Abs. 2 StKFG), kann davon
ausgegangen werden, dass er eine ausdrückliche Ausnahmeregelung zugunsten des
besonderen Gebühren unterliegenden Fernstudiums getroffen hätte, wenn eine weitere
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Gebührenbelastung dieser Studierenden bei überlanger Studiendauer tatsächlich nicht
gewollt wäre.
Umstände, die die Vollziehung des Gebührenbescheides als eine für den Antragsteller
unbillige Härte erscheinen lassen und deshalb eine Anordnung der aufschiebenden
Wirkung rechtfertigen könnten, hat der Antragsteller nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3
Satz 3 GKG).