Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.08.2010
OVG NRW (amt, beurteilung, abwertung, stellungnahme, polizei, begründung, vergleich, beschwerde, anordnung, gewicht)
Oberverwaltungsgericht NRW, 6 B 858/10
Datum:
18.08.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 B 858/10
Schlagworte:
Polizeioberkommissar Qualifikationsvergleich Regelbeurteilung
Statusamt Gewichtung Anlassbeurteilung
Leitsätze:
Erfolglose Beschwerde gegen die einstweilige Anordnung des
Verwaltungsgerichts in einem Konkurrentenstreitverfahren um die
Besetzung von Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 11 BBesO
im Bereich der Polizei.
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese
jeweils selbst tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf
deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen
keine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.
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Das Verwaltungsgericht hat es dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen
Anordnung untersagt, zwei der dem Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und
Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen zum 1. März 2010
zugewiesenen Beförderungsplanstellen der Besoldungsgruppe A 11 BBesO mit den
Beigeladenen zu besetzen, bevor nicht insoweit eine erneute Auswahlentscheidung
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts getroffen worden ist. Zur
Begründung hat es ausgeführt, der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch
glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Die
streitgegenständliche Auswahlentscheidung begegne durchgreifenden rechtlichen
Bedenken. Der Antragsteller sei in seiner aktuellen - zum Stichtag 1. August 2008
erstellten - Regelbeurteilung im Amt der Besoldungsgruppe A 9 BBesO mit fünf
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Punkten, die Beigeladenen seien in ihren aktuellen Regelbeurteilungen im Amt der
Besoldungsgruppe A 10 BBesO jeweils mit drei Punkten beurteilt worden. Die
Einstufung des im Dezember 2008 zum Polizeioberkommissar beförderten
Antragstellers als im Vergleich zu den Beigeladenen leistungsschwächer sei fehlerhaft.
Der Antragsgegner habe die vorgenommene Abwertung seiner aktuellen
Regelbeurteilung von fünf auf drei Punkte nicht in der gebotenen Weise plausibilisiert.
Die vom Antragsgegner hiergegen erhobenen Einwände rechtfertigen die Abänderung
des angefochtenen Beschlusses nicht.
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Beim vorzunehmenden wertenden Vergleich zwischen den im Amt der
Besoldungsgruppe A 10 BBesO erstellten Regelbeurteilungen der Beigeladenen und
der im Amt der Besoldungsgruppe A 9 BBesO erstellten Regelbeurteilung des
Antragstellers ist davon auszugehen, dass der in einem höherwertigen Amt erzielten
dienstlichen Beurteilung ein höheres Gewicht zukommt als der gleichlautenden
Beurteilung eines Mitbewerbers in einem niedrigeren Amt. Dem liegt die Überlegung
zugrunde, dass mit dem höherwertigen Amt höhere Leistungs- und
Befähigungsanforderungen verbunden sind und der Maßstab für die dienstlichen
Beurteilungen sich nach dem innegehaltenen Amt im statusrechtlichen Sinne bestimmt.
Dementsprechend muss sich die Gewichtung der in unterschiedlichen Statusämtern
erteilten Beurteilungen an den abstrakten Anforderungen dieser Statusämter orientieren.
Insoweit entspricht es - insbesondere, aber nicht nur beim wertenden Vergleich von
Vorbeurteilungen - weit verbreiteter, von der Rechtsprechung gebilligter Praxis, die um
einen Punktwert besser ausgefallene Beurteilung im rangniedrigeren Amt der im
ranghöheren Amt erteilten Beurteilung gleichzustellen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2010 - 6 B 677/10 -, m.w.N., juris.
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Demgegenüber ist es zwar aus Rechtsgründen nicht von vornherein ausgeschlossen,
aber ohne nähere Begründung nicht plausibel, eine Abwertung um zwei Punkte
vorzunehmen. Es ist Aufgabe des Dienstherrn, nach Maßgabe des Prinzips der
Bestenauslese die Leistungen der Konkurrenten miteinander zu vergleichen. Die
wertende Entscheidung, welchen Umständen er dabei welches Gewicht beimisst,
kontrolliert das Gericht nur begrenzt, insbesondere auf Willkürfreiheit. Allerdings hat die
für eine derartige Wertung erforderliche Plausibilisierung unter anderem zu
berücksichtigen, dass es - wie dargestellt - im Bereich der Polizeibeamten in Nordrhein-
Westfalen der weit verbreiteten Verwaltungspraxis entspricht, das Ergebnis einer
Beurteilung im niedrigeren Amt einer um einen Punkt niedrigeren Beurteilung im
höheren Amt gleichzustellen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2010 - 6 B 677/10 -, m.w.N., juris.
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Der Antragsgegner stellt die Erforderlichkeit der Plausibilisierung der Abwertung der
Regelbeurteilung des Antragstellers um zwei Punkte dem Grunde nach nicht
durchgreifend in Frage. Fehl geht allerdings seine Annahme, diese Abwertung werde
durch das "abweichende Votum" des Polizeipräsidenten T. vom 12. November 2009
zum Beurteilungsbeitrag der Erstbeurteilerin vom 4. November 2009 plausibilisiert.
Zutreffend hat bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Stellungnahme des
Polizeipräsidenten T. ihrem Kern nach lediglich den bloßen Hinweis auf die
Unverbindlichkeit des Beurteilungsbeitrages für die Endbeurteilung - bezogen auf den
gesamten Beurteilungszeitraum - enthält. Mit dieser tragenden Erwägung setzt sich der
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Antragsgegner nicht, jedenfalls nicht in der gebotenen Weise auseinander. Im Übrigen
lässt er außer Acht, dass die Erstbeurteilerin entsprechend Nr. 3.6 der
Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfa-len
(Runderlass des Innenministeriums NRW vom 25. Januar 1996 - IV B 1 - 3034H i.d.F.
der Änderung vom 19. Januar 1999, geändert durch Erlass des Innenministeriums NRW
vom 27. Dezember 2007), im Folgenden: BRL Pol, lediglich die Submerkmale - und
zwar weit überwiegend mit vier Punkten -, nicht jedoch die Hauptmerkmale bewertet und
keine Gesamtnote gebildet hat. Auch in Anbetracht dessen lässt die Stellungnahme des
Polizeipräsidenten nicht darauf schließen, mit welchem Gesamtergebnis er die Leistung
und Befähigung des Antragstellers seinerzeit beurteilt oder wie er die Hauptmerkmale
bewertet hätte. Die Schlussfolgerung des Antragsgegners, durch diese Stellungnahme
könne die vorgenommene Abwertung der aktuellen Regelbeurteilung des Antragstellers
plausibilisiert werden, entbehrt mithin auch vor diesem Hintergrund jedweder
Grundlage. Ob diese Stellungnahme aus weiteren Gründen nicht geeignet gewesen
wäre, die Abwertung der Regelbeurteilung zu plausibilisieren, kann auf sich beruhen.
Mit Blick auf das weitere Beschwerdevorbringen sieht sich der Senat veranlasst, darauf
hinzuweisen, dass die bei Beförderungsentscheidungen bestehende
Einschätzungsprärogative es dem Dienstherrn auch erlaubt, wenn er dies zur
Optimierung für geboten hält, Anlassbeurteilungen für diejenigen zu erstellen, die nach
ihrer Beförderung im aktuellen Amt noch keine Regelbeurteilung erhalten haben. Ein
solches Vorgehen stünde im Einklang mit den Beurteilungsrichtlinien (vgl. Nr. 4.3 Abs. 3
BRL Pol) und wäre auch nicht deshalb rechtswidrig, weil bei der Erstellung von
Anlassbeurteilungen allein für die noch nicht im Amt der Besoldungsgruppe
A 10 BBesO Beurteilten die Beurteilungszeiträume der Konkurrenten nicht mehr
deckungsgleich wären.
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Vgl. dazu näher OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 6 B 368/10 -,
juris.
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Für "Leistungseinschätzungen", aus denen erkennbar sein soll, ob und in welcher
Weise der Beamte - gemessen an den Anforderungen des höheren Statusamtes - den
gestiegenen Anforderungen nunmehr gerecht wird,
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vgl. hierzu VG Köln, Beschluss vom 6. Mai 2010 - 19 L 91/10 -, juris,
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ist hingegen kein Raum. Es handelt sich um ein im durch die BRL Pol geprägten
Beurteilungswesen der nordrhein-westfälischen Polizei nicht vorgesehenes und
systemfremdes Instrument.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2010 - 6 B 677/10 -, juris.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3
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Satz 3 GKG).
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