Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 08.05.2002

OVG NRW: öffentlich, rechtsgrundlage, klagebegehren, haus, verwaltungshandeln, freiheit, datum, zugang

Oberverwaltungsgericht NRW, 21 E 349/02
Datum:
08.05.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
21. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
21 E 349/02
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Aachen, 4 K 1963/01
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird hinsichtlich des von den Klägern mit
dem Klageantrag zu 1. verfolgten Auskunftsbegehrens aufgehoben. Im
Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kläger einerseits und die Beklagte andererseits tragen die Kosten
des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.
Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 600,-- EUR
festgesetzt.
Gründe:
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Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, §§ 146 Abs. 1, 147 VwGO zulässige Beschwerde
hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
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1. Für das mit dem Klageantrag zu 1. aus der Klageschrift vom 16. August 2001 verfolgte
Auskunftsbegehren ist - jedenfalls seit dem 1. Januar 2002 - der Verwaltungsrechtsweg
gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben. Zwar dient der Auskunftsanspruch nach
dem Klagevorbringen in erster Linie der Verfolgung des mit dem Klageantrag zu 2.
geltend gemachten Zahlungsanspruchs, für den - wie noch auszuführen sein wird -
allein der ordentliche Rechtsweg eröffnet ist; auch geht der Bundesgerichtshof davon
aus, dass ein nur als Hilfs- bzw. Nebenanspruch erhobenes Auskunftsverlangen in der
Rechtswegfrage regelmäßig dem Hauptanspruch als Annex folgt.
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Vgl. etwa BGH, Urteil vom 25. September 1980 - III ZR 74/78 -, NJW 1981, 675 m.w.N.;
zustimmend: Kopp/Schenke, VwGO- Kommentar, 12. Aufl., § 40 Rn. 73; ablehnend:
Ehlers in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO-Kommentar, Stand: Januar 2001, §
40 Rn. 556.
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Die dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Erwägungen der prozessualen
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Zweckmäßigkeit und des Sachzusammenhangs rechtfertigen es aber nicht, den
beschrittenen Verwaltungsrechtsweg auch dann für unzulässig zu erklären, wenn für
den Auskunftsanspruch (auch) eine ausschließlich dem öffentlichen Recht
zuzuordnende spezielle und eigenständige Rechtsgrundlage in Betracht kommt, über
die - bei selbständiger Geltendmachung des Auskunftsanspruchs - allein die
Verwaltungsgerichte zu entscheiden hätten. Denn insoweit liegt eine öffentlich-
rechtliche Streitigkeit vor mit der Folge, dass nur eine ausdrückliche bundesgesetzliche
Regelung einen anderen Rechtsweg eröffnen könnte (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Hiervon ausgehend ist für das Auskunftsverlangen der Kläger der
Verwaltungsrechtsweg gegeben. Als Rechtsgrundlage für diesen Anspruch kommt § 4
Abs. 1 des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetzes über die Freiheit des
Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen
(Informationsfreiheitsgesetz - IFG NRW) in Betracht. Nach dieser dem öffentlichen Recht
zuzuordnenden Norm hat jede natürliche Person nach Maßgabe dieses Gesetzes
gegenüber den in § 2 genannten Stellen - darunter die Gemeinden - im Hinblick auf
deren Verwaltungstätigkeit Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen
amtlichen Informationen. Die Frage, ob diese Bestimmung das Klagebegehren
tatsächlich trägt, deren Beantwortung insbesondere davon abhängt, ob die fiskalische
Veräußerung von Liegenschaften als "Verwaltungstätigkeit" i.S. des § 2 Abs. 1 IFG
NRW zu qualifizieren ist, ob einschlägige Informationen "amtliche" Informationen i.S.
des § 4 Abs. 1 IFG NRW und ob öffentliche Belange oder Rechte Dritter einem
Informationszugang entgegenstehen, ist nicht für die Zulässigkeit des beschrittenen
Rechtswegs, sondern lediglich für die Begründetheit der Klage von Bedeutung. Es
erscheint jedenfalls nicht von vornherein und offensichtlich ausgeschlossen, dass dem
Auskunftsbegehren ganz oder teilweise auf der Grundlage des
Informationsfreiheitsgesetzes stattzugeben sein wird.
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2. Hinsichtlich des Klageantrags zu 2. ist der Verwaltungsrechtsweg demgegenüber
nicht eröffnet. Der Umstand, dass die Kläger ihr damit angesprochenes
Zahlungsbegehren auf einen (öffentlich-rechtlichen) Folgenbeseitigungsanspruch
stützen, macht die Streitigkeit - insoweit - nicht automatisch zu einer öffentlich-
rechtlichen. Maßgebend für die Frage des zulässigen Rechtswegs ist nicht, auf welche
Anspruchsnorm sich ein Kläger beruft, sondern die wahre Natur des Anspruchs, wie er
sich nach dem Klageantrag und dem Sachvortrag des Klägers darstellt.
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Vgl. etwa GmSOGB - Beschluss vom 10. Juli 1989 - GmS-OGB 1/88 -, NJW 1990, 1527;
BGH, Urteil 5. Februar 1993 - V ZR 62/91 -, NJW 1993, 1656.
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Nach diesen Grundsätzen machen die Kläger mit dem Klageantrag zu 2. der Sache
nach einen Schadensersatzanspruch geltend, der auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen
ist. Zur Begründung ihres Zahlungsverlangens tragen sie sinngemäß vor, es handele
sich um die Erstattung von Kosten und den Ersatz von Wertverlusten, die ihnen dadurch
entstanden seien, dass sie beim privatrechtlichen Verkauf eines städtischen
Baugrundstücks in unmittelbarer Nachbarschaft ihres früheren Wohnhauses durch
Fehlverhalten auf Seiten der Beklagten nicht zum Zuge gekommen zu seien und dass
sie sich dadurch letztlich veranlasst gesehen hätten, ihr früheres Haus zu verkaufen und
fortzuziehen. Auf der Grundlage dieser Vortrags ist allenfalls die Prüfung von
Schadensersatzansprüchen aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten bei der
Anbahnung eines zivilrechtlichen Grundstückkaufvertrages sowie aus
Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) in Erwägung zu ziehen. Diese Ansprüche
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sind jeweils auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen (vgl. § 13 GVG, § 40 Abs. 2 Satz 1 1.
Halbsatz VwGO). Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von den Klägern in den
Vordergrund des Beschwerdevorbringens gestellten Beschluss des Thüringer
Oberverwaltungsgerichts vom 22. August 2001 - 1 ZO 651/99 -, NJW 2002, 386. In dem
dort entschiedenen Fall ging es um Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens bei
der Anbahnung oder dem Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. Für das
Bestehen eines Zahlungsanspruchs aus einem - von den Klägern reklamierten -
öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch geben der Sachverhalt und der
Sachvortrag der Kläger demgegenüber nicht einmal ansatzweise etwas her. Der
Folgenbeseitigungsanspruch ist seinem Inhalt nach ein
Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch, der darauf gerichtet ist, rechtswidrige Folgen
eines hoheitlichen Handelns "in natura" zu beseitigen. Er kann mangels weiter
gehender gesetzlicher Vorschriften nicht zu einem darüber hinausgehenden Erfolg
führen, insbesondere nicht zu einem Ausgleich von Schäden, die durch ein unrichtiges
Verwaltungshandeln entstanden sind, dies erst recht dann nicht, wenn sie durch ein
zusätzliches Verhalten des Betroffenen oder eines Dritten verursacht oder mitverursacht
worden sind.
Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 15. November 1984 - 2 C
56.81 - , Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 145, vom 21. September 2000 - 2 C 5.99 -, juris,
und vom 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 -, juris.
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Das Verwaltungsgericht wird damit das Verfahren hinsichtlich der Klageanträge zu 1.
und zu 2. trennen müssen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1
ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG, wobei der Senat das
Interesse der Kläger, den Verwaltungsrechtsweg beschreiten zu können, entsprechend
seiner Streitwertpraxis für jedes der Klagebegehren mit 300,-- EUR bewertet hat.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Beschwerde zum
Bundesverwaltungsgericht (§ 17a Abs. 4 Satz 5 GVG) liegen nicht vor.
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