Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 02.04.2008

OVG NRW: vorprüfung, datum, zugang, rückgriff, anerkennung, sicherheit, ausbildung, wiederholung

Oberverwaltungsgericht NRW, 14 B 1929/07
Datum:
02.04.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 B 1929/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 6 L 1534/07
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragsteller zu einem
erneuten Prüfungsversuch des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts
der Ärztlichen Prüfung vorläufig zuzulassen.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden
Rechtszügen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- Euro
festgesetzt.
Gründe:
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Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller nur noch den erstinstanzlich
gestellten Hilfsantrag weiterverfolgt, ist im Umfang des zusprechenden Tenors auf der
Grundlage des Beschwerdevorbringens begründet.
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1. Soweit der Antragsteller weitergehend begehrt, dass die Antragsgegnerin den - am
12. 9. 2007 abgelegten - mündlich-praktischen Teil des Ersten Abschnitts der Ärztlichen
Prüfung des Antragstellers für bestanden erklärt, hat er einen Anordnungsanspruch nicht
glaubhaft gemacht. Ausweislich der bei den Verwaltungsvorgängen der
Antragsgegnerin befindlichen Prüfungsniederschrift hat der Antragsteller diesen
Prüfungsteil mit "ausreichend (4)" bestanden. Eine zusätzliche Erklärung der
Antragsgegnerin darüber ist in der Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) vom 27. 6.
2002, BGBl. S. 2405, nicht vorgesehen und auch im Hinblick auf die Anwendung des §
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20 Abs. 1 ÄApprO nicht erforderlich.
2. Im übrigen ist ein Anordnungsgrund gegeben. Die begehrte einstweilige Anordnung
ist erforderlich, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Wird
nämlich dem Antragsteller der begehrte Prüfungsversuch des schriftlichen Prüfungsteils
verwehrt und ergibt sich im Hauptsacheverfahren, dass er einen Anspruch auf eine
erneute Wiederholung dieses Prüfungsteils hat, so müsste er sich mit allen damit
verbundenen Erschwernissen dieser Prüfung wesentlich später stellen. Dies kann nur
vermieden werden, wenn der Antragsteller den schriftlichen Prüfungsteil nunmehr
zunächst wiederholt; denn es handelt sich dabei um seinen denkbar letzten
Prüfungsversuch. Sollte sich im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass er keinen
Anspruch auf einen erneuten Prüfungsversuch hat, entfällt eine vom angefochtenen
Bescheid des Antragsgegners vom 20. 9. 2007 und seinem Widerspruchsbescheid vom
12. 10. 2007 abweichende vorläufige Prüfungsentscheidung und damit auch die
Voraussetzung für eine etwaige vorläufige Fortsetzung der ärztlichen Ausbildung.
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3. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat der Antragsteller einen
Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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Der Antragsteller gehört zur Gruppe derjenigen Medizinstudierenden, für die gemäß §
42 ÄApprO grundsätzlich die Vorschriften der Approbationsordnung für Ärzte in der
zuvor geltenden Fassung (ÄAppO 1987) gelten, soweit nicht in § 43 ÄApprO
Abweichendes bestimmt ist. In § 43 Abs. 1 ÄApprO ist geregelt, dass diejenigen, für die
wie für den Antragsteller grundsätzlich die ÄAppO 1987 gilt und die am 1. 10. 2003 die
Ärztliche Vorprüfung noch nicht bestanden haben, diese bis zum 30. 4. 2006 nach der
ÄAppO 1987 "ablegen" und ihr Studium nach Bestehen der Ärztlichen Vorprüfung nach
neuem Recht fortsetzen. Der Senat kann die Einschätzung des Verwaltungsgerichts
nicht mit der für ein Eilverfahren gebotenen Sicherheit teilen, dass diese Regelung auch
den Fall erfasst, dass die Ärztliche Vorprüfung bis zu diesem Datum weder bestanden
noch endgültig nicht bestanden wurde. Das kann auch nicht aus § 43 Abs. 7 ÄApprO
gefolgert werden. Denn diese Vorschrift bezieht sich lediglich auf die Studierenden, "die
unter die Abs. 1 bis 6 fallen". Sie trifft zudem nach ihrem Wortlaut keine Regelung für die
Ärztliche Vorprüfung, sondern nur für "die einzelnen Abschnitte der Ärztlichen Prüfung".
Auch andere Regelungen, aus denen geschlossen werden könnte, dass
Regelungselemente bezüglich der Ärztlichen Vorprüfung nach dem endgültigen
Außerkrafttreten aller Teile der ÄAppO 1987, vgl. § 44 Abs. 2 ÄApprO, weiter
anzuwenden sein sollen, sind nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Verordnungsgeber mit
der ÄApprO die Ärztlichen Prüfungen neu strukturiert und zum Teil auch die
Prüfungsinhalte neu geregelt. Er hat dem entsprechend in § 43 ÄApprO soweit
ersichtlich für alle denkbaren Gestaltungen - bis auf den hier zu entscheidenden Fall -
differenzierte Übergangsregelungen getroffen, unter anderem für die Anerkennung und
Nichtanerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen, wenn die betreffenden
Prüfungsabschnitte nicht bis zu dem in der jeweiligen Regelung festgesetzten Zeitpunkt
nach altem Recht erfolgreich beendet waren.
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Es dürfte allerdings auch nicht davon auszugehen sein, dass der Verordnungsgeber
Studierende mit dem Außerkrafttreten aller Teile der ÄAppO 1987 und dem damit
verbundenen Wegfall des Prüfungsabschnitts "Ärztliche Vorprüfung" rechtlos stellen
und ihnen den Zugang zum strukturell an deren Stelle getretenen Ersten Abschnitt der
Ärztlichen Prüfung verwehren wollte. Davon geht ersichtlich auch die Antragsgegnerin
nicht aus. Letztlich muss die Frage, wie die Übergangsregelungen des § 43 ÄApprO im
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Hinblick auf die Studierendengruppe, die am Stichtag 30. 4. 2006 die Ärztliche
Vorprüfung noch nicht abgelegt hatte, ohne sie endgültig nicht bestanden zu haben, zu
verstehen und anzuwenden sind, im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Für das
vorliegende Verfahren, mit dem es um die Sicherung des geltend gemachten Anspruchs
geht, ist es ausreichend, dass vieles dafür spricht, dass Studierende in der Situation des
Antragstellers sich dem Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung gemäß §§ 22 ff. ÄApprO
zu unterziehen haben und für sie dessen Regelungen uneingeschränkt und ohne
Rückgriff auf die außer Kraft getretene ÄAppO 1987 gelten.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, die
Wertfestsetzung auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG unter Berücksichtigung von Nrn.
1.5 und 36.4 des Streitwertkatalogs 2004.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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