Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 14.10.2003
OVG NRW: interview, firma, broschüre, irreführende werbung, berufliche tätigkeit, verfassungskonforme auslegung, redaktion, bevölkerung, veröffentlichung, gespräch
Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 744/02.T
Datum:
14.10.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
2. Senat Landesberufsgericht für Heilberufe
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 A 744/02.T
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 32 K 8812/00.T
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass eine Verletzung von Berufspflichten nicht
vorliegt.
Die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen werden
der Staatskasse auferlegt.
G r ü n d e : I.
1
Der am . K. 1955 geborene Beschuldigte, der im März 1983 die zahnärztliche
Approbation erhielt, ist seit N. 1985 als niedergelassener Zahnarzt in B. tätig. Er ist u.a.
Beratungsarzt des Fachverbandes der praktizierenden Zahn-Implantologen des
Deutschen Zentrums für orale Implantologie (D.Z.O.I.).
2
Anfang des Jahres bzw. im Sommer 2000 erhielt eine Redakteurin der Zeitschrift "U. N.
" eine Presseinformation über ein neues Knochenaufbausystem und anschließend von
der Herstellerfirma D. weitere Informationen dazu sowie die Mitteilung, dass auch der
Beschuldigte mit dem System arbeite. Es handelt sich dabei um eine Methode zur
Gewinnung von plättchenreichem Plasma - PRP -, nach der wachstumförderndes
Blutplasma in der Zahnarztpraxis innerhalb von ca. 30 Minuten gewonnen und für den
Aufbau der Kieferknochen in der Praxis verwendet werden kann. Die Redakteurin
wandte sich mit der Bitte um ein Interview an den Beschuldigten und führte im N. /K.
zusammen mit einer weiteren bei dem N. tätigen Redakteurin ein Gespräch mit ihm in
den Redaktionsräumen des N. . Der Beschuldigte erläuterte dabei die Methode und
übergab seine Broschüre "Liebe auf den ersten Biß", eine Patienten-Information über
Zahnimplantate.
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Im U. -N. F. B. , Ausgabe 2, Sommer 2000, erschien folgender Artikel:
4
Abdruck des Artikels mit Namen und Bildern
5
Auf der Grundlage dieses Artikels erschienen im U. -N. F. B. und in der überregionalen
Ausgabe des U. -N. , jeweils Ausgabe 3, Herbst 2000, folgender gleichlautender
Abdruck:
6
Abdruck des Artikels mit Namen und Bildern
7
Nach dem Erscheinen der Artikel bat die Antragstellerin den Beschuldigten mit
Schreiben vom 24. Juli 2000 bzw. 2. November 2000 unter Hinweis darauf, dass das
Interview einen Verstoß gegen § 20 ihrer Berufsordnung darstelle, um Stellungnahme.
Die Stellungnahmen des Beschuldigten erfolgten mit anwaltlichen Schriftsätzen vom 14.
August 2000 bzw. 4. und 19. Dezember 2000. Die Form des Artikels sei allein durch die
Redaktion des U. -N. zu verantworten. Eine auf ihn bezogene anpreisende Werbung
liege darin nicht. Ihm könne auch nicht der Vorwurf gemacht werden, dass er den Artikel
unzulässigerweise geduldet habe, zumal für ihn nicht die Möglichkeit bestanden habe,
sich einen Korrekturvorbehalt einräumen zu lassen. In dem Interview seien von ihm drei
Fragen rein sachlich und im Sinne der Patientenaufklärung beantwortet worden.
8
Wegen der ersten Veröffentlichung beschloss der Vorstand der Antragstellerin am 21.
September 2000 die Einleitung eines Berufsgerichtsverfahrens gegen den
Beschuldigten. Einen entsprechenden Antrag beim Berufsgericht für Heilberufe beim
Verwaltungsgericht Köln - Berufsgericht - stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom
18. Oktober 2000. Wegen der zweiten Veröffentlichung beschloss der Vorstand der
Antragstellerin am 11. Juni 2001 die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens
gegen den Beschuldigten; der entsprechende Antrag der Antragstellerin beim
Berufsgericht datiert vom 7. Februar 2001. Das vorbehaltlose Mitwirken an einer
Presseveröffentlichung erfülle bereits den Tatbestand berufsrechtlich unzulässiger
Werbung. Der zuletzt veröffentlichte Bericht "Weltneuheit eröffnet neue Perspektiven"
gehe in seiner Gestalt weit über ein allgemeines Informationsinteresse der Bevölkerung
hinaus. In dem Bericht werde auf den Beschuldigten durch Nennung seines Praxisortes
und durch Veröffentlichung eines Fotos werbend aufmerksam gemacht, wodurch die
Grenzen des allgemeinen Informationsinteresses deutlich überschritten würden.
9
Durch Beschluss vom 5. Oktober 2001 hat das Berufsgericht das berufsgerichtliche
Verfahren gegen den Beschuldigten eröffnet und die Hauptverhandlung angeordnet.
Dem Beschuldigten werde zur Last gelegt, seine Berufspflichten dadurch verletzt zu
haben, dass er gegen das einem Zahnarzt jede Werbung und Anpreisung untersagende
Gebot verstoßen habe, indem er an der Entstehung der Artikel im U. -N. mitgewirkt habe.
10
In der Hauptverhandlung am 14. Dezember 2001 hat das Berufsgericht zum
Zustandekommen der Artikel und zu den Einzelheiten den Beschuldigten und die
Redakteurinnen des U. -N. , N. und A. , als Zeuginnen vernommen und folgenden
Sachverhalt festgestellt:
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"Anfang des Jahres 2000 erhielt die Zeugin N. , die Redakteurin der Zeitschrift "U. " N.
ist, eine Presseinformation über ein neues Knochenaufbausystem. Daraufhin wandte sie
sich an die Firma D. AG, um über Zahnimplantate insbesondere über die von dieser
Firma entwickelte und 1999 auf den Markt gekommene Methode zur Gewinnung von
plättchenreichem Plasma - PRP - näheres zu erfahren. Nach der von der Firma D.
entwickelten Methode kann wachstumförderndes Blutplasma in der Zahnarztpraxis
innerhalb von ca. 30 Minuten gewonnen werden und für den Aufbau der Kieferknochen
12
in der Praxis verwandt werden. Von der Firma D. erhielt die Zeugin N.
Informationsmaterial und außerdem Hinweise auf Ärzte, die diese Methode anwenden.
Da der Beschuldigte zu den genannten Ärzten gehörte und am Sitz der Redaktion tätig
war, wandte sich die Zeugin an ihn mit der Bitte um ein Interview. Zu dem Gespräch
begab sich der Beschuldigte in die Redaktion der Zeugin. Dort führte sie zusammen mit
der weiteren Zeugin V. A. ein Gespräch mit dem Beschuldigten. Sie informierte ihn
darüber, dass sie von der Firma D. Informationsmaterial über die Methode bekommen
habe. Der Beschuldigte erläuterte den Zeuginnen die Methode und übergab hierbei
ihnen seine Broschüre "Liebe auf den ersten Biß", in der er in für einen Laien
verständlicher Form Erläuterungen zu Zahnimplantaten gibt. Über Risiken der neuen
Methode und über den Umstand, dass sie möglicherweise nicht bei allen Patienten
angewandt werden kann, sprach der Beschuldigte nicht mit den Zeuginnen. Auf
derartige Informationen legten diese auch keinen Wert, weil sie nach dem Stil ihrer
Zeitung nur positive Berichterstattung durchzuführen pflegen und derartige Bedenken
nicht ansprechen wollen. Der Beschuldigte wies die Zeugin im übrigen darauf hin, dass
der Artikel keinen werbenden Charakter haben dürfe, da er der Berufsordnung
unterliege. Die Mitwirkung an diesem Artikel machte der Beschuldigte nicht von der
Vorlage eines Korrekturabzuges des Artikels abhängig. Die Zeugin N. hielt die Vorlage
eines Korrekturabzuges auch nicht für erforderlich, weil sie auf Grund des ihr
vorliegenden Informationsmaterials eine nachträgliche Kontrolle der Wiedergabe der
fachlichen Aussagen des Beschuldigten, die nach ihrer Einschätzung nicht über das ihr
vorliegende Informationsmaterial hinausgingen, nicht als notwendig ansah und ihr dies
zudem nur die Redaktionsarbeit erschwerte."
Es folgt dann der Abdruck der Artikel im U. -N. , zuletzt des Artikels "Weltneuheit eröffnet
neue Perspektiven". Dazu hat das Berufsgericht weiter ausgeführt:
13
"Dieser Artikel erschien auf der Basis des früheren Gespräches und enthielt eine
Überarbeitung des früheren Artikels, den die Zeugin V. A. verfasst hatte. Dieser Artikel
war nicht mit dem Beschuldigten abgesprochen. Auch von diesem Artikel erhielt der
Beschuldigte ebenso wie von dem vorhergehenden keinen Korrekturabzug. Die
Verwendung des Begriffs "Weltneuheit" in diesem Artikel ist ihm nicht bekannt gewesen.
Die Zeitschrift "U. " N. erscheint in Lizenz in 29 verschiedenen Ausgaben, die alle den
gleichen Titel und das gleiche Deckblatt sowie einen überregionalen und einen
regionalen Teil haben. Während der Artikel in dem "U. " N. F. B. vom Sommer 2000 nur
in dieser Ausgabe erschien, war der weitere Artikel im überregionalen Teil im Herbst in
allen Zeitschriften enthalten, weil die Zeugin N. der Auffassung war, dass dieses Thema
für das gesamte Bundesgebiet interessant sei; denn ihr war durch die
Informationsmaterialien der Firma D. AG bekannt, dass Zahnärzte im gesamten
Bundesgebiet diese Methode inzwischen anwenden. Sie ging daher davon aus, dass
auch für einen größeren Patientenkreis derartige Informationen von Interesse sein
könnten."
14
In Würdigung dieses Sachverhalts hat das Berufsgericht durch Urteil auf eine Warnung
gegen den Beschuldigten wegen Verletzung seiner Berufspflichten erkannt. Ein
Zahnarzt sei grundsätzlich verpflichtet, bei Informationen für die Presse über neue
Behandlungsmethoden und Medikamente gerade auch bei Zeitschriften, die sich an
medizinische Laien wendeten, objektiv zu berichten und Risiken und Nebenwirkungen
sowie eingeschränkte Anwendungsbereiche nicht zu verschweigen. Gegen dieses
Gebot der sachlichen Information habe der Beschuldigte verstoßen, indem er in seinem
Interview nicht auf Risiken und Bedenken hingewiesen und sich in eine unkritische
15
Werbung für die Firma D. , deren Methode er persönlich anwende, habe einbinden
lassen. Er habe sich auch nicht dagegen abgesichert, dass seine Angaben in dem
Artikel richtig wiedergegeben und nicht mit dem gewerblichen Informationsmaterial
verwechselt würden. Er habe nicht auf einen Genehmigungsvorbehalt für die
Veröffentlichungen bestanden; dies sei insbesondere deshalb geboten gewesen, weil
das dem Genre der "Lifestyle"-Illustrierten zuzuordnende U. -N. nicht an kritischer
Berichterstattung interessiert sei. Trotz fehlender Regelungen über das unzulässige
Dulden der Werbung oder das Zusammenwirken mit gewerblichen Tätigkeiten sei eine
Warnung gegen den Beschuldigten erforderlich, um ihm deutlich zu machen, dass die
Mitwirkung eines Arztes an Zeitungsartikeln auch vom Zahnarzt erfordere, dass er nur
sachbezogene und objektive Informationen geben dürfe und insoweit auch Risiken und
Gefahren erwähnen müsse, um Laien nicht irre zu führen oder unberechtigte
Heilungshoffnungen zu machen.
Gegen das am 14. Juni 2002 zugestellte Urteil des Berufsgerichts hat der Beschuldigte
am 6. Februar 2002 Berufung eingelegt. Er macht geltend, der im Urteil des
Berufsgerichts festgestellte Tatbestand trage den Urteilsausspruch nicht. Er habe in dem
Gespräch mit den Rektakteurinnen über Mundhygiene und notwendige Mitwirkung der
Patienten informiert und auf die notwendige individuelle Aufklärung jedes Patienten
hingewiesen. Die Zitate in dem Interview zeigten, dass die Zeugin N. über das Thema
informiert gewesen sei. Die Antragstellerin selbst informiere auf ihrer Homepage über
Möglichkeiten der Implantatversorgung ohne einen einzigen Satz zur Risikoaufklärung.
Es sei ein banaler Grundsatz der zahnärztlichen Behandlung, dass eine
Implantatversorgung nicht in Betracht komme, wenn keine Indikation bestehe oder die
Methode nicht anwendbar sei. Dies sei keine Frage der Risikoaufklärung. Das
Berufsgericht habe selbst angestellte Mutmaßungen mit seinem tatsächlichen
Wissensstand zum Interviewzeitpunkt vermengt. Er habe davon ausgehen können, dass
eine Journalistin, die sich mit einem Thema intensiv beschäftigt und entsprechende
Informationen bereits eingeholt habe, eine umfangreiche Recherche betreiben würde.
Die redaktionelle Aufarbeitung des Themas habe die N. -Redaktion geleistet und sei
allein von ihr zu verantworten. In dem Interview habe zudem nur über die (neue)
Methode der Gewinnung des PRP in der zahnärztlichen Praxis informiert werden sollen,
die jedoch keine spezifischen Risiken beinhalte. Die Forderung nach einem
Korrekturvorbehalt schränke seine Grundrechte der Berufs- und der Meinungsfreiheit
unverhältnismäßig ein. Im Übrigen sei er lediglich als Buchautor und Beratungsarzt des
D.Z.O.I. genannt worden, weder Praxisanschrift noch Telefonnummer seien angegeben
worden. Soweit seine Nennung in den Artikeln in der Nebenfolge werbend sei, sei dies
berufsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei redaktionell aufgemachten
Zeitschriftenbeiträgen über Erzeugnisse (hier: PRP) sei auch nicht von einer
Wettbewerbsförderungsabsicht auszugehen.
16
Der Beschuldigte beantragt,
17
das angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen, dass eine Verletzung von
Berufspflichten nicht vorliegt.
18
Die Antragstellerin beantragt,
19
die Berufung zu verwerfen.
20
Sie macht unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil geltend, der Beschuldigte
21
gebe durch sein Vorbringen erneut zu erkennen, dass er seine zahnärztliche
Verantwortung zu einer gewissenhaften und der Sache angemessenen
Patienteninformation zu Gunsten einer äußerst professionell in der "Lifestyle-
Illustrierten U. " aufgemachten Werbung für seine Person sowie die Firma D.
zurückstelle. Dies finde Ausdruck in seiner Mitwirkung an der vorbehaltlos anpreisenden
Darstellung des Verfahrens der Implantologie unter Verwendung von plättchenreichem
Plasma als quasi alleiniges Mittel und werde untermauert und drastisch verdeutlicht
durch die Ablichtungen von Befund- und Behandlungssituationen, die marktschreierisch
und eindeutig geeignet seien, den Patienten für das beschriebene PRP-Verfahren
einseitig voreingenommen zu machen. Hinzu komme, dass es sich bei dem vom
Beschuldigten dargestellten Verfahren eben nicht um eine Weltneuheit handele. Die
unausgewogene Mitwirkung des Beschuldigten an den beanstandeten
Veröffentlichungen habe deshalb ausschließlich den wirtschaftlichen Interessen des
Beschuldigten und der Firma D. gedient, ohne dass darüber hinaus an der Darstellung
des PRP-Verfahrens ein medizinisches und gar aktuelles Informationsinteresse der
Leserschaft erkennbar sei.
Die Aufsichtsbehörde und deren Vertretung haben keine Stellungnahme abgegeben
und keinen Antrag gestellt.
22
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den
Inhalt ihrer Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakte und
die Verwaltungsvorgänge der Antragstellerin.
23
II.
24
Die Berufung des Beschuldigten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben.
Dem Beschuldigten ist in Zusammenhang mit den in Rede stehenden
Presseveröffentlichungen eine Berufspflichtverletzung nicht vorzuwerfen.
25
Die dem Beschuldigten vorgeworfene Pflichtverletzung wird gestützt auf § 20 der
Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein - BO - vom 19. April 1997 (MBl. NRW.
S. 790). Von deren Wirksamkeit ist vor dem Hintergrund auszugehen, dass eine -
praktisch ungefragte - Suche nach Fehlern in der Entstehungsgeschichte einer
untergesetzlichen Norm, die allgemein als rechtmäßig angesehen und gehandhabt wird
und gegen die substantiierte Wirksamkeitseinwände nicht erhoben worden sind, nicht
angezeigt,
26
vgl. BVerwG, Urteile vom 7. September 1979 - 4 C 7.77 -, DVBl. 1980, 230 und vom 17.
April 2002 - 9 CN 1.01 -, DVBl. 2002, 1409,
27
und eine verfassungskonforme Auslegung möglich ist.
28
Gemäß § 29 Heilberufsgesetz NRW - HeilBerG - vom 27. April 1994 (GV. NRW. S. 204)
bzw. vom 9. N. 2000 (GV. NRW. S. 403) sind die Kammerangehörigen verpflichtet, ihren
Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen im Zusammenhang mit dem Beruf
entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Hierzu gehört auch die Beachtung der
in der Berufsordnung der Antragstellerin geregelten Berufspflichten.
29
Gemäß § 20 Abs. 1 BO ist dem Zahnarzt jede Werbung und Anpreisung untersagt.
Diese als generelles Werbeverbot formulierte Bestimmung ist im Lichte der durch Art. 12
30
Abs. 1 GG geschützten freien Berufsausübung, zu der nicht nur die berufliche Praxis
selbst gehört, sondern auch jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt
und dieser dient, und zu der daher auch die berufliche Außendarstellung der
Grundrechtsberechtigten einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer
Dienste zählt, verfassungskonform dahin auszulegen, dass dem Zahnarzt (nur)
berufswidrige Werbung verboten ist.
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. November 1985 - 1 BvR 934/82 -, BVerfGE 71, 162,
vom 11. Februar 1992 - 1 BvR 1531/90 -, BVerfGE 85, 248 = NJW 1992, 2341, vom 23.
Juli 2001 - 1 BvR 873/00 u.a. -, NJW 2001, 2788, vom 18. Oktober 2001 - 1 BvR 881/00 -
, NJW 2002, 1864, vom 17. Juli 2003 - 1 BvR 2115/02 - und vom 26. August 2003 - 1
BvR 1003/02 -; BVerwG, Urteil vom 13. November 1997 - 3 C 44.96 -, DVBl. 1998, 532;
BGH, Urteil vom 8. K. 2000 - I ZR 269/97 -, MedR 2001, 516; OLG Schleswig-Holstein,
Urteil vom 3. April 2001 - 6 U 89/00 -, MedR 2001, 579; ÄrzteGH Saarland, Urteil vom
10. Oktober 2001 - ÄGH 2/01 -, NJW 2002, 839.
31
Generelle verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein (zahn-)ärztliches Werbeverbot
bestehen nicht, weil es auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit
dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar und durch Gemeinwohlbelange gedeckt ist.
Das Werbeverbot für Ärzte/Zahnärzte dient dem Schutz der Bevölkerung und soll das
Vertrauen der Patienten darauf erhalten, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben
bestimmte Untersuchungen vornimmt, Behandlungen vorsieht oder Medikamente
verordnet. Die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen
Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Das
Werbeverbot beugt einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des
Arztberufs vor. Es soll eine Verfälschung des ärztlichen Berufsbildes verhindern, die
einträte, wenn der Arzt Werbemethoden verwendete, wie sie in der gewerblichen
Wirtschaft üblich sind. Werbebeschränkungen orientieren sich damit letztlich am
Rechtsgut des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung. Als berufswidrig ist deshalb
eine Werbung dann anzusehen, wenn sie den Interessen des Gemeinwohls im Hinblick
auf die (zahn- )ärztliche Berufsausübung zuwiderläuft. Für eine interessengerechte und
sachangemessene Information, die keinen Irrtum erregt, muss im rechtlichen und
geschäftlichen Verkehr hingegen Raum bleiben.
32
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18. Februar 2002 - 1 BvR 1644/01 -, NJW 2002, 3091
(bzgl. Werbebeschränkungen für Tierärzte), vom 8. K. 2002 - 1 BvR 1147/01 -, NJW
2002, 1331, und vom 18. Oktober 2001 - 1 BvR 881/00 -, a.a.O., m.w.N.
33
Die Abgrenzung zwischen erlaubter sachlicher Information und verbotener
berufswidriger Werbung kann nicht generalisierend-abstrakt erfolgen, sondern ist im
Einzelfall - unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Berufsausübungsfreiheit auf der
einen Seite und der Sicherung des Werbeverbots auf der anderen Seite - aufgrund einer
Abwägung im Rahmen des gesamten Lebensvorganges vorzunehmen, in dem die
fragliche Werbemaßnahme ihre Wirkung entfaltet.
34
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 1 BvR 2115/02 -; BGH, Urteil vom 8. K. 2000
- I ZR 269/97 -, a.a.O.; OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 3. April 2001 - 6 U 89/00 -,
a.a.O.; OLG Köln, Urteil vom 9. März 2001 - 6 U 127/00 -, MMR 2001, 702.
35
Als Abgrenzungskriterium ist u.a. darauf abzustellen, dass sich berufswidrige Werbung
von legitimer ärztlicher Information dadurch unterscheidet, dass sie auf den "Verkauf"
36
ärztlicher Leistungen abzielt. Berufsrechtlich verboten sind daher irreführende Werbung
oder - weil typischerweise die gesundheitlichen Interessen der Bevölkerung zu
gefährden geeignet - aufdringliche Methoden der Werbung, die Ausdruck eines rein
geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind; sie können
dazu führen, das notwendige Vertrauen in ein dem Patienten gegenüber ausschließlich
an medizinischen Gesichtspunkten orientiertes ärztliches Verhalten zu beeinträchtigen.
Vgl. ÄrzteGH Saarland, Urteil vom 20. Oktober 2001 - ÄGH 2/01 -, a.a.O.; OLG Hamm,
Urteil vom 14. September 2000 - 4 U 57/00 -, NJW 2001, 2809.
37
Gleiches gilt für eine übertriebene, unsachliche oder marktschreierische Werbung oder
eine Werbung mit sachlichen Aussagen, die eine den Laien mehr verwirrenden als
aufklärenden Umfang erreicht. Verboten bleibt auch bei verfassungskonformer
Auslegung des Werbeverbots jede Art von reklamehafter Anpreisung, die über das
notwendige Informationsinteresse des Patienten hinausgeht, wobei entscheidend ist, ob
im Einzelfall und in Orientierung insbesondere am Adressatenkreis, an den sich die
Werbung richtet, die sachliche Information oder der Werbeeffekt im Vordergrund steht.
Berufswidrig sind neben irreführenden Aussagen auch solche, die geeignet erscheinen,
das Schutzgut der Volksgesundheit zu beeinträchtigen. Das kann bereits dadurch
geschehen, dass Ärzte Kranken aus Gewinnstreben falsche Hoffnungen machen.
38
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juli 2000 - 1 BvR 547/99 -, MedR 2000, 523; OLG
Schleswig-Holstein, Urteil vom 3. April 2001 - 6 U 89/00 -, a.a.O.; OLG Köln, Urteil vom
9. März 2001 - 6 U 127/00 -, a.a.O.
39
Entscheidend für die Abgrenzung kann auch sein, ob es sich um eine gezielte Werbung
mit einem entweder durch das verwendete Medium oder durch die Aufmachung
gewollten spezifischen werblichen Charakter handelt, oder ob die Maßnahme eine
andere Zielrichtung hat und eine Werbewirkung praktisch als Nebeneffekt auftritt; dem
liegt die Unterscheidung zwischen Werbung im engeren Sinne und einem sog.
werbewirksamen Verhalten zugrunde.
40
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. Februar 1992 - 1 BvR 1531/90 -, a.a.O., und vom 24.
Juli 1997 - 1 BvR 1863/96 -, NJW 1997, 2510; BVerwG, Urteil vom 13. November 1997 -
3 C 44.96 -,a.a.O.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 25. K. 1997 - LBGH A 10532/97 -,
DVBl. 1998, 151, und vom 27. April 1994 - LBGH A 12498/93 -, NJW 1995, 1633.
41
In Bezug auf - auch hier in Frage stehende - Veröffentlichungen in der Presse und die
Mitwirkung von Ärzten/Zahnärzten an Presseartikeln, die einen Werbeeffekt für den
Betreffenden haben, ist die Frage, ob unzulässige berufswidrige Werbung gegeben ist,
im Lichte aller Umstände des Falls zu betrachten einschließlich des Inhalts des
Presseartikels sowie des Zusammenhangs der Veröffentlichung. Dabei kommt es auch
darauf an, ob die Presseberichte auf Initiative des Arztes und in dessen Interesse oder
auf Initiative der Presse und im Interesse ihrer Leser entstehen; ferner kann es für die
Zulässigkeit der Mitwirkung eine Rolle spielen, ob der Arzt dadurch erstmals
Gegenstand der Presseberichterstattung wird oder ob er sich aufgrund einer
vorgängigen, zumal einer kritischen Auseinandersetzung mit seiner Person und seinen
Heilmethoden zur Mitwirkung an einer Presseveröffentlichung entschließt. Zu bedenken
und hinzuweisen ist insoweit auch auf die unverzichtbare Funktion der Presse in einer
demokratischen Gesellschaft und deren Aufgabe, in einer mit ihren Pflichten und ihrer
Verantwortung vereinbaren Weise über alle die Allgemeinheit betreffenden Tatsachen
42
und Meinungen zu unterrichten. Vor diesem Hintergrund kann die Wertung eines bei
einem Presseartikel mit der Nennung der Erfolgsrate und dem Abdruck eines Fotos zum
Ausdruck kommenden Werbeeffekts davon abhängig gemacht werden, ob sich diese
Werbewirkung gemessen am Hauptinhalt des Artikels "als zweitrangig" erweist oder im
Vordergrund steht. Angesichts dessen, dass sich der Arzt/Zahnarzt auch auf das
Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen kann und zwischen einer
Meinungsäußerung von ihm über seine berufliche Tätigkeit und einem redaktionellen
Bericht der Presse über denselben Gegenstand ein Unterschied besteht, ist dabei des
Weiteren zu berücksichtigen, dass die Presse im Rahmen ihrer Berichterstattung
Aussagen machen darf, die einem Arzt/Zahnarzt aus Gründen des Werbeverbots
untersagt wären. Etwas anderes kommt nur dann in Frage, wenn der Arzt die Presse
erkennbar zum Instrument seiner beruflichen Selbstdarstellung gemacht hat.
Vgl. EGMR, Urteile vom 17. Oktober 2002 - 37928/97 -, NJW 2003, 497 = MedR 2003,
290, und vom 25. März 1985 - 10/1983/66/101 -, EuGRZ 1985,170; BVerfG, Beschluss
vom 11. Februar 1992 - 1 BvR 1531/90 -, a.a.O.; ÄrzteGH Saarland, Urteil vom 10.
Oktober 2001 - ÄGH 2/01 -, a.a.O.
43
Nach Maßgabe dieser Kriterien und in Orientierung am dargelegten Sinn und Zweck
(zahn-)ärztlicher Werbeverbote ist dem Beschuldigten eine Berufspflichtverletzung in
Zusammenhang mit den Presseveröffentlichungen nicht vorzuwerfen.
44
Das Interview, das den N. -Berichten vorausging, wurde nicht in den Praxisräumen des
Beschuldigten, sondern in der Redaktion des N. geführt und ist auch nicht auf Initiative
des Beschuldigten zu Stande gekommen. Dass sich der Beschuldigte zu dem Interview
bereit erklärt und dafür zur Verfügung gestellt hat, kann ihm nicht im Sinne einer
unzulässigen Mitwirkung an einer anpreisenden und unkritischen gewerblichen
Werbung vorgeworfen werden. Eine solche Wertung wird dem Hintergrund und den
Ausgangsumständen für das Interview nicht gerecht. Konkreter Ausgangspunkt für die
Recherchen der Redakteurinnen des U. -N. und für das Interview waren deren
Kenntniserlangung von dem - in den späteren Veröffentlichungen als "Weltneuheit"
bezeichneten - PRP-Verfahren im Rahmen der Implantologie sowie Informationen, die
sich in diesem Zusammenhang auf Grund entsprechenden Informationsmaterials dieser
Firma ausschließlich auf Produkte bzw. ein Produkt der Firma D. bezogen. Der in B.
ansässigen N. -Redaktion kam es sehr gelegen (Zeugin N. : "... habe mich gefreut, dass
wir in der Nähe einen Arzt hatten, den wir befragen konnten und der auch bereit war,
uns Auskünfte zu geben,..."), in ihrem örtlichen Verbreitungsgebiet und direkt vor Ort
einen Ansprech- und Interviewpartner zu haben, der Produkte der Firma einsetzte, auf
deren Darstellung die Redakteurinnen offenbar ausschließlich ihre Informationen zu
dem anstehenden zahnmedizinischen Komplex stützten. Dementsprechend ist von
einem gezielten Herantreten der Redaktion des U. -N. an den Beschuldigten als
jemand, der in seiner Praxis Produkte der Firma D. verwendete, auszugehen. Vor
diesem Hintergrund und angesichts des anzunehmenden gezielten Ansprechens des
Beschuldigten kann diesem - auch wenn mit dem Interview die Erwartung einer
Werbewirkung für sich bzw. seine Praxis verbunden gewesen sein mag - kein Vorwurf
aus seiner Mitwirkung an dem Interview gemacht werden, zumal zum Zeitpunkt des
Interviews nicht absehbar war, ob und in welcher Form dieses abgedruckt würde. In
diesem Zusammenhang ist auch die Aussage der Zeugin N. von Bedeutung, der
Beschuldigte habe in dem Interview nicht mehr erklärt, als in den ihnen vorliegenden
Pressemitteilungen enthalten gewesen sei. An medizinischen Details, die sie für die
geplanten Artikel nicht verwerten konnten, war den Redakteurinnen bei dem Interview
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offenbar ohnehin nicht gelegen, wie die entsprechende Aussage der Zeugin N. belegt.
In der Überlassung der von ihm verfassten Broschüre "Liebe auf den ersten Biß" an die
Zeuginnen während des Interviews und der Gestattung, daraus zitieren zu dürfen, kann
ebenfalls kein berufswidriges Verhalten des Beschuldigten gesehen werden. Die
Broschüre ist im Fachhandel erhältlich, so dass sich die Redakteurinnen des U. -N. das
Buch hätten beschaffen und aus- und verwerten können, auch ohne dass es ihnen vom
Beschuldigten überlassen worden wäre. Dass mit der Überlassung der Broschüre eine
über das Interview und über das den Redakteurinnen vorliegende Werbematerial der
Firma D. hinausgehende Werbewirkung für den Beschuldigten und/oder seine Praxis
verbunden war/ist, ist nicht ersichtlich, zumal in dem Interview selbst kein Hinweis des
Beschuldigten auf diese Broschüre enthalten ist und die Broschüre zum eigentlichen
Interviewanliegen der Information über das PRP-Verfahren auch keine konkreten
Ausführungen enthält.
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An die Art und Form des Interviews, bei dem zumindest hinsichtlich der
zusammengefassten Antworten des Beschuldigten davon ausgegangen werden kann,
dass der tatsächliche Gesprächsverlauf im Wesentlichen so erfolgt ist, wie es in dem U.
-Artikel wiedergegeben wurde, kann kein Vorwurf berufswidrigen Verhaltens gegenüber
dem Beschuldigten geknüpft werden. In dem Interview hat der Beschuldigte nicht in
besonderer Weise auf seine Praxis, seine Anschrift oder seine Telefonnummer
hingewiesen. Dass am Ende des Interviews und am Anfang des Berichts "Weltneuheit!
Wie Sie der Natur die Zähne zeigen können" im U. -N. F. B. , Sommer 2002, ein Foto
des Beschuldigten abgedruckt wurde, kann diesem nicht zugerechnet werden. Das
Foto, das der Illustrierung der N. -Berichte dient, wurde den Redakteurinnen des N. nicht
von diesem selbst übergeben; es wurde vielmehr von diesen aus der überlassenen
Broschüre übernommen und ist deshalb dem Verantwortungsbereich der
Redakteurinnen zuzuschreiben.
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Auch inhaltlich ist das Interview nicht zu beanstanden. Es enthält keine anpreisenden
und übertriebenen Aussagen des Beschuldigten. Die Verwendung des anpreiserischen
Begriffs "Weltneuheit" im Zusammenhang mit dem PRP-Verfahren in den N. -Berichten
kann dem Beschuldigten nicht vorgehalten werden. Der Begriff wurde vom
Beschuldigten in dem Interview nicht verwendet, sondern entstammt der
Formulierungsfreiheit der Redakteurinnen und ist somit allein deren
Verantwortungsbereich zuzuschreiben. Das Interview enthält auch keinen Hinweis auf
eine bestimmte Herstellerfirma (z.B. D. ), so dass auch der Vorwurf, der Beschuldigte
habe in Bezug auf eine bestimmte Firma Fremdwerbung betrieben, nicht gerechtfertigt
ist. Das in dem Interview-Abdruck genannte synthetische Knochenaufbaumaterial D.
wird zwar von der Firma D. hergestellt. Da in unmittelbarem Zusammenhang mit dem
Knochenaufbaumittel aber weder der Beschuldigte noch seine Praxis genannt wurde,
kann auch insoweit nicht von einer besonderen Werbewirkung für den Beschuldigten
gesprochen werden. Ansonsten enthält das Interview weder den Beschuldigten noch
seine Praxis besonders herausstellende Informationen zu den Vorteilen von
Implantaten. Im Hinblick auf Implantate handelt es sich um allgemeine und im Rahmen
der Implantologie bekannte Aussagen (z.B. "Implantate sind im Kiefer fest verankert",
"sie können weder wackeln noch verrutschen", "kein Fremdkörpergefühl", "Abschleifen
u.U. kariesfreier Nachbarzähne bleibt erspart") und solche über die Möglichkeit, die
Substanz des Kieferknochens durch Einsatz des PRP-Verfahrens zu stärken, sowie zu
einzelnen Merkmalen des PRP-Verfahrens. Eine besondere Hervorhebung gerade in
Bezug auf den Beschuldigten bzw. seine Praxis ist dabei nicht zu verzeichnen.
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Im Zusammenhang mit dem Interview bzw. dessen Abdruck im U. -N. ist gegen den
Beschuldigten auch der Vorwurf, nicht auf Risiken und Bedenken hingewiesen zu
haben, nicht berechtigt. In dem Interview findet sich die Äußerung des Beschuldigten,
"dass eine Implantatversorgung eine gründliche zahnärztliche Untersuchung
voraussetzt". Dies ist eine Selbstverständlichkeit bei in Erwägung gezogenen
zahnimplantologischen Maßnahmen, die keiner weiteren Ausführungen bedurfte, zumal
erst auf Grund einer solchen gründlichen zahnärztlichen Untersuchung ein
patientenspezifisches Risiko bei der Implantatversorgung beurteilt werden kann und
deshalb generelle Risikoschilderungen im Rahmen einer allgemeinen Information über
Implantatmöglichkeiten und über ein bestimmtes Knochenaufbau-Verfahren ohnehin
nicht ausreichend oder sogar irreführend wären. Zu bedenken ist auch, dass das
Interview mit dem Beschuldigten für den geplanten N. -Bericht nicht die alleinige
Informationsquelle der Redakteurinnen war, sondern deren Grundinformationen aus den
Unterlagen der Firma D. stammten und das Interview lediglich eine Ergänzung dazu
war. Das Interview enthält allgemeine grundlegende Informationen zu Zahnimplantaten
und zum PRP-Verfahren und kann auf Grund dieses Charakters schon von der Sache
her keine spezifischen patientenbezogenen Risiken darstellen. Vor dem Hintergrund der
allgemein gehaltenen Informationen hat der Beschuldigte auf die Frage, ob es auch
Einschränkungen bei Implantaten gebe, auf einen aus seiner Sicht bedeutsamen
patientenunabhängigen Risiko-Gesichtspunkt, der einer Zahnimplantation
entgegenstehen kann, hingewiesen, nämlich auf den einer u.U. nicht ausreichenden
Substanz des Kieferknochens. Im Übrigen ist den Aussagen der Zeuginnen zu
entnehmen, dass eine dezidierte Darlegung der Risiken bei Zahnimplantationen bzw.
bei dem PRP-Verfahren ohnehin nicht zum Abdruck gekommen wäre, weil das U. - N.
ausschließlich auf eine Positiv-Berichterstattung ausgerichtet ist und etwaige
Negativpunkte von vornherein ausgeblendet werden. An medizinischen Details waren
die Redakteurinnen bei dem Interwiew, dem eine gezielte tendenzielle Fragestellung zu
Grunde lag ("Wie funktioniert der Turbobeschleuniger PRP?"), zudem sowieso nicht
interessiert. Dem Beschuldigten war bei dem Interview auch nicht gesagt worden, wie
ein späterer Bericht aussehen werde. Für diesen tendenziellen Stil in der
Berichterstattung des U. -N. kommt dem Beschuldigten keine Verantwortlichkeit zu,
auch nicht in dem Sinne, dass er gerade deswegen intensiv auf Risiken hätte hinweisen
müssen, um die Redakteurinnen eventuell doch zur Mitteilung solcher Risiken zu
veranlassen. Dass dies Erfolg gehabt hätte, war bei den in ihren Aussagen deutlich
gewordenen Einstellungen der N. - Verantwortlichen nicht zu erwarten. Maßgebend
dafür, ob dem Beschuldigten ein berufswidriges Verhalten vorzuwerfen ist, kann aber
nur sein, ob Versäumnisse und Fehlhandlungen in einem Bereich gegeben sind, der
von ihm überhaupt beeinflussbar war/ist. Dementsprechend können auch die
Rückfragen des Berufsgerichts in der Hauptverhandlung am 14. Dezember 2001 nach
der medizinischen Absicherung der Aussagen in den N. -Berichten vorrangig nur die
Redakteurinnen betreffen und weniger auf den Beschuldigten abzielen.
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Nach Auffassung des erkennenden Gerichts, dessen Vorsitzender zugleich
Pressedezernent des Oberverwaltungsgerichts ist und der daher aus eigener
Anschauung um die mit der (vorherigen) Genehmigung von Presseveröffentlichungen
verbundenen Probleme weiß, kann dem Beschuldigten auch nicht vorgeworfen werden,
sich hinsichtlich der N. -Berichte und des Interview-Abdrucks nicht einen
Korrekturvorbehalt einräumen lassen zu haben. Erfahrungsgemäß wird ein solcher
Vorbehalt von den Medien(vertretern) im allgemeinen nicht akzeptiert. Ein solcher
Vorwurf wird deshalb der Rolle der freien Presse und des Journalismus einerseits und
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der Möglichkeit der Einflussnahme des Betroffenen auf einen Pressebericht
andererseits nicht hinreichend gerecht.
Generell dürfen berufsrechtliche Standesregeln für Ärzte/Zahnärzte, die bei
Presseveröffentlichungen mit dem berechtigten Interesse der Bevölkerung an
Aufklärung abgewogen werden müssen und darauf zu beschränken sind, die
Funktionsfähigkeit des Berufsstandes insgesamt zu erhalten, nicht so ausgelegt werden,
dass den Ärzten die unverhältnismäßige Last einer inhaltlichen Kontrolle von
Presseveröffentlichungen auferlegt wird; eine unverhältnismäßige Beschränkung ihrer
Berufsausübungsfreiheit ist zudem zu vermeiden.
51
Vgl. EGMR, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 37928/97 -, a.a.O.; BVerfG, Beschluss vom 8.
November 1995 - 1 BvR 2088/94 -, NJW-RR 1996,439.
52
Vor diesem Hintergrund ist einem Arzt/Zahnarzt zuzumuten, bei Interviews eines ihm
bislang nicht näher bekannten Journalisten darauf hinzuweisen, dass es ihm
berufsrechtlich untersagt ist, die Veröffentlichung von Berichten werbenden Charakters
zu dulden, und dass ihm deshalb aus einem solchen pflichtwidrigen Artikel
Schwierigkeiten erwachsen können.
53
Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. April 1994 - LBGH A 12498/93 -, a.a.O.
54
Dies ist hier, wie der Einlassung des Beschuldigten zu entnehmen ist, geschehen.
Weitergehende "presserechtliche Vorsorgemaßnahmen" des Beschuldigten waren
hingegen nicht geboten, zumal die Annahme als unrealistisch erscheint, ein
Zeitungsredakteur stelle sich bei der Abfassung von Zeitungsberichten der Zensur und
der Bewertung durch einen anderen, namentlich der von der Berichterstattung
betroffenen Person. Dies gilt hier in besonderem Maße, weil nach Aussage der Zeugin
N. , die sich als verantwortliche Chefredakteurin bezeichnet hat, die Vorabgenehmigung
eines Presseberichts durch den Betroffenen generell nicht eingeholt wird, in diesem Fall
auch wohl nicht eingeholt worden wäre. Eine entsprechende Bitte des Beschuldigten
wäre also von vornherein aussichtslos gewesen und ins Leere gegangen. Die Aussage
der Zeugin A. , im Einzelfall würde schon mal ein Bericht/Interview dem Betroffenen
vorab per Fax übersandt, zwingt angesichts der Einstellung der Chefredakteurin und der
eigenen Bekundung der Zeugin A. , sie schreibe die Artikel, gebe sie weiter und
kümmere sich dann nicht mehr darum, nicht zu einer anderen Sicht.
55
Bezüglich des (späteren) Abdrucks des Interviews kommt hinzu, dass der Beschuldigte
seinerzeit nicht mehr mit einem Abdruck und/oder einem weiteren Bericht über
Implantate und das PRP-Verfahren in den Herbst 2000-Ausgaben des U. -N. zu rechnen
brauchte, nachdem das Interview praktisch im U. -N. - F. B. , Sommer 2000, verwertet
worden war. Ein weiterer Kontakt zwischen ihm und den Redakteurinnen hat nach dem
Interview nicht stattgefunden; eine Ankündigung nach dem ersten Bericht, dass ein
weiterer Bericht erfolgen und das Interview gedruckt werde, ist seitens des N. nicht
erfolgt. Demgemäß konnte der Beschuldigte davon ausgehen, dass es im Hinblick auf
sein Interview mit dem ersten erschienenen Artikel sein Bewenden haben würde;
dementsprechend brauchte keine weitere "presserechtliche Vorsorge" bezüglich des
Erscheinens weiterer Artikel und des Interviews zu treffen.
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Bei einer Gesamtbetrachtung der N. -Berichte und des Interview-Abdrucks ist demnach
zwar nicht auszuschließen, dass die Veröffentlichungen einen Werbeeffekt für den
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Beschuldigten und seine Praxis gehabt haben mögen. Dass dieser gemessen am
Hauptinhalt der Veröffentlichungen nicht nur zweitrangig war, sondern im Vordergrund
der Berichte stand, oder dass der Bericht unter Rückgriff auf aufdringliche
Werbemethoden vorrangig auf den "Verkauf zahnärztlicher Leistungen" oder auf eine
unangemessene Selbstdarstellung des Beschuldigten ausgerichtet war, ist in
Orientierung an den jeweiligen Verantwortungsbereichen der Mitwirkenden hiernach bei
verständiger Würdigung nicht zu bejahen, so dass der Beschuldigte "freizusprechen"
war.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 107, 108 HeilbG.
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