Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.06.2004

OVG NRW: aufenthaltserlaubnis, ausländer, vollziehung, rücknahme, vollstreckung, ausweisung, interessenabwägung, abschiebung, scheidungsurteil, verschulden

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 2092/03
Datum:
28.06.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 2092/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 L 2788/03
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e:
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Eine Aufhebung oder Abänderung der angefochtenen Entscheidung kommt nach der
ständigen Senatsrechtsprechung
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- vgl. nur den Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2002 - 18 B 2274/02 - mit weiteren
Nachweisen -
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dann nicht in Betracht, wenn das Verwaltungsgericht die Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes im Ergebnis zu Recht versagt hat. So ist es hier. Das
Aussetzungsbegehren muss ungeachtet der Beschwerdebegründung schon deshalb
erfolglos bleiben, weil insoweit jedenfalls die allgemeine Interessenabwägung zu
Ungunsten des Antragstellers ausfällt.
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Dem Antragsteller droht aus der angefochtenen Ordnungsverfügung keine
Vollstreckung. Der Antragsgegner hat von dem Erlass einer Abschiebungsandrohung
abgesehen, darauf hingewiesen, dass der Antragsteller ein eigenständiges
Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 1 AuslG erworben habe und ausdrücklich erklärt, dem
Antragsteller dementsprechend eine befristete Aufenthaltserlaubnis nach dem Eintritt
der Rechtskraft der hier streitigen Ordnungsverfügung erteilen zu wollen. Der
Aussetzungsantrag des Antragstellers kann damit allenfalls noch darauf gerichtet sein,
unverändert diejenigen Vergünstigungen für sich in Anspruch nehmen zu können, die
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ihm nur auf Grund des verfestigten Aufenthaltsrechts einer unbefristeten
Aufenthaltserlaubnis zustehen.
Eine Aussetzung der Vollziehung in Bezug auf die verfügte Rücknahme seiner
unbefristeten Aufenthaltserlaubnis wäre unter den hier gegebenen Umständen für den
Antragsteller diesbezüglich aber nicht zielführend. Denn wegen der Tatbestandswirkung
der Rücknahmeverfügung, die nur im Falle der - in einem vorläufigen
Rechtsschutzverfahren nicht erreichbaren - Aufhebung derselben entfällt, wäre er auch
bei einem Erfolg seines Antrags gezwungen, zur Erreichung des oben genannten
Zwecks sein Begehren mit dem dafür in der Hauptsache gegebenen Rechtsbehelf zu
verfolgen. Dies folgt aus § 72 Abs. 2 Satz 1 zweiter Fall AuslG, wonach Widerspruch
und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit eines sonstigen
Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt lassen.
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Die vorliegend strittige Rücknahmeverfügung ist ein derartiger (sonstiger)
Verwaltungsakt, weil sie - ebenso wie die in § 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG alternativ
genannte Ausweisung - zu den ausländerrechtlichen Maßnahmen zählt, die abstrakt,
d.h. ihrer Natur nach, auf eine Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts gerichtet
sind.
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Vgl. Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2002 - 18 B 1131/01 -.
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Die Tatsache, dass der Antragsgegner dem Antragsteller weiterhin einen Aufenthalt im
Bundesgebiet ermöglicht, eine Vollstreckung der mit der Rücknahme einer unbefristeten
Aufenthaltserlaubnis an sich verbundenen Ausreisepflicht durch Abschiebung hier somit
gar nicht in Rede steht, führt daher - ebenso wie regelmäßig in dem (umgekehrten) Fall,
dass sich ein Aussetzungsbegehren gegen eine Ausweisung richtet, der Antragsteller
aber ohnedies aus anderen Gründen vollziehbar ausreisepflichtig ist, -
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- vgl. insoweit nur den Senatsbeschluss vom 19. August 2002 - 18 B 1353/01 m.w.N.
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dazu, dass die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfällt.
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Danach kann hinsichtlich der Rücknahmeverfügung dahinstehen, ob sie rechtmäßig ist.
Insoweit sei lediglich angemerkt, dass das Verwaltungsgericht zwar zutreffend auf die
Senatsrechtsprechung hingewiesen hat, nach der sich ein Ausländer den Vorwurf des
Rechtsmissbrauchs entgegenhalten lassen muss, wenn er zur Erlangung einer jeweils
vorteilhafteren Rechtsstellung bewusst wahrheitswidrig im Scheidungsverfahren und im
ausländerrechtlichen Verfahren entgegengesetzte Angaben macht bzw.
unwidersprochen hin nimmt.
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Vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 28. Mai 1991 - 19 B 615/91 -, DVBl. 1991, 1098 =
EZAR 023 Nr. 2.
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Der Senat hat jedoch - dies sei klargestellt - nicht die Auffassung vertreten, dass sich ein
Ausländer in derartigen Fällen generell an der für ihn ungünstigsten Version festhalten
lassen muss. Vielmehr war jeweils maßgeblich, dass ein wechselndes Vorbringen den
Sachvortrag grundsätzlich unglaubhaft macht, wenn es dafür an einer überzeugenden
Erklärung fehlt. Insofern wurde ausdrücklich hervorgehoben, dass die Gründe im
Scheidungsurteil zwar für die Ausländerbehörde nicht bindend seien, von ihnen jedoch
regelmäßig eine Indizwirkung ausgehe, die vom Ausländer gegebenenfalls zu
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widerlegen sei.
Vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2004 - 18 B 506/03 - und vom 8. März 2004 - 18
B 1662/03 -.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 5 VwGO. Danach können Kosten, die
durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden.
Hier hat der Antragsgegner das Aussetzungsverfahren veranlasst, so dass es
angemessen ist, ihn allein mit den Kosten zu belasten. Der Antragsgegner hat durch die
(zumindest) überflüssige Anordnung der sofortigen Vollziehung seiner
Ordnungsverfügung vom 10. Juli 2003 und einen dementsprechenden Hinweis auf das
insoweit gegebene Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO den Antragsteller
unnötig zum Betreiben des vorliegenden Verfahrens veranlasst. Überflüssig war die
Anordnung deshalb, weil der Antragsgegner mit seiner Ordnungsverfügung keine
Ausreisepflicht des Antragstellers begründen und sie dementsprechend nicht zur
Grundlage von Vollstreckungshandlungen machen wollte. Wie bereits oben ausgeführt
hat der Antragsgegner schon in seiner Ordnungsverfügung erklärt, dem Antragsteller
eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilen und ihm damit weiterhin den Aufenthalt im
Bundesgebiet ermöglichen zu wollen.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 und 3 iVm §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 und
73 Abs. 1 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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