Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 29.09.2004

OVG NRW: familie, eltern, kultur, anfang, volljährigkeit, nationalität, sowjetunion, datum, schule, zwangsarbeit

Oberverwaltungsgericht NRW, 2 A 4103/03
Datum:
29.09.2004
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 A 4103/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 27 K 1444/00
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 4.000,- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e:
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten
ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO) liegen nicht vor.
2
Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines
Aufnahmebescheides gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG mit der Begründung verneint,
die Klägerin sei keine deutsche Volkszugehörige, weil ihr die deutsche Sprache nicht in
ausreichender Weise innerfamiliär im Sinne von § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG vermittelt
worden sei. Nach den insoweit gleichbleibenden Angaben der 1934 geborenen
Klägerin sei Deutsch innerfamiliär in nennenswerten Umfang allenfalls bis zur
Deportation der Familie im Jahr 1941 verwendet worden. Danach sei die deutsche
Sprache allenfalls noch in geringem Umfang zur Unterstützung des Deutschunterrichts,
den die Klägerin in der Schule gehabt hatte, innerfamiliär benutzt worden. Es sei
deshalb davon auszugehen, dass der Klägerin Deutsch allenfalls bis zum siebten
Lebensjahr innerfamiliär vermittelt worden sei, ohne dass die Kenntnisse danach
innerfamiliär erweitert oder verfestigt worden seien.
3
Dem wird im Zulassungsantrag inhaltlich lediglich entgegengehalten, das
Verwaltungsgericht habe bei seiner rechtlichen Beurteilung die Situation der Familie
nicht hinreichend berücksichtigt. Diese habe nach der illegalen Rückkehr auf die Krim in
ständiger Angst vor dem NKWD gelebt. Es sei verboten gewesen, Deutsch zu sprechen
4
und die Kinder hätten Angst gehabt, sich durch den Gebrauch der deutschen Sprache
zu verraten. Dennoch habe die Mutter mit der Klägerin heimlich Deutsch gesprochen.
Bis zu ihrem zwölften Lebensjahr sei der Klägerin die deutsche Sprache intensiv
vermittelt worden. Gleichzeitig sei sie deutsch erzogen und durch die deutsche Kultur
geprägt worden. Dieses Vorbringen ist schon in tatsächlicher Hinsicht nicht
nachvollziehbar. Nach den Angaben der Klägerin im Aufnahmeantrag ist sie zusammen
mit ihren Eltern 1942 aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland
verbracht worden, wo die Eltern Zwangsarbeit hätten leisten müssen. Da aber in
Deutschland in der Regel nur nichtdeutsche Volkszugehörige Zwangsarbeiten haben
leisten müssen, hätte es der eingehenden Darlegung bedurft, dass in einer Familie, die
von den deutschen Behörden als einer nichtdeutschen Nationalität zugehörig
angesehen worden ist, in Deutschland innerfamiliär die deutsche Sprache verwendet
worden ist und deutsche Traditionen und Kultur gepflegt worden sind. Dies gilt um so
mehr als der Vater der Klägerin ukrainischer Volkszugehöriger war. Dazu enthalten aber
weder das Vorbringen im Klageverfahren noch der Zulassungsantrag konkrete
Angaben. Auch ist im Zulassungsantrag nicht widerspruchsfrei dargetan, bis wann und
in welchem Umfang der Klägerin von ihrer Mutter die deutsche Sprache und deutsche
Traditionen vermittelt worden sein soll. Einerseits ist im Zulassungsantrag davon die
Rede, die Klägerin habe bis zu ihrem zwölften Lebensjahr eine solche Prägung
erfahren, andererseits wird im Zulassungsantrag vorgetragen, die Mutter habe mit der
Klägerin nach der illegalen Rückkehr auf die Krim "nur in seltenen Fällen ... heimlich
Deutsch gesprochen". Beides passt inhaltlich nicht zusammen. Hinzukommt, dass die
1934 geborene Klägerin im Aufnahmeverfahren angegeben hat, erst Anfang der 50er
Jahre wieder auf die Krim gekommen zu sein, nachdem sie sich mit ihren Eltern nach
ihrer Rückkehr aus Deutschland zunächst einige Jahre in der Region Krasnodar
aufgehalten habe. Nach diesen Angaben wäre die Klägerin aber bereits fast volljährig
gewesen, als die Familie auf die Krim zurückgekehrt ist. Für den Zeitpunkt der
Volljährigkeit wird aber in den Ausführungen im Zulassungsantrag eine innerfamiliäre
Vermittlung der deutschen Sprache an die Klägerin nicht behauptet. Mangels eines
substantiierten widerspruchsfreien Vorbringen zur innerfamiliären Sprachvermittlung
reichen die Ausführungen im Zulassungsantrag nicht aus, um die diesbezügliche
rechtliche Bewertung des Verwaltungsgerichts ernstlich im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO zu erschüttern.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
5
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1
und 3 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung (a.F.).
6
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
7