Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 14.02.2003

OVG NRW: haschisch, cannabis, marihuana, mitwirkungspflicht, drogenkonsum, entziehung, taxifahrer, korrespondenz, zigarette, geruch

Oberverwaltungsgericht NRW, 19 B 140/03
Datum:
14.02.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 B 140/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 11 L 2698/02
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers verworfen.
Der Streitwert beträgt auch im Beschwerdeverfahren 4.000 EUR.
G r ü n d e :
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Die gemäß § 146 Abs. 4 VwGO statthafte Beschwerde ist unzulässig. Das gemäß § 146
Abs. 4 Satz 6 VwGO durch das Oberverwaltungsgericht nur zu prüfende Vorbringen des
Antragstellers im Beschwerdeverfahren genügt nicht den Darlegungsanforderungen des
§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.
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Nach dieser Vorschrift muss die Beschwerdebegründung unter anderem die Gründe
darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit
der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts auseinander setzen. Dies
erfordert, dass der Antragsteller in seinem vom Senat nur zu prüfenden
Beschwerdevorbringen mit schlüssigen Gegenargumenten auf die
entscheidungstragenden Gründe des angefochtenen Beschlusses eingeht. Diesen
Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen des Antragstellers nicht.
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Mit dem Vorbringen unter 1. der Beschwerdebegründung vom 6. Februar 2003
wiederholt der Antragsteller wörtlich seine Ausführungen unter 1. der Antragsschrift an
das Verwaltungsgericht vom 8. November 2002. Diese hat das Verwaltungsgericht aber
bereits bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigt. Es hat in Würdigung der auch
vom Antragsteller herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
20. Juni 2002 - 1 BvR 2060/96 -, NJW 2002, 2378, zugrunde gelegt, dass auch bei
einem nur einmaligen oder gelegentlichen Cannabiskonsum die Anordnung der
Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens über eine Blut- und Urinuntersuchung auf
Cannabiskonsum dann nicht unverhältnismäßig ist, wenn zusätzliche Tatsachen
vorliegen, die den aufklärungsbedürftigen Verdacht begründen, dass der Betroffene den
Konsum von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht trennen kann, was
grundsätzlich der Fall ist, wenn hinreichend konkrete tatsächliche Verdachtsmomente
festzustellen sind, dass er während der Teilnahme am Straßenverkehr Cannabis
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konsumiert oder sonst unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt hat. Das
Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall solche Verdachtsmomente - zutreffend -
darin gesehen, dass bei der polizeilichen Verkehrskontrolle am 3. Februar 1999 nach
der dienstlichen Äußerung des Polizeibeamten vom 16. September 2002 aus dem PKW
des Antragstellers, in dem dieser allein saß, deutlich der Geruch von Haschisch bzw.
Marihuana drang und eine selbstgedrehte in der Mittelkonsole des PKW versteckte (also
konsumbereit mitgeführte) Zigarette - nach dem polizeilichen Vermerk - mit Marihuana
bzw. - nach dem später durchgeführten Rauschgifttest - mit einem
Haschisch/Tabakgemisch gefunden wurde, und weiter zur Tragfähigkeit der
Verdachtsmomente berücksichtigt, dass der Antragsteller im gerichtlichen
Erörterungstermin am 20. Dezember 2002 angegeben hat, er konsumiere seit etwa 10
Jahren gelegentlich Haschisch. Das Verwaltungsgericht hat schließlich die
Aussagekraft der Tatsachen und den fortbestehenden Aufklärungsbedarf nicht als
infolge des Zeitablaufs vom Februar 1999 bis zum Sommer 2002 entfallen angesehen
mit der - in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich zutreffenden - Erwägung, aus dem
Zeitablauf allein lasse sich nicht entnehmen, dass der Betroffene sein Verhalten
geändert habe.
Mit diesen tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts hat sich der Antragsteller
nicht dadurch hinreichend auseinandergesetzt, dass er das erstinstanzliche Vorbringen
nur wörtlich wiederholt hat; er ist auf diese Gründe so nicht mit schlüssigen
Gegenargumenten eingegangen. Überdies hat er mit seinen Ausführungen unter 1. der
Beschwerdebegründung - wie auch bereits in der vorgerichtlichen Korrespondenz - die
bei der Verkehrskontrolle am 3. Februar 1999 festgestellten Tatsachen nicht
substanziiert bestritten; seinem bloß pauschalen Bestreiten kommt keine erhebliche
Bedeutung zu. Sein - wiederholter - Einwand, ein derart lange zurück liegendes
Verdachtselement könne aktuell eine Mitwirkungspflicht nicht begründen, setzt der
Erwägung des Verwaltungsgerichts, aus dem Zeitablauf allein lasse sich eine
Verhaltensänderung nicht entnehmen, kein schlüssiges Gegenargument entgegen,
zumal ein früheres - auch ein weit zurück liegendes - verkehrsrelevantes Verhalten in
die bei der Prüfung von Eignungsbedenken erforderliche Würdigung der
Gesamtpersönlichkeit des Fahrerlaubnisinhabers nach dem Maßstab seiner
Gefährlichkeit für den öffentlichen Straßenverkehr einbezogen werden kann,
insbesondere wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine stabile
Verhaltensänderung bestehen bzw. aufgezeigt sind.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. Oktober 2002 - 19 B 1752/02 - unter Bezugnahme
auf BVerwG, Beschluss vom 15. September 1993 - 11 B 14.93 -.
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Solche Anhaltspunkte hat der Antragsteller aber nicht aufgezeigt. Seine Angabe im
gerichtlichen Erörterungstermin am 20. Dezember 2002, er konsumiere seit etwa 10
Jahren Haschisch, habe aber dabei immer klar zwischen Drogenkonsum und
Autofahren getrennt, ist so ungeeignet, den festgestellten tatsächlichen
Verdachtsmomenten ihre auch aktuelle Aussagekraft zu nehmen, zumal den
Erklärungen der Betroffenen in Fahrerlaubnisentziehungsverfahren, etwa sie seien nur
gelegentliche Konsumenten und könnten vor allem ihren Konsum vom Führen eines
Kraftfahrzeugs trennen, zumindest nicht durchgängig zu trauen ist,
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vgl. hierzu nur BVerwG, Beschlüsse vom 12. Januar 1999 - 3 B 145.98 -, vom 30.
Dezember 1999 - 3 B 150.99 -, NZV 2000, 345 (346), und vom 23. August 1996 - 11 B
48.96 -, NZV 1996, 467 (467).
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Die Ausführungen unter 2. der Beschwerdebegründung zu einer Verkehrskontrolle am
21. September 1999 und dem Motorradunfall am 20. November 2001 - zu
Vorkommnissen, die nach Aktenlage in der Tat keine Verdachtsmomente für
Cannabiskonsum im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr bieten
mögen - sind unerheblich. Sie beziehen sich auf die mit "im übrigen" eingeleiteten,
letztlich nicht entscheidungstragenden Gründe des Verwaltungsgerichts auf Seite 4 des
Beschlusses und sind nicht geeignet, die tragenden oben angeführten Erwägungen in
Frage zu stellen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14, 20 Abs. 3 GKG. Der Senat setzt in
Hauptsacheverfahren, die die Erteilung und Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse A
sowie der Klassen BE, C1E und CE betreffen, in Höhe des 1 ½ - fachen des
Auffangwerts gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG (4.000 EUR), also in Höhe von 6.000 EUR
fest.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Juli 2002 - 19 B 1223/02 - und 8. April 2002 - 19 B
504/02 -. Im Hinblick darauf, dass der Antragsteller, der nach seinen Angaben als
Taxifahrer gearbeitet hat und sich um eine Festanstellung bei einem Taxiunternehmen
bemüht, die Fahrerlaubnis beruflich genutzt hat bzw. weiter beruflich nutzen will, ist es
angemessen und ausreichend, mit Blick auf das Hauptsacheverfahren einen Zuschlag
in Höhe der Hälfte des Auffangwerts (2.000 EUR) in Ansatz zu bringen.
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Vgl. zum Zuschlag wegen beruflicher Nutzung Senatsbeschlüsse vom 25. Juni 2002 -
19 B 1545/01 -, 22. Januar 2001 - 19 B 1757/00 - und 26. Mai 1997 - 19 A 431/96 -,
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Der Betrag von 8.000 EUR wird wegen der Vorläufigkeit des begehrten Rechtsschutzes
halbiert.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
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