Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 20.07.2005

OVG NRW: medizin, hochschule, weiterbildung, promotion, gestaltungsspielraum, zahl, verfügung, rechtsnorm, unterliegen, ersparnis

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 C 244/05
Datum:
20.07.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 C 244/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 4 Nc 148/04
Tenor:
Die im Rubrum aufgeführten Verfahren werden zur gemeinsamen
Entscheidung verbunden.
Die Beschwerden des Antragstellers/der Antragstellerinnen gegen die
Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 13. Mai 2005
werden zurückgewiesen.
Die Beschwerden des Antragsgegners gegen die
Kostenentscheidungen in den vorgenannten Beschlüssen werden als
unzulässig verworfen.
Die Kosten der jeweiligen Beschwerdeverfahren tragen jeweils die
Antragsteller/innen zu 19/20 und der Antragsgegner zu 1/20.
Der Streitwert wird für die Beschwerdeverfahren 13 C 244/05 bis 13 C
255/05 jeweils auf 3.770,- EUR und für das Beschwerdeverfahren 13 C
258/05 auf 3.920,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I. Die zulässigen Beschwerden der Antragsteller/Antragstellerinnen, über die der Senat
gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 u. 6 VwGO nur im Rahmen der fristgerechten Darlegungen
entscheidet, sind unbegründet.
2
Soweit die Antragsteller/innen eine Weiterbildung der auf einer halben
Zeitangestelltenstelle geführten Frau T. anzweifeln, führt das nicht zur Berücksichtigung
dieser Stelle als - volle oder halbe - Dauerangestelltenstelle. Maßgebend ist für das der
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Ermittlung der Zulassungszahl, einer zahlenförmigen Rechtsnorm, zu Grunde liegende
Lehrangebot ausgehend vom Stellenprinzip der Kapazitätsverordnung der Inhalt der
Stelle an sich, wobei wie bei allen kapazitätsrelevanten Daten auf die - ggf. zu
verschaffenden - Erkenntnisse des Verordnungsgebers bis zum letztmöglichen
Korrekturzeitpunkt abzustellen ist.
Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 6. Juli 2005
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- 13 C 240 /05 u.a. -, betr. WWU, Medizin, SS 05.
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Nur im besonderen Ausnahmefall kann insoweit abweichend auf die
Hochschulwirklichkeit im Berechnungsjahr abgestellt werden. Die von Frau T. besetzte
Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters auf Zeit war in den bisherigen
Haushaltsjahren stets als solche vorgesehen, eingerichtet und entsprechend in der
Weise genutzt, dass sie in Zeitintervallen verschiedenen Lehrpersonen zum Zwecke der
Ersteinstellung oder der Weiterbildung oder Projektarbeit zur Verfügung stand. Der
Begriff Weiterbildung ist weit; er erfasst nicht nur die förmliche Weiterbildung zum
Facharzt oder die Promotion oder die Qualifizierung zum Hochschullehrer, sondern
auch sonstige fachliche Erweiterungen der Kenntnisse und Fähigkeiten des
Stelleninhabers - ggf. durch projektbezogene Tätigkeit -, und das auch ohne vorherige
Promotion. Frau T. hat eidesstattlich versichert, dass ihr die Möglichkeit einer weiteren
wissenschaftlichen Qualifizierung in Form der Promotion gegeben ist. Am
Wahrheitsgehalt der Versicherung zu zweifeln, hat der Senat keinen Anlass. Auf das
Alter des Stelleninhabers kommt es bei der Promotion nicht an. Den beruflichen
Werdegang der Frau T. zu erfahren, haben Studienbewerber keinen Anspruch. Dass die
Stelle falsch besetzt ist, und zwar in der Weise, dass eine nach der Rechtsprechung des
Senats höherwertige Nutzung der Stelle durch die Hochschule von gewisser Dauer
erfolgt und deshalb der Amtsinhalt der Stelle faktisch in einen anderen, nämlich den
einer Dauerangestelltenstelle, umgewandelt worden ist, ist nicht ersichtlich.
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Soweit den Antragstellern/innen der Deputatansatz der Zeitangestelltenstelle und der
Dauerangestelltenstelle, auf denen Frau Dr. N. . K. gleichzeitig jeweils mit einer halben
Stelle geführt wird, unklar ist, ist ein höheres als das in die Kapazitätsberechnung der
Wissenschaftsverwaltung und des Verwaltungsgerichts eingebrachtes Stellendeputat
von 8 DS nicht feststellbar. Frau Dr. N. . K. hat, wie vom Verwaltungsgericht zutreffend
ausgeführt, als wissenschaftliche Mitarbeiterin auf Dauer eine individuelle
Lehrverpflichtung von 8 LVS. Von diesen sind 4 LVS auf die halbe
Dauerangestelltenstelle anzurechnen und weitere 2 LVS auf die halbe
Zeitangestelltenstelle. Die restlichen 2 LVS werden aufgezehrt, indem in die
Berechnung nicht das Stellendeputat von nur 7,5 besetzten Zeitangestelltenstellen,
sondern von 8 planmäßigen Zeitangestelltenstellen eingesetzt worden ist, mithin die
o.a. restlichen 2 LVS auf eine unbesetzte halbe Stelle angerechnet worden sind.
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Soweit die Antragsteller/innen den richtigen Deputatansatz für die von Frau Dr. X. -L.
besetzte Zeitangestelltenstelle anzweifeln, ist ein zu geringer Ansatz nicht festzustellen.
Die Stelle ist unabhängig von ihrer individuellen Besetzung mit dem vollen
Stellendeputat von 4 DS eingegangen. Frau Dr. X. - L. hat die Stelle offenbar erst zum 1.
Januar 2005, also im laufenden Berechnungsjahr - wieder - eingenommen; ihre
Beschäftigung dauert ein Jahr. Es kann offen bleiben, welche über die Promotion
hinausgehende Weiterbildung Frau Dr. X. -L. anstrebt. Denn im "Nachholen" der
mutterschaftsbedingt unterbrochenen früheren Beschäftigung als Zeitangestellte und der
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kurzfristigen Weiterbeschäftigung kann keine Umwandlung der von ihr besetzten
Zeitangestelltenstelle in eine höherwertige Dauerangestelltenstelle im Sinne der
Senatsrechtsprechung gesehen werden.
Die von einigen Antragstellern/innen mit Schriftsatz vom 11. Juli 2005 aufgeworfene
Frage, ob die von Frau Dr. X. -L. ab Anfang 2005 besetzte Stelle eventuell eine als
solche bereits zur Zeit der Kapazitätsermittlung erkennbare zusätzliche Stelle ist, ist zu
verneinen. Die Zahl der Zeitangestelltenstellen ist mit 8 Sollstellen zum Jahreswechsel
gleich geblieben und Frau Dr. X. -L. ist ausweislich der dem Senat vorliegenden
Stellenbesetzungsübersicht für das Studienjahr 03/04 wieder auf derselben Stelle wie
im Vorjahr geführt.
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Soweit sich dieselben Antragsteller/innen mit dem erwähnten Schriftsatz erstmals dem
Arbeitsvertrag der Frau Dr. B. C. zuwenden, führt das schon deshalb nicht zum Erfolg,
weil dies nicht innerhalb der Darlegungsfrist geschehen ist. Im Übrigen ist die von Frau
Dr. C. besetzte Zeitangestelltenstelle auch nicht mit 8 DS anzusetzen. Richtig ist zwar,
dass der maßgebliche Arbeitsvertrag vom 2. Juni/15. Juni 2004 keine bezifferte
Lehrverpflichtung ausweist, sondern diesbezüglich auf die jeweils geltenden
Bestimmungen verweist. Diese Bestimmungen, und zwar § 3 Abs. 4 Satz 6 LVV, sehen
aber für befristet angestellte wissenschaftliche Mitarbeiter eine Lehrverpflichtung von 4
LVS vor. Schließlich ist auch unwahrscheinlich, dass Frau Dr. C. eine Lehrverpflichtung
von 8 LVS hätte und ihre Stelle als Dauerangestelltenstelle zu werten wäre. Frau Dr. C.
wird nach der dem Senat vorliegenden Stellenbesetzungsübersicht - Stand 17. Juli
2003 - erstmals im Jahre 2003 bis zu dessen Ende auf einer Zeitangestelltenstelle mit 4
DS geführt und das Verwaltungsgericht hat im Verfahren betreffend das WS 03/04
gemäß Beschluss vom 27. Februar 2004 - 4 Nc 32/03 u. a. - nach Prüfung der seinerzeit
vorgelegten Arbeitsverträge und eidesstattlichen Versicherungen zu den
Weiterbildungstätigkeiten der Stelleninhaber festgestellt, dass der Ansatz von 4 DS
nicht zu beanstanden sei. Das ist insbesondere bezüglich der Stelle der Frau Dr. C.
seinerzeit weder von den - auch von den Prozessbevollmächtigten der vorliegenden
Verfahren vertretenen - Studienbewerbern noch vom Senat beanstandet worden. Der
Folgevertrag vom 8. März/17. März 2005 bestätigt denn auch den richtigen Ansatz von
nur 4 DS.
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Soweit den Antragstellern/innen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur von Dr.
H. besetzten Stelle unklar sind und sie behaupten, das bis Februar 2005 befristete
Beschäftigungsverhältnis sei verlängert worden oder werde als unbefristetes fortgeführt,
ist damit eine fehlerhafte Kapazitätsberechnung nicht dargelegt. Die Ausführungen des
Verwaltungsgerichts beziehen sich auf die Ermittlung des Curriculareigenanteils der
Lehreinheit Vorklinische Medizin im Rahmen der Quantifizierung des
Curricularnormwerts und besagen nur, dass der Dozent H. eben dieser Lehreinheit
angehört, mithin sein Beitrag an der Lehre keinen Fremdanteil darstellt. Für die Frage
der Berechnung des Curriculareigenanteils kommt es nicht darauf an, ob und nach
welcher Vorschrift das Arbeitsverhältnis befristet oder verlängert worden ist, sondern
allein auf die Zuordnung des Dozenten zum Lehrpersonal der Vorklinik. Die aber haben
auch die Antragsteller/innen nicht angezweifelt.
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Soweit die Antragsteller/innen wie in Verfahren vergangener Semester die
grundsätzliche Berechtigung für einen Dienstleistungsabzug für den Studiengang
Statistik-, Informatik-Diplom, Nebenfach Theoretische Medizin an der Universität
Dortmund verneinen, greift das nicht durch. Der Senat hat schon mehrfach den besagten
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Dienstleistungsexport unter mehreren Aspekten rechtlich gewürdigt
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Januar 1999
13
- 13 C 1/99 -, betr. RUB, Medizin WS 98/99; Beschluss vom 17. August 2004 - 13 C
815/04
14
u. a. -, betr. RUB, Med. WS ¾ (letzterer ist den Prozessbevollmächtigten der
vorliegenden Verfahren bekannt),
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und zum auch hier vorgetragenen Einwand ausgeführt:
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" Der vorliegend zu betrachtende Dienstleistungsexport umfaßt die klassischen Fächer
der Medizinischen Vorklinik wie Anatomie, biologische Chemie und Physiologie. Es
bedarf keiner Erklärung, daß diese Fächer in einer den Ausbildungsanforderungen
genügenden Weise nur von entsprechenden Fachlehrkräften der Vorklinischen Medizin
bedient werden können, wobei sich diejenigen einer in unmittelbarer Nachbarschaft zur
nachfragenden Hochschule gelegenen anderen Hochschule geradezu anbieten. Der
Senat hat auch keine Zweifel, daß die Erbringung der hier zu betrachtenden
Dienstleistungen durch Lehrkräfte der Lehreinheit Vorklinische Medizin der RUB und
nicht etwa durch Lehrbeauftragte aus pädagogisch-wissenschaftlichen Gründen und
aus der Erwägung des effektiven Einsatzes aufwendiger Ausbildungsressourcen der
Wissenschaftsverwaltung, mithin aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die bereits
vom Verwaltungsgericht hervorgehobenen Erwägungen einer zeitlichen und
inhaltlichen Kontinuität der exportierten Lehre und der jederzeitigen Verfügbarkeit der
gegenständlichen Ausbildungsmittel, die bei Rückgriff auf Lehrkräfte benachbarter
Hochschulen eher gewahrt sind als bei Einsatz von Lehrbeauftragten, sind ebenso
sachlich unangreifbar wie das Ziel der Ersparnis von für Lehraufträge anfallenden
Entgelten. Im übrigen ist das Anwerben von bereiten und vor allem geeigneten
Lehrkräften außerhalb der Hochschule nicht mit der von der Antragstellerin vermuteten
Leichtigkeit verbunden. Weder das Kapazitätserschöpfungsgebot noch das
Teilhaberecht des Studienbewerbers vermitteln ihm einen Anspruch darauf, das
Lehrpotential der wissenschaftlichen Lehrkräfte einer Hochschule ausschließlich in
einer den von dieser Hochschule angebotenen Studiengängen zugute kommenden
Weise einzusetzen."
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Hieran hält der Senat fest, zumal ein Studienbewerber auch unter dem Gesichtspunkt
des Kapazitätserschöpfungsgebots nicht beanspruchen kann, der Hochschule die Art
und Weise der Organisation des Lehrbetriebs und der Bereitstellung der
Ausbildungsveranstaltungen, die dem verfassungsrechtlich geschützten Bereich der
Hochschulen unterfallen, vorzuschreiben, und eine Kooperation benachbarter
Hochschulen in Form gewährter Dienstleistungen eine sachlich vertretbare
Ausgestaltung ihres auch die Lehre betreffenden Organisationsermessens darstellt. Die
Bereitstellung von Lehre durch Dienstleistungsimport, die im Rahmen der
Lehrverpflichtung des Dozenten der exportierenden Kooperations-Hochschule erbracht
wird, erspart der importierenden Hochschule Entgelte für Lehraufträge; zudem muss der
von der Hochschule einem externen Dozenten angebotene Lehrauftrag von diesem
nicht angenommen werden und muss eine benachbarte Hochschule ihm auch nicht, wie
die Antragsteller meinen, sachliche und räumliche Ausbildungsmittel zur Verfügung
stellen.
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Soweit die Antragsteller/innen die Frage der Berechnung des CAp und insbesondere
der Gruppengröße (Betreuungsrelation) g für Vorlesungen von 180 aufwerfen, führt das
die Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Antragsteller/innen haben bereits nicht
"dargelegt", welcher Curricularwert richtig wäre, welche Anteile davon auf die
Lehreinheit Vorklinische Medizin und fremde Lehreinheiten entfielen, mit welchen
Zahlen in der Formel (5) der Kapazitätsverordnung zu rechnen sowie welche
Zulassungszahl richtig wäre.
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Im Übrigen hält der Senat bei der im vorliegenden Verfahren lediglich möglichen
Prüfungsdichte den Wert g = 180 für Vorlesungen nach wie vor für kapazitätsrechtlich
akzeptabel. Den abweichenden Ansichten einiger Obergerichte - z. B. OVG Lüneburg
und OVG Koblenz; die anderen von den Antragstellern/innen angeführten
Entscheidungen sind nicht auffindbar oder befassen sich nicht mit dem Problem - teilt
der Senat nicht.
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Die Antragsteller/innen greifen mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen letztlich den
Curricularnormwert für den Studiengang Medizin an, der nach Abzug des auf "fremde"
Lehreinheiten entfallenden Anteils zum Eigenanteil der Lehreinheit Vorklinische
Medizin führt und im Rahmen seiner Ermittlung die Gruppengröße g für Vorlesungen
einen von mehreren Parametern darstellt. Es kann daher keine isolierte Würdigung des
Parameters g für Vorlesungen in der Medizin erfolgen, ohne den Curricularnormwert als
ganzen zu betrachten. Dieser ist eine zahlenförmige Rechtsnorm (KapVO, Anlage 2 (lfd.
Nr. 26)). Als ein Element des Normsetzungsverfahrens ist der Wert g = 180 für
Vorlesungen und damit der Curricularnormwert insgesamt nur dann zu beanstanden,
wenn der genannte Wert im Rahmen des weiten Normsetzungsermessens des
Verordnungsgebers
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vgl. zum weiten Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers des Curricularnormwerts
bei g = 180 für Vorlesungen BVerwG, Urteil vom 18. September 1981 - 7 N 1.79 -,
BVerwGE 64, 77,
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unter keinen sachlichen Gesichtspunkten mehr haltbar, mithin willkürlich ist. Für
Letzteres ist nichts erkennbar.
23
Die weitere Anwendung des u. a. unter Anwendung des Parameters g = 180 für
Vorlesungen ermittelten Curricularnormwerts und des genannten Parameters selbst ist
sachlich vertretbar und nicht willkürlich.
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Der Curricularnormwert wird zwar durch Verordnung der jeweiligen Länder
Deutschlands festgesetzt, er ist aber für alle Länder gleich, um - u. a. mit g = 180 für
Vorlesungen - länderübergreifend gleiche Ausbildungsgegebenheiten und
Ausbildungsqualität zu erreichen. Diesem Ziel diente auch der frühere
Beispielstudienplan der ZVS, der mit g = 180 für Vorlesungen rechnete. So lange keine
bundesweit einheitliche höhere Betreuungsrelation für Vorlesungen im Studiengang
Medizin im Curricularnormwert praktiziert wird, war und ist es vor dem Anliegen
landeseinheitlich gleicher Ausbildungsgegebenheiten im Studiengang Medizin nicht zu
beanstanden, wenn auch der nordrhein-westfälische Verordnungsgeber der
Kapazitätsverordnung an dem bisher bundeseinheitlich angenommenen Wert g = 180
für Vorlesungen festhielt bzw. festhält. Dieser Wert hat immerhin einer Überprüfung
durch das Bundesverwaltungsgericht, a. a. O., standgehalten. Dass es nunmehr einen
ZVS-Beispielstudienplan nicht mehr gibt, ist kein Grund, an dem hier zu betrachtenden
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Parameter nicht mehr festzuhalten. Dass die Teilnehmerzahl der medizinischen
Vorlesungen im Durchschnitt so wesentlich gestiegen ist, dass die Betreuungsrelation
180 als Mittelwert, wie vom Bundesverwaltungsgericht bezeichnet, nicht mehr haltbar
ist, kann jedenfalls für das Land Nordrhein-Westfalen nicht festgestellt werden. Bei den
kleinen medizinischen Fakultäten und bei denjenigen mit semesterlichem
Ausbildungsturnus liegen die tatsächlichen Hörerzahlen einer medizinischen Vorlesung
unter 180.
Es kann auch dem Wert g = 180 für Vorlesungen in der Medizin die Vertretbarkeit nicht
deshalb abgesprochen werden, weil die obligatorischen Seminare durch die
Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002 - möglicherweise anders als in dem
der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, a. a. O., zu Grunde liegenden
Studienplan - eine Erweiterung und gewisse Erhöhung ihrer Bedeutung erfahren haben.
Denn je höher die Zahl der Teilnehmer an Vorlesungen angesetzt wird, um so mehr
steigt die Gesamtzahl der auch in teilnehmerlimitierten Kleinlehrveranstaltungen wie in
Seminaren auszubildenden Studenten, wozu für die dann wegen der
Teilnehmerlimitierung zwangsläufig erhöhte Zahl der Kleingruppen ein ausreichender
Lehrpersonalkegel zur Verfügung gestellt werden müsste.
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Zudem darf der Verordnungsgeber der Kapazitätsverordnung in seinen weiten
Gestaltungsspielraum auch bei der Frage der Beibehaltung oder Neubestimmung eines
Parameters des Curricularnormwerts Zielvorstellungen einbringen, etwa die, dass auch
bei Vorlesungen mit zunehmender Teilnehmerzahl die Ausbildungsqualität leidet und
dementsprechend "Nachholbedarf" in den begleitenden Kleinlehrveranstaltungen zum
dortigen Nachteil für Lehrende und Studenten besteht.
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In die Aufrechterhaltung des betrachteten Parameters sind mithin komplexe
Erfahrungen, Ziele, Erwägungen und Wertungen des Verordnungsgebers eingeflossen
und als zahlenförmiger pauschalierender Wert muss der Parameter g=180 für
Vorlesungen zwangsläufig Abweichungen in der Hochschulwirklichkeit umfassen, ohne
dass er dadurch bereits willkürlich wird. Von Seiten der Studienbewerber ist schließlich
auch die Rechtfertigung der übrigen in Ausübung eines pädagogisch-
wissenschaftlichen normativen Gestaltungsspielraums in den Curricularnormwert
eingestellten Parameter - wie die Gruppengröße (Betreuungsrelation) für Seminare,
Praktika oder die Anrechnungsfaktoren für die verschiedenen
Lehrveranstaltungsformen, soweit sie förmlich normativ festgesetzt sind - als bundesweit
einheitliche Ausbildungsgegebenheiten bisher nicht in Zweifel gezogen worden. Der
Umstand, dass g = 180 für Vorlesungen anders als g für Seminare nicht förmlich
normativ festgesetzt ist, wohl aber zwangsläufig dem Curricularnormwert zu Grunde
liegt, kann zu keinem abweichenden Ergebnis führen.
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Die Vorlesungen zum Gegenstand des Curricularnormwerts zu machen und keinen sog.
Vorlesungsvorwegabzug zu praktizieren, ist eine hochschulpolitische Entscheidung des
Kapazitätsverordnungsgebers, also der Länder, und unterliegt deren weitem normativen
Gestaltungsspielraum und ist nicht zu beanstanden.
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II. Die ersichtlich nur gegen die erstinstanzlichen Kostenentscheidungen gerichteten
Anschlussbeschwerden des Antragsgegners sind unzulässig, weil gegen die
erstinstanzliche Entscheidung in der Hauptsache kein Rechtsmittel eingelegt ist (§ 158
Abs. 1 VwGO). Zweck dieser Regelung ist, die höhere Instanz nicht nur wegen der
Kostenentscheidung zu einer Nachprüfung der Sachentscheidung zu zwingen. Dieses
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Gesetzesanliegen findet vorliegend auch keine Ausnahme in der Situation der
Anschlussbeschwerde.
Vgl. hierzu Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 158 Rdn. 1 und § 127 Rdn. 3.
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Denn auf die Beschwerde der Antragsteller/innen ist der Senat nicht - ohnehin - zur
Nachprüfung der erstinstanzlichen Sachentscheidung , soweit sie zur angegriffenen
Kostenentscheidung geführt hat, gehalten. Vielmehr entscheidet er auf diese
Beschwerden nur im Rahmen deren fristgerechten Darlegungen, die jedoch - nur -
weitere verfügbare Studienplätze aufzeigen wollen, nicht aber die vom Antragsgegner
offensichtlich akzeptierten 4 Plätze betreffen. Gerade diese letzteren Plätze begründen
aus Sicht des Verwaltungsgerichts das teilweise Unterliegen des Antragsgegners und
die angegriffene Kostenentscheidung. Ob bei vier auszukehrenden Plätzen von einem
überwiegenden Unterliegen der Antragsteller/innen auszugehen ist, wie der
Antragsgegner meint, ist nicht zu entscheiden. Im Übrigen steht die angegriffene
Kostenentscheidung in innerem Zusammenhang mit der erstinstanzlichen
Streitwertfestsetzung, bezüglich der der Senat im Rahmen seines Ermessens von der
Änderungsmöglichkeit von Amts wegen aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG keinen Gebrauch
macht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die
Streitwertentscheidungen ergeben sich aus §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3, 47 Abs. 1, 45 Abs.
2 GKG, wobei der Senat die Beschwerden der Antragsteller/innen jeweils mit 3.750
EUR sowie die Anschlussbeschwerden des Antragsgegners wegen der ihn treffenden
erstinstanzlichen (geschätzten) Kosten in den Verfahren 13 C 244/05 bis 13 C 255/05
jeweils mit 20,- EUR und im Verfahren 13 C 258/05 mit 170,- EUR bewertet.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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