Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 07.06.2006

OVG NRW: moldawien, schule, datum, eltern, umzug, anhörung, abrede, alter, anerkennung, haushalt

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 959/04
Datum:
07.06.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 959/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 26 K 378/02
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 16.000 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.
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Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO. Es vermag die Annahme des Verwaltungsgerichts, es fehle an der familiären
Vermittlung der deutschen Sprache i.S.v. § 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BVFG, nicht zu
erschüttern.
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Das Ergebnis des Sprachtests der Klägerin zu 1. aus dem Jahre 1997 lässt nicht
erkennen, dass diese in der Lage ist, ein einfaches Gespräch in Deutsch zu führen. Auf
die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die durch das
Zulassungsvorbringen nicht entkräftet werden, wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO
Bezug genommen.
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Zudem haben die Kläger im Widerspruchsverfahren mit anwaltlichem Schriftsatz vom
21. Juli 2000 ausdrücklich vorgetragen, dass es ihnen nicht möglich gewesen sei, nach
dem Umzug von Sibirien nach Moldawien ihre deutschen Sprachkenntnisse aufrecht zu
erhalten:
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"Meine Mandanten haben die deutsche Sprache von Kindheit an gelernt. Sie haben
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deutsch schon vor der russischen Sprache erlernt. Bis 1974 wurde zu Hau-se nur
deutsch gesprochen. Danach erfolgte jedoch der Umzug von Sibirien nach Moldawien.
In Moldawien waren überhaupt keine deutschen Volkszugehörigen in der Umgebung
ansässig, so dass meine Mandanten nicht nur in der Schule die russische Sprache
sprechen mussten, sondern auch in ihrer Umgebung keinerlei Möglichkeit hatten, weiter
die deutsche Sprache zu pflegen.
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Es wohnten auch keine Verwandten und Bekannten in der Nähe.
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Insbesondere unter dem Aspekt, dass meine Mandanten auch keine Möglichkeit hatten,
Deutschunterricht in der Schule zu erhalten, ist die Assimilierung der deutschen
Sprache bei meinen Mandanten darauf zurückzuführen, dass es ihnen gemäß § 6 Abs.
2 Satz BVFG nicht möglich war, ihre deutschen Sprachkenntnisse soweit
aufrechtzuerhalten, dass dies von den Behörden als ausreichend erachtet wurden."
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Der Wegfall der familiären Vermittlung der deutschen Sprachkenntnisse ab 1974 wird
auch dadurch bestätigt, dass die Eltern der Klägerin zu 1. nach ihrem durchgängigen
Vortrag jedenfalls ab diesem Zeitpunkt mit ihren Kindern nicht mehr Deutsch
gesprochen haben und berufstätig gewesen sind. Der Abbruch der familiären
Sprachvermittlung und der sich in der Folgezeit aufgrund fehlender Übung einstellende
Verlust der Sprachkompetenz wird auch daran deutlich, dass die Klägerin zu 1. bei
ihrem Sprachtest selbst angegeben hat, Deutsch nur bis 1974 und danach selten
gesprochen zu haben. Wenn das Verwaltungsgericht im Rahmen einer
Gesamtwürdigung (einschließlich der Angaben der Familienangehörigen) zu dem
Ergebnis gekommen ist, dass eine familiäre Vermittlung der deutschen Sprache
lediglich bis zum sechsten Lebensjahr der Klägerin zu 1. stattgefunden hat und danach
aufgrund fehlender Sprachpraxis ein Verlust der Sprachkompetenz eingetreten ist, so
dass die aktuell gezeigten Sprachfähigkeiten nicht auf eine familiäre Vermittlung
zurückzuführen sind, ist dies nicht zu beanstanden.
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Die pauschalen und zum Teil lediglich auf Vermutungen basierenden Ausführungen in
der Zulassungsbegründung, wonach
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- beide Eltern der Klägerin zu 1. Deutsche seien,
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- beide Großmütter Kontakt mit der Klägerin zu 1. gehabt hätten, als diese noch Kind
gewesen sei,
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- die Klägerin zu 1. auch mit ihrer Großmutter B. E. zusammen gewesen sei, die
Klägerin zudem das einzige Mädchen in der Familie gewesen sei, so dass sie zu Hause
wahrscheinlich in viel engerem Kontakt zur Mutter und der Großmutter gestanden habe
als ihre beiden Brüder,
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sind nicht geeignet, die ohne weiteres nachvollziehbare Schlussfolgerung des
Verwaltungsgerichts zu erschüttern, dass die Klägerin zu 1. zwar ab 1974 mit ihrer
Großmutter B. E. in einem Haushalt zusammengelebt hat, jedoch zu diesem Zeitpunkt
schulpflichtig geworden ist und deshalb ihr Kontakt zur Großmutter weniger intensiv
gewesen ist als der ihrer beiden deutlich jüngeren Brüder F. und B1. . Wenn letzterer
zudem nach seinen Angaben in seinem Aufnahmeantrag Deutsch nur verstanden hat,
und dementsprechend in seinem Sprachtest - von der Mutter auch mit ihrer Unterschrift
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bestätigt - angegeben hat, er habe nur etwas Deutsch verstanden, aber nicht
gesprochen, und darüber hinaus ihr Bruder F. im Rahmen seines Sprachtests
ausdrücklich angegeben hat, er habe bis 1974 Deutsch gesprochen, bis 1978 selten
und danach nie, kann selbst in diesem engeren Verhältnis von einer nachhaltigen
Sprachvermittlung durch die Großmutter nicht ausgegangen werden; in Bezug auf die
Klägerin zu 1. gilt dies erst recht. Der Umstand, dass der Bruder B1. der Klägerin zu 1.
nach § 4 BVFG anerkannt worden ist, hat insoweit keinerlei Indizwirkung, sondern
kennzeichnet allenfalls die Rechtswidrigkeit der Anerkennung, worauf auch schon das
Verwaltungsgericht hingewiesen hat.
Die darüber hinaus erhobene Abweichungsrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) greift nicht
durch. Soweit eine Abweichung von Entscheidungen "des Oberverwaltungsgerichts"
geltend gemacht wird, fehlt es bereits an der eindeutigen Bezeichnung der
Entscheidungen nach Aktenzeichen und Datum. Soweit die Urteile des
Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 4. September 2003 - 5 C 33.02 - und - 5 C
11.03 - in Bezug genommen werden, ist entgegen der Auffassung der Kläger hieraus
nicht der Rechtssatz abzuleiten, dass zu einer Anhörung zwingend auch eine
ausführliche Schilderung der Lebenssituation gehört. Soweit die Kläger darüber hinaus
darauf hinweisen, dass nach den genannten Urteilen eine dialektgefärbte Sprache
gerade ein Indiz für die familiäre Vermittlung im Elternhaus sei, hat dies das
Verwaltungsgericht nicht in Abrede gestellt. Es ist, wie oben bereits dargelegt, auch
nicht von einem völligen Fehlen der familiären Vermittlung deutscher Sprachkenntnisse
ausgegangen, sondern ist ausweislich seiner Ausführungen auf den Seiten 12, 14 und
16 des Urteilsabdrucks der Auffassung gewesen, dass eine familiäre Vermittlung
lediglich bis zum Alter von 6 Jahren stattgefunden habe und dass die aktuellen
Sprachkenntnisse mit Blick darauf, dass spätestens ab 1978 aufgrund mangelnder
Übung ein Verlust der Sprachkenntnisse eingetreten sei, auf einer Fremdvermittlung
beruhten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die
Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 72 Nr. 1 GKG i. V. m. §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 und
3 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung (GKG a.F.).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 72 Nr. 1 GKG, 25 Abs. 3 Satz
2 GKG a.F.). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4
VwGO).
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