Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 30.09.2002
OVG NRW: klageänderung, verfahrenskosten, beamtenrecht, hauptsache, ermessen, ersatzwert, bedürfnis, sicherheit, berechtigung, klageerweiterung
Oberverwaltungsgericht NRW, 6 A 1106/99
Datum:
30.09.2002
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 A 1106/99
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Aachen, 1 K 194/95
Tenor:
Die Klage mit dem im Berufungsverfahren geänderten Antrag wird
abgewiesen.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die für erledigt erklärten
Anträge betrifft. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 17.
Dezember 1998 ist unwirksam.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander
aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu
7/8 und der Beklagte zu 1/8.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zum Eingang des
klägerischen Schriftsatzes vom 7. Juni 2002 auf 4.090,33 EURuro
(8.000,00 DM), für die Zeit danach auf 14.727,43 EURuro (28.804,36
DM) festgesetzt.
Gründe:
1
I.
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Das Verwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 17. Dezember 1998 dem
ursprünglichen Hauptantrag des Klägers stattgegeben, indem es den Bescheid der
Höheren Landespolizeischule " D. " über die Feststellung des Rangordnungswertes
vom 19 sowie den zugehörigen Widerspruchsbescheid vom 19 aufgehoben und den
Beklagten verpflichtet hat, den Kläger zum Aufstiegslehrgang für lebensältere
Polizeivollzugsbeamte mit abschließender II. Fachprüfung zuzulassen. Auf Antrag des
Beklagten hat der Senat die Berufung dagegen zugelassen. Mit Schriftsatz vom 2 hat
der Beklagte unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
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(BVerwG) vom 12. April 2001 - 2 C 14.00 - das Verfahren in der Hauptsache für erledigt
erklärt. Der Kläger hat sich mit Schriftsatz vom 2 dieser Erledigungserklärung
angeschlossen. Gleichzeitig beantragt er nunmehr
das Gericht möge feststellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm den Nachteil
auszugleichen, den er dadurch erleide, dass er erst mit Wirkung vom 2 in eine Planstelle
der Besoldungsgruppe A 9 ZS eingewiesen worden sei, obwohl er bereits am 19 die II.
Fachprüfung für lebensältere Polizeivollzugsbeamte bestanden habe.
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Der Beklagte beantragt sinngemäß,
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diese Klage abzuweisen,
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der er als einer Klageänderung/Klageerweiterung widerspreche.
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II.
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Der Senat entscheidet gemäß § 130a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch
Beschluss. Die Berufung des Beklagten muss nach einstimmiger Auffassung des
Senats zum Erfolg führen, weil der im Berufungsverfahren gestellte Sachantrag des
Klägers unzulässig ist. Eine mündliche Verhandlung hält der Senat nicht für erforderlich.
Die im Berufungsverfahren erklärte Klageänderung erfüllt nicht die Voraussetzungen der
§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 91 Abs. 1 VwGO. Danach ist die Änderung der Klage nur zulässig,
wenn die übrigen Beteiligten (hier: der Beklagte) einwilligen oder das Gericht die
Änderung für sachdienlich hält.
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Der Beklagte hat in die Änderung der Klage nicht eingewilligt. Er hat ihr vielmehr - mit
Schriftsatz vom 2 - ausdrücklich widersprochen. Der Senat sieht die Klageänderung
auch nicht als sachdienlich an. Die Verwaltungsgerichtsordnung stellt den Beteiligten
zwei Tatsacheninstanzen zur Verfügung; die zweite Instanz soll grundsätzlich erst nach
Entscheidung der ersten über den jeweiligen Streitgegenstand angerufen werden.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 11.
Juni 1987 - 8 A 2443/85 - und vom 1. Juni 1988 - 8 A 2228/86 -, jeweils m.w.N.
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Es besteht kein Grund, dies vorliegend ausnahmsweise anders zu sehen. Entgegen der
Auffassung des Klägers betrifft die geänderte Klage nicht im Wesentlichen denselben
Streitgegenstand. Mit der vom Beklagten eingelegten Berufung ging es (bis zu der
übereinstimmenden Erklärung der Beteiligten, dass dieser Streitstoff erledigt sei) um die
vom Verwaltungsgericht verneinte Rechtmäßigkeit der dem Kläger erteilten
Bescheinigung über den Rangordnungswert sowie um die vom Verwaltungsgericht
ausgesprochene Verpflichtung des Beklagten, ihn zum Aufstiegslehrgang zuzulassen.
Nunmehr verfolgt der Kläger die gerichtliche Feststellung, dass der Beklagte ihm zur
Leistung von Schadensersatz wegen verspäteter Beförderung verpflichtet sei. Damit
macht der Kläger zwar den bisherigen Prozessstoff zum Ausgangspunkt seines neuen
Begehrens. Das kann die wesentlichen Unterschiede zwischen den Streitgegenständen
jedoch nicht beseitigen. Ein neuer und zugleich wesentlicher Aspekt wäre nunmehr
etwa die Frage eines Verschuldens von Seiten des Beklagten; eine
verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht des Dienstherrn ist dem
Beamtenrecht fremd.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. August 1998 - 2 B 34.98 -, Zeitschrift für Beamtenrecht
2001, 34.
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Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die gerichtliche Überprüfung der
Berechtigung des Schadensersatzanspruchs die Durchführung eines Vorverfahrens
voraussetzt ( § 126 Abs. 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes).
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2001 - 2 C 8.01 -.
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Das Gericht kann nicht "unmittelbar" eingeschaltet werden. Der Akteninhalt lässt nicht
erkennen, dass der Kläger ein Vorverfahren in Gang gesetzt hat.
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Soweit der Kläger den Rechtsstreit mit den erstinstanzlichen Anträgen für in der
Hauptsache erledigt erklärt hat, ist zweifelshaft, ob für eine unbedingte Erklärung dieses
Inhalts neben der Klageänderung überhaupt Raum ist.
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Bejahend z.B. Bernreuther, Juristische Schulung 1999, 478 (480); verneinend hingegen
wohl Ortloff in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, § 91
Rdnr. 11.
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Unzweifelhaft besteht aber ein praktisches Bedürfnis, eine solche Erklärung hilfsweise
abgeben zu können.
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Vgl. Kothe in: Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., § 107 Rdnr.
18.
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Die Erklärung des Klägers, die mit derjenigen des Beklagten übereinstimmt, ist
jedenfalls in dem letztgenannten Sinne auszulegen, Dementsprechend ist das
Verfahren insoweit einzustellen. Ferner ist das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17.
Dezember 1998 für unwirksam zu erklären.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich des
erledigten Teils des Rechtsstreits, der Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung
war, ist über die Verfahrenskosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO). Es erscheint
billig, dass die Verfahrenskosten insoweit gegeneinander aufgehoben werden (vgl. §
155 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO). Wie der Rechtsstreit, wenn er hätte entschieden
werden müssen, in der Berufungsinstanz ausgegangen wäre, lässt sich nicht mit
hinreichender Sicherheit beantworten. Eine überschlägige Einschätzung der
Erfolgsaussicht der Klage, die es gerechtfertigt hätte, die Verfahrenskosten in anderer
Weise zu verteilen, ist angesichts der Komplexität des Streitstoffs nicht möglich. Auch
das Bundesverwaltungsgericht hat in dem erwähnten, einen gleich gelagerten Fall
betreffenden und vom Beklagten zum Anlass für seine Erledigungserklärung
genommenen Urteil vom 12. April 2001 - 2 C 14.00 - zu der Erfolgsaussicht der dortigen
Klage, falls sie sich nicht erledigt hätte, eine Aussage nicht getroffen. Dass das
Bundesverwaltungsgericht in jenem Verfahren die Kosten dem Beklagten auferlegt hat,
führt in diesem Zusammenhang nicht weiter. Die dortige Kostenentscheidung beruhte -
zwingend - auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die in zweiter Instanz entstandenen Kosten der zugleich mit der Erledigung des
bisherigen Rechtsstreits erhobenen Klage hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu
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tragen.
Aus den unterschiedlichen Streitwertanteilen der erledigten Klage und der in zweiter
Instanz erhobenen Klage ergibt sich die Quotelung für das Berufungsver- fahren.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
und des § 127 des Beamtenrechtsrahmengesetzes hierfür nicht erfüllt sind.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2, § 15, § 73
Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Hinsichtlich des im Berufungsverfahren
übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits gilt der Ersatzwert des §
13 Abs. 1 Satz 2 GKG. Für die Zeit seit der Änderung des Klagebegehrens im
Berufungsverfahren ist in Anwendung von § 13 Abs. 4 Satz 2, § 15, § 73 Abs. 1 GKG der
6,5-fache Monatsbetrag des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 9 BBesO (Stand
Februar 1999) anzusetzen.
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