Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.12.2000
OVG NRW: anerkennung, geburt, unverzüglich, auflage, analogie, ausländer, datum, meinung
Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 5606/00.A
Datum:
21.12.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 A 5606/00.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 2 K 2629/97.A
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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Die von der Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
(Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) ist nicht gegeben. Die als
rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage,
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ob für minderjährige ledige, in Deutschland in dem Zeitraum zwischen Asylanerkennung
eines Elternteils und der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung geborene Kinder der
Asylantrag unverzüglich nach der Geburt oder innerhalb eines Jahres nach der Geburt
zu stellen ist,
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lässt sich eindeutig aus dem Gesetz beantworten. Nach § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG gilt
in diesem Falle die Jahresfrist.
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Bis zur Einfügung (mit Wirkung ab 1. November 1997) des neuen § 26 Abs. 1 Nr. 1
AsylVfG durch das Gesetz zur Änderung ausländer- und asylverfahrensrechtlicher
Vorschriften vom 29. Oktober 1997, BGBl. I S. 2584, der das zusätzliche materielle
Erfordernis aufstellte, dass der stammberechtigte Elternteil unanfechtbar als
Asylberechtigter anerkannt ist,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1998 - 9 C 31.97 -, DVBl. 1999, 175,
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war einhellige Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass das Kind eines
Asylberechtigten, das in Deutschland nach dessen Antragstellung, aber vor der
Anerkennung geboren worden ist, gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG
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a.F. (= Nr. 3 AsylVfG i.d.F. ab 1.11.1997) Anspruch auf Familienasyl hat, wenn der
Familienasylantrag unverzüglich - d.h. in der Regel innerhalb von zwei Wochen - nach
der Geburt gestellt worden ist,
vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1997 - 9 C 35.96 -, DÖV 1997, 921,
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und die Jahresfrist des § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG für alle Kinder gilt, die nach dem
Ausspruch der Asylanerkennung für den stammberechtigten Elternteil geboren worden
sind.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1997, a.a.O.; Gemeinschaftskommentar zum
Asylverfahrensgesetz, § 26 Rdnr. 79; Marx, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 4.
Auflage 1999, § 26 Rdnr. 39 und 40.
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Als Grund für diese unterschiedliche Fristenregelung in § 26 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG
einerseits und § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG andererseits werden verfahrensökonomische
Gesichtspunkte angeführt.
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Der vorliegende Fall fällt unter diese Altregelung. Denn der Kläger hat seinen
Asylantrag spätestens am 3. Februar 1997 gestellt. Zu diesem Zeitpunkt galt -
höchstrichterlich bestätigt durch das o.a. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.
Mai 1997 - für den Kläger die Jahresfrist. Das Änderungsgesetz vom 29. Oktober 1997
hat sich keine rückwirkende Kraft beigelegt, so dass eine vor Inkrafttreten des
Änderungsgesetzes durchgeführte fristwahrende Handlung (hier: Asylantragstellung)
nicht nachträglich zu einer "verfristeten" Handlung werden kann.
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Im Übrigen hat sich bezüglich der Fristenregelung durch die Einfügung des § 26 Abs. 1
Nr. 1 (neu) AsylVfG nichts geändert. Denn § 26 Abs. 1 Nr. 1 (neu) AsylVfG regelt die
Frage, unter welchen materiellen Voraussetzungen Familienasyl gewährt werden kann,
er enthält keine Fristbestimmung, wann der Asylantrag des minderjährigen Kindes
gestellt werden muss. Diese ist allein in § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG geregelt. Deshalb
kann nicht - auch nicht im Wege der Analogie oder der erweiternden Rechtsauslegung -
in § 26 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG statt der Formulierung "nach der Anerkennung des
Asylberechtigten" der neue Passus "nach der unanfechtbaren Anerkennung des
Asylberechtigten" hineininterpretiert werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 80 AsylVfG).
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