Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 26.09.2003

OVG NRW: funktionelle zuständigkeit, jugendhilfe, berufliche ausbildung, staatliches handeln, zusage, integration, verwaltung, erlass, eingliederung, ermessen

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 B 1727/03
Datum:
26.09.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 B 1727/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 26 L 794/03
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der angefochtene
Beschluss geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Beigeladenen wird verworfen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten
nicht erhoben werden, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des
Beigeladenen in beiden Rechtszügen. Der Beigeladene trägt seine
außergerichtlichen Kosten selbst.
G r ü n d e :
1
I. Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Die dargelegten
Beschwerdegründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Änderung des
angefochtenen Beschlusses.
2
Mit dem Beschwerdevorbringen ist kein Anspruch auf Gewährung von Zuschüssen zu
den Personalkosten für sozialpädagogische Fachkräfte in Höhe der im Jahr 2002
erfolgten Förderung oder in einer geringeren Höhe glaubhaft gemacht worden. Die von
dem Antragsteller genannten verfassungsrechtlichen und jugendhilferechtlichen
Aspekte tragen einen solchen Anspruch nicht. Aus der Zusammenschau von § 74 Abs.
1 und § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ergibt sich, dass ein Träger der freien Jugendhilfe
gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe (lediglich) einen Anspruch darauf hat,
dass dieser über die Art und Höhe der beantragten Förderung einer
jugendhilferechtlichen Maßnahme im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach
pflichtgemäßem Ermessen entscheidet. Ein strikter Anspruch auf eine bestimmte
Förderung ist damit jugendhilferechtlich nicht normiert.
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Vgl. OVG NRW, Urteile vom 15. Januar 1997 - 16 A 2389/96 -, OVGE 46, 108, 109 =
FEVS 47, 394 und vom 10. Juli 2003 - 16 A 2822/01 - m. w. N.; OVG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 4. September 1997 - 12 A 10610/97 -, FEVS 48, 208, 209; OVG Berlin,
Beschluss vom 14. Oktober 1998 - 6 S 94.98 -, FEVS 49, 368, 372 f.; Heinrich in:
Fieseler/Schleicher (Hrsg.) Kinder- und Jugendhilferecht, § 74 SGB VIII, Rn. 29 m.w.N.;
a. A. Baltz, Förderung der freien Jugendhilfe, NDV 1996, 360 f.
4
Indessen kann vor allem in Verbindung mit den vorrangigen verfassungsrechtlichen
Anforderungen das Förderermessen dergestalt reduziert sein, dass nur die
Entscheidung, eine Förderung bestimmter Art und in bestimmter Höhe zu gewähren,
rechtmäßig ist. Dass die Voraussetzungen hierfür vorliegen, hat der Antragsteller aber
nicht glaubhaft gemacht. Weder aus § 74 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG
noch aus § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII i.V.m. dem rechtsstaatlichen Grundsatz des
Vertrauensschutzes und den einschlägigen jugendhilferechtlichen Grundsätzen folgt
nach summarischer Prüfung ein Anspruch auf die volle oder teilweise Weiterführung der
bisherigen Förderung.
5
1. Der durch das Haushaltsgesetz vom 18. Dezember 2002 (GV NRW S. 660)
festgestellte Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2003
ermächtigt bei überschlägiger Betrachtung die Verwaltung nicht zu Ausgaben zur
Bezuschussung von Personalkosten für sozialpädagogische Fachkräfte in
Jugendwohnheimen. Das ergibt sich ausdrücklich aus der Beilage 4 zu Einzelplan 11,
dem 53. Landesjugendplan, in der, anders als in den Landesjugendplänen der Vorjahre,
das sozialpädagogisch begleitete Jugendwohnen als zu fördernde Maßnahme der
Jugendsozialarbeit nicht mehr aufgeführt ist. Unbeschadet dessen, dass die
Erläuterungen in Beilage 4 zu Einzelplan 11 nicht - ausnahmsweise -, wie es § 17 Abs.
1 Satz 2 LHO ermöglicht hätte, für verbindlich erklärt worden sind, geben sie ohne
durchgreifenden Zweifel den im festgestellten Haushaltsplan auch konkludent zum
Ausdruck gekommenen Willen des Haushaltsgesetzgebers wieder, keine Mittel im
Jahre 2003 für die Bezuschussung des Jugendwohnens zur Verfügung zu stellen. Dies
hat auch die Vorinstanz zutreffend herausgestellt. Da das Haushaltsgesetz die
vollziehende Gewalt verpflichtet, nicht über die zugewiesenen Mittel und ihre
Verwendungszwecke hinauszugehen,
6
vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, München 1980, §
49 III 4, S. 1207,
7
sind die jeweiligen Haushaltszwecke gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Ein
wichtiges Indiz für den vom Haushaltsgesetzgeber verfolgten Zweck, die in den
Landesjugendplan 2003 eingestellten Mittel für andere Maßnahmen als die
sozialpädagogische Betreuung in Jugendwohnheimen zu verwenden, das
Jugendwohnen also von der Landesförderung auszunehmen, liegt bereits in der
Abschmelzung des im Jahre 2002 für die Jugendsozialarbeit insgesamt vorgesehenen
Fördervolumens im Haushaltsplan 2003 um den Betrag, der 2002 für die
Bezuschussung des Jugendwohnens zur Verfügung stand. Dem entspricht auch der
Gang der parlamentarischen Beratung. Anlässlich der Beratung des Einzelplans 11 des
Haushaltsgesetzes im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie führte die damals
zuständige Ministerin am 26. September 2002 aus, die Förderung der
sozialpädagogischen Kräfte in Jugendwohnheimen solle mit Ende des Jahres
eingestellt werden. Gegenanträge der Fraktionen der CDU und FDP auf Rücknahme
der im Bereich des Jugendwohnens vorgesehenen Kürzungen wurden mit den Stimmen
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der Regierungsfraktionen abgelehnt. Ferner führte die nunmehr zuständige Ministerin
während der zweiten Lesung des Haushaltsgesetzes am 11. Dezember 2002 aus: "Wir
sollten auch ein Mal in diese Jugendwohnheime genau hineinschauen. Wer lebt denn
darin? Das sind hauptsächlich Erwachsene. Da fragt man sich wirklich, ob sie noch eine
pädagogische Betreuung in der Dichte brauchen. Insofern ist es legitim, dass man über
die Förderprogramme ein Mal nachdenkt. Und das macht man in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten, wie wir es jetzt auch getan haben." In Anbetracht dieser eindeutigen
Indizien spielt es für die Ermittlung des vom Haushaltsgesetzgeber mit der
Veranschlagung von Mitteln für die Jugendsozialarbeit verfolgten Zwecks keine Rolle,
dass in den vom Beigeladenen erlassenen Richtlinien zum Landesjugendplan unter
Pos. B) VIII, 3.1 unter Übernahme der Vorjahresfassung die Förderung des
Jugendwohnens weiterhin vorgesehen ist.
Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die in der parlamentarischen Debatte von
den Regierungsfraktionen politisch gegebene Zusage einer Hilfestellung „dort, wo es
keine anderen Finanzierungsquellen gebe, die pädagogische Arbeit im Rahmen des
Jugendwohnens aber tatsächlich notwendig" sei. Zwar heißt es in einem vom
Antragsteller vorgelegten Schreiben des Beigeladenen an den Antragsgegner vom 6.
Juni 2003 im Hinblick auf anfängliche Vorbereitungen sogenannter Härtefallregelungen,
es seien „entsprechende Mittel reserviert worden". Dass die Verwaltung aber trotz
fehlender Bereitstellung von Mitteln im Landeshaushaltsplan ohne erneute Befassung
des Haushaltsgesetzgebers mit der Förderung des Jugendwohnens ermächtigt
(gewesen) wäre, durch Umschichtungen und Einsparungen an anderer Stelle
erwirtschaftete Mittel als Zuschüsse zu den Personalkosten für sozialpädagogische
Fachkräfte in Jugendwohnheimen zu gewähren, steht nach dem Akteninhalt nicht fest.
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2. Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers liegen die Voraussetzungen nicht vor,
unter denen der Antragsgegner ihm ungeachtet einer Veranschlagung von Mitteln für die
Förderung des Jugendwohnens im Landeshaushaltsplan einen Zuschuss in bestimmter
Höhe zu seinen Personalkosten gewähren oder auch nur über den Antrag auf
Bewilligung eines Zuschusses neu entscheiden müsste.
10
Strikte Ansprüche Dritter müssen unabhängig davon erfüllt werden, ob der
Haushaltsplan Mittel bereit stellt oder nicht.
11
Vgl. Stern, a. a. O., S. 1208 f.
12
Ein solcher Anspruch ist hier indes nicht festzustellen.
13
a) Der Ausschluss des Antragstellers von weiterer Förderung durch Bezuschussung
seiner Kosten für sozialpädagogische Fachkräfte in seinem Jugendwohnheim verstößt
nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), wie er im Jugendhilferecht durch §
74 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII konkretisiert ist. Deshalb kann hier die Frage unbeantwortet
bleiben, in welchen Fällen ein Gericht auf Grund einer Verletzung des Gleichheitssatzes
zu einer bestimmten Leistung verpflichten darf.
14
Vgl. Kirchhof in: Isensee/Kirchhof (Hrsg), Handbuch des Staatsrechts der
Bundesrepublik Deutschland, Band 5, Allgemeine Grundrechtslehren, Heidelberg 1992,
§ 124, S. 958.
15
Nach § 74 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII sind bei der Förderung gleichartiger Maßnahmen
16
mehrerer Träger unter Berücksichtigung ihrer Eigenleistungen gleiche Grundsätze und
Maßstäbe anzulegen. Unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 1 GG gilt § 74 Abs. 5 Satz
1 SGB VIII nicht nur für das "Wie", d.h. die Art und Höhe der Förderung, sondern auch
für das "Ob" der Förderung.
Vgl. Beschluss des Senats vom 15. Juni 2001 - 12 A 3045/99 -, FEVS 53, 175, 176.
17
In Anlehnung an die zum grundgesetzlichen Gleichheitssatz entwickelte Formel sind
Maßnahmen der Jugendhilfe gleichartig, wenn die zwischen ihnen in qualitativer,
quantitativer und zeitlicher Hinsicht bestehenden Unterschiede nicht von solcher Art und
solchem Gewicht sind, dass sie die ungleiche jugendhilferechtliche Behandlung
rechtfertigen könnten.
18
Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. März 2000 - 1 BvR 284/96 und 1 BvR 1659/96 -, BVerfGE
102, 41, 54; OVG NRW, Urteil vom 5. Dezember 1995 -16 A 5462/94 -, OVGE 45, 158
(159) m.w.N.
19
Gemessen daran handelt es sich bei der Jugendberatung und der Betreuung in
Jugendwohnheimen ebenso wenig um gleichartige Maßnahmen im Sinne des § 74 Abs.
5 Satz 1 SGB VIII wie bei der Betreuung in Jugendwohnheimen und der in
Jugendwerkstätten. Das Jugendwohnen ist so anders geartet als die Jugendberatung
und als die Jugendhilfetätigkeit in Jugendwerkstätten, dass eine ungleiche Behandlung
gerechtfertigt ist.
20
Jugendberatungsstellen beraten und betreuen junge Menschen, wie es in dem
Schreiben der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit Nordrhein-Westfalen
(LAG) vom 4. März 2002 an den Antragsgegner heißt, sehr frühzeitig dergestalt, dass sie
einen jeweils individuell passenden und sinnvollen Entwicklungsweg in die weitere
schulische, in die berufliche und soziale Integration wählten. Sie orientierten dabei auf
schulische, berufsbildende und arbeitsmarktpolitische Angebote. Die Jugendberatung
wendet sich damit in aller Regel an Jugendliche geringeren Alters als die, die in
Jugendwerkstätten und Jugendwohnheimen betreut werden. Besuchern von
Jugendberatungsstellen wird ein deutlich differenziertes Angebot von einer Einfach-
Beratung bzw. -Information bis hin zu einwöchigen Berufsfindungsseminaren mit der
Beratungsstelle unterbreitet. Auch eine intensive einzelpädagogische Betreuung ist
möglich. Beratungsstellen haben dabei auf Grund ihres präventiven Charakters ihre
Praxis heute in die Schule verlegt. Aus der Sicht der Jugendberatung gehören
Jugendwerkstätten wie Jugendwohnheime zu dem Katalog der Maßnahmen, über die
für den weiteren schulischen und beruflichen Weg des Jugendlichen beraten wird.
21
Damit sind die Unterschiede zwischen Jugendwohnheimen mit sozialpädagogischer
Betreuung und Jugendberatungsstellen so groß, dass sie nur in seltenen Fällen und
alles andere als systembedingt in eine auf Gleichartigkeit hindeutende
Konkurrenzsituation treten können. Das wird nur dann der Fall sein, wenn der in einem
Jugendwohnheim wohnende junge Mensch zusätzlich oder alternativ zu dem
sozialpädagogischen Beratungsangebot im Wohnheim wegen seiner
Ausbildungssituation eine Jugendberatungsstelle aufsuchen möchte.
22
Auch die Jugendwerkstätten halten ein wesentlich von dem Leistungsspektrum in
Jugendwohnheimen mit sozialpädagogischer Betreuung unterschiedenes Angebot vor.
In dem bereits zitierten Schreiben der LAG vom 4. März 2002 ist ausgeführt, auf die
23
Jugendwerkstätten sei eine dem § 13 Abs. 1 SGB VIII entsprechende Zielformulierung
umfassend anwendbar. Das Ziel solle ein niedrigschwelliges, frühes Angebot unterhalb
des Niveaus von Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit sein. Die Jugendwerkstätten
betreuen Jugendliche, die noch nicht ausbildungsfähig sind und bei denen die
sozialpädagogische Betreuung zum Ziel hat, ihnen entsprechende Kompetenzen für
den Eintritt in ein Ausbildungsverhältnis erst zu verschaffen.
Im Unterschied hierzu wenden sich die Jugendwohnheime im Rahmen ihrer berufs- und
ausbildungsbegleitenden Betreuung an eine Personengruppe, die bereits auf Grund
ihrer intellektuellen, handwerklichen und sozialen Fähigkeiten ausbildungsfähig ist. Das
kommt auch in dem erwähnten Schreiben vom 4. März 2002 zum Ausdruck. Darin wird
für das Jugendwohnen festgestellt, eine an § 13 Abs. 1 SGB VIII angelehnte
Formulierung passe nicht. Einschlägig sei § 13 Abs. 3 SGB VIII. Eine eigenständige
Zielformulierung habe die Förderung der beruflichen Mobilität von Jugendlichen und
jungen Erwachsenen zu fokussieren. Der unterschiedlichen Betreuungsbedürftigkeit der
in Jugendwerkstätten und in Jugendwohnheimen betreuten jungen Menschen entspricht
eine unterschiedliche Ausgestaltung der Ansprüche. Nach § 13 Abs. 1 SGB VIII sollen
jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur
Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung
angewiesen sind, im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten
werden, die ihre schulische und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt
und ihre soziale Integration fördern. Demgegenüber kann jungen Menschen während
der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der
beruflichen Eingliederung nach § 13 Abs. 3 SGB VIII Unterkunft in sozialpädagogisch
begleiteten Wohnformen angeboten werden. Anders als der Antragsteller meint, ist die
nicht auszuschließende Möglichkeit, dass im Einzelfall das nach § 13 Abs. 3 SGB VIII
eröffnete Ermessen zu Gunsten des jungen Menschen reduziert sein kann, kein Aspekt,
der geeignet ist, die bezeichneten Unterschiede einzuebnen.
24
Demgegenüber wird eine Gleichartigkeit weder durch die einheitliche gesetzliche
Zuordnung der genannten Maßnahmen zum Leistungsspektrum des § 2 Abs. 2 Nr. 1
SGB VIII noch durch deren einheitliche Behandlung in den jeweiligen Richtlinien zum
Landesjugendplan NRW geschaffen. Dort heißt es unter VIII. 1 Zuwendungszweck:
25
„gefördert werden sozialpädagogische Angebote für sozial benachteiligte junge
Menschen mit dem Ziel, deren soziale und berufliche Integration zu fördern sowie zur
Stärkung von deren Persönlichkeit beizutragen."
26
Diese Zuordnungen stellen nur eine äußere, formelle Klammer her. Denn die oben im
Einzelnen aufgeführten Unterschiede werden durch sie nicht berührt. Insbesondere der
im vorliegenden Zusammenhang verwendete Begriff der sozialen Benachteiligung ist in
der Jugendhilfepraxis offensichtlich so weitgespannt und unklar, dass aus ihm kein die
Gleichbehandlung erforderndes Merkmal der Gleichheit gewonnen werden kann. Das
machen die Angaben zu den Kostenträgern des Jugendwohnens ebenso deutlich wie
die Überlegungen des Antragsgegners zu Kriterien für die Beschreibung von Härtefällen
bei den von Subventionsstreichungen betroffenen Jugendwohnheimen.
27
Ferner kann der Antragsteller aus der Erwähnung des Jugendwohnens in den
Richtlinien zum Landesjugendplan 2003 in Verbindung mit dem Gleichheitssatz nichts
herleiten, da im festgestellten Haushaltsplan 2003 keine Mittel für das Jugendwohnen
veranschlagt sind und dementsprechend für 2003 auch tatsächlich keine - zum
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Vergleich heranzuziehende - Förderung stattgefunden hat.
b) Überschlägiger Prüfung nach verstößt es auch nicht gegen den im
Rechtsstaatsprinzip ( Art. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 Satz 1 GG ) verankerten Grundsatz des
Vertrauensschutzes i. V. m. den einschlägigen jugendhilferechtlichen Grundsätzen,
dass für 2003 keine Fördermittel mehr für den Antragsteller bereit stehen und gewährt
werden.
29
Allein der Umstand, dass der Antragsteller über mehrere Jahre jugendhilferechtlich
gefördert wurde, begründet kein schutzwürdiges Vertrauen. Auch ein freier Träger der
Jugendhilfe kann wie andere Subventionsempfänger grundsätzlich nicht darauf
vertrauen, dass er weitergefördert wird oder die Weiterförderung in bisheriger Höhe
erfolgt. Nicht anders als allgemein im Subventionsrecht gilt im Jugendhilferecht der
Grundsatz, dass ein Subventionsempfänger stets mit dem künftigen, teilweisen oder gar
völligen Wegfall der Subvention rechnen muss.
30
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. April 1997, NVwZ 1998, 273, 275; OVG NRW, Urteil
vom 15. Januar 1997, a.a.O.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. September 1997 - 12
A 10610/97 -, a.a.O.; OVG Lüneburg, Urteil vom 25. März 1998 - 4 L 3057/96 -, NVwZ-
RR 1999, 127; VGH Mannheim, Urteil vom 10. April 2001 - 1 S 245/00 -, NVwZ 2001,
1428, 1430.
31
Es liegt hier keiner der Fälle vor, in denen ausnahmsweise das Vertrauen auf eine
Weiterförderung rechtlich geschützt ist.
32
Ein Subventionsempfänger darf von Rechts wegen auf fortgesetzte Förderung
vertrauen, wenn ihm eine entsprechende Zusage gegeben worden ist oder staatliches
Handeln einer derartigen Zusage gleichkommt. Dass dergleichen im vorliegenden Fall
anzunehmen wäre, behauptet der Antragsteller nicht.
33
Auf Grund der Funktion, die privaten Trägern in der Jugendhilfe zukommt (§ 3 Abs. 2
und §§ 4, 74 SGB VIII), kann außerdem das Vertrauen rechtlich geschützt sein, dass
nicht kurzfristig ohne Übergangsregelung eine Förderung eingestellt wird.
34
Vgl. hierzu Schellhorn, Sozialgesetzbuch, Achtes Buch, 2. Auflage, § 74 Rn. 13; Häbel,
Verpflichtung der öffentlichen Träger zur Förderung der freien Jugendhilfe, ZfJ 1997,
109 (120); Preis/Steffan, Anspruchsrechte, Planungspflichten und Fördergrundsätze im
Kinder- und Jugendhilferecht, FuR 1993, 185 (203 f.); OVG Lüneburg, Urteil vom 25.
März 1998, a. a. O., VGH Mannheim, Urteil vom 10. April 2001, a. a. O..
35
Ob ein solcher Schutz tatsächlich besteht, hängt von dem gesetzlichen Rang der
betroffenen Jugendhilfemaßnahme und der Möglichkeit ab, sich auf die veränderte
Bewilligungspraxis einzustellen.
36
Nach den hier zu würdigenden Umständen lässt sich nach summarischer Prüfung nicht
feststellen, dass der Antragsteller nicht hinreichende Möglichkeiten gehabt hätte, sich
auf das Ausbleiben weiterer Zuschüsse zu seinen Personalkosten für die
sozialpädagogische Betreuung einzustellen. Die Förderung des Antragstellers erfolgte
jeweils Jahr für Jahr und erstreckte sich damit auf einen zeitlich eindeutig festgelegten
Rahmen. Dabei enthielten die Zuwendungsbescheide an den LAG Katholische
Jugendsozialarbeit NRW e.V. als früherem Zuwendungsempfänger in den letzten
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Jahren als Nebenbestimmung u. a. den Hinweis auf einen auch möglichen völligen
Wegfall der Förderung ( vgl. z. B. Ziffer 7.3 des Zuwendungsbescheids vom 2. Januar
2002). Es heißt darin wörtlich:
„Ich weise darauf hin, dass aus dieser Bewilligung nicht geschlossen werden kann,
dass die Förderung auch in zukünftigen Haushaltsjahren im bisherigen Umfang erfolgt.
Es ist nicht auszuschließen, dass die Entwicklung der Haushaltslage des Landes
Kürzungen der Zuwendungen im Rahmen der Haushaltsplanung erfordert oder
Zuwendungen deswegen ganz entfallen. Ich bitte Sie, dieses Finanzierungsrisiko,
insbesondere bei Abschluss, Änderung oder Verlängerung von Verträgen ( z. B. für
Mietobjekte oder für Personal ), zu berücksichtigen."
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Angesichts der offenkundigen und damit auch dem Antragsteller bekannten äußerst
angespannten Situation des Landeshaushalts war diese Nebenbestimmung nicht, wie
der Antragsteller wohl meint, ein formelhaft wiederholter Anhang ohne jeden Hinweis-
und Warnwert. Besonderes Gewicht hat, dass der LAG Katholische Jugendsozialarbeit
NRW e.V. bereits mit Schreiben vom 23. Juli 2002 über die Absicht unterrichtet worden
ist, das sozialpädagogisch begleitete Wohnen in Jugendwohnheimen nach Position VIII
des Landesjugendplans ab dem Haushaltsjahr 2003 nicht mehr zu fördern. Diese
Information wurde in dem einen Tag später unter seiner Beteiligung erfolgten Gespräch
bei der damaligen Ministerin unterstrichen. Dass vor dem Hintergrund des generellen
Hinweises in der genannten Nebenbestimmung der mit der konkreten Absichtserklärung
gegebene Vorlauf vor dem Ausbleiben weiterer Förderung nicht ausreichte, eine
Situation ohne Förderung aus dem Landeshaushalt zu bewältigen, ist nicht glaubhaft
gemacht. Hierbei kamen als Maßnahmen einzeln oder in Kombination in Betracht, die
Arbeitsverhältnisse der sozialpädagogischen Fachkräfte zu kündigen, auf eine
Erhöhung der Entgelte hinzuwirken, Drittmittel einzuwerben, den Wohnheimbetrieb zu
reduzieren oder den Wohnheimbetrieb so zu organisieren, dass in der
sozialpädagogischen Betreuung zwischen den Minderjährigen und den Erwachsenen
unterschieden wird. Die Beschwerde trägt außerdem nicht vor, dass bei rechtzeitigem
Tätigwerden des Antragstellers nicht gewährleistet gewesen wäre und ist, bereits
begonnene Betreuungsmaßnahmen zu beenden bzw. eine anderweitige Unterbringung
der jungen Menschen sicherzustellen.
39
Zu einer anderen Sichtweise führt nicht die im Verlaufe der parlamentarischen
Haushaltsberatung zugesagte Schaffung einer sog. Härtefallregelung, die sich
anschließende Aufstellung von entsprechenden Beurteilungskriterien und die Erstellung
einer Liste mit den Einrichtungen, die diesen Vorgaben genügen. Abgesehen davon,
dass der Antragsteller bereits nicht den maßgeblichen Kriterien genügte, ist nicht
erkennbar oder durch die Beschwerde dargelegt, dass im Vertrauen auf die
Härtefallregelung Dispositionen getroffen wurden, die es nunmehr unzumutbar
erscheinen ließen, die Förderung - wie angekündigt - einzustellen.
40
Ein schutzwürdiges Vertrauen ist ferner durch die unterbliebene Anpassung der
Richtlinien zum Landesjugendplan an die Vorgaben des Haushalts nicht entstanden.
Denn nach der parlamentarischen Vorgeschichte, der Verabschiedung des
Haushaltsgesetzes im Dezember 2002 und der Ablehnung des Förderantrags im
angefochtenen Bescheid vom 13. Januar 2003 ist hinreichend deutlich geworden, dass
eine Förderung auf der Grundlage dieser Richtlinien nicht mehr in Betracht kam.
41
Ungeachtet der besonderen Bedeutung für die Mobilität bei der Suche nach einem
42
Ausbildungsplatz ist das Jugendwohnen nach dem Achten Buch des
Sozialgesetzbuchs nicht in einer das Vertrauen auf Weiterführung einer staatlichen
Förderung besonders stützenden Weise ausgestaltet. Wie bereits herausgestellt, ist die
Gewährung von Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen nach § 13
Abs. 3 SGB VIII lediglich als "Kann-Leistung" geregelt. Nur in eng begrenzten
Ausnahmefällen ist eine Ermessensreduzierung dergestalt denkbar, dass die Leistung
erbracht werden muss. Im Hinblick hierauf ist auch die objektiv-rechtliche
Gesamtverantwortung der Träger der Jugendhilfe nach § 79 Abs. 1 SGB VIII, der zufolge
gemäß § 79 Abs. 2 SGB VIII unter anderem die dort beschriebene Grundausstattung zu
gewährleisten ist, kein Rechtstatbestand, der ein Vertrauen auf die Fortsetzung der
Subventionierung von Jugendwohnheimträgern zu rechtfertigen vermag. Insoweit
besteht ein Unterschied etwa zur Förderung privater Kindergartenträger oder - auf der
Grundlage schulrechtlicher Vorschriften - privater Schulträger.
Unter diesen Umständen wäre das Vertrauen des Antragstellers auf eine
Weiterförderung nur dann noch rechtlich geschützt, wenn die Herausnahme des
Jugendwohnens aus der weiteren Landesförderung willkürlich erfolgt wäre. Dafür
bestehen indes keine durchgreifenden Anhaltspunkte. Die im Einzelnen zur
Begründung dieser Haushaltsentscheidung angeführten Erwägungen mögen politisch
anfechtbar sein und sich nicht in allem als tragfähig erweisen. Gleichwohl ist nicht
glaubhaft gemacht, dass die Willkürgrenze damit schon erreicht wäre.
43
II. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet. Die dargelegten
Beschwerdegründe führen zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung
und einer vollständigen Ablehnung des Antrags des Antragstellers auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung.
44
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann der Antragsteller nicht im Wege der
einstweiligen Anordnung beanspruchen, dass über seinen Förderantrag unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden wird. Allerdings kann
eine Behörde, wenn - ausnahmsweise - anders eine Notlage nicht abzuwenden ist,
auch im Wege der einstweiligen Anordnung dazu verpflichtet werden, über einen Antrag
erneut zu entscheiden. Ob ein derartiger Anordnungsgrund im vorliegenden Fall
gegeben ist, braucht nicht entschieden zu werden, da bei summarischer Prüfung ein
materieller Anspruch nicht festgestellt werden kann. Ein solcher Anspruch bestünde,
wenn bei der Ablehnung des Antrags auf Personalkostenzuschüsse das nach den §§ 74
Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5 SGB VIII eingeräumte Förderermessen nicht ordnungsgemäß
ausgeübt worden und der Antragsteller dadurch in einem seiner Rechte verletzt wäre.
Das ist hingegen nicht der Fall, wie im Einzelnen schon aus den Ausführungen unter I.
folgt.
45
Hiernach durfte der Antragsgegner keine andere Entscheidung als die Ablehnung des
Förderantrags treffen. Deswegen kann dahin gestellt bleiben, ob die funktionelle
Zuständigkeit für den Erlass des Ablehnungsbescheids beim
Landesjugendhilfeausschuss lag. Es spricht allerdings angesichts der starken Stellung
des Landesjugendhilfeausschusses viel dafür, dass dessen funktionelle Zuständigkeit
nicht von der Beantwortung der Frage abhängen soll, ob im Landeshaushalt für einen
bestimmten Zweck Mittel bereitgestellt sind. Anderenfalls wäre nämlich dem Leiter der
Verwaltung des Landesjugendamtes die Beantwortung dieser Frage zugewiesen ( vgl. §
70 Abs. 3 SGB VIII ). Das wäre ein schwerlich mit der Zuständigkeitsbestimmung nach §
71 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII und § 10 Abs. 2 AG KJHG NRW zu vereinbarendes Ergebnis.
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Sachgerecht dürfte es sein, die für „die Jugendhilfe bereitgestellten Mittel"
ausschließlich als materiellen Rahmen für die Beschlussfassung des
Landesjugendhilfeausschusses anzusehen.
III. Die Beschwerde des Beigeladenen ist nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als
unzulässig zu verwerfen, weil ihre Begründung nicht den Erfordernissen des § 146 Abs.
4 Satz 3 VwGO genügt. Danach muss die Beschwerdebegründung die Gründe
darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit
der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Mangelt es an einem dieser
Erfordernisse, ist die Beschwerde nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu
verwerfen.
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Der Beigeladene verweist zur Begründung seiner Beschwerde ausschließlich auf die
Beschwerdebegründung des Antragsgegners und schließt sich dieser inhaltlich an.
Hiermit werden die dargelegten Anforderungen an die Zulässigkeit einer Beschwerde
nicht erfüllt. Die jedem Beteiligten als Beschwerdeführer nach § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO obliegende Prüfung und Durchdringung des Streitstoffes ist durch die
Beschwerdebegründung nicht dokumentiert, wenn auf eine Stellungnahme eines
anderen Beschwerdeführers in dessen Beschwerdeverfahren bloß Bezug genommen
wird.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit des
Verfahrens folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.
49
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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