Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 02.12.2005
OVG NRW: erpressung, rumänien, militärdienst, nationalität, polizei, staat, abrede, motiv, armee, gleichbehandlung
Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 2500/04
Datum:
02.12.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 2500/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 22 K 43/00
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 12.000,-- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der von den Klägern allein
geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
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Das Zulassungsvorbringen vermag nicht die entscheidungstragende Annahme des
Verwaltungsgerichts zu erschüttern, es sei entgegen § 4 Abs. 2 BVFG nicht glaubhaft
gemacht worden, dass der Kläger zu 1. am 31. Dezember 1992 oder danach
Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteilungen auf Grund deutscher
Volkszugehörigkeit unterlegen gewesen sei.
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So wird etwa die Wertung des Verwaltungsgerichts, offenkundig knüpfe die Androhung
von Gewalt im Rahmen der vom Kläger geschilderten Erpressung an den Besitz des
Autos und nicht an die deutsche Volkszugehörigkeit an, nicht durch die Aussage der
Heimatauskunftsstelle in deren Stellungnahme vom 22. März 2000 in Frage gestellt,
Deutsche würden in Rumänien überproportional von Straftaten betroffen. Wenn in
Rumänien deutsche Volkszugehörige relativ häufig von Straftaten betroffen werden,
lässt sich dies nämlich zwanglos damit erklären, dass sie - wie gerade der Fall des
Klägers zu 1., der das Fahrzeug von seinem in der Bundesrepublik Deutschland
lebenden Vater geschenkt bekommen hat, anschaulich zeigt - häufig wegen ihrer
Verbindungen ins deutschsprachige Ausland in überdurchschnittlich guten
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wirtschaftlichen Verhältnissen leben, die Anreiz zu Vermögensdelikten geben. Das
Moment der deutschen Nationalität tritt dahinter zurück.
Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht den Vortrag des
Klägers zu 1. aus der mündlichen Verhandlung, er habe der Polizei bei Anzeige der
Erpressung nicht die Namen der Täter nennen können, dahingehend würdigt, ihm sei
mit dem Hinweis, sie könnten vorerst nichts machen, nicht staatlicher Schutz versagt,
sondern nur mitgeteilt worden, dass ohne Kenntnis der Personalien der Täter die
Ermittlungen kaum Aussicht auf Erfolg hätten. Die Polizei stellte auf die zu den
möglichen Tätern führenden Spuren ab, die bei einem weiteren Ereignis voraussichtlich
entstehen würden. Dass die Beamten das tatbestandliche Vorliegen einer Erpressung
bestreiten wollten, wird von Seiten der Kläger nicht substantiiert dargelegt.
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Ebenso wenig geht die Zulassungsschrift gezielt auf das Argument des
Verwaltungsgerichts ein, die über drei Jahre dauernde Verzögerung bei der Zahlung
von Kindergeld einschließlich Arztkosten dürfte ihre Ursache nach den eigenen
Erklärungen des Klägers zu 1. darin gehabt haben, dass die deutsche Geburtsurkunde
des Klägers zu 3. zunächst nicht anerkannt worden sei; die spätere Bewilligung auf
Weisung aus C. zeige, dass die Volkszugehörigkeit als solche keinen Grund für die
Leistungsverweigerung darstelle. Eine Benachteiligung wird vom Verwaltungsgericht
nicht in Abrede gestellt. Allein aus der langfristigen Versagung der Leistungen kann
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- anders als die Kläger meinen - jedoch nicht schon geschlossen werden, die deutsche
Volkszugehörigkeit des Kindes sei deren unmittelbaren Anlass gewesen. Es erscheint
vielmehr plausibel, dass ähnliche Schwierigkeiten auch bei einer Geburtsurkunde aus
einem anderen Staat hätten auftreten können.
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Auch die behauptete nachteilige Behandlung des Klägers zu 1. bei der Suche nach
Arbeit hat das Verwaltungsgericht zutreffend gewürdigt, so dass insoweit nach § 122
Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug
genommen werden kann. Ob die Unterstützung eines Bewerbers durch Verwandte aus
dem Ausland ein zulässiges Kriterium für die Einstellungsauswahl darstellt, mag
dahinstehen. Dass Motiv der Ablehnung des Klägers zu 1. nichtsdestotrotz die
Annahme gewesen ist, er sei weniger bedürftig als rumänische Volksangehörige ohne
Verwandte im Ausland, wird mit der Zulassungsschrift jedenfalls nicht erkennbar in
Frage gestellt. Soweit - einen Beleg bleiben die Kläger insoweit schuldig - von einer
solchen Praxis ausschließlich Deutsche betroffen gewesen sein sollten, dürfte das mit
der Bevölkerungsstruktur in der Heimatregion der Kläger zusammenhängen. Es ist
nichts dafür greifbar, dass die Einstellungspraxis bei Bewerbern mit Verwandten in
anderen - ebenfalls als wohlhabend geltenden - Staaten anders aussieht, so dass sich
die deutsche Volkszugehörigkeit bei einer etwaigen Zurücksetzung im Arbeitsleben als
nicht ausschlaggebend darstellt.
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Soweit die Arbeitseinheit 241, in der der Kläger zu 1. seinen Militärdienst geleistet hat,
fast nur aus deutschstämmigen Rekruten bestanden haben sollte, steht das der
Annahme des Verwaltungsgerichts nicht entgegen, dass auch andere Volkszugehörige
in Arbeitseinheiten der rumänischen Armee ihren Militärdienst leisten, also die Art des
Militärdienstes nicht von der Nationalität abhängt. Dass die Zusammensetzung der
Arbeitseinheit nicht mit der allgemeinen Verteilung der verschiedenen Volksgruppen in
Rumänien korrespondierte, spricht als rein organisatorisches Moment insoweit nicht
gegen eine grundsätzliche Gleichbehandlung. Spezielle Nachteile dadurch, dass er mit
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deutschen Volkszugehörigen dienen musste, hat der Kläger zu 1. nicht geltend
gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. den §§ 13 Abs. 1, 14 Abs.
1 und 3 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung - GKG a.F. - .
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. § 25 Abs.
2 Satz 2 GKG a.F.). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124a Abs. 5
Satz 4 VwGO).
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