Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 14.07.2003

OVG NRW: lebensgemeinschaft, besondere härte, schwiegermutter, ehescheidungsverfahren, unzumutbarkeit, eltern, versorgung, familie, rate, aktiven

Oberverwaltungsgericht NRW, 18 B 1207/03
Datum:
14.07.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
18. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 B 1207/03
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 24 L 1117/03
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,- EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die Beschwerde ist nicht begründet. Aus den von der Antragstellerin dargelegten,
gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - vom Senat nur zu
prüfenden Gründen ergibt sich nicht, dass die Ablehnung des Antrags durch das
Verwaltungsgericht zu Unrecht erfolgt ist.
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Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass ein Anspruch der
Antragstellerin auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges
Aufenthaltsrecht nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß § 19 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 des Ausländergesetzes - AuslG - bestand, weil es zur Vermeidung einer
von der Norm geforderten besonderen Härte erforderlich gewesen wäre, ihr den
weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.
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Die Antragstellerin beruft sich in der Beschwerdebegründung darauf, dass bei ihr
insoweit eine besondere Härte vorliege, als es ihr wegen Beeinträchtigung
schutzwürdiger Belange unzumutbar gewesen sei, an der ehelichen
Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann festzuhalten. Sie macht damit das Vorliegen
einer besonderen Härte im Sinne der zweiten Alternative der in § 19 Abs. 1 Satz 2
AuslG enthaltenen Definition dieses Begriffes geltend. Dazu heißt es in der Begründung
zum Gesetzentwurf (BT-Drs. 14/2368, zu Art. 1 Nr. 3) in Anknüpfung an den von den
Entwurfsverfassern formulierten Lösungsvorschlag (BT-Drs. 14/2368, B. Nr. 2), dass die
Gesetzesänderung besondere Umstände während der Ehe in Deutschland
berücksichtige, die es dem Ehegatten unzumutbar machen, zur Erlangung eines
eigenständigen Aufenthaltsrechts an der ehelichen Lebensgemeinschaft festzuhalten.
Solche Fälle lägen z. B. vor, wenn der nachgezogene Ehegatte wegen physischer oder
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psychischer Misshandlungen durch den anderen Ehegatten die Lebensgemeinschaft
aufgehoben habe oder der andere Ehegatte das in der Ehe lebende Kind sexuell
missbraucht oder misshandelt habe.
Vgl. zum Ganzen auch Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4.
Ausschuss) vom 14. März 2000, BT-Drs. 14/2902; vgl. auch Senatsbeschluss vom 4.
Mai 2001 - 18 B 1908/00 -, EZAR 023 Nr. 23 = NVwZ-Beil. I 7/2001 S. 83 und vom 24.
Januar 2003 - 18 B 2157/02 -.
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Diese Beispielsfälle machen deutlich, dass der Verlängerungsanspruch nicht etwa in
jedem Fall des Scheiterns einer ehelichen Lebensgemeinschaft besteht, zu dem es ja in
aller Regel wegen der von einem oder beiden Ehegatten subjektiv empfundenen
Unzumutbarkeit des Festhaltens an der Lebensgemeinschaft kommt, und dass
dementsprechend gelegentliche Ehestreitigkeiten, Auseinandersetzungen,
Meinungsverschiedenheiten, grundlose Kritik und Kränkungen sowie sonstige als
belastend empfundene Verhaltensweisen des Ehepartners, die in einer Vielzahl von
Fällen trennungsbegründend wirken, für sich genommen noch nicht das Festhalten an
der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2, 2.
Alternative AuslG machen.
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Vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 4. Mai 2001 und vom 24. Januar 2003, a.a.O.; OVG
NRW, Beschluss vom 11. April 2003 - 17 B 2548/02 -; Bay. VGH, Beschluss vom 18.
Januar 2001 - 10 ZS 00.3383 -, InfAuslR 2001, 277 (278).
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Gemessen an diesen Vorgaben hat die Antragstellerin, der insoweit grundsätzlich die
Darlegungs- und Beweislast obliegt,
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vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 25. März 1999 - 18 B 634/98 -, vom 12. Mai 2000 - 18
B 576/00 -, vom 18. Dezember 2001 - 18 B 709/01 - und vom 24. Januar 2003, a.a.O.,
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mit der von ihr geltend gemachten Verhaltensweise ihres Ehemannes keine ihrer Art
und Schwere nach auf eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2, 2.
Alternative AuslG führende Beeinträchtigung glaubhaft gemacht.
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Soweit sie sich auf körperliche Übergriffe und Schikanen seitens ihrer - im selben Haus,
aber in einer anderen Wohnung lebenden - türkischen Schwiegermutter beruft, macht
sie eine Beeinträchtigung ihrer Belange durch das Umfeld, in dem sie die eheliche
Lebensgemeinschaft geführt hat, geltend, die in der Regel nicht unmittelbar unter die
Definition einer besonderen Härte durch § 19 Abs. 1 Satz 2, 2. Alternative AuslG fällt.
Dass ihr Ehemann in einem ihr das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft
unzumutbar machenden Maße seine Pflicht verletzt hätte, zur Wahrung der
schutzwürdigen Belange der Antragstellerin einzugreifen und tätig zu werden, hat die
Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Soweit sie in der Beschwerdebegründung
behauptet, ihr Ehemann habe die "physischen Misshandlungen durch die
Schwiegermutter in vollem Umfang unterstützt" und ihr nicht beigestanden, steht dies
nicht im Einklang mit der konkreten Schilderung ihrer Lebensverhältnisse in der
Widerspruchsbegründung vom 13. März 2002, in der zunächst nur von verschiedenen
Verboten betreffend die Lebensführung der Antragstellerin und Vorwürfen hinsichtlich
ihrer Haushaltsführung seitens der Schwiegermutter die Rede ist, die nach Art und
Schwere kein zur Anwendung des § 19 Abs. 1 Satz 2, 2. Alternative AuslG führendes
Ausmaß erreichen. Hinsichtlich des einzigen konkret geschilderten, eine physische
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Misshandlung darstellenden Vorfalls, bei dem die Schwiegermutter die Antragstellerin
gestoßen haben soll mit der Folge, dass sie die Treppe hinuntergefallen sei und eine
Fehlgeburt erlitten habe, hat die Antragstellerin geltend gemacht, dass sie ihrem
Ehemann davon erzählt habe; also war er bei dem Vorfall nicht anwesend und konnte
nicht unmittelbar zu ihrem Schutz eingreifen. Dass er auf ihr Verlangen, zum Arzt zu
gehen, erklärt hat, er müsse erst seine Mutter zu Rate ziehen, ist ihm aus der Sicht der
Lebensverhältnisse einer türkischen Familie nicht vorwerfbar, da er die Beurteilung der
Notwendigkeit eines Arztbesuches durch seine in Schwangerschaftsfragen erfahrenere
Mutter bei seiner Meinungsbildung berücksichtigen durfte. In der
Widerspruchsbegründung ist auch nicht von einer aktiven Unterstützung der Schikanen
der Schwiegermutter durch den Ehemann die Rede, sondern nur davon, dass er sich
den Repressalien - soweit er sie überhaupt unmittelbar wahrgenommen hat - "niemals
entgegenstellte" und "in keiner Weise erkennen" gelassen habe, dass er hiermit nicht
einverstanden sei. Im Ehescheidungsverfahren hat die Antragstellerin sogar gegenüber
dem Amtsgericht Köln erklärt, ihr Mann habe auch Streit mit seiner Mutter, aber er habe
Angst vor ihr. Alledem ist lediglich eine Passivität des Ehemannes im
Spannungsverhältnis zwischen der Antragstellerin und seiner Mutter zu entnehmen,
aber keine aktive Unterstützung von physischen oder erheblichen psychischen
Misshandlungen durch die Mutter.
Dass das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft der Antragstellerin
keineswegs unzumutbar war, hat sie selbst deutlich dadurch zum Ausdruck gebracht,
dass sie in dem - nicht von ihr, sondern von ihrem Ehemann eingeleiteten -
Ehescheidungsverfahren gegenüber dem Amtsgericht Köln am 7. August 2002 und
damit noch nach der Trennung erklärt hat, sie wolle nicht geschieden werden, sondern
würde sofort zu ihrem Mann zurückkehren, wenn er nicht weiterhin bei seiner Mutter
leben würde.
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Soweit die Antragstellerin sich in der Beschwerdebegründung schließlich darauf beruft,
in das traditionell geprägte türkische Dorf, aus dem sie stamme, könne sie nicht
zurückkehren, weil ihre dort lebenden Eltern noch ihren Bruder unterstützen müssten
und eine medizinische Versorgung in keiner Weise gewährleistet sei, könnte dies
allenfalls auf die erste Alternative des § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG führen, die den
drohenden Eintritt einer erheblichen Beeinträchtigung der schutzwürdigen Belange
voraussetzt, wofür das diesbezüglich unsubstantiiert gebliebene Beschwerdevorbringen
bereits vom Ansatz her nichts hergibt. Zudem ist der Antragstellerin entgegenzuhalten,
dass ihr Auszug aus der Ehewohnung auf Betreiben ihres Vaters erfolgte und sie daher
davon ausgehen konnte, dass sie zu ihren Eltern zurückkehren müsse. Weshalb ihre
Rückkehr dorthin, wo sie bis August 2001 gelebt hat, ihre schutzwürdigen Belange
erheblich beeinträchtigen sollte, ist nicht ersichtlich. Ebenso ist weder ersichtlich noch
substantiiert dargetan, dass sie eine eventuell erforderliche medizinische Versorgung in
der nach ihren eigenen Angaben nur 20 bis 30 km von ihrem Heimatdorf entfernten
größeren Stadt Bartin nicht erlangen könnte.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG - .
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Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.
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