Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 25.03.2010

OVG NRW (in den verkehr bringen, verwaltungsgericht, nachweis, ewg, verdacht, richtlinie, verhandlung, zeitpunkt, inverkehrbringen, firma)

Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 935/09
Datum:
25.03.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 A 935/09
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts Aachen vom 10. März 2009 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Streitwert wird unter Abänderung des erstin-stanzlichen
Streitwertbeschlusses auf jeweils 27.500,00 Euro für beide Instanzen
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Klägerin produziert seit mehr als 125 Jahren Schuhe, darunter seit mehr als
40 Jahren auch Feuerwehrstiefel. Am 1. Mai 2001 übernahm der jetzige Geschäftsführer
O. I. den Betrieb der Klägerin. Zum Zeitpunkt der Übernahme war die Klägerin im
Besitz einer vom TÜV Köln als Zertifizierungsstelle am 8. März 2000 ausgestellten
Baumusterprüfbescheinigung, die sämtliche damals von ihr hergestellten
Feuerwehrstiefel zum Gegenstand hatte. Der Verkauf der produzierten Feuerwehrstiefel
erfolgt ausschließlich im Direktvertrieb ab Werk.
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Aufgrund einer Anzeige des Landesamtes für Verbraucherschutz Halle vom 13. Juli
2005, der ein Prüfbericht des TÜV Rheinland, Leipzig, vom 11. Juli 2005 für ein Paar
Feuerwehrstiefel des Modells "Ultra" beigefügt war, erhielt die Beklagte erstmals
Kenntnis über Mängel an von der Klägerin hergestellten und vertriebenen
Feuerwehrstiefeln. Es wurde vereinbart, dass die Klägerin drei Paar Feuerwehrstiefel
des Modells "Ultra" beim Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens e.V. (PFI) testen lasse.
Im Zuge weiterer Ermittlungen erfuhr die Beklagte, dass die Klägerin das ihr vom TÜV
Köln ausgestellte Zertifikat vom 8. März 2000 zum 31. Dezember 2002 gekündigt hatte;
die Klägerin kündigte an, ihre Feuerwehrstiefel beim PFI neu zertifizieren zu lassen.
Unter dem 28. April 2006 stellte das PFI der Klägerin eine bis zum 25. April 2007
befristete EG-Baumusterprüfbescheinigung von Sicherheitsschuhen nach Art. 10 der
Richtlinie 89/686/EWG für die Modelle Profi Plus, Profi, Ultra, Spark und 865U mit dem
Zusatz aus: "Teilprüfung Boden erfüllt". Im Jahre 2006 gingen bei der Beklagten vier
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weitere TÜV-Berichte ein, die von Konkurrenzunternehmen der Klägerin in Auftrag
gegeben worden waren; in den Berichten waren wiederum Mängel festgestellt worden.
Das PFI, das von der Klägerin inzwischen auch mit der Qualitätssicherung nach
Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG beauftragt worden war, erklärte mit Schreiben vom
12. Januar 2007 die befristet ausgestellte EG-Baumusterprüfbescheinigung für ungültig,
nachdem Überprüfungen im laufenden Produktionsprozess Abweichungen von den
geforderten Mindestanforderungen ergeben hatten.
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Mit - bestandskräftig gewordener - Ordnungsverfügung vom 12. Februar 2007 untersagte
die Beklagte der Klägerin unter Androhung von Zwangsgeld mit sofortiger Wirkung das
Inverkehrbringen der Feuerwehrstiefel des Typs Profi Plus, Profi, Ultra, Spark und 865U.
Zur Begründung wurde auf das fehlende CE-Zertifikat hingewiesen. Ferner gab sie der
Klägerin auf, bis spätestens 26. Februar 2007 Auskunft über Typ, Anzahl und jeweilige
Käufer aller seit dem 28. April 2006 hergestellten und in Verkehr gebrachten
Feuerwehrstiefel der genannten Typen zu erteilen.
6
Das Zertifikat der PFI wurde am 22. März 2007 für eine kurze Restlaufzeit (bis zum
25. April 2007) aktiviert. Trotz der vorgenannten Ordnungsverfügung verkaufte die
Klägerin weiterhin Feuerwehrstiefel auf Messen sowie - durch verschiedene
Familienangehörige des Geschäftsführers der Klägerin - bei Ebay. Ende Oktober 2007
erhielt die Beklagte erstmals Kenntnis von einer Neuzertifizierung von zwei
Feuerwehrstiefeln der Klägerin (Spark und Profi Plus) durch das CTC in Lyon (Centre
Technique Cuir Chaussure Maroquinerie).
Verbindung, das in zwei Antwortschreiben vom 28. Mai und vom 3. Juli 2008 mitteilte,
dass es im Laufe des Prüfverfahrens zu verschiedenen Beanstandungen, u.a. im
Zusammenhang mit der Entflammbarkeit von Schnürsenkeln, gekommen sei. Die
Mängel seien bislang nicht abgestellt. Da der Klägerin eine Bescheinigung über die EG-
Qualitätssicherung nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG bislang nicht erteilt worden
sei, habe man bisher davon abgesehen, die zuständigen Behörden zu informieren. Falls
bei den am 11. Juli 2008 nochmals entnommenen Proben allerdings erneut Mängel
festgestellt würden, würden die EG-Baumusterbescheinigungen gem. Art. 10 der
Richtlinie 89/686/EWG zurückgezogen. Des Weiteren gingen im März und im Juli 2008
bei der Beklagten - wiederum von einem Konkurrenten der Klägerin in Auftrag
gegebene - Prüfberichte (Bericht des TÜV Rheinland vom 5. Februar 2008 sowie
Prüfbericht des PFI vom 4. Juli 2008) ein, denen zufolge der jeweils untersuchte
Feuerwehrschuh des Modells Profi Plus Mängel aufwies.
7
Die Beklagte untersagte daraufhin der Klägerin mit weiterer - streitgegenständlicher -
Ordnungsverfügung vom 7. August 2008 ab sofort das Inverkehrbringen der
Feuerwehrstiefel des Typs Profi Plus, Profi, Ultra und Spark bis die Voraussetzungen für
das Inverkehrbringen erfüllt seien und die zugelassene Stelle im Rahmen der
Qualitätssicherung den Nachweis der Mängelfreiheit bestätigt habe (Nr. 1). Die Klägerin
müsse bis spätestens zwei Wochen nach Zustellung der Verfügung alle Käufer von
Feuerwehrstiefeln, die durch die CTC zertifiziert worden seien, über die Gefahren
informieren; hierzu enthält die Verfügung nähere Angaben (Nr. 2). Zur Begründung
wurde auf den oben wiedergegebenen Schriftverkehr mit dem CTC sowie die
verschiedenen Prüfberichte, aus denen sich Mängel ergeben hätten, hingewiesen.
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Die gegen die Ordnungsverfügung gerichtete Anfechtungsklage hat das
Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. März 2009 abgewiesen. Hiergegen richtet sich der
9
Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung.
II.
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Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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Die Berufung ist gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen,
wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist
dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall.
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1. Die Antragsschrift zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen
Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf.
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Wegen des fristgebundenen Darlegungserfordernisses des § 124a Abs. 4 Satz 1 und 4
VwGO ist die Überprüfung auf die vom Antragsteller geltend gemachten tatsächlichen
und rechtlichen Gesichtspunkte zu beschränken. Hat das Verwaltungsgericht seine
Entscheidung auf mehrere, jeweils selbständig tragende Gründe gestützt, müssen die
Darlegungsanforderungen hinsichtlich jedes einzelnen tragenden
Entscheidungsgrundes erfüllt sein.
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Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 124 Rn. 100.
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Hiervon ausgehend begründen die Darlegungen der Klägerin keine ernstlichen Zweifel
daran, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 GPSG, auf die Nr. 1 der
angegriffenen Ordnungsverfügung gestützt worden ist und auf die sich das
Zulassungsvorbringen der Sache nach beschränkt, vorgelegen haben.
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Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 GPSG trifft die zuständige Behörde die erforderlichen
Maßnahmen, wenn sie den begründeten Verdacht hat, dass ein Produkt nicht den
Anforderungen nach § 4 entspricht. Sie ist nach Satz 2 Nr. 6 der Bestimmung
insbesondere befugt, das Inverkehrbringen eines Produkts, das nicht den
Anforderungen nach § 4 Abs. 1 und 2 entspricht, zu verbieten.
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Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil unter ausführlicher Begründung
dargelegt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt - Erlass der Ordnungsverfügung
hinreichende Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die von der Klägerin
hergestellten Feuerwehrstiefel die - im Urteil näher dargelegten - normativ geforderten
Sicherheitsanforderungen für persönliche Schutzausrüstungen (insbesondere nach der
Verordnung über das Inverkehrbringen von persönlichen Schutzausrüstungen - 8.
GPSGV) nicht erfüllten (a). Dabei hat sich das Gericht zur Untermauerung seiner
Annahme eines begründeten Verdachts im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 GPSG
ausdrücklich auf mehrere Gesichtspunkte gestützt (aa - ee). Die Richtigkeit der
Entscheidung wird durch das Zulassungsvorbringen nicht ernstlich in Zweifel gezogen.
Die Klägerin setzt sich im Zulassungsantrag nur mit einem Teil der vom
Verwaltungsgericht herangezogenen Begründungselemente auseinander (b). Bereits
die verbleibenden Erwägungen genügen nach Auffassung des Senats ohne Weiteres,
um das vom Verwaltungsgericht angenommene Ergebnis zu tragen (c). Auf die Frage,
ob die Klägerin angesichts der kurz vor der mündlichen Verhandlung überreichten
neuen Unterlagen inzwischen über eine ausreichende Zertifizierung verfügt, kommt es
wegen des Regelungsinhalts der Ordnungsverfügung nicht an (d).
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Im Einzelnen:
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a) Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass sich aufgrund der Vielzahl der in der
Vergangenheit sowie aktuell bei den Stiefeln beanstandeten Mängel, aus der Reaktion
der Klägerin auf diese Beanstandungen - insbesondere: kostspielige Beantragung
neuer Zertifizierungen im Ausland (England, Niederlande), statt die Mängel umgehend
abzustellen - sowie aus dem Umstand des Vorliegens zweier verschiedener
Baumusterprüfbescheinigungen für ein und dasselbe Produkt ein begründeter Verdacht
im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 GPSG ergebe:
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aa) Zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung - August 2008 - habe der
Beklagten ein ausführlicher Bericht des CTC Lyon über das bisherige Ergebnis der von
ihr im Rahmen der Prüfung nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG durchgeführten
Werksbesuche und Probenahmen vorgelegen. Danach hätten die im September 2007
aus der laufenden Produktion entnommenen Proben Normabweichungen hinsichtlich
verschiedener Parameter (Rutschhemmung, Trennkraft der Sohle, Durchtrittsicherheit,
Zehenkappenbelastung und Brennverhalten von Reißverschluss und Schnürsenkel)
ergeben. Trotz eindringlicher an die Klägerin gerichteter Aufforderungen, die Mängel im
Produktionsprozess abzustellen, hätten die bei einem weiteren Werksbesuch
genommenen Proben noch immer Normabweichungen beim Brennverhalten der
Schnürsenkel und der Rutschhemmung gezeigt. Deshalb habe das CTC der Klägerin
angekündigt, das ausgestellte Zertifikat zu suspendieren, falls die festgestellten Mängel
nicht bis zum 15. Juli 2008 beseitigt worden seien.
21
bb) Das von der Beklagten - nach Erlass der Ordnungsverfügung - mit der Prüfung von
insgesamt 12 Paar Feuerwehrstiefeln beauftragte Institut für Arbeitsschutz der
deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (BGIA) - nach Angaben der Beklagten
ebenfalls eine Prüf- und Zertifizierungsstelle im Rahmen der Richtlinie 89/686/EWG
habe hinsichtlich unterschiedlicher Parameter an allen bislang überprüften
Stiefelmodellen sicherheitsrelevante Normabweichungen festgestellt (vgl. Prüfmitteilung
des BGIA vom 14. Oktober 2008 in Bezug auf sieben Modelle, sowie Prüfmitteilung des
BGIA vom 5. November 2008 in Bezug auf drei Modelle und Bericht vom 19. November
2008 in Bezug auf zwei weitere Modelle).
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Den gegen die Richtigkeit und Verwertbarkeit der Feststellungen des BGIA
vorgebrachten Einwendungen der Klägerin - insbesondere der geäußerte
Manipulationsverdacht - seien durch die Ausführungen, die der Prüfer des BGIA in der
mündlichen Verhandlung gemacht habe, die Grundlage entzogen worden. Es stehe zur
Überzeugung der Kammer fest, dass die geprüften Feuerwehrstiefel entweder als
Probenahme durch die Beklagte aus der laufenden Produktion der Klägerin oder
unmittelbar durch Endverbraucher an das Prüfinstitut gelangt seien und damit entweder
neu oder aber neuwertig gewesen seien.
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cc) Hinzu komme, dass auch zuvor schon Normabweichungen bei den Stiefeln
festgestellt worden seien. Insoweit verweist das Verwaltungsgericht auf das von der
Klägerin selbst mit der Zertifizierung und Prüfung im Rahmen der Qualitätssicherung im
Jahre 2005 beauftragte Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens e.V. (PFI). Dieses habe
in dem sich nach der Zertifizierung anschließenden Verfahren zum Nachweis der
Qualitätssicherung die der Klägerin befristet ausgestellte Baumusterprüfbescheinigung
mit Schreiben vom 12. Januar 2007 für ungültig erklärt, nachdem sich im laufenden
Produktionsprozess Abweichungen von den Mindestanforderungen hinsichtlich der
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Antistatik, Steilfrontabsatzhöhe und Trennkraft der Sohle ergeben hätten.
Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht ausgeführt:
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Die in der Ordnungsverfügung enthaltene Risikoeinschätzung werde weder durch die
von der Klägerin selbst eingeholten, nur einzelne Parameter betreffenden
Prüfergebnisse der SATRA vom 26. September 2008 noch durch die neuen EG-
Baumusterprüfbescheinigungen der britischen Firma Intertek vom 6. Februar 2009 oder
den Nachweis der Qualitätssicherung durch die niederländische TNO vom 27. Februar
2009 vollständig entkräftet und ausgeräumt. Hierzu führt das Gericht im Einzelnen aus:
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Die im Prüfbericht der Firma SATRA enthaltenen Prüfergebnisse verhielten sich
ausschließlich zum Brennverhalten und nicht zu den übrigen festgestellten
Abweichungen. Im Übrigen seien auch hinsichtlich der Entflammbarkeit nur
eingeschränkte Tests durchgeführt worden. Dies habe die Firma SATRA der Beklagten
mit Schreiben vom 19. November 2008 ausdrücklich mitgeteilt.
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Durch die Vorlage von EG-Baumusterprüfbescheinigungen werde im Übrigen lediglich
nachgewiesen, dass das Baumuster den einschlägigen Normen entspreche; hierdurch
werde die Klägerin allerdings nicht hinsichtlich der in den Verkehr gebrachten laufenden
Produktion, bei der immer wieder gravierende Sicherheitsmängel festgestellt worden
seien, entlastet. Deshalb sei eine EG-Baumusterprüfbescheinigung grundsätzlich weder
geeignet, den zusätzlich erforderlichen Nachweis der Qualitätssicherung nach Art. 11 A
RL 89/686/EWG zu ersetzen noch festgestellte Abweichungen im laufenden
Produktionsprozess zu widerlegen. Die erst kurz vor dem Termin zur mündlichen
Verhandlung vorgelegte Bescheinigung der Firma TNO vom 27. Februar 2009 über die
von ihr durchgeführte Prüfung zur Qualitätssicherung nach Art. 11 A der Richtlinie
89/686/EWG decke - aus näher dargelegten Gründen - nicht die Produktion seit dem
1. Januar 2003 ab. Zu berücksichtigen sei u.a., dass sich der
Qualitätssicherungsnachweis ausdrücklich nur auf den Prüfungszeitraum Januar/
Februar 2009 beschränke. Der Hinweis der Klägerin, diese Angabe beziehe sich auf
den Zeitraum, innerhalb dessen das Institut die Prüfungen durchgeführt habe, erscheine
der Kammer nicht plausibel, da eine solche Information für die überprüfenden Behörden
und den Käufer der Stiefel völlig unerheblich sei, weil ihr für die Beurteilung keinerlei
Aussagekraft zukomme und daher keinen Einfluss auf den Inhalt und Umfang des
Qualitätssicherungsnachweises habe.
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dd) Bedenken bestünden ferner, weil die Klägerin ihre unverändert hergestellten
Feuerwehrstiefelmodelle ohne Not und unter entsprechendem Kostenaufwand, den sie
selbst mit 50.000,-- bis 80.000, Euro beziffere, immer wieder neu zertifizieren lasse,
offenbar mit dem Ziel, die Frist zur Vorlage des Qualitätssicherungsnachweises jeweils
neu in Gang zu setzen. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung habe die
Klägerin darüber hinaus für jedes der von der Ordnungsverfügung erfassten Modelle
über zwei EG-Baumusterprüfbescheinigungen von unterschiedlichen zugelassenen
Stellen verfügt. Es liege auf der Hand, dass eine derartige Vorgehensweise schon zur
Vermeidung einer Konfusion unzulässig sei. Da der EG-Baumusterprüfbescheinigung
nicht zuletzt für die Kennzeichnung der Stiefel mit der Kenn-Nummer der Prüfstelle
maßgebliche Bedeutung zukomme, dürfe für ein und dasselbe Produkt nur eine
Baumusterprüfbescheinigung existieren.
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ee) Ungeachtet dessen erscheine der Kammer maßgeblich, dass § 8 Abs. 4 GPSG ein
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Einschreiten der zuständigen Behörden auch dann ermögliche, wenn ein Hersteller für
sein Produkt sowohl eine EG-Baumusterprüfbescheinigung als auch einen zeitnah
ausgestellten Qualitätssicherheitsnachweis vorweisen könne, aber gleichwohl der
begründete Verdacht bestehe, dass ein Produkt nicht den Anforderungen des § 4 GPSG
entspreche. So liege der Fall hier. Selbst wenn man den nunmehr kurzfristig vorgelegten
Nachweis der TNO als geeignet ansehen wollte, die Qualitätssicherung der unter der
Geltung der Zertifikate des CTC Lyon produzierten Stiefel nachzuweisen, bliebe
gleichwohl der begründete Verdacht, dass die von der Klägerin produzierten Stiefel
nicht den Anforderungen nach § 4 GPSG entsprächen. Denn die Klägerin habe durch
eine wiederholte Zertifizierung der (eigenen Angaben zufolge) unverändert hergestellten
Feuerwehrstiefel bei unterschiedlichen, zugelassenen Stellen die Pflicht zur Vorlage
eines Qualitätssicherungsnachweises über Jahre hinweg unbeachtet gelassen.
b) Die Klägerin setzt sich in ihrer Zulassungsbegründung nur mit einem Teil der vom
Verwaltungsgericht herangezogenen Begründung auseinander; einige Argumente
bleiben unerwähnt. Darüber hinaus bleibt ein Teil der vorgebrachten Einwände
unsubstantiiert.
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aa) Die Kritik an der Verwertung der von CTC ohne Zustimmung der Klägerin erteilten
Informationen bleibt ohne Erfolg. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Mitarbeiter der
Beklagten CTC in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt haben könnte, wie die
Klägerin im Zulassungsantrag erneut behauptet, wurden von ihr nicht vorgetragen. Sie
sind auch sonst nicht ersichtlich; insbesondere gibt der in den Verwaltungsvorgängen
umfangreich dokumentierte Schriftverkehr keinerlei Anlass zu einer solchen Annahme.
Die Klägerin verkennt im Übrigen, dass es gerade zu den der Beklagten obliegenden
Überwachungsaufgaben gehört, sich von der zugelassenen Stelle - hier des CTC - die
zur Erfüllung ihrer Überwachungsaufgaben erforderlichen Auskünfte und Unterlagen zu
verschaffen (vgl. § 11 Abs. 6 GPSG). Umgekehrt ist auch die zugelassene Stelle
ausdrücklich dazu verpflichtet, von sich aus geeignete Kontrollmaßnahmen zu ergreifen
(vgl. etwa § 7 Abs. 2 GPSG), wozu auch die Korrespondenz mit den zuständigen
deutschen Behörden zählen dürfte. Für das von der Klägerin angenommene
Verwertungsverbot ist daher kein Raum.
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bb) Gegen die Verwertung der Prüfergebnisse des BGIA, das im Auftrag der Beklagten
verschiedene Paare Stiefel untersucht und hierbei erhebliche sicherheitsrelevante
Mängel festgestellt hat, wendet die Klägerin erneut ein, es sei nicht auszuschließen,
dass sich die geprüften Feuerwehrstiefel nicht im Originalzustand befunden hätten, da
diese bei Kunden und/oder Konkurrenten beschafft worden seien. Mit dieser Kritik hat
sich bereits das Verwaltungsgericht auseinander gesetzt; es hat im Urteil mit näherer -
für den Senat überzeugender - Begründung ausgeführt, dass derartige
Manipulationsvorwürfe "aus der Luft gegriffen" seien (Urteil, S. 17 f.). Nochmals
unterstützt wird dies durch die Ausführungen der Beklagten in der Antragserwiderung.
Diese hat im Schriftsatz vom 18. Juni 2009 (S. 7 f.) erläutert, dass die Klägerin keine
Handelspartner habe, so dass die sonst übliche Probenahme im Handel nicht möglich
und die Beschaffung bei den Kunden deshalb naheliegend gewesen sei, um so Proben
mit unterschiedlichen Herstellerdaten zu erhalten. Auch in Bezug auf die Korrespondenz
mit dem BGIA enthält der umfangreiche - etwa 2000 Seiten umfassende -
Verwaltungsvorgang keinerlei Anhaltspunkte für einen etwaigen Manipulationsverdacht;
sämtliche Schreiben, Telefonvermerke, E-mails etc. sind in einem sachlichen Ton
verfasst und erkennbar von dem Bemühen getragen, den Sachverhalt möglichst schnell
und lückenlos aufzuklären.
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cc) Unerwähnt bleiben im Zulassungsantrag die vom Gericht angeführten Argumente,
gewichtige Verdachtsmomente ergäben sich auch aus der Unzulässigkeit der Vorlage
zweier unterschiedlicher EG-Baumusterprüfbescheinigungen für dieselben
Stiefelmodelle sowie aus dem von der Klägerin gewählten - aus Sicht des
Verwaltungsgerichts bedenklichen - Verfahren, auf im Rahmen von
Zertifizierungsverfahren auftretende Mängelfeststellungen stets mit kostspieligen
Anträgen auf Neuzertifizierung in verschiedenen EU-Staaten zu reagieren, statt sich
darum zu bemühen, die beanstandeten Mängel abzustellen.
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c) Bereits die oben genannten - nicht erfolgreich mit Zulassungsrügen angegriffenen
Begründungselemente genügen nach Auffassung des Senats ohne Weiteres für den in
der Ordnungsverfügung angenommenen - und vom Verwaltungsgericht zu Recht
bestätigten - begründeten Verdacht im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 Nr. 6 GPSG.
Zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung fehlte der Klägerin nicht nur - in
formeller Hinsicht - für die von ihr in den Verkehr gebrachten Feuerwehrstiefel der
erforderliche Nachweis der Qualitätssicherung nach Art. 11 A RL 89/686/EWG. Vielmehr
hatten zahlreiche Fachinstitute (TÜV-Rheinland, CTC Lyon und PFI), darunter auch das
von der Klägerin selbst beauftragte Institut, festgestellt, dass die Stiefel auch materiell
nicht den maßgeblichen Sicherheitsanforderungen genügten. Die Richtigkeit dieser
Feststellungen wurde später durch die von der Beklagten in Auftrag gegebene
Untersuchung der Stiefel durch das BGIA nochmals bestätigt.
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Wie vom Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt worden ist, kam als gewichtiges
weiteres Indiz hinzu, dass die Klägerin sich dem Zertifizierungsverfahren jedesmal
entzog, sobald Schwierigkeiten absehbar waren.
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d) Auf die vom Verwaltungsgericht näher untersuchte Frage, ob die von der Klägerin erst
im Laufe des Klageverfahrens - also nach Erlass der Ordnungsverfügung - eingeholten
neuen Prüfergebnisse der britischen Firma Intertek sowie der niederländischen TNO
"den Gefahrenverdacht entkräften", sowie auf die hierauf bezogenen Ausführungen im
Zulassungsantrag kommt es für die Frage der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung
wegen deren besonderen Regelungsinhalts nicht an.
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Grundsätzlich stellt ein Vertriebsverbot wie das hier vorliegende einen
Dauerverwaltungsakt dar, bei dem die Gerichte nicht allein - wie sonst nach dem
materiellen Recht bei Anfechtungsklagen üblich - auf die Sach- und Rechtslage der
letzten Behördenentscheidung abzustellen, sondern regelmäßig auch den Zeitraum bis
zur letzten mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen haben.
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Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 30. Dezember 2009 - 13 A 235/09 -,
juris, m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerwG.
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Hiervon ausgehend kommt bei einem Dauerverwaltungsakt auch eine (Teil)Aufhebung
ab dem Zeitpunkt in Betracht, in dem die Voraussetzungen für den Fortbestand des
Verwaltungsakts nachträglich weggefallen sind.
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Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass die Beklagte ihre
Untersagungsverfügung ausdrücklich dahingehend eingeschränkt hat, dass der
Klägerin das Inverkehrbringen untersagt wird "bis (...) die zugelassene Stelle im
Rahmen der Qualitätssicherung den Nachweis der Mängelfreiheit bestätigt." Mit
41
anderen Worten: Die Ordnungsverfügung sollte nur solange gelten, bis die Klägerin
durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung nachweisen kann, dass der in der
Ordnungsverfügung angenommene Verdacht ausgeräumt ist. Hierauf ausdrücklich
Bezug nehmend hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom
16. Januar 2009 - nach Erhalt der Ladung zur mündlichen Verhandlung - angekündigt,
die Klägerin sei nunmehr kurzfristig in der Lage, eine entsprechende Bescheinigung
vorzulegen;
EGBaumusterprüfbescheinigung der britischen Firma Intertek vom 6. Februar 2009
sowie mit weiterem Schriftsatz vom 6. März 2009 ein Prüfbericht der TNO Quality
Services BV vom 27. Februar 2009 nach Art. 11 A RL 89/686/EWG übermittelt. Auch
wenn es sich bei dem letztgenannten Dokument um die erforderliche Bestätigung der
Mängelfreiheit im Sinne der Ordnungsverfügung handeln sollte, spielte dies keine Rolle
für die hier allein anstehende Frage der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung und die
damit verbundenen Erfolgsaussichten der erhobenen Klage. Dies ergibt sich aus
folgenden Erwägungen:
Die in der Ordnungsverfügung enthaltene Klausel ("bis ... die zugelassene Stelle ... den
Nachweis der Mängelfreiheit bestätigt") soll sich ersichtlich auf die Zukunft beziehen.
Sobald die Klägerin den Nachweis erbringen kann, entfällt - aber erst ab dann - die
Regelungswirkung der Verfügung; die Klägerin dürfte also zukünftig wieder Stiefel in
den Verkehr bringen. Aus der Vorlage des Nachweises würde sich jedoch weder die
anfängliche Rechtswidrigkeit der Verfügung ergeben noch würde die Vorlage des
Nachweises - angesichts der bereits erfolgten Vollstreckung - zu einer Erledigung der
Ordnungsverfügung für den Zeitraum vor dem Nachweis führen.
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Entgegen der auf den Hinweis des Senats vom 5. März 2010 mit Schriftsatz vom
18. März 2010 geäußerten Auffassung der Beklagten ist die Frage der Erfüllung der
Nachweisklausel auch nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Die Klägerin
hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht weder einen
diesbezüglichen Antrag gestellt - etwa auf Feststellung, dass die Verfügung mit Vorlage
der o.g. Bescheinigungen ihre Regelungswirkung verloren hat - noch eine
entsprechende Teil-Erledigungserklärung abgegeben. Vielmehr hat sie
uneingeschränkt an ihrem Anfechtungsbegehren festgehalten. Über dieses eindeutige
Klagebegehren durfte das Verwaltungsgericht nicht hinausgehen (§ 88 VwGO). Für eine
Klageänderung ist im Zulassungsverfahren kein Raum.
43
Für die weitere Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten weist der Senat
allerdings auf folgendes hin: Das Inverkehrbringen der Feuerwehrstiefel soll nach dem
oben zitierten Wortlaut der Ordnungsverfügung solange untersagt werden, bis "im
Rahmen der Qualitätssicherung" die zugelassene Stelle den Nachweis der
Mängelfreiheit bestätigt. Damit nimmt die Ordnungsverfügung ersichtlich Bezug auf das
Qualitätssicherungsverfahren nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG. Weder für die
Frage der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Ordnungsverfügung noch für die Frage, ob
ein regelgerechter Nachweis der Qualitätssicherung vorliegt, kommt es daher darauf an,
ob die zuständige Behörde nach § 8 Abs. 4 GPSG befugt ist, bei einem begründeten
Verdacht unabhängig von einem Nachweis der Qualitätssicherung einzuschreiten.
Diese Frage würde sich erst dann stellen, wenn die zuständige Behörde trotz eines von
der Ordnungsverfügung geforderten und auch vorgelegten regelgerechten Nachweises
der Qualitätssicherung den begründeten Verdacht hätte, dass die in Rede stehenden
Feuerwehrstiefel nicht den Anforderungen des § 4 GPSG entsprechen, und sie deshalb
eine neue Ordnungsverfügung erlassen wollte.
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2. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass die Berufung nicht gemäß § 124
Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen ist. Die Rechtssache weist keine besonderen rechtlichen
und tatsächlichen Schwierigkeiten auf. Die im vorliegenden Verfahren
entscheidungserheblichen Fragen lassen sich ohne Weiteres im Zulassungsverfahren
klären.
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3. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO zuzulassen.
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine für die Entscheidung
des Streitfalls im Rechtsmittelverfahren erhebliche klärungsbedürftige Rechts- oder
Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft. Die Darlegung dieses
Zulassungsgrundes setzt die Formulierung einer bestimmten, noch nicht geklärten und
für die Rechtsmittelentscheidung erheblichen Frage und außerdem die Angabe voraus,
worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 7 B 261.97 -, NJW 1997,
3328 (zu § 132 VwGO).
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Die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,
49
ob § 8 Abs. 4 GPSG die zuständige Behörde zu einem Verkaufsverbot trotz
Vorliegens von EG-Baumusterprüfbescheinigungen und einem zeitnah
ausgestellten Qualitätssicherungsnachweis dann ermächtigt, wenn ein
begründeter Verdacht besteht, dass ein Produkt nicht den Anforderungen
des § 4 GPSG entspricht,
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erfüllt diese Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil die Frage - wie oben dargelegt -
nicht entscheidungserheblich ist. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der
Verfügung lagen weder EG-Baumusterprüfbescheinigungen noch ein
Qualitätssicherungsnachweis vor.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung bzw. -änderung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1
und § 63 Abs. 3 GKG. Der Senat bewertet die Grundverfügung ebenfalls
mit 15.000,00 Euro; darüber hinaus ist allerdings die Zwangsgeldandrohung nach der
Streitwertpraxis des Senats mit der Hälfte des angedrohten Betrages (25.000,00 Euro)
zu berücksichtigen. Insofern war der erstinstanzliche festgesetzte Streitwert um diesen
Betrag zu erhöhen.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3
Satz 3 GKG).
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