Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.04.2001

OVG NRW: verordnung, öffentliches recht, impfung, tierhalter, verbringen, schlachtung, meinung, ausnahme, bundeskompetenz, meldung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 530/01
24.04.2001
Oberverwaltungsgericht NRW
13. Senat
Beschluss
13 B 530/01
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 7 L 838/01
Der Antrag wird auf Kosten der Antragsteller zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdezulassungsverfahren auf
8.000,-- DM festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Antrag nach § 146, § 124 Abs. 2 Nr. 1 - 3 VwGO, die Beschwerde zuzulassen zur
Weiterverfolgung des Antrags, - unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses - das
Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes
NRW zu verpflichten,
1. die Impfung des Klauentierbestandes der Antragsteller gegen die Maul- und
Klauenseuche (MKS) anzuordnen, wobei den Antragstellern gestattet ist, geimpfte Tiere
auch außer zur sofortigen Schlachtung aus dem Impfgebiet verbringen zu dürfen,
hilfsweise,
2. die Impfung des Klauentierbestandes der Antragsteller gegen MKS anzuordnen, wobei
den Antragstellern gestattet wird, die geimpften Tiere außer zur sofortigen Schlachtung in
einem von der zuständigen Behörde bezeichneten Schlachtbetrieb lediglich für die Dauer
von einem Monat, gerechnet vom Tag der Impfung an, nicht aus dem Impfgebiet zu
verbringen,
3. der Firma B. AG, L. , zu erlauben, den erforderlichen Impfstoff aus der vorgehaltenen
Impfstoffreserve dem die Impfung durchführenden Veterinär gegen Kostenerstattung zur
Verfügung zu stellen,
hat keinen Erfolg.
Ein Zulassungsgrund wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der
Sache oder wegen grundsätzlicher Bedeutung ist schon nicht ausreichend dargelegt.
Hierzu genügt es nicht auszuführen, die grundsätzliche Bedeutung basiere darauf, dass die
Impfpolitik europaweit völlig umstritten sei und angesichts der massiven Schäden, die hier
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den Landwirten drohten, eigentlich geändert werden müsste. Auch soweit eine besondere
rechtliche Schwierigkeit deshalb bestehen soll, weil es um die Vereinbarkeit einer EG-
Richtlinie mit Gemeinschafts-Grundrech- ten gehen soll, käme es auf diese Fragestellung
allenfalls dann an, wenn der Senat eine Ermessensreduzierung des Antragsgegners allein
im Sinne des Antragsbegehrens feststellen könnte. Das ist jedoch nicht der Fall, weshalb
auch der Zulassungsgrund nach § 146, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der
Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung) nicht durchgreift.
Mit Beschluss vom 19. April 2001 - 13 B 499/01 - hat der Senat in einem ähnlich gelagerten
Fall folgendes ausgeführt:
"Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO liegt nicht
vor. Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der die Anträge zu 1) und 2)
ablehnenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Offen bleiben kann, ob der Antragsteller seine Antragsbegehren zu 1) und 2) dem
Antragsgegner überhaupt angetragen hat und - verneinendenfalls - sein Begehren auf
einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO bereits wegen fehlenden
regelungsfähigen Rechtsverhältnisses oder fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses scheitert.
Der Antragsteller hat jedenfalls einen Anordnungsanspruch im Sinne seiner
Antragsbegehren zu 1) und 2) nicht glaubhaft gemacht.
Gemäß § 2 MKS-Verordnung vom 1. Februar 1994, BGBl. I S. 187, geändert durch
Verordnung vom 27. März 1995, BGBl. I S. 406, sind Impfungen gegen die Maul- und
Klauenseuche (MKS) verboten. Der Senat hat gegen die Wirksamkeit der MKS-Verordnung
keine Bedenken; solche sind auch vom Antragsteller nicht vorgetragen. Die MKS-
Verordnung sieht eine vorsorgliche Impfung vor amtlicher Feststellung der MKS nicht vor,
mithin auch keine Genehmigung hierzu durch die oberste Landesbehörde. Allerdings kann
diese gemäß § 11a Satz 1 MKS-Verordnung nach amtlicher Feststellung des Ausbruchs
der MKS im Benehmen mit dem zuständigen Bundesminister für ein bestimmtes Gebiet die
Impfung aller Rinder anordnen. Abgesehen davon, dass der Ausbruch der MKS in
Deutschland bisher nicht amtlich festgestellt ist, steht die Impfanordnung nach der
genannten Vorschrift im Ermessen der obersten Landesbehörde. Die zuständigen
Fachminister der Länder und des Bundes haben sich, soweit ersichtlich, gegenwärtig
mehrheitlich dahin verständigt, von vorbeugenden Schutzimpfungen gegen die MKS
derzeit abzusehen. Hierbei haben sie den vom Verwaltungsgericht angeführten bindenden
europarechtlichen Richtlinien und handelspolitischen Erwägungen Rechnung getragen.
Soweit die Fachminister an dem generellen Impfverbot festgehalten und dem vom
Antragsteller im vorliegenden Verfahren vorgetragenen Anliegen der Tierhalter kein
durchgreifendes Gewicht beigemessen haben, ist das sachlich vertretbar und richterlich
nicht zu beanstanden. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht und es kann im
Übrigen derzeit nicht festgestellt werden, dass die Aufrechterhaltung des Impfverbotes und
die konventionellen Maßnahmen gegen ein Übergreifen der Seuche auf die deutschen
Grenzregionen ungeeignet und ermessensfehlerhaft wären sowie als einzig
ermessensgerechte Vorbeugemaßnahme eine Gebietsimpfung in Betracht käme. Nur bei
einer derartigen Ermessensreduzierung - auf Null - und soweit dem Tierhalter überhaupt
aus § 11a MKS-Verordnung ein subjektiv-öffentliches Recht zuerkannt werden kann,
könnte der Antragsteller mit seinem Verpflichtungsbegehren auf Erteilung einer Ausnahme
vom Verbot des § 2 MKS-Verordnung und auf Gestattung der Impfung seines
Klauentierbestandes (Antragsbegehren zu 1)) und demgemäß auch auf Erlaubnis zur
Impfstoffabgabe (Antrag zu 2)) Erfolg haben. Hieran fehlt es vorliegend.
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Die vom Antragsteller angeführten Gesichtspunkte des Eigentumsschutzes und des
Tierschutzes sind, soweit ersichtlich, in den normativen Gestaltungsspielraum des
europäischen Richtliniengebers
vgl. dazu VG Aachen, Beschluss vom 8. April 2001 - 8 L 240/01 -,
und des Bundes-Verordnungsgebers eingestellt worden und durch die Regelungen der
Tierseuchengesetzes hinreichend berücksichtigt. Sie führen jedenfalls im Rahmen der
Ermessensentscheidung angesichts der gegenläufigen Gesichtspunkte, wie z.B.
Außenhandelsinteressen und Absatzschwierigkeiten, nicht zu einer Verpflichtung der
obersten Landesbehörde im Sinne der Antragsbegehren zu 1) und 2). Im Übrigen ist der
Antragsgegner als oberste Landesbehörde nicht ermächtigt, den Maßnahmenkatalog einer
in die Bundeskompetenz fallenden Verordnung, die sich zudem im Rahmen der Vorgaben
der vom Verwaltungsgericht angeführten europarechtlichen Regelungen zu verhalten hat
und verhält, zu erweitern und außerhalb der MKS-Verordnung eigenständige Maßnahmen
zu ergreifen. Angesichts dieser Bindungen des Antragsgegners kommt es auch nicht darauf
an, ob und inwieweit das Landesministerium in der Sache selbst der Meinung des
Antragstellers ist."
Hieran hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest.
Auch nach den Darlegungen der Antragsschrift im vorliegenden Fall ist eine
Ermessensreduzierung auf Null nicht ersichtlich. Dabei braucht nicht dem Argument
nachgegangen zu werden, die zunächst angestellten handelspolitischen Gesichtspunkte
griffen nicht mehr durch, weil die Hauptexportländer ohnehin Importverbote verhängt hätten.
Diese nicht näher belegte und ohnehin nicht alle potenziellen Exportländer erfassende
Behauptung ist jedoch nicht entscheidend, weil es daneben zumindest auch noch
marktpolitische Überlegungen gibt, die so gewichtig sind, dass eine Ermessensreduzierung
auf Null ausscheidet. Nach einer Meldung der FAZ vom 19. April 2001, Seite 1, hat der
Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes in Münster die
Befürchtung geäußert, bei den Landwirten in einem Impfgürtel komme es zu einer
wirtschaftlichen Katastrophe; es sei ein Marktwertverlust bei den geimpften Tierbeständen
von mehr als 50 % zu befürchten und es könnten geimpfte Tier nur mit scharfen
Preisabschlägen vermarktet werden. Ob, wie es in der berichteten Äußerung weiter heißt,
dies den wirtschaftlichen Ruin vieler Betriebe bedeuten würde, kann offen bleiben. Nach
einem Hinweis des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes in dem gleichen
Zeitungsbeitrag retten die in den englischen und niederländischen Krisengebieten
erlaubten Notimpfungen die Tiere nicht, da diese anschließend getötet und vernichtet
würden. Auch er befürchtet zumindest schwer wiegende Auswirkungen auf die
Erzeugerpreise und damit die Einkommen in der betroffenen Region. Zudem sei nicht
ausgeschlossen, dass es im Impffall zu Handelsbeschränkungen komme und dass das
internationale Tierseuchenamt Deutschland den Status "MKS-frei" nicht mehr weiter
zugestehe. Nach einem weiteren Bericht der FAZ vom 18. April 2001, Seite 1, wird als
mögliche Hürde für ein Impfprogramm auch die Zurückhaltung des Handels gesehen. Viele
deutsche Einzelhandelsgeschäfte hätten schon deutlich gemacht, dass sie kein Fleisch
anbieten wollten von Tieren, die gegen MKS geimpft worden seien; ferner dürfe Milch von
geimpften Kühen nur hitzebehandelt auf den Markt gelangen, was ebenfalls zu Problemen
in den Geschäften führen könne. Auch dürften ggfls. nicht nur Rinder, sondern müssten
auch andere Paarhufer wie Schweine, Ziegen und Schafe geimpft werden, was zu weiteren
Einschränkungen führen könne. Dies und die immerhin mögliche unterschiedliche
fachliche Beurteilung auch der seuchenhygienischen Gesichtspunkte einer Impfung
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zeigen, dass eine ablehnende Entscheidung von dem Antragsgegner immer noch mit
ausreichenden sachlichen Erwägungen begründet werden kann. In einer solchen Situation
kann der Vorrang der (auch politischen) Zuständigkeit der Verwaltung nicht durch eine
gerichtliche Verpflichtung - die überdies in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren mit
schon aus zeitlichen Gründen nur geringerer Prüfungstiefe ergehen würde - eingeschränkt
werden.
Die Antragsteller argumentieren in Anbetracht der dargelegten Rechtslage selbst
zutreffend, "dass die Impfpolitik europaweit völlig umstritten" sei und "angesichts der
massiven Schäden, die hier den Landwirten drohen, eigentlich geändert werden müsste".
Insofern müssen sie jedoch auf eine Änderung der Politik hinwirken, können diese jedoch
auch unter dem zutreffenden Hinweis, dass die Interessen der Landwirte als Eigentümer
und Marktteilnehmer sowie wegen des auch gemeinschaftsrechtlich verbürgten
Grundrechts auf Berufsfreiheit berücksichtigt werden müssten, nicht durch
Inanspruchnahme der Gerichte erreichen; das würde sogar für den Fall gelten, dass der
Senat eine andere als die jetzige Impfpolitik für wünschenswert halten würde. Dies erklärt
auch, warum bisher keine gegenteilige verwaltungsgerichtliche Entscheidung bekannt
geworden ist.
Vgl. BayVGH, Beschluss vom 11. April 2001 - 25 ZE 01.926 -, VG Münster, Beschluss vom
6. April 2001 - 6 L 316/01 -, VG Aachen, Beschluss vom 5. April 2001 - 8 L 240/01 - und VG
Düsseldorf, Beschluss vom 2. April 2001 - 7 L 822/01 -.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert wird nach §§ 20 Abs.
3, 13 Abs. 1, 14 Abs. 3 GKG auf 8.000,-- DM festgesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.