Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 18.12.2009
OVG NRW (wiedereinsetzung in den vorigen stand, antrag, frist, ablauf der frist, kläger, anwaltliche vertretung, gesetzliche frist, zulassung, rechtsmittelfrist, wiedereinsetzung)
Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 2463/09
Datum:
18.12.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 2463/09
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 10 K 3762/08
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
von Rechtsanwältin Dr. U. aus N. wird abgelehnt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,00 Euro
festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwältin Dr. U. aus N. ist abzulehnen, weil die beabsichtigte
Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen nicht die erforderliche hinreichende
Aussicht auf Erfolg i. S. v. § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO bietet.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig.
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Die Unzulässigkeit des mit Schreiben vom 25. September 2009, das beim
Verwaltungsgericht Köln am 17. Oktober 2009 eingegangen ist, vom Kläger persönlich
gestellten Antrags ergibt sich schon daraus, dass er bei Antragstellung nicht – wie nach
§ 67 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO vorgeschrieben –
vertreten worden ist. Gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO müssen sich die Beteiligten vor
dem Bundesverwaltungsgericht und vor dem Oberverwaltungsgericht, außer im
Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt
auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem
Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird (§ 67
Abs. 4 Satz 2 VwGO). Als Bevollmächtigte sind gemäß § 67 Abs. 4 Satz 3 VwGO nur die
in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Dabei handelt es sich um
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Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule i. S. d.
Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt. Vor dem
Oberverwaltungsgericht sind darüber hinaus gemäß § 67 Abs. 4 Satz 7 VwGO auch die
in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als
Bevollmächtigte zugelassen. Der Kläger, der selbst nicht die Anforderungen an eine
vertretungsbefugte Person erfüllt, hat den Antrag auf Zulassung der Berufung selbst
gestellt, obwohl er auf das Vertretungserfordernis in der mit dem erstinstanzlichen
Gerichtsbescheid verbunden Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen worden
ist.
Der von seiner Prozessbevollmächtigten nachträglich am 23. November 2009 gestellte
Antrag auf Zulassung der Berufung kann keine Berücksichtigung finden, denn er ist
wegen Versäumung der Frist von einem Monat zur Stellung des Zulassungsantrags
gemäß §§ 84 Abs. 2 Nr. 2, 124 Abs. 4 Satz 1 VwGO von vornherein unzulässig. Dies gilt
selbst dann, wenn hinsichtlich des Fristbeginns nicht auf das Datum der Zustellung des
Gerichtsbescheids an den vom Kläger benannten, in Deutschland lebenden
Zustellungsbevollmächtigten abgestellt wird (27. August 2009), sondern auf das Datum
des Eingangs des Gerichtsbescheids beim Kläger selbst. Da er den mit einer
ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenen Gerichtsbescheid nach seinen
eigenen Angaben im Schreiben vom 25. September 2009 am 23. September 2009
erhalten hat, lief die Antragsfrist nach Maßgabe der §§ 57, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V.
m. § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB spätestens mit dem Ende des
23. Oktober 2009 ab. Der von der Prozessbevollmächtigten des Klägers gestellte Antrag
ging aber beim beschließenden Gericht, an das er adressiert ist, erst am 23. November
2009 ein.
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Eine Fristverlängerung, wie sie der Kläger mit Schreiben vom 6. Oktober 2009 beantragt
hat, ist ausgeschlossen. Die Antragsfrist nach § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO kann nicht
verlängert werden.
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Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage 2009, § 124a Rn. 41 m. w. N.
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Dass der Kläger im Ausland lebt, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.
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Des Weiteren ist auch die gesonderte Frist zur Begründung des Zulassungsantrags
versäumt. Gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind innerhalb von zwei Monaten nach
Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung
zuzulassen ist. Der Gerichtsbescheid wirkt gemäß § 84 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO als
Urteil. Der Begründungsschriftsatz muss durch einen Rechtsanwalt verfasst sein. Eine
Bezugnahme auf persönliche Ausführungen eines Mandanten reicht nicht aus.
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Vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 124a Rn. 49 m. w. N.
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Das Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23. November 2009
genügt den Anforderungen danach nicht. Die Frist zur Begründung des
Zulassungsantrags lief – zugunsten des Klägers ausgehend von dem Eingang des
Gerichtsbescheids bei ihm – spätestens am 23. November 2009 ab. Dem Schreiben der
Prozessbevollmächtigten des Klägers von diesem Tag ist aber eine Begründung des
Zulassungsantrags nicht zu entnehmen. Die dem Antrag der Prozessbevollmächtigten
beigefügten Ausführungen des Klägers sind mangels Abfassung durch die
Rechtsanwältin unzureichend.
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Dem Kläger kann auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist und die
versäumte Begründungsfrist nach § 60 VwGO gewährt werden. Gemäß § 60 Abs. 1
VwGO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist
einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der
Antrag ist gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO bei Versäumung der Frist des Antrags auf
Zulassung der Berufung binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen.
Diese Frist gilt auch für die Geltendmachung der Wiedereinsetzungsgründe.
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Vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 60 Rn. 27.
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Die Versäumung der Rechtsmittelfrist wegen fehlender Postulationsfähigkeit ist dann
nicht verschuldet und führt zu einer Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsmittelfrist
gemäß § 60 VwGO, wenn der Beteiligte bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist alles getan
hat, um durch einen Rechtsanwalt vertreten zu werden. Das erfordert zum einen, dass er
noch innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist bei dem zuständigen Gericht den Antrag
auf Beiordnung eines Notanwalts nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 78 b ZPO stellt,
und zum anderen, dass er innerhalb der noch laufenden Frist alles ihm Zumutbare getan
hat, um sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 1999 – 9 B 333.99 –, DVBl. 1999,
1662 f.
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es lässt sich nicht feststellen, dass der
Kläger die Rechtsmittelfrist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO ohne Verschulden
versäumt hat. Prozesskostenhilfe hat der Kläger erstmals mit Schriftsatz seiner
Prozessbevollmächtigten vom 23. November 2009 und damit nicht innerhalb der Frist
zur Stellung des Zulassungsantrags beantragt. Innerhalb dieser Frist hat er auch keinen
Antrag gestellt, ihm einen Notanwalt beizuordnen. Er hat lediglich in seinem Schreiben
vom 6. Oktober 2009 mitgeteilt, es erweise sich als besonders zeitraubend und
schwierig, von N1. aus einen Rechtsanwalt in L. zu finden, der sich in
Staatsangehörigkeitsangelegenheiten auskenne. Damit hat der Kläger aber zudem nicht
innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses dargelegt, dass er alles ihm
Zumutbare getan hat, um innerhalb der Antragsfrist einen Rechtsanwalt zu finden, der
bereit gewesen wäre, ihn bei der Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung zu
vertreten. Dabei wird – wiederum zugunsten des Klägers – davon ausgegangen, dass
das Hindernis der fehlenden anwaltlichen Vertretung erst am 15. November 2009
weggefallen ist, denn dieses Datum trägt das von ihm persönlich verfasste Schreiben
mit dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von
Rechtsanwältin Dr. U. aus N. . Er hat aber innerhalb der danach am 15.
Dezember 2009 endenden Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO
Wiedereinsetzungsgründe nicht hinreichend geltend gemacht, insbesondere nichts
Substantiiertes zu seinen Bemühungen um eine anwaltliche Vertretung bis zum Ablauf
der Frist zur Stellung eines Berufungszulassungsantrags vorgetragen. Hinsichtlich der
versäumten Frist zur Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO)
sind keinerlei Gründe vorgetragen worden, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand begründen könnten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung be-ruht
auf §§ 52 Abs. 1 und 2, 47 Abs. 1 und 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO und – hinsichtlich der Streitwertfest-
setzung – gem. §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar. Der
Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§§ 84 Abs. 3
Halbsatz 1, 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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