Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.04.2008
OVG NRW: juristische person, öffentlich, persönliche eignung, auskunft, anbieter, richteramt, arbeiter, markt, ausnahme, begriff
Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 4923/05
Datum:
09.04.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 A 4923/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 9 K 3266/05
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger wendet sich gegen einen Gebührenbescheid mit der Begründung,
Gebührenfreiheit beanspruchen zu können. Er wurde durch Bau- und
Liegenschaftsbetriebsgesetz vom 12. Dezember 2000 (GV. NRW. S. 754) - BLBG NRW
- zum 1. Januar 2001 als teilrechtsfähiges Sondervermögen des Landes NRW mit
eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung errichtet. Er ist wie ein
Wirtschaftsunternehmen nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen, kann im
Rechtsverkehr unter seinem Namen handeln, klagen und verklagt werden sowie
Beamte, Angestellte und Arbeiter beschäftigen. Seine Aufgabe ist es, Grundstücke und
grundstücksgleiche Rechte für Zwecke des Landes nach kaufmännischen Grundsätzen
zu erwerben, zu bewirtschaften, zu entwickeln und zu verwerten und dabei die
baupolitischen Ziele des Landes zu beachten. Nach einer Gemeinsamen
Kabinettvorlage von Finanzministerium und Ministerium für Städtebau und Wohnen,
Kultur und Sport vom 5. Dezember 2000 ist die Hauptaufgabe des Klägers im Rahmen
der Eigentümerfunktion die wirtschaftliche Verwaltung des Grundstücksbestandes des
Landes in einer Vermieter-Mieter-Beziehung gegenüber den nutzenden Ressorts.
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Danach mieten die Nutzer die von ihnen genutzten Liegenschaften für eine jeweils
festgelegte Laufzeit an. Nach deren Ablauf sollen sie ihren Unterbringungsbedarf auch
unabhängig vom Kläger am Markt im Rahmen ihrer Mietbudgets decken können.
Der Beklagte setzte gegenüber dem Kläger mit Gebührenbescheid vom 20. April 2005
für die Erteilung einer Auskunft aus dem Baulastenverzeichnis für eine landeseigene
Liegenschaft eine Gebühr in Höhe von 10,- EUR fest. Mit seinem hiergegen gerichteten
Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 GebG NRW
gebührenbefreit, weil er im Rahmen eines Kontrahierungszwangs oder sonstiger
öffentlich- rechtlicher Bindungen für das Land tätig geworden sei. Er habe Bauaufgaben
im eigenen Namen abgewickelt und damit die ihm durch § 2 Abs. 1 BLBG NRW
übertragene öffentlich- rechtliche Verpflichtung zur Grundstücksbewirtschaftung für
Zwecke des Landes erfüllt. Durch die Gesetzesbegründung sei klargestellt, dass eine
Tätigkeit im Rahmen öffentlich- rechtlicher Bindungen insoweit gegeben sei, als der
Kläger die bisherige Tätigkeit der früheren staatlichen Hochbauverwaltung fortführe,
sofern er weiterhin als einziger Anbieter auftrete. In eigenen Angelegenheiten stehe er
nicht in Konkurrenz zu Dritten und solle deshalb Gebührenfreiheit genießen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2005 wies die Bezirksregierung Düsseldorf den
Widerspruch des Klägers zurück. Nach ihrer Einschätzung bestehe für den Kläger keine
Gebührenfreiheit, weil er ein - grundsätzlich nicht gebührenbefreites - Sondervermögen
sei und Ausführungsbestimmungen dazu, wann ausnahmsweise gleichwohl
Gebührenfreiheit bestehe, noch nicht ergangen seien.
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Mit seiner Klage ist der Kläger der Auffassung entgegen getreten, Gebührenfreiheit
setze den Erlass untergesetzlicher Ausführungsbestimmungen voraus. Darüber hinaus
hat er seine Einwände aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft sowie
ergänzend insbesondere mitgeteilt, er habe die beantragte Auskunft aus dem
Baulastenverzeichnis im Rahmen des Verkaufs der betreffenden landeseigenen
Liegenschaft benötigt. Sie habe zu einem umfangreichen Verkaufsprogramm der
Landesregierung gehört, das dem Kläger auferlegt worden sei. Dabei sei er streng an
die Regelungen in den §§ 63 und 64 LHO NRW und die dazugehörigen
Verwaltungsvorschriften gebunden gewesen.
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Der Kläger hat beantragt,
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den Gebührenbescheid des Beklagten vom 20. April 2005 und den
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 20. Juni 2005 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Verwaltungs- und
Widerspruchsverfahren Bezug genommen.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Er hat seine Entscheidung darauf
gestützt, dass der Kläger ein Sondervermögen sei, das nicht im Rahmen eines
Kontrahierungszwangs oder sonstiger öffentlich-rechtlicher Bindungen tätig geworden
sei. Die Wahrnehmung seines gesetzlichen Auftrags allein könne hierfür nicht genügen.
Vielmehr sei entscheidend, ob wegen öffentlich-rechtlicher Bindungen keine
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Konkurrenz mit privaten Anbietern bestehe. Eine solche bestehe jedoch beim Verkauf
von Immobilien.
Mit seiner zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend, er sei beim Verkauf seiner
landeseigenen Liegenschaft als einziger Anbieter aufgetreten. Ein
Wettbewerbsverhältnis zu anderen Verkäufern von Immobilien habe nicht bestanden.
Ein Wettbewerb setze das Angebot gleichartiger Waren voraus, welches bei Immobilien
wegen ihrer Einmaligkeit nicht bestehe. Ungeachtet dessen sei der Kläger aufgrund
öffentlich-rechtlicher Bindungen tätig geworden, die sich aus dem Bau- und
Liegenschaftsgesetz ergäben. Mit der Verwertung einer landeseigenen Liegenschaft
habe der Kläger ausschließlich eine Aufgabe wahrgenommen, die das Land bislang mit
anderen Organisationseinheiten unter Befreiung von Verwaltungsgebühren
wahrgenommen habe. Da das gebührenbefreite Land weiterhin zivilrechtlicher
Eigentümer der im Sondervermögen verbundenen Liegenschaften sei und die
wirtschaftliche Last des Liegenschaftsmanagements trage, rechtfertige diese unmittelbar
auf das Land wirkende Belastung auch die Gebührenbefreiung für den Kläger. Es könne
nicht entscheidend sein, ob ein Antrag auf Auskunft aus dem Baulastenverzeichnis im
Namen des Klägers oder im Namen des Landes gestellt werde. Die Gebührenfreiheit
habe der Gesetzgeber nur für Fälle ausschließen wollen, in denen eine
Angebotskonkurrenz zwischen dem Kläger und privaten Anbietern gegenüber dem
Land als Abnehmer bestehen könne oder der Kläger, soweit gesetzlich zulässig, auf
dem freien Markt für Dritte tätig werde.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er ist der Auffassung, dass der Kläger im Berufungsverfahren durch seine Mitarbeiter mit
Befähigung zum Richteramt nicht ordnungsgemäß vertreten werde, weil er weder eine
Behörde noch eine juristische Person des öffentlichen Rechts sei. In der Sache legt der
Beklagte im Einzelnen dar, weshalb der Kläger seiner Ansicht nach jedenfalls beim
Verkauf von Immobilien keinen öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliege, die ihm ein
Handeln außerhalb des freien Immobilienmarkts ermöglichen würden. Allein die Pflicht,
Ziele des Landes zu beachten, stelle eine solche Bindung nicht dar.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte
dieses Verfahrens, des mit Urteil vom heutigen Tage entschiedenen Verfahrens 9 A
1311/06 sowie der beigezogenen beim Senat noch anhängigen Verfahren 9 A 2180/06,
9 A 2181/06 und 9 A 2194/06 und des Verfahrens 17 K 3345/02 - VG Gelsenkirchen -
und auf die in diesen Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung hat keinen Erfolg.
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I. Sie ist allerdings entgegen der Auffassung des Beklagten zulässig. Insbesondere
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genügt die Vertretung des Klägers durch eine Mitarbeiterin bzw. einen Mitarbeiter mit
Befähigung zum Richteramt im Berufungsverfahren den Anforderungen des § 67 Abs. 1
VwGO. Der Kläger muss sich nicht durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an
einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen. Er darf sich in
diesem Verfahren gemäß § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO auch durch Beamte oder
Angestellte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen. Zwar ist der Kläger als
teilrechtsfähiges Sondervermögen nicht in jeder Hinsicht als juristische Person des
öffentlichen Rechts anzusehen, weil ihm insbesondere eine eigene
Rechtspersönlichkeit fehlt.
Vgl. § 1 BLBG sowie näher hierzu der Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs.
13/189, S. 15; allgemein zu Sondervermögen Isensee, Staatsvermögen, in:
Isensee/Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 122 Rn. 19.
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Hinsichtlich der Fähigkeit, sich vor dem Oberverwaltungsgericht durch Beamte oder
Angestellte vertreten zu lassen, ist der Kläger jedoch als juristische Person des
öffentlichen Rechts im Sinne von § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO zu betrachten.
Teilrechtsfähige öffentlich- rechtliche Organisationseinheiten sind insoweit wie
juristische Personen des öffentlichen Rechts zu behandeln, als ihr Handeln keiner
anderen Verwaltungseinheit mehr zugerechnet wird.
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Vgl. Krebs, Verwaltungsorganisation, in: Isensee/Kirchhof, a.a.O., § 108 Rn. 43;
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Das ist beim Kläger der Fall. Er kann gemäß § 1 Abs. 2 BLBG NRW im Rechtsverkehr
unter seinem Namen handeln, klagen und verklagt werden sowie gemäß § 5 Abs. 1
BLBG NRW Beamte, Angestellte und Arbeiter beschäftigen, die bei Erfüllen der
Qualifikation nach § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO die Prozessvertretung übernehmen
können.
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Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Beamten, Angestellten und Arbeiter des
Klägers gemäß § 5 Abs. 2 BLBG NRW im Dienst des Landes stehen. Zwar können
Behördenvertreter im Sinne von § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO grundsätzlich nur Bedienstete
der am Verfahren beteiligten Behörde sein. Insoweit kommt es aber entscheidend auf
die Sachnähe des Vertreters zu den streitigen Rechtsfragen an und nicht so sehr auf die
formalrechtliche Zuordnung zu einer Behörde.
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Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Juli 1998 - 7 C 36.97 -, BVerwGE 107, 156, und vom 28.
Juni 1995 - 11 C 25.94 -, Buchholz 436.36 § 15 BAföG Nr. 42.
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Diese Anforderungen erfüllen die Mitarbeiter des Klägers, die das Gesetz selbst als
„[Beamte] des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW" sowie „[Angestellte] und Arbeiter
des Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW" bezeichnet und deren Sachnähe zu den
anstehenden Rechtsfragen nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass sie formal nicht in
einem unmittelbaren Rechtsverhältnis zum Kläger stehen.
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Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung in § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO bestätigen
diese Auslegung, nach der sich der Kläger im Anwaltsprozess durch bei ihm
beschäftigte Bedienstete mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen darf. Der
Freistellung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts vom Vertretungszwang
liegt die Erwägung zugrunde, dass die Fachverwaltungen über Bedienstete mit den
notwendigen Spezialkenntnissen und Erfahrungen auf den zur Zuständigkeit des
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Gerichts gehörenden Rechtsgebieten verfügen; gleichzeitig sollen unnötige
Verfahrenskosten vermieden werden.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Oktober 1998 - 3 B 71.97 -, NJW 1999, 882; BT-Drs.
11/7030 S. 24.
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Diese Erwägungen treffen auf den Kläger uneingeschränkt zu. Er bietet in gleicher
Weise wie eine voll rechtsfähige juristische Person des öffentlichen Rechts die Gewähr,
dass bei einer Vertretung durch bei ihm beschäftigte Bedienstete mit der erforderlichen
Qualifikation die allgemein mit dem Vertretungszwang verfolgten Ziele erreicht werden.
Dies ist nämlich unabhängig von dem insoweit rein formalen Unterschied, ob das Land
mit eigenen Beschäftigten seine Bau- und Liegenschaftsverwaltung selbst wahrnimmt
oder diese auf ein teilrechtsfähiges Sondervermögen mit hierfür zuständigen
Landesbediensteten überträgt.
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II. Die Berufung ist aber unbegründet. Die Klage hat keinen Erfolg. Der
Gebührenbescheid des Beklagten vom 20. April 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Düsseldorf vom 20. Juni 2005 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO). Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 und 2 GebG NRW
i.V.m. Tarifstelle 2.5.6.4 des Allgemeinen Gebührentarifs - AGT - zur Allgemeinen
Verwaltungsgebührenordnung in der Fassung der Vierten Änderungsverordnung vom
22. Juli 2003 (GV. NRW. S. 428) - AVwGebO NRW -. Danach wird für eine schriftliche
Auskunft darüber, dass kein Baulastenblatt besteht, eine Gebühr von 10,- EUR je
Grundstück erhoben.
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Dem Kläger steht keine Gebührenfreiheit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 GebG NRW zu. Nach
dieser Regelung sind unter anderem das Land und die juristischen Personen des
öffentlichen Rechts, die nach dem Haushaltsplan des Landes für Rechnung des Landes
verwaltet werden, von Verwaltungsgebühren befreit. Abs. 3 Satz 1 schließt diese
Gebührenfreiheit jedoch aus unter anderem für Sondervermögen und Bundesbetriebe
im Sinne des Art. 110 Abs. 1 GG sowie für gleichartige Einrichtungen des Landes.
Dieser Ausschluss gilt wiederum nach Satz 2 nicht, soweit Sondervermögen des
Landes oder Landesbetriebe im Rahmen eines Kontrahierungszwangs oder sonstiger
öffentlich-rechtlicher Bindungen für das Land NRW, den Bund oder für landes- oder
bundesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts tätig werden. Hierzu
erlässt die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde des Sondervermögens oder des
Landesbetriebes Ausführungsbestimmungen (Satz 3).
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1. Auch wenn grundsätzlich die Gebührenfreiheit des Landes nach § 8 Abs. 1 Nr. 2
GebG NRW zumindest in entsprechender Anwendung auch für den nur
teilselbständigen Kläger besteht, wird sie durch die Sonderregelung in Abs. 3 Satz 1
GebG NRW letztlich ausgeschlossen. Denn der Kläger ist eine einem Sondervermögen
im Sinne des Art. 110 Abs. 1 GG gleichartige Einrichtung des Landes. Diese
Verfassungsbestimmung enthält keine Legaldefinition, sondern verwendet den Begriff
des Sondervermögens im Halbsatz 2 von Satz 1 nur, um daran anknüpfend eine
Ausnahme von dem Vollständigkeitsprinzip zuzulassen, das nach Halbsatz 1 das
Budgetrecht des Parlaments schützen soll.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 9 C 2.07 -, KStZ 2008, 17, bezogen auf dort
ebenfalls genannte Bundesbetriebe.
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Eine Definition von Sondervermögen findet sich in Nr. 2.1 zu § 26 der Allgemeinen
Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO) vom 14. März 2001 -
GMBl S. 307 -. Sie lautet: „Sondervermögen sind rechtlich unselbständige abgesonderte
Teile des Bundesvermögens, die durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes
entstanden und zur Erfüllung einzelner Aufgaben des Bundes bestimmt sind."
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Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger bezogen auf das Land NRW, obwohl § 1 Abs.
1 BLBG NRW ihn als „teilrechtsfähig" ausgestaltet. Das ändert nämlich letztlich nichts
an seiner rechtlichen Unselbständigkeit. Alle als rechtlich unselbständig angesehenen
Sondervermögen genießen relative Rechtsfähigkeit, eben darin Vermögensfähigkeit.
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Vgl. Isensee, a.a.O.
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Vor allem aber ist insoweit entscheidend, dass das auf den Kläger gemäß § 2 Abs. 2
BLBG NRW übergegangene Liegenschaftsvermögen vom übrigen Landesvermögen
abgesondert worden ist und der Kläger gemäß § 8 Abs. 2 BLBG NRW einen eigenen
Wirtschaftsplan aufzustellen hat, der dem Haushaltsplan als Anlage beizufügen ist.
Diese haushaltsrechtliche Verselbständigung und Rückbindung an den Landeshaushalt
rechtfertigen - unabhängig von einer erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Tätigkeit, wie
sie nach Nr. 1.1 zu § 26 VV-BHO für Bundesbetriebe erforderlich ist, vgl. auch § 14 a
Abs. 1 LOG NRW für Landesbetriebe - letztlich eine Ausnahme von dem
Vollständigkeitsprinzip nach Art. 81 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 der Landesverfassung
NRW (entsprechend Art. 110 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 GG).
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Vgl. Gröpl, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: Februar 2008, Art. 110 Rn.
99.
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2. Dem Kläger steht nicht deshalb Gebührenfreiheit zu, weil § 8 Abs. 3 Satz 2 GebG
NRW die Geltung von Satz 1 ausschlösse. Zwar ist die Anwendung der Rückausnahme
nach Satz 2 nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil für den Kläger noch keine
Ausführungsbestimmungen gemäß Satz 3 erlassen worden sind (a). Sie gilt für den
Kläger jedoch nicht, weil er nicht im Rahmen eines Kon-trahierungszwangs oder
sonstiger öffentlich- rechtlicher Bindungen für das - hier allein in Betracht kommende -
Land NRW tätig geworden ist (b).
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a) Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, wie sie in § 8 Abs. 3 Satz 2 GebG NRW
verwendet werden, ist gerichtlich voll überprüfbar. Nur ausnahmsweise ist es im
Hinblick auf die nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotene Gewährleistung effektiven
Rechtsschutzes zu rechtfertigen, der zuständigen Stelle bei der Anwendung eines
unbestimmten Rechtsbegriffs einen eigenen, gerichtlicher Kontrolle nur eingeschränkt
zugänglichen Beurteilungsspielraum einzuräumen.
42
Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 1990 - 3 C 50.86 -, NVwZ 1991, 568.
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Eine derartige Einschätzungsprärogative der zuständigen (Verwaltungs-)Stelle hat die
Rechtsprechung bisher anerkannt bei Entscheidungen über die persönliche Eignung,
Fähigkeit und Leistung sowie bei prüfungsspezifischen Wertungen, bei
Entscheidungen, die auf wissenschaftlichen oder spezialisierten Wertungen beruhen
und für die deshalb der Gesetzgeber in verfassungskonformer Weise die Entscheidung
durch entsprechend sachkundige Personen vorsieht, bei Entscheidungen, die der
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Gesetzgeber von besonderen, fachkundig zusammengesetzten, Kollegialorganen
(zumeist mit Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit ausgestattet) treffen lässt, bei
Entscheidungen, die auf spezifischen Prognosen tatsächlicher oder wertender Art
beruhen oder bei Entscheidungen, bei denen der Gesetzgeber die Letztverantwortung
für die Ausfüllung eines Rechtsbegriffs wegen einer insoweit bestehenden größeren
Sachkompetenz der Verwaltung oder der zuständigen Stelle zugeordnet hat.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. September 2005 - 1 WB 4.05 -, DVBl. 2006, 574,
m.w.N.
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Keine dieser Fallkonstellationen liegt hier vor. Vielmehr ist die Verwaltung lediglich
ermächtigt worden, in Form von Ausführungsbestimmungen im Interesse einer
einheitlichen Verwaltungspraxis Vorschriften des Innenrechts zu erlassen, nicht aber für
die Auslegung von unbestimmten Gesetzesbegriffen nach außen verbindliche
Rechtsnormen.
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Vgl. zur Bedeutung von Verwaltungsvorschriften BVerwG, Beschluss vom 4. August
2006 - 2 B 12.06 -.
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b) Der Kläger ist bei der Beantragung einer Auskunft aus dem Baulastenverzeichnis des
Beklagten im Zusammenhang mit dem Verkauf einer landeseigenen Liegenschaft nicht
im Rahmen eines Kontrahierungszwangs oder sonstiger öffentlich-rechtlicher
Bindungen für das Land tätig geworden.
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Für die Gebührenfreiheit genügt nicht jegliche öffentlich-rechtliche Bindung, sondern nur
eine solche, die ähnlich einem Kontrahierungszwang bewirkt, dass keine (echte)
Wettbewerbssituation im Verhältnis zu privaten Anbietern besteht. Dies ergibt sich
schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 8 Abs. 3 Satz 2 GebG NRW. Danach steht
die Formulierung "sonstige öffentlich-rechtliche Bindung" im unmittelbaren (Sinn-
)Zusammenhang mit dem Begriff des Kontrahierungszwanges. Hinter der
gesetzgeberischen Entscheidung, für Landesbetriebe und Sondervermögen
abweichend von § 8 Abs. 3 Satz 1 GebG NRW Gebührenfreiheit vorzusehen, wenn
diese im Rahmen eines Kontrahierungszwangs oder sonstiger öffentlich-rechtlicher
Bindungen für das Land tätig geworden sind, steht im Übrigen im Wesentlichen die
folgende Erwägung: Landesbetriebe oder das Sondervermögen, das der Kläger
darstellt, sollen für ihre Tätigkeit, die früher durch gebührenbefreite staatliche
Verwaltung wahrgenommen wurde, weiterhin gebührenbefreit sein, sofern wegen eines
bestehenden Kontrahierungszwangs oder sonstiger öffentlich-rechtlicher Bindungen (z.
B. Organleihe) keine Wettbewerbssituation im Verhältnis zu privaten Anbietern besteht,
etwa wenn der Kläger weiterhin als einziger Anbieter auftritt. Nur in diesen Fällen
besteht nach Ansicht des Gesetzgebers kein Bedürfnis für den nach § 8 Abs. 3 Satz 1
GebG NRW bezweckten Konkurrentenschutz.
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Vgl. Begründung zu § 8 Abs. 3 GebG NRW, Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-
Drs. 13/3192, S. 74 f.
50
Bestätigt wird diese Auslegung der Vorschrift dadurch, dass nach dem nicht
aufgegebenen ursprünglichen Gesetzeszweck Sondervermögen ebenso wie nach der
entsprechenden Bestimmung im Verwaltungskostengesetz nicht gebührenbefreit sein
sollten, „weil sie im Zweifel eine Rolle in der Wettbewerbswirtschaft spielen und daher
nicht besser gestellt werden sollten, als private Unternehmen."
51
Vgl. Begründung zu § 8 Abs. 3 GebG NRW, Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-
Drs. 7/821, S. 26 f.; dazu auch Begründung zum Regierungsentwurf zum
Verwaltungskostengesetz BR-Drs. 530/69, S. 13.
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Für ein Tätigwerden im Rahmen „sonstiger öffentlich-rechtlicher Bindungen" reicht es
hingegen nicht, dass der Kläger bei Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben nach
§ 2 Abs. 1 BLBG NRW die baupolitischen Ziele des Landes zu beachten hat und - wie
er vorträgt - an die Vorschriften der §§ 63, 64 LHO NRW gebunden ist. Diese Bindungen
gehen nicht über Bindungen hinaus, denen nach der oben unter I. angeführten
Begriffsdefinition jedes - im Grundsatz gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 GebG NRW gerade
nicht gebührenbefreite - Sondervermögen unterliegt, weil es einzelne Aufgaben seines
Trägers erfüllen soll.
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Im Rahmen öffentlich-rechtlicher Bindungen im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 GebG
NRW, also außerhalb einer Wettbewerbssituation zu privaten Anbietern, handelt der
Kläger nur noch insoweit, als er - nach Innenrecht, das für alle an
Nutzungsverhältnissen Beteiligten verbindlich ist - für eine gewisse Übergangszeit als
wirtschaftlicher Eigentümer der an ihn abgegebenen Immobilien gegenüber den
nutzenden Ressorts Vermieterfunktion wahrzunehmen hat, ohne dass er sich insoweit
einem Wettbewerb stellen muss bzw. darf. Denn in dieser Hinsicht wird erst nach Ablauf
der Übergangszeit wirtschaftlicher Wettbewerb hergestellt. Spätestens nach Auslaufen
oder einvernehmlicher Aufhebung der befristeten Mietverträge, die der Kläger
unmittelbar nach seiner Errichtung mit allen Nutzern geschlossen hat, hat sich der
Kläger jedoch auch auf diesem Feld einem Wettbewerb mit anderen Anbietern zu
stellen und seinerseits die Möglichkeit, die zuvor vermieteten Grundstücke anderweitig
zu verwerten, wenn dies für ihn günstiger ist als die weitere Vermietung.
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Vgl. Gemeinsame Kabinettvorlage von Finanzministerium und Ministerium für Städtebau
und Wohnen, Kultur und Sport vom 5. Dezember 2000, in: Grundlagen des BLB NRW,
3. Aufl. 2006, A.II.2., S. 12 ff.; Allgemeine Begründung zum Gesetzentwurf der
Landesregierung zum Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Bau- und
Liegenschaftsbetrieb NRW", LT-Drs. 13/189, S. 13 f.
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Für Erwerb und Verkauf von Immobilien sowie Neubauten besteht diese
Wettbewerbssituation am allgemeinen Immobilienmarkt bereits seit Errichtung des
Klägers. Insoweit soll er nach der Gesetzesbegründung flexibel am Markt arbeiten, sich
im Wettbewerb behaupten und Erträge erwirtschaften. Auch wenn der Kläger „der
einzige Anbieter" eines bestimmten Grundstücks ist, so hat er sich als solcher einem
Wettbewerb mit Grundstücken anderer Anbieter vergleichbarer Nutzung, Größe und
Lage zu stellen. Entsprechend besteht beim Erwerb von Immobilien grundsätzlich ein
Nachfragewettbewerb, selbst wenn im Einzelfall keine weiteren Interessenten für ein
bestimmtes Grundstück vorhanden sein mögen.
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Hiervon ausgehend stand der Kläger beim Verkauf der Immobilie, für die er eine
Auskunft aus dem Baulastenverzeichnis beim Beklagten eingeholt hat, im Wettbewerb
des allgemeinen Immobilienmarkts und unterlag keinen einem Kontrahierungszwang
vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Bindungen. Demnach kann er aus Gründen des
Konkurrenzschutzes nicht in den Genuss der Privilegierung des § 8 Abs. 3 Satz 2 GebG
NRW gelangen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10 und 711
ZPO.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen
nicht vor.
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