Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 23.02.2007

OVG NRW: wiedereinsetzung in den vorigen stand, post, anschrift, schriftstück, hochschule, richteramt, verfügung, zustellungsfiktion, befreiung, absendung

Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 369/07
Datum:
23.02.2007
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 369/07
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 8 K 1175/06 (13 K 4044/05 VG Köln)
Tenor:
Die "Klage" vom 6. Januar 2007, die "Gerichtliche Klage gegen den
Herrn Richter S. " vom 7. Januar 2007 und die als "Fürsprache"
bezeichnete Eingabe vom 10. Januar 2007 werden als unzulässig
verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Außergerichtliche Kosten
des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
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1. Der mit Schreiben vom 6. Januar 2007 am 30. Januar 2007 eingelegte, als "Klage"
bezeichnete Rechtsbehelf des Klägers, den der Senat zu dessen Gunsten als einen
nach §§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 4 VwGO allein statthaften Antrag auf Zulassung der
Berufung versteht, ist unzulässig.
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a) Der Zulassungsantrag ist schon deshalb unzulässig, weil sich der Kläger bei der
Antragstellung nicht - wie nach § 67 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO vorgeschrieben - durch
einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des
Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt hat vertreten lassen,
obgleich er auf dieses Vertretungserfordernis in der dem erstinstanzlichen Urteil
beigefügten Rechtsmittelbelehrung hingewiesen worden ist.
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b) Darüber hinaus ist der Zulassungsantrag auch deshalb unzulässig, weil die
Antragsfrist für einen (formgerecht gestellten) Zulassungsantrag nicht gewahrt ist und
eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann.
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Nach § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO ist, wenn - wie hier - die Berufung nicht in dem Urteil
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des Verwaltungsgerichts zugelassen wird, die Zulassung innerhalb eines Monats nach
Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Ein solcher fristwahrender
Zulassungsantrag liegt hier nicht vor.
Die Antragsfrist des § 124 a Abs. 4 Satz 1 VwGO hat vorliegend am 12. Oktober 2006 zu
laufen begonnen und ist deshalb am Montag, den 13. November 2006 abgelaufen (vgl.
§§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 2, 187 Abs. 1, 193 BGB); die unter dem
6. Januar 2007 und damit lange nach Ablauf der Monatsfrist formulierte "Klage" ist
jedoch erst am 30. Januar 2007 bei dem Verwaltungsgericht eingegangen. Dass die
Antragsfrist am 12. Oktober 2006 in Gang gesetzt worden ist, ergibt sich aus der gemäß
§ 56 Abs. 2 VwGO anwendbaren und hier einschlägigen Regelung des § 184 Abs. 2
Satz 1 ZPO. Nach der zuletzt genannten Vorschrift gilt ein Schriftstück - hier das Urteil -
zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt, wenn eine ordnungsgemäße
Anordnung nach § 184 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 ZPO ergangen ist, innerhalb der
gesetzten Frist kein Zustellungsbevollmächtigter benannt (§ 184 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und
zum Nachweis der Zustellung in den Akten vermerkt worden ist, zu welcher Zeit und
unter welcher Anschrift das Schriftstück zur Post gegeben wurde. Sämtliche
Voraussetzungen liegen hier vor.
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Das Verwaltungsgericht hat bei der hier grundsätzlich erforderlichen
Auslandszustellung nach § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO den nicht durch einen
Prozessbevollmächtigten vertretenen Kläger mit Verfügung vom 26. April 2006
aufgefordert, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Aufforderung einen
Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, der in der Bundesrepublik Deutschland
wohnt oder in der Bundesrepublik Deutschland einen Geschäftsraum hat. Es hat in
dieser Anordnung - den Geboten des § 184 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 2, Abs. 2
Satz 1 VwGO folgend - auch auf die Rechtsfolgen hingewiesen, dass - falls der Kläger
keinen Zustellungsbevollmächtigten benennt - spätere Zustellungen bis zur
nachträglichen Benennung dadurch bewirkt werden können, dass das Schriftstück unter
der Anschrift des Klägers zur Post gegeben wird, und dass das Schriftstück in diesem
Fall zwei Wochen nach Aufgabe zur Post als zugestellt gilt.
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Der Kläger hat innerhalb der gesetzten, durch ordnungsgemäße Zustellung der
Verfügung nach § 56 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 183 Abs. 1 Nr. 2 ZPO am 26. Juni 2006 in
Gang gesetzten und deshalb am Montag, den 28. August 2006 abgelaufenen
Zweimonatsfrist auch keinen Zustellungsbevollmächtigten benannt.
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Der von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts gefertigte
Aktenvermerk über die Aufgabe zur Post stellt schließlich einen hinreichenden
Nachweis der Zustellung dar. Denn er enthält die Angabe, dass das Urteil vom 27.
September 2006 am 28. September 2006 an den Kläger zur Post gegeben worden ist.
Zwar ist in dem Vermerk nicht ausgeführt, unter welcher Anschrift das Urteil zur Post
gegeben worden ist; dies ist jedoch unschädlich, weil die verwendete, vor und nach
dieser Zustellung von den Klägern angegebene und damit zutreffende Anschrift sich aus
dem Rubrum des in dem Vermerk genannten Urteils selbst ergibt. Außerdem kann auch
dem am 24. April 2006 gedruckten Aktenvorblatt entnommen werden, dass zur Zeit der
Absendung des Urteils die zutreffende Anschrift des Klägers gespeichert gewesen ist.
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In Anwendung der nach alledem maßgeblichen Regelung des § 184 Abs. 2 Satz 1 ZPO
galt das Urteil am 12. Oktober 2006 - zwei Wochen nach Aufgabe zur Post, §§ 56 Abs. 2
VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB - als zugestellt mit der Folge, dass
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die einmonatige Antragsfrist mit Ablauf des 13. November 2006 (Montag; §§ 56 Abs. 2
VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 193 BGB) verstrichen ist. Ob der Zustellungsadressat - hier der
Kläger - das zuzustellende Schreiben tatsächlich erhalten hat, ist für den Eintritt der
Zustellungsfiktion ohne Bedeutung.
Vgl. Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 56 Rn. 94, und Zöller, ZPO, 25. Aufl. 2005, §
184 Rn. 8, jeweils m. w. N.
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Gründe für eine Wiedereinsetzung in die nach alledem versäumte Antragsfrist des §
124a Abs. 4 Satz 1 VwGO sind nicht ersichtlich. Insbesondere können sich solche
Gründe nicht aus den Postlaufzeiten ergeben. Denn der Kläger hat, wie sein als
"Verbeugung" bezeichnetes Schreiben vom 9. November 2006 zeigt, spätestens an
diesem Tag Kenntnis von dem (per e-Mail erneut übermittelten) Urteil erlangt, aber
seinen Rechtsbehelf erst unter dem 6. Januar 2007 überhaupt formuliert.
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2. Die an das Oberverwaltungsgericht gerichtete "Gerichtliche Klage gegen den Herrn
Richter S1. ", mit der der Kläger diverse Sanktionen gegen den Richter am
Verwaltungsgericht S1. durch das Oberverwaltungsgericht verlangt, und seine als
"Fürsprache" bezeichnete Eingabe, mit der er eine Befreiung von der Zahlung eines
"Staatszolls" begehrt, sind ungeachtet aller weiteren Zweifelsfragen jedenfalls deshalb
unzulässig, weil sich der Kläger bei der Antragstellung auch insoweit nicht
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- wie nach § 67 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO vorgeschrieben - durch einen Rechtsanwalt
oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des
Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt hat vertreten lassen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 2, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 und 3 GKG. Hierbei hat der
Senat zugunsten des Klägers lediglich die als Antrag auf Zulassung der Berufung
aufgefasste "Klage" und nicht auch zugleich die weiteren Eingaben wertmäßig in
Ansatz gebracht.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3
Satz 3 GKG). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig.
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