Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 15.01.2003

OVG NRW: zahnarzt, approbation, widerruf, unwürdigkeit, behandlung, trunkenheit, gesundheit, zukunft, vergehen, verkehr

Oberverwaltungsgericht NRW, 13 A 2774/01
Datum:
15.01.2003
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 A 2774/01
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 3 K 5795/99
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 1999 und der
Widerspruchsbescheid vom 3. August 1999 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für
notwendig erklärt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 66.467,94 EUR (=
130.000,- DM) festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der 1951 in S. geborene Kläger, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, betreibt
seit 1986 eine zahnärztliche Praxis.
3
Der Kläger wurde in der Vergangenheit strafrechtlich wie folgt verurteilt:
4
- Amtsgericht L. vom 22. November 1983 wegen Gefährdung des Straßenverkehrs und
unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit Trunkenheit im Verkehr zu einer
Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,- DM,
5
- Amtsgericht L. vom 11. September 1984 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr
in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis zu sechs Wochen Freiheitsstrafe mit einer
Bewährungszeit von drei Jahren,
6
- Amtsgericht E. vom 4. Juni 1992 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr (1,44 ‰)
zu 50 Tagessätzen zu je 100,- DM,
7
- Amtsgericht E. vom 9. Mai 1996 wegen fahrlässiger alkoholbedingter
Verkehrsgefährdung (Tatzeit 17. August 1995, 2,33 ‰) zu einer Geldstrafe von 100
Tagessätzen zu je 120,- DM,
8
- Amtsgericht E. vom 26. Januar 1998 wegen fahrlässiger alkoholbedingter Gefährdung
des Straßenverkehrs (Tatzeit 22. Juni 1997, 2,39 ‰) in Tateinheit mit vorsätzlichem
Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten auf Bewährung,
9
- Amtsgericht E. -Hamborn vom 8. Juli 1998 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne
Fahrerlaubnis in drei Fällen (Tatzeit 18. Juli 1997, 8. August 1997, 19. August 1997)
unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts E. zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten.
10
Nach Bekanntwerden des Urteils des Amtsgerichts E. vom 9. Mai 1996 hatte die
Beklagte zunächst im Oktober 1996 wegen einer beim Kläger vermuteten Alkoholsucht
das Verfahren wegen Ruhens der Approbation eingeleitet. Das Verfahren wurde im
Februar 1997 eingestellt, nachdem das Gesundheitsamt E. beim Kläger keine
Anzeichen für das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit festgestellt hatte. Nach Kenntnis
des Urteils des Amtsgerichts E. -I. vom 8. Juli 1998 leitete die Beklagte das Verfahren
wegen Widerrufs der Approbation des Klägers ein. Mit Verfügung vom 5. Mai 1999
ordnete die Beklagte den Widerruf der Approbation des Klägers als Zahnarzt an. Auf
Grund des aus den Strafurteilen feststellbaren regelmäßigen Alkoholkonsums sei der
Kläger als unzuverlässig zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs anzusehen. In der
Vielzahl der strafrechtlichen Verurteilungen werde die Wiederholungsabsicht deutlich,
so dass davon auszugehen sei, dass der Kläger auch in Zukunft gegen das Gesetz
verstoßen werde. Den durch anwaltlichen Schriftsatz eingelegten Widerspruch des
Klägers gegen den Widerruf der Approbation wies die Beklagte mit Bescheid vom 3.
August 1999 zurück.
11
Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die von ihm begangenen Straftaten
ließen nicht den Schluss auf seine Unzuverlässigkeit als Zahnarzt zu. Die Straftaten
lägen zum Teil weit zurück, seien im Freizeitbereich begangen worden und zudem (zum
Teil) auf private bzw. familiäre Probleme zurückzuführen. Insoweit habe sich aber seine
persönliche Situation stabilisiert.
12
Der Kläger hat beantragt,
13
den Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 1999 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 3. August 1999 aufzuheben.
14
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Bescheide
beantragt,
15
die Klage abzuweisen.
16
Durch Urteil vom 22. Mai 2001, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, hat das
Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Das Verhalten, dessen sich der Kläger im
Rahmen der Straftaten schuldig gemacht habe, zeige einen fest verwurzelten Hang zur
Missachtung der Gesetze. Die vom Kläger gezeigte Gleichgültigkeit gegenüber
gesetzlichen Regeln mache ihn ungeeignet für jeden Vertrauensberuf, der - wie bei
einem Zahnarzt - praktisch keiner Außenkontrolle unterliege. Der Kläger sei deshalb
unzuverlässig zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs.
17
Mit seiner - zugelassenen - Berufung macht der Kläger geltend, das Verwaltungsgericht
habe zu seinen Lasten den Sachverhalt einseitig und ohne umfassende und gerechte
Abwägung gewertet. Die von ihm begangenen Verkehrsstraftaten hätten in keinerlei
Beziehung gestanden zu seiner beruflichen Tätigkeit als Zahnarzt. In dem
angefochtenen Urteil fehle es auch an einer Abwägung der Verkehrsvergehen mit
seiner damaligen persönlichen Situation, insbesondere sei der Vorwurf der
Gleichgültigkeit gegenüber Leben und Gesundheit unberechtigt. Er habe sich
vorübergehend in einer äußerst schwierigen familiären Situation befunden und die
Straßenverkehrsdelikte seien Folge seiner damals für ihn aussichtslosen Lage
gewesen. Ein Hang zur Begehung von Straftaten könne aus den Verkehrsdelikten nicht
hergeleitet werden. Nach den Verkehrsdelikten habe er sich 1997/1998 einer
verkehrspsychologischen Schulung unterzogen und sich mit den Verkehrsvergehen
auseinander gesetzt. Nach der letzten Straftat im August 1997 sei er strafrechtlich nicht
mehr in Erscheinung getreten. Seine beruflichen Pflichten als Zahnarzt habe er stets
ordnungsgemäß erfüllt. Der Widerruf der Approbation als Zahnarzt würde nicht nur seine
völlige Mittellosigkeit bedeuten, sondern auch seiner Familie und seiner geschiedenen
Ehefrau und der gemeinsamen Tochter die Existenzgrundlage entziehen.
18
Der Kläger beantragt sinngemäß,
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das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu
erkennen.
20
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide und das
Urteil des Verwaltungsgerichts,
21
die Berufung zurückzuweisen.
22
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den
Inhalt ihrer Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakten und
die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die o.a. Strafakten.
23
II.
24
Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss nach § 130a VwGO, weil er
sie einstimmig für begründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht
für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu dieser Entscheidungsform gehört
worden.
25
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Die angefochtenen Bescheide der
Beklagten vom 5. Mai 1999 und 3. August 1999 sind rechtswidrig und verletzen den
26
Kläger in seinen Rechten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht
abgewiesen.
Gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Ausübung
der Zahnheilkunde - ZHG - i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. April 1987 (BGBl. I S.
1225), vor dem Erlass des Widerspruchsbescheides zuletzt geändert durch das EWR-
Ausführungsgesetz vom 27. April 1993 (BGBl. I S. 512, 518), ist die Approbation als
Zahnarzt zu widerrufen, wenn sich ein Betroffener nach ihrer Erteilung eines Verhaltens
schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur
Ausübung des zahnärztlichen Berufs ergibt. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind,
beurteilt sich dabei nach der Sach- und Rechtslage bei Abschluss des
Verwaltungsverfahrens,
27
vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 1998 - 3 B 95.97 -, NJW 1999, 3425, Urteil vom
16. September 1997 - 3 C 12.95 -, NJW 1998, 2756, Beschluss vom 28. August 1995 - 3
B 7.95 -, Buchholz 418.00, Ärzte, Nr. 91; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.
Oktober 1994 - 9 S 1102/92 -, NJW 1995, 804; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. Mai
1989 - 6 A 124/88 -, NJW 1990, 1553; OVG NRW, Beschluss vom 12. November 2002 -
13 A 683/00 -, Urteil vom 12. Mai 1997 - 13 A 5516/94 -, dazu BVerwG, Beschluss vom
28. April 1998 - 3 B 174.97 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 101, die gegen den Beschluss
des BVerwG eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung
angenommen, BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 1998 - 1 BvR 1162/98 -,
28
d.h. zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides. Maßgebend ist somit die
Sach- und Rechtslage im August 1999.
29
"Unwürdigkeit" liegt vor, wenn der (Zahn-)Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das
Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar
nötig ist. "Unzuverlässig" als Arzt oder Zahnarzt ist, wer bei prognostischer Betrachtung
auf Grund einer Würdigung der gesamten Persönlichkeit und der Lebensumstände nicht
die Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seine beruflichen Pflichten zuverlässig
erfüllen wird.
30
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 1998 - 3 B 95.97 -, a.a.O., Urteil vom 16.
September 1997, a.a.O., Beschlüsse vom 16. Juli 1996 - 3 B 44.96 -, Buchholz 418.00
Ärzte, Nr. 95, vom 28. August 1995 - 3 B 7.95 -, a.a.O., Urteil vom 15. Dezember 1993 - 6
C 20.92 -, NJW 1994, 1601, Beschlüsse vom 2. November 1992 - 3 B 87.92 -, NJW
1993, 806; und vom 9. Januar 1991 - 3 B 75.90 -, NJW 1991, 1557; OVG NRW,
Beschluss vom 12. November 2002 - 13 A 683/00 -, Urteil vom 12. Mai 1997 - 13 A
5516/94 -.
31
Die Frage der Würdigkeit und Zuverlässigkeit zur Ausübung des (zahn-)ärztlichen
Berufs beurteilt sich dabei nicht ausschließlich in Orientierung an dem unmittelbaren
Verhältnis Arzt/Patient im engeren Sinne. Der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 ZHG erstreckt sich nämlich nicht nur auf das Verhalten eines Zahnarztes bei der
Behandlung der Patienten, also auf den Kernbereich zahnärztlicher Tätigkeit, sondern
erfasst darüber hinaus alle berufsbezogenen, d.h. mit der eigentlichen ärztlichen
Tätigkeit in nahem Zusammenhang stehende Handlungen und Unterlassungen, und,
abhängig von der Schwere des Delikts, auch Straftaten außerhalb des beruflichen
Wirkungskreises. "Unwürdigkeit" und "Unzuverlässigkeit" können dementsprechend
auch Folge von Straftaten sein, die nicht unmittelbar die (zahn-)ärztlichen Pflichten
32
gegenüber Patienten betreffen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1997 - 3 C 12.95 -, a.a.O.; VGH Baden-
Württemberg, Beschluss vom 27. Oktober 1994 - 9 S 1102/92 -, a.a.O.; OVG NRW,
Urteile vom 12. Mai 1997 - 13 A 5516/94 - und vom 25. Mai 1993 - 5 A 2679/91 -, MedR
1994, 72; Beschluss vom 14. April 1988 - 5 B 239/88 -, MedR 1989, 52.
33
Die Ausübung des ärztlichen oder zahnärztlichen Berufs und die entsprechende
Einschätzung durch die Patientenschaft und die Öffentlichkeit umfasst nicht nur eine
fachlich beanstandungsfreie Behandlung des Patienten, sondern auch die Einhaltung
der sonstigen (zahn-)ärztlichen Berufspflichten, auch wenn möglicherweise von
Angehörigen der Heilberufe nicht (mehr) eine in jeder Hinsicht integre Lebensführung
als Berufspflicht verlangt werden kann,
34
vgl. VGH-Baden-Württemberg, Urteil vom 5. September 1986 - 9 S 1601/95 -, NJW
1987, 1502; OVG NRW, Urteil vom 25. Mai 1993 - 5 A 2679/91 -, a.a.O.
35
Eine den Widerruf der Approbation rechtfertigende "Unzuverlässigkeit" ist zu bejahen,
wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Arzt oder Zahnarzt werde in Zukunft die
berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten, wobei sich der von § 2
Abs. 1 Nr. 2 ZHG vorausgesetzte Zuverlässigkeitsmaßstab nach dem Rang der dem
Zahnarzt anvertrauten Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit der Patienten,
bestimmt. Für die im Rahmen der Zuverlässigkeitsbeurteilung gebotene Prognose ist
dabei abzustellen auf die jeweilige Situation des Arztes oder Zahnarztes im insoweit
maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens sowie auf
seinen vor allem durch die Art, Schwere und Zahl der Verstöße gegen die
Berufspflichten manifest gewordenen Charakter. Ausschlaggebend für die Prognose der
Zuverlässigkeit ist die Würdigung der gesamten Persönlichkeit des (Zahn-)Arztes und
ihrer Lebensumstände auf der Grundlage der Sachlage im Zeitpunkt des Abschlusses
des Verwaltungsverfahrens.
36
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1997 - 3 C 12.95 -, a.a.O., Beschlüsse vom 14.
April 1998 - 3 B 95.97 -, NJW 1999, 3425 = Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 100, und vom 16.
Juli 1996 - 3 B 44.96 -, nicht vollständig abgedruckt in Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 95 und
in ArztR 1997, 118; VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 27. Oktober 1994 - 9 S
1102/92 -, a.a.O.; OVG NRW, Beschluss vom 4. Dezember 2000 - 13 A 3570/99 -.
37
Vor dem Hintergrund, dass es sich beim Widerruf der Approbation um einen Eingriff in
die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der
Berufswahl handelt, ist zudem ein Widerruf der Approbation insbesondere am
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen. Grundrechtsbeschränkungen sind
danach nur dann verfassungsmäßig, wenn sie zum Schutz eines Rechtsguts nicht nur
geeignet und erforderlich sind, sondern auch zur Art und Intensität der
Rechtsgütergefährdung in einem angemessenen Verhältnis stehen.
38
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 -, DVBl. 2002,1265.
39
Nach diesen Kriterien rechtfertigte das strafrechtlich geahndete Verhalten des Klägers in
der Vergangenheit - abgestellt auf den maßgebenden Zeitpunkt der
Widerspruchsentscheidung im August 1999 - nach Auffassung des Senats nicht den
Schluss, der Kläger werde künftig seinen spezifischen Pflichten als Zahnarzt nicht
40
genügen. Im eigentlichen Tätigkeitsbereich eines Zahnarztes, nämlich der
ordnungsgemäßen Behandlung von Patienten, wurden und werden dem Kläger keine
Verfehlungen vorgeworfen. Anhaltspunkte für Manipulationen bei der Abrechnung
zahnärztlicher Leistungen, die nach den Erfahrungen des Senats sonst in vielen Fällen
die Würdigkeit und Zuverlässigkeit eines Zahnarztes in Frage stellen, sind den Akten
ebenfalls nicht zu entnehmen. Dies gilt auch bezüglich möglicher Behandlungen von
Patienten im "alkoholisierten Zustand"; Hinweise darauf, dass der Kläger "mit einer
Alkoholfahne" Patienten behandelt hat, sind nämlich nicht gegeben. Anhaltspunkte für
eine beim Kläger bestehende Alkoholabhängigkeit sind gleichfalls nicht ersichtlich.
Zwar ist nicht zu verkennen und auch keineswegs zu bagatellisieren oder zu
verharmlosen, dass der Kläger in der Vergangenheit mehrfach wegen Führens eines
Fahrzeugs im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss (mit jeweils relativ hohen
Blutalkoholwerten) und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis auffällig geworden ist und
insoweit eine Massierung und Konzentration dieser Verstöße für etwa Mitte 1997
festzustellen ist. Das Handeln des Klägers in Zusammenhang mit dem Führen von
Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr hat auch seine Verantwortungslosigkeit und
fehlende Einsicht, dass die Gefahren des Straßenverkehrs in der Verantwortung aller
Verkehrsteilnehmer auf das unvermeidbare Mindestmaß beschränkt werden müssen,
deutlich werden lassen, so dass seine Zuverlässigkeit zur Teilnahme am
Straßenverkehr mit den in den strafgerichtlichen Entscheidungen jeweils angeordneten
Sperren für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis seinerzeit zu Recht verneint wurde.
Angesichts dessen, dass die Auffälligkeiten des Klägers auf den Bereich der Teilnahme
am Straßenverkehr beschränkt geblieben sind und sich in anderen strafrechtlich
relevanten Bereichen nicht ergeben haben, und dass der Kläger die Häufung der
Verkehrsdelikte in 1997 mit einer seinerzeit bestehenden besonderen familiären
Situation erklärt hat, betrachtet der Senat die Verkehrsdelikte des Klägers als auf
Selbstüberschätzung ("Ich wollte es den anderen zeigen") und Uneinsichtigkeit und
Gleichgültigkeit in und gegenüber verkehrsrechtlichen Notwendigkeiten beruhenden
Vergehen. Der Schluss, die Vergehen seien Ausdruck eines mit einer charakterlichen
Fehlhaltung gepaarten Hangs zur ständigen Missachtung der Rechtsordnung und
deshalb sei beim Kläger künftig auch eine Verletzung berufsspezifischer Pflichten als
Zahnarzt zu erwarten, erscheint dem Senat hingegen nicht gerechtfertigt. Eine derartige
Annahme würde dem Umstand eines auf den Straßenverkehr begrenzten
Vergehensspektrums des Klägers und der fehlenden Verbindung der Vergehen mit den
zahnärztlichen Berufspflichten nicht hinreichend gerecht. Der Kläger hatte zudem nach
den häufigen und massiven Verkehrsdelikten in 1997 ausweislich einer entsprechenden
Bescheinigung des IVT-Hö vom 1. Juli 1998 von November 1997 bis April 1998 an einer
Einzeltherapiemaßnahme für alkoholauffällige Kraftfahrer teilgenommen, in der ihm das
Unrecht seiner Verkehrsvergehen und die Fehleinstellung zu verkehrsrechtlichen
Notwendigkeiten bewusst gemacht worden sein werden.
41
Des Weiteren lagen zwischen den Verkehrsdelikten des Klägers in 1997 und dem für
die Beurteilung des Widerrufs der Approbation maßgebenden Zeitpunkt August 1999
etwa zwei Jahre, in denen der Kläger weder im Straßenverkehr noch in anderen
Lebensbereichen auffällig geworden ist. Jedenfalls indiziell untermauert dies das
Vorbringen des Klägers im Rahmen des Verfahrens auf Widerruf der Approbation, die
Verkehrsdelikte in den Jahren 1995 bis 1997 seien durch familiäre Streitereien wegen
des Besuchsrechts seiner Tochter aus erster Ehe bedingt gewesen und insoweit habe
sich die Situation danach stabilisiert. Auch wenn dem Zeitablauf für die Frage der
Zuverlässigkeit zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs keine absolute Bedeutung
42
zukommt,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 1996 - 3 B 44.96 -, a.a.O.,
43
so relativiert die ca. zweijährige beanstandungsfreie Zeit zwischen dem letzten
Verkehrsvergehen am 19. August 1997 und dem Erlass des Widerspruchsbescheides
Anfang 1999 aber doch die den angefochtenen Bescheiden zu Grunde liegende
Auffassung der Beklagten, der Kläger habe offenbar einen "Hang zur Kriminalität" und
der aus den Strafurteilen ersichtliche regelmäßige Alkoholkonsum lasse auch künftig
Gesetzesverstöße einschließlich der Verletzung der Pflichten als Zahnarzt befürchten.
44
Das Fehlverhalten des Klägers in der Vergangenheit rechtfertigt auch nicht die
Annahme seiner Unwürdigkeit zur Ausübung des zahnärztlichen Berufs, wobei
"Unwürdigkeit" - wie dargelegt - dahin verstanden wird, dass der Zahnarzt auf Grund
seines Verhaltens nicht mehr das für die Ausübung seines Berufs unabdingbar nötige
Ansehen und Vertrauen besitzt.
45
Da die vom Kläger begangenen Verkehrsdelikte in keinem unmittelbaren
Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit als Zahnarzt gestanden haben und -
wie dargelegt - ausgeprägte kriminelle Neigungen bei ihm nicht zu bejahen sind, kann
keine Rede davon sein, dass die Grundlagen des spezifischen Vertrauensverhältnisses
der Patienten und Kollegen zum Berufsstand der Ärzte durch die Verkehrsdelikte des
Klägers erschüttert worden ist. Dies gilt umso mehr, als die Verfehlungen des Klägers in
verkehrsrechtlicher Hinsicht offenbar einer breiteren Öffentlichkeit nicht bekannt
geworden sind und deshalb der Widerruf der Approbation auch nicht als geeignetes
Mittel zur Wiederherstellung des Vertrauens in die Ärzteschaft erscheint.
46
Vgl. VG Leipzig, Beschluss vom 22. November 1999 - 5 K 1866/99 -, MedR 2000, 336,
339.
47
Die vom Kläger begangenen Verkehrsdelikte tangieren nicht spezifische Berufspflichten
eines Zahnarztes, sondern betrafen seine Pflichten als Verkehrsteilnehmer. Für die
Disziplinierung des Klägers in Bezug auf die ordnungsgemäße Teilnahme am
Straßenverkehr ist aber der einem anderen Ziel und Zweck dienende Widerruf der
(zahn-)ärztlichen Approbation nicht geeignet, jedenfalls nicht vorrangig. Zu dem durch
die Approbation letztlich geschützten Rechtsgut der 'Gesundheit der Patienten' stünde
die Entziehung der existenzwichtigen Berufsgrundlage demnach in keinem
angemessenen Verhältnis.
48
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 10, 711, 713 ZPO.
49
Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2
VwGO nicht vorliegen.
50
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 GKG und entspricht
der üblichen Wertannahme des Senats in vergleichbaren Fällen.
51
Rechtsmittelbelehrung
52
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
53
Die Beschwerde ist beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen,
Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses
Beschlusses einzulegen. Die Beschwerde muss den angefochtenen Beschluss
bezeichnen.
54
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses
zu begründen. Die Begründung ist bei dem oben genannten Gericht einzureichen.
55
Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die
Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte
durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im
Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als
Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und
Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum
Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch
Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen
Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem
sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
56