Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 24.02.2010
OVG NRW (antragsteller, verhältnis zu, bundesrepublik deutschland, beschwerde, antrag, billigkeit, teilnahme, aufklärung, anwesenheit, verletzung)
Oberverwaltungsgericht NRW, 16 A 566/08.PVL
Datum:
24.02.2010
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 A 566/08.PVL
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
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I.
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Im Januar 2007 durchsuchte die Staatsanwaltschaft X. Geschäftsräume der
Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der
Bundesrepublik Deutschland (GEZ) und Privatwohnungen mehrerer Mitarbeiter der
Einkaufsabteilung der GEZ wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Der
Verwaltungsrat der GEZ beauftragte daraufhin zwei Revisoren des ZDF und einen
Revisor des WDR mit der internen Aufklärung der betroffenen Beschaffungsvorgänge.
Die seit Februar 2007 bei der GEZ tätigen Revisoren sollten dem Abteilungsleiter Recht
und Personal berichten. Dieser war vom Verwaltungsrat dazu bestimmt worden, auf der
Grundlage der internen Ermittlungen über eventuelle personelle Maßnahmen zu
entscheiden. Die internen Ermittlungen sind inzwischen vollständig abgeschlossen.
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Im März 2007 beanstandete der Antragsteller gegenüber dem Beteiligten die Art und
den Inhalt der Befragungen durch die beauftragten Revisoren. Er forderte ihn auf, eines
seiner Mitglieder an den Befragungen teilnehmen zu lassen, wenn der betroffene
Mitarbeiter einen entsprechenden Wunsch äußere. Diesem Anliegen entsprach der
Beteiligte nicht.
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Am 28. März 2007 hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche
Beschlussverfahren in der Hauptsache eingeleitet.
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Zur Begründung seines Antrags hat er vorgetragen, die Befragungen würden gezielt
unter Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten durchgeführt, um an sonst
nicht zu erhaltene Informationen zu gelangen. Hierin liege eine Verletzung von Recht
und Billigkeit. Der Personalrat habe nach § 62 LPVG aber zu überwachen, dass Recht
und Billigkeit von der Dienststelle beachtet würden. Sein Teilnahmerecht folge aus einer
entsprechenden Anwendung von §§ 62 und 65 Abs. 3 Satz 3 LPVG NRW. Diese gründe
auf dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und der
Fürsorgepflicht, die Grundlage des Arbeitsvertrags sei. Die Revisoren seien jedenfalls
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über die Gestaltung des Vernehmungsverfahrens und der damit zusammenhängenden
Nebenfragen entscheidungsbefugt i.S.v. § 65 Abs. 3 Satz 3 LPVG NRW. Jeder der
Beschäftigten müssen damit rechnen, abgemahnt oder gekündigt zu werden, sodass in
den Gesprächen beteiligungspflichtige Angelegenheiten berührt würden.
Der Antragsteller hat beantragt,
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festzustellen, dass eines seiner Mitglieder berechtigt ist, an Vernehmungen,
Verhören und Gesprächen teilzunehmen, die Beauftragte des
Verwaltungsrates des Beteiligten im Rahmen von internen Ermittlungen mit
Beschäftigten der GEZ führen.
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Der Beteiligte hat beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Er hat im Wesentlichen vorgetragen, die Revisoren seien nicht entscheidungsbefugt,
sondern lediglich vorbereitend tätig. Daher scheide ein Teilnahmerecht an den
Befragungen nach § 65 Abs. 3 Satz 3 LPVG NRW aus. Da diese Vorschrift
abschließend sei, könne auf § 62 LPVG nicht zurückgegriffen werden.
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Die Fachkammer des Verwaltungsgerichts Köln hat den Antrag abgelehnt. Sie hat
ausgeführt, der Personalrat sei kein Kontrollorgan, dem es obliege, die
Aufgabenerfüllung und den inneren Betrieb der Dienststelle allgemein zu überwachen.
Die von den Revisoren durchgeführten Ermittlungen stünden noch nicht in einem
unmittelbaren Zusammenhang mit einem Beteiligungstatbestand. Insbesondere seien
die Revisoren nicht befugt, Personalentscheidungen zu treffen. Sie könnten lediglich
über den Fortgang ihrer Aufklärungstätigkeit entscheiden. Das genüge für ein
Teilnahmerecht nach § 65 Abs. 3 Satz 3 LPVG NRW aber nicht. Die
Überwachungspflicht aus § 62 LPVG NRW führe nicht zu einer Erweiterung der
personalvertretungsrechtlichen Befugnisse.
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Gegen den ihm am 28. Januar 2008 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 21.
Februar 2008 Beschwerde erhoben und diese innerhalb der verlängerten
Begründungsfrist begründet.
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Der Antragsteller wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Darüber
hinaus rügt er, das Verwaltungsgericht habe unzulässig formal entschieden. Ein
Teilnahmeanspruch aus § 65 Abs. 3 Satz 3 LPVG NRW bestehe. Ein Beteiligungsrecht
sei berührt, weil die aufgeworfenen Fragen auch einen Bezug zu § 64 LPVG NRW
hätten. Weil die Revisoren die Anordnung getroffen hätten, dass eine Mitarbeiterin ohne
Anwesenheit eines Personalratsmitglieds erfolgen werde, seien sie auch
entscheidungsbefugt. Im Übrigen hätten sie sich gegenüber den Befragten angemaßt,
über Abmahnungen und Kündigungen (mit-)entscheiden zu können. Ein Teilnahmerecht
folge zudem aus § 62 LPVG, weil die Betroffenen besonders schutzwürdig seien.
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Der Antragsteller beantragt,
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den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln zu ändern und
festzustellen, dass eines seiner Mitglieder berechtigt war, an
Vernehmungen, Verhören und Gesprächen teilzunehmen, die Beauftragte
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des Verwaltungsrates des Beteiligten im Rahmen von internen Ermittlungen
mit Beschäftigten der GEZ durchgeführt haben.
Der Beteiligte beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Er erneuert seinen erstinstanzlichen Vortrag und erwidert weiter, auf die Einzelheiten
der Vernehmungen komme es nicht an, weil der Antragsteller einen Globalantrag
gestellt habe. § 64 LPVG NRW bezeichne keinen Beteiligungstatbestand.
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II.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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Der Senat lässt offen, ob der Antrag noch zulässig ist, obwohl die Befragungen
inzwischen abgeschlossen sind und sich die Frage nach dem Teilnahmerecht in nicht
mehr rückgängig zu machender Weise erledigt hat. Ebenfalls bleibt unentschieden, ob
sich die hinter dem konkreten Geschehen liegende Rechtsfrage mit einiger
Wahrscheinlichkeit zwischen den Beteiligten erneut stellen wird. Denn es ist wenig
wahrscheinlich, dass dieselben Revisoren künftig wieder eingesetzt werden, deren
individuelles Vorgehen bei den Befragungen aber für den Antragsteller wesentlich war.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zu Recht jedenfalls als unbegründet abgelehnt.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass der Beteiligte einem Mitglied des
Personalrats gestattet, an vorbereitenden Befragungen zur Aufklärung eines vermuteten
Korruptionsgeschehens bei Auftragsvergaben teilzunehmen, wenn die nicht aus der
GEZ stammenden Befragenden ausschließlich für den Ablauf der Befragungen, nicht
aber für weitergehende personelle Maßnahmen entscheidungsbefugt sind.
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Die GEZ unterliegt dem LPVG NRW. Das ergibt sich allerdings noch nicht aus dem die
Geltung anordnenden § 1 Abs. 4 Satz 2 der Verwaltungsvereinbarung
"Gebühreneinzugszentrale" (VwV GEZ). Denn eine bloße Verwaltungsvereinbarung
kann den Geltungsbereich eines Landesgesetzes weder beschränken noch erweitern.
Die Regelung ist rein deklaratorisch.
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Bei der GEZ handelt es sich gemäß § 1 Abs. 2 VwV GEZ um ein Rechenzentrum im
Rahmen einer öffentlich-rechtlichen nicht-rechtsfähigen Verwaltungsgemeinschaft in
L. , das die Rundfunkanstalten für die Abwicklung des Gebühreneinzugs gemeinsam
betreiben. Nach der Rechtsprechung des Senats, die sich in Übereinstimmung mit der
des Bundesverwaltungsgerichts befindet, ist bei gemeinschaftlichen Einrichtungen
mehrerer Länder das Personalvertretungsrecht des Landes anwendbar, in dem sich der
Sitz der Gemeinschaft befindet. Zwar fällt die GEZ nicht unter die von § 1 LPVG NRW
aufgezählten Einrichtungen. Der Senat hat aber anerkannt, dass als Anknüpfungspunkt
für die Anwendung des Personalvertretungsrechts nur der Sitz der Einrichtung übrig
bleibt, um eine praktikable und angemessene Antwort auf die Frage des maßgeblichen
Rechtsregimes zu geben. Hieran hält er fest.
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Vgl. zur GEZ: OVG NRW, Beschluss vom 28. August 1984 – CL 57/82 –,
Beschlussabdruck Bl. 9 (nicht veröffentlicht); zur Zentralen Stelle der
Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer
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Verbrechen in Ludwigsburg (Bad.-Württ.): BVerwG, Beschluss vom 5. Mai
1976 – VII P 7.74 –, juris Rdn. 9 (= Buchholz 238.31 § 4 LPersVG BW Nr. 1).
Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus § 65 Abs. 3 Satz 3 LPVG NRW.
Danach kann ein Mitglied des Personalrats auf Wunsch des Beschäftigten an
Besprechungen mit entscheidungsbefugten Personen der Dienststelle teilnehmen,
soweit dabei beteiligungspflichtige Angelegenheiten erörtert werden. Den Kreis der in
allen Angelegenheiten entscheidungsbefugten Personen der Dienststelle gibt § 8 Abs. 1
bis 3 (einschl. § 105 Abs. 1 und 2) LPVG NRW vor. Aus dem systematischen
Zusammenhang ergibt sich, dass darüber hinaus die Personen entscheidungsbefugt
sind, die über die konkrete Maßnahme zu befinden haben, die der Personalrat für
beteiligungspflichtig hält und aus der er sein Teilnahmerecht ableitet.
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Die nicht aus der GEZ stammenden Befragenden gehören bereits nicht zu den
Personen der – personalvertretungsrechtlich nach § 1 Abs. 1 und 2 LPVG NRW zu
bestimmenden – Dienststelle "GEZ". Die GEZ ist eine eigene Dienststelle, weil sie eine
in der Verwaltungsorganisation verselbstständigte Einheit mit eigenem
Aufgabenbereich darstellt. An der Dienststellenfremdheit der beauftragten Befrager
ändert sich deswegen nichts, wenn diese wie im streitauslösenden Geschehen bei den
Rundfunkanstalten beschäftigt sind, die die GEZ bilden. Die Rundfunkanstalten sind
davon zu unterscheidende Dienststellen.
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Die Befrager können den Dienststellenleiter auch nicht nach § 8 Abs. 1 bis 3 LPVG
NRW vertreten. Sie sind außerdem nicht im Hinblick auf einen Beteiligungstatbestand
entscheidungsbefugt. Die Beteiligungstatbestände ergeben sich aus dem dritten
Abschnitt des achten Kapitels des LPVG NRW, also den §§ 72 bis 77 LPVG NRW. Über
keine der dort genannten Maßnahmen dürfen die nur mit der vorbereitenden
Sachverhaltsaufklärung befassten Befrager entscheiden. Die Befragung selbst ist keine
beteiligungspflichtige Maßnahmen, sondern bewegt sich in deren Vorfeld. Sie dient
allein der Tatsachenermittlung und damit der Vorbereitung von Maßnahmen, deren
Beteiligungspflichtigkeit gesondert zu bewerten ist. Daran ändert sich angesichts der
klaren Gesetzesfassung auch nichts, wenn die Revisoren – wie vom Antragsteller
vorgetragen – gegenüber den Befragten den falschen Anschein erweckt haben sollten,
selbst über Abmahnungen oder Kündigungen entscheiden zu können. Der mit der
Beschwerde vom Antragsteller angeführte § 64 LPVG NRW beschreibt allgemein die
Aufgaben des Personalrats, begründet aber keine Beteiligungspflichten im Sinne von
§ 65 Abs. 3 Satz 3 LPVG NRW.
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Vgl. zur Abgrenzung zwischen Vorbereitungshandlungen und
mitbestimmungspflichtiger Maßnahme BVerwG, Beschluss vom 6.
Dezember 1978 – 6 P 2.78 –, juris Rdn. 27 ff. (= BVerwGE 57, 151).
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Der geltend gemachte Anspruch lässt sich auch nicht aus § 62 LPVG NRW herleiten.
Danach haben Dienststelle und Personalvertretung u. a. darüber zu wachen, dass alle
Angehörigen der Dienststelle nach Recht und Billigkeit behandelt werden. Diese
Vorschrift beschreibt keine besondere Aufgabe der Personalvertretung, sondern die
Erfüllung von gemeinsamen Pflichten der durch das Partnerschaftsverhältnis
verbundenen Dienststelle und der Personalvertretung.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 1983 – 6 P 42.80 –, juris Rdn. 21
(= PersV 1985, 66).
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Das begehrte Recht zur Teilnahme an den Befragungen kann aus der
Aufgabenbeschreibung nicht abgeleitet werden.
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Vgl. Cecior u.a., LPVG NRW, Loseblatt (Stand: Okt. 2004), § 62 Rdn. 13.
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Schließlich kommt die vom Antragsteller verlangte analoge Anwendung von §§ 62, 65
Abs. 3 Satz 3 LPVG NRW nicht in Betracht. Unabhängig von der grundsätzlich zu
bezweifelnden Analogiefähigkeit der Beteiligungsvorschriften fehlt es an der
planwidrigen (unbeabsichtigten) Regelungslücke. Das LPVG verleiht dem Personalrat
punktuell das Recht, an Besprechungen teilzunehmen, die zwischen der Dienststelle
und Dritten geführt werden. Zu nennen sind hier etwa § 65 Abs. 2 Satz 2
(Vorstellungsgespräche), § 65 Abs. 3 Satz 3 (Besprechung mit Entscheidungsbefugtem,
wenn beteiligungspflichtige Angelegenheiten berührt werden), § 76 (Prüfungen) sowie
§ 77 Abs. 3 (Besprechungen mit Sicherheitsbeauftragten nach § 22 Abs. 2 SGB VII). Ein
voraussetzungsloses generelles Teilnahmerecht besteht nicht. Hieraus ergibt sich, dass
die Teilnahme des Personalrats oder eines seiner Mitglieder an Gesprächen zwischen
Dienststelle und Dritten auf besondere Ausnahmefälle beschränkt bleiben soll. Dieser
gesetzliche Wille tritt durch die eigens statuierten Teilnahmerechte bei den genannten
eng umgrenzten Einzelanlässen besonders hervor. Die Ablehnung eines generellen
Teilnahmerechts entspricht auch dem generellen Regelungsansatz des LPVG bei der
Beteiligung der Personalvertretung, der auf eine abschließende Benennung von deren
Rechten zielt.
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Im Übrigen geht das Gesetz nach seiner Grundkonzeption davon aus, dass die
Personalvertretung von der Dienststelle über die sie betreffenden Vorgänge unterrichtet
wird (vgl. §§ 65 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 2 Satz 1, 72 Abs. 4 Satz 2, 74 Abs. 1
Satz 4 LPVG). Auch daraus ist zu schließen, dass die Personalvertretung sich nur im
Ausnahmefall die erforderlichen Informationen aktiv durch Anwesenheit bei
vorbereitenden Gesprächen verschaffen darf, die noch dem Willensbildungsprozess der
Dienststelle, also dem Stadium der Vorbereitung einer Entscheidung, zuzuordnen sind.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 1983 – 6 P 42.80 –, juris Rdn. 21
(= PersV 1985, 66).
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Im Verhältnis zu den speziellen Teilnahmerechten stellt der nicht an einzeln benannte
Anlässe gebundene, allgemein gefasste § 65 Abs. 3 Satz 3 LPVG NRW eine
Auffangregelung dar. Das Gesetz bringt hiermit zum Ausdruck, dass es ein
Teilnahmerecht an den nicht gesondert geregelten Gesprächen nur unter den dort
vorgesehenen einschränkenden Voraussetzungen zulassen will. § 65 Abs. 3 Satz 3
LPVG regelt damit umfassend und abschließend die Fälle, in denen eine Teilnahme
des Personalrats bei sonstigen Gesprächen in Frage kommt. Die für eine analoge
Anwendung von §§ 62, 65 Abs. 3 Satz 3 LPVG NRW erforderliche Regelungslücke
besteht also nicht.
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Eine Kostenentscheidung entfällt im personalvertretungsrechtlichen
Beschlussverfahren.
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Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil ihre Voraussetzungen nicht erfüllt
sind.
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