Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 11.01.2006
OVG NRW: öffentliche urkunde, auswärtige angelegenheiten, auskunft, legalisation, anhörung, einvernahme, republik, kasachstan, echtheit, apostille
Oberverwaltungsgericht NRW, 12 A 158/05
Datum:
11.01.2006
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
12. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 A 158/05
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Minden, 4 K 1120/03 (9 K 8653/01 VG Köln)
Tenor:
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 20.000 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte
Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen
Entscheidung (§§ 84 Abs. 2 Nr. 2, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
2
Das Zulassungsvorbringen vermag nicht die dahingehende Gedankenführung des
Verwaltungsgerichtes zu erschüttern, der klägerische Sachvortrag sei in seinen
wesentlichen Zügen unglaubhaft. Hierzu reicht es insbesondere nicht aus, wenn die
Klägerseite den Streitstoff mit neuen - nicht weiter belegten - Behauptungen anreichert
und ihn vor diesem Hintergrund ihrer eigenen - abweichenden - Würdigung unterzieht.
Dass die Folgerungen des Verwaltungsgerichtes sonstwie unschlüssig sind oder
Denkfehler enthalten, kann der Zulassungsschrift nicht entnommen werden. Im
einzelnen gilt insoweit Folgendes:
3
Ob das Verwaltungsgericht die Akten des Verwaltungsgerichts Köln 9 L 2778/99
beigezogen hat, ist unerheblich, weil die maßgeblichen Angaben des Klägers zu 1. und
der Klägerin zu 2. aus dem Erörterungstermin vom 1. März 2000 mit der
Klagebegründung im vorliegenden Verfahren vom 11. Dezember 2001 im Kern
aufgegriffen und als Parteivorbringen, um das es sich hier der Sache nach handelt, in
die richterliche Würdigung eingeflossen sind. Die vom Verwaltungsgericht Köln zur
4
weiteren Aufklärung für unerlässlich gehaltene Einvernahme des Sachbearbeiters K. hat
in dessen schriftlicher Stellungnahme vom 11. August 2000 seine Erledigung gefunden;
eine Einvernahme des Vaters des Kläger zu 1. ist auf Grund seines
Gesundheitszustandes unmöglich geworden.
Dass eine sachbezogene Verständigung mit dem Kläger zu 1. über die deutsche
Sprache nur mit Hilfe seines Vaters möglich war, wird von dem Sachbearbeiter K. weder
mit dem Protokoll vom 14. September 1999 („Die Bekanntgabe des Inhalts des
Protokolls erfolgt in russischer Sprache") noch seiner schriftlichen Stellungnahme vom
11. August 2000 („Der Antragsteller sprach nur wenig Deutsch ... . Anlässlich der
Protokollierung habe ich ihn gefragt, ob er einen von uns gestellten Sprachmittler
beiziehen wolle oder ob sein mit anwesender Vater übersetzen solle. Hierzu gab sein
Vater an, er wolle übersetzen.") in Abrede gestellt. Dass der Vater die Angaben des
Klägers zu 1. und das dazu auf Deutsch gefertigte Protokoll nicht übersetzt bzw.
rückübersetzt haben soll, vermag als bloße Parteibehauptung die gegenläufige
Aussage des Protokolls als einer öffentlichen und vom Kläger zu 1. sowie seinem Vater
abgezeichneten Urkunde nicht zu widerlegen, zumal sich die wiederholte Einlassung
der Klägerseite, der Vater „habe seine Lesebrille nicht dabei gehabt", auch dann nicht
mit einer Verordnung dieser Lesebrille erst ca. zweieinhalb Monate nach der Anhörung
vereinbaren lässt, wenn die Sehstärke auch schon vor der Verschreibung abgenommen
haben sollte.
5
Etwaige Missverständnisse bei der Anhörung gehen auch sonst zu Lasten des Klägers
zu 1. Die nachgeschobene Behauptung, der Vater habe sein Hörgerät nicht getragen, ist
angesichts der erkennbaren Wichtigkeit der den Gegenstand der Anhörung bildenden
Angelegenheit als bloße Schutzbehauptung zu betrachten. Jedenfalls hätte der Vater
nachfragen können. Dass den Kläger zu 1. seine Unterschrift unter das Protokoll vom
14. September 1999 vor dem Hintergrund der erkennbar werdenden Folgen seiner
schriftlich festgehaltenen Einlassung so sehr gereut hat, dass die Kläger sich geweigert
haben, den Erhalt des Rücknahmebescheides der Beklagten vom 6. Oktober 1999 zu
quittieren, vermag die nachvollziehbar dokumentierte Aussage ebenfalls nicht
ungeschehen zu machen.
6
Soweit die Einwendungen der Kläger gegen die Klageabweisung im Übrigen auf der
Annahme fußen, mit der von der Beklagten offiziell über das Ministerium für Auswärtige
Angelegenheiten der Republik Kasachstan eingeholten Auskunft zum Heiratsregister
der Kläger zu 1. und 2. einerseits und dem von ihnen selbst beschafften
Heiratsregisterauszug andererseits lägen zwei sich „absolut widersprechende"
Auskünfte vor, auf die den Umständen ihrer Erteilung nach die Beantwortung der Frage,
mit welcher Volkszugehörigkeit der Kläger seinerzeit registriert gewesen sei, gestützt
werden könne, vermag der Senat das schon im Ansatz nicht mitzutragen. Dass die mit
„Heiratseintrag Nr. 2121 vom 21. November 1987" überschriebene Urkunde als
Gegenbeweis zu der offiziell eingeholten Auskunft nicht akzeptiert werden kann, wird
auch nicht dadurch unrichtig, dass es sich bei dieser Bescheinigung um eine öffentliche
Urkunde im Sinne der §§ 98 VwGO, 418 ZPO handelt. Da es sich hierbei um eine
ausländische öffentliche Urkunde handelt, gilt nämlich die Echtheitsvermutung des §
437 Abs. 1 ZPO nicht. Ob eine ausländische öffentliche Urkunde ohne näheren
Nachweis als echt anzusehen ist, hat das Gericht vielmehr gemäß § 438 Abs. 1 ZPO
nach den Umständen des Falles zu ermessen. Bei dieser Echtheitsprüfung hat sich das
Verwaltungsgericht gegebenenfalls durch weitere Ermittlungen wie etwa durch
Einschaltung der zuständigen deutschen Auslandsvertretung die nach § 108 Abs. 1
7
VwGO erforderliche Überzeugungsgewissheit über die Echtheit der Urkunde zu
verschaffen.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 15. Juli 1986 - 9 C 8.86 -, Buchholz 412.3 §
6 BVFG Nr. 45, und vom 20. April 1994 - 11 C 60.92 -, Buchholz 442.16 § 15 StVZO Nr.
4.
8
Ausgehend von diesen Beurteilungsmaßstäben enthält die Antragsbegründung keine
hinreichend substantiierten Anhaltspunkte dafür, dass die vom Kläger vorgelegte
Bescheinigung echt ist. Eine Legalisation der Urkunde im Sinne von § 438 Abs. 2 ZPO
ist hier nicht erfolgt. Dass eine solche Legalisation hier aufgrund einer
zwischenstaatlichen Vereinbarung entbehrlich ist, haben die Kläger nicht vorgetragen
und ist auch nicht ersichtlich. Die danach an Stelle der Legalisation noch mögliche
Echtheitsbestätigung einer ausländischen öffentlichen Urkunde in der Form des Art. 4
des Haager Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer
öffentlicher Urkunden von der Legalisation (BGBl II 1965, 876), dem auch die Republik
Kasachstan am 30. Januar 2001 beigetreten ist (BGBl II 298), durch die sogenannte
Apostille fehlt hier ebenfalls, da die Bescheinigung nicht mit einer solchen förmlichen
Apostille versehen ist.
9
Vor dem zusätzlichen Hintergrund, dass nur um eine Abschrift oder Fotokopie aus dem
Heiratsregister gebeten worden war, so dass eine Bescheinigung ohnehin lediglich des
letzten Sachstandes zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, ist insgesamt nicht
zu beanstanden, dass eine weitere Überprüfung der Echtheit dieser Urkunde nicht
erfolgt, sondern vielmehr die Auskunft des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten
vom 23. Oktober 2002 der Entscheidung zugrunde gelegt worden ist. Die Einwendung
der Klägerseite gegen die Richtigkeit dieser offiziellen Auskunft schlagen aus den von
der Beklagten in der Antragserwiderung vom 14. Februar 2005 aufgeführten Gründen
nicht durch. Soweit ukrainische Nachnamen überwiegend auf „o" enden, vermag das
allenfalls eine abstrakte Irrtumsgefahr aufzuzeigen, nicht aber die versehentliche
Übernahme einer falschen Nationalität aus dem Heiratsregister im konkreten Fall.
10
Soweit mit der Zulassungsbegründung vom 2. Februar 2005 ferner die Sachverhalts-
und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf den - den Anlass für
eine jeweilige Neuausstellung im Jahre 1994 gebenden - Verlust des ersten
Inlandspasses und der Geburtsurkunde des Klägers zu 3. gerügt wird, gehen die
Einwendungen der Kläger gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung
schon deshalb ins Leere, weil das Verwaltungsgericht auf diese Aspekte nicht tragend
abgestellt hat, sondern sie das schlüssige Bild lediglich abrunden sollen. Zudem stellt
die Zulassungsbegründung nicht gezielt und substantiiert die insoweit
ausschlaggebende Argumentation des Verwaltungsgerichtes, warum es dem Kläger
den für den Verlust maßgeblichen Umzug erst im Jahr 1994 nicht abnimmt, in Frage.
Seinen stattdessen erhobenen allgemeinen Erwägungen dazu, angesichts der Mühen
einer Wiederbeschaffung könne nicht von einem „absichtlichen" Verlust ausgegangen
werden, ist die Beklagte mit der Antragserwiderung vom 14. Februar 2005 auch
überzeugend entgegen getreten.
11
Was den Vortrag des Verlustes der Geburtsurkunde des Klägers zu 3. anbelangt, bleibt
es dabei, dass er im Verlaufe der Auseinandersetzung mit dem Schriftsatz vom 17.
November 1999 im Verfahren 9 L 2778/99 vor dem Verwaltungsgericht Köln erst
nachträglich erfolgt und beispielsweise noch nicht in der Antragsschrift vom 4.
12
November 1999 (siehe dort S. 5) enthalten gewesen ist. Dass von den Klägern zu 1. und
2. für die Schulanmeldung des Klägers zu 3. die Beibringung einer zu den Schulakten
zu nehmenden Abschrift der Geburtsurkunde ihres Kinder verlangt worden ist, haben sie
erst mit Schriftsatz vom 4. April 2005 und damit schon nicht innerhalb der Frist des §
124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, obwohl es solcher Darlegungen mit Blick auf die
Argumentation des Verwaltungsgerichts (vgl. S. 13 der Entscheidungsgründe) bedurft
hätte. Aus dem mit der Begründungsschrift vom 2. Februar 2005 in Bezug genommenen
Vorbringen im Schriftsatz vom 11. Dezember 2001 (Seite 14) ließ sich lediglich
entnehmen, dass eine Geburtsurkunde vorzulegen war, nicht hingegen, dass eine
Abschrift zum Verbleib bei den Schulakten eingereicht werden musste.
Wenn das Verwaltungsgericht die Einlassungen der Kläger dazu, wie es zu der
handschriftlichen Abschrift der Forma 1 und später zur Anfertigung einer Kopie dieses
Dokumentes gekommen sei, für zurechtgelegt hält, bedeutet das nicht, dass ein solcher
Geschehensablauf völlig ausgeschlossen ist; entsprechende Ausführungen in der
Zulassungsschrift zu den seinerzeitigen Verhältnisses bei den kasachischen Behörden
treffen daher nicht den Kern der erstinstanzlichen Argumentation. Im Übrigen
wiederholen und vertiefen die Kläger insoweit lediglich ihre eigene - nicht weiter belegte
- Sachverhaltsinterpretation. Entsprechendes gilt auch für die Erklärung, die in der
Zulassungsbegründung dafür gegeben wird, dass die Daten in den beiden vorgelegten
Dokumenten von einander abweichen. Dass unter den herrschenden Umständen ein
bestimmter Geschehensablauf nicht ausgeschlossen ist, lässt noch nicht mit
hinreichender Sicherheit auf die entsprechende Sachlage auch im konkreten Fall
schließen.
13
Für die Wertung, die die Zulassungsbegründung den Zeugenaussagen aus dem Jahr
1998 zuerkennt, gilt nichts anderes; die eigene Beweiswürdigung vermag die des
Verwaltungsgerichtes nicht ohne weiteres in Frage zu stellen. Einen förmlichen
14
- nach § 86 Abs. 2 VwGO zu bescheidenden - Beweisantrag auf Einvernahme von T. I. ,
O. H. und B. C. als Zeugen dafür, dass der Kläger zu 1. mit deutscher Nationalität im
ersten Inlandspass eingetragen war, vermag der Senat der Klagebegründung vom 11.
Dezember 2001 (siehe dort Bl. 8/9) oder den Reaktionen auf die Ankündigung des
Gerichtsbescheides nicht zu entnehmen.
15
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
16
Die Festsetzung des Streitwertes ergeht gemäß §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 2
GKG.
17
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3
Satz 3 GKG).
18
Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§§ 84 Abs. 3, 124a Abs.
5 Satz 4 VwGO).
19