Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 21.06.2005

OVG NRW: offene bauweise, bebauungsplan, vorkaufsrecht, bauland, ausweisung, grundstück, ermächtigung, verwaltungsakt, genehmigung, rüge

Oberverwaltungsgericht NRW, 7 A 3611/04
Datum:
21.06.2005
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
7. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 A 3611/04
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 2 K 6971/02
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger zu 1. als
Gesamtschuldner 85 Hundertstel und die Klägerin zu 2. 15 Hundertstel.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin zu 2. ist Eigentümerin des unbebauten Grundstücks Gemarkung I. , Flur 7,
Flurstück 1167 in C. H. -I. , das im Bereich der 1. Änderung des Bebauungsplans 84/3 -
Schulzentrum I. - der Stadt C. H. vom 11. Mai 1978 (im Folgenden: 1. Änderung) liegt,
deren Genehmigung durch den Regierungspräsidenten Köln am 23. September 1978
bekannt gemacht wurde. Die 1. Änderung trifft u.a. für die Fläche des klägerischen
Grundstücks folgende Festsetzungen: Fläche für den Gemeinbedarf (Schulzentrum);
Mischgebiet; offene Bauweise; Grundflächenzahl 0,4, Geschossflächenzahl 1,0;
höchstens 4 Vollgeschosse. Die Gemeinbedarfsfläche ist mit der Fläche des
Mischgebiets identisch. Darüber hinaus weist der Bebauungsplan zwei allgemeine
Wohngebiete und öffentliche Verkehrsflächen aus. Im gesamten Plangebiet sind die
überbaubaren Flächen durch Baugrenzen festgesetzt. Die textliche Festsetzung Nr. 1.1
der 1. Änderung bestimmt:
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"Im Bereich der `Fläche für den Gemeinbedarf (Schulzentrum)´ ist bei ausreichendem
natürlichen Geländegefälle talseitig der Ausbau eines weiteren Vollgeschosses
zulässig."
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Die textliche Festsetzung Nr. 1.2 der 1. Änderung betrifft ein so genanntes technisches
Geschoss im Bereich der "Fläche für den Gemeinbedarf (Schulzentrum)".
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In der Begründung zur 1. Änderung wird ausgeführt, zur Sicherheit der Schulkinder und
Verkehrsteilnehmer sei es erforderlich, die geplante öffentliche Straße zwischen den
baulichen Anlagen des Schulzentrums I. entfallen zu lassen, wodurch ferner eine
Beeinträchtigung des Schulunterrichts vermieden werde. Es sei vorgesehen, die Fläche
für den Gemeinbedarf (Schulzentrum) zu erweitern bzw. aus funktionellen Gründen neu
abzugrenzen. Um diese Maßnahmen durchführen zu können, sei eine Änderung des
Bebauungsplans Nr. 84/3 erforderlich. Zur Durchführung der 1. Änderung seien u.a.
Gemeinbedarfsflächen zu erwerben.
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Der der 1. Änderung zugrunde liegende Bebauungsplan Nr. 84/3 der ehemaligen Stadt
C1. (im Folgenden: Bebauungsplan) war am 18. Juli 1974 als Satzung beschlossen
worden. Seine Genehmigung durch den Regierungspräsidenten Köln war am 9.
November 1974 unter der Bezeichnung "Bebauungsplan Nr. 84/3, C1. -I. , nördlicher
Ortskern" bekannt gemacht worden. Außer allgemeinen Wohngebieten und öffentlichen
Verkehrsflächen weist er zwei durch von der 1. Änderung aufgehobene Verkehrsflächen
getrennte Flächen für den Gemeinbedarf "Schule" aus. Die Gemeinbedarfsflächen
enthalten folgende Festsetzungen: Höchstens vier Vollgeschosse, offene Bauweise,
Grundflächenzahl 0,4, Geschossflächenzahl 1,0, Flachdach. Das klägerische
Grundstück liegt in der südlichen Gemeinbedarfsfläche.
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Die Klägerin zu 2. verhandelte mit der Stadt C. H. über einen freihändigen Erwerb des
Grundstücks. Schließlich verkaufte sie es am 22. Februar 2002 zu einem Preis von
92.000,00 Euro an die Kläger zu 1. Die Benachrichtigung des Notars über den
Kaufvertrag ging am 27. Februar 2002 bei dem Beklagten ein.
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Der Beklagte übte nach Anhörung mit am 24. April 2002 zugestelltem Bescheid vom 23.
April 2002 das (allgemeine) Vorkaufsrecht gegenüber der Klägerin zu 2. aus. Den
Klägern zu 1. wurde ebenfalls am 24. April 2002 eine Durchschrift dieses Bescheides
mit eigenständiger Rechtsbehelfsbelehrung zugestellt.
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Die Widersprüche der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden jeweils
vom 26. Juli 2002 zurück.
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Zur Begründung ihrer am 14. August 2002 erhobenen Klage haben die Kläger wie
bereits im Widerspruchsverfahren geltend gemacht: Dem Beklagten stehe kein
Vorkaufsrecht zu, weil der Bebauungsplan in der Fassung seiner 1. Änderung ungültig
sei. Diese enthalte für das streitige Grundstück die irreführende "Doppelfestsetzung"
einer Fläche für den Gemeinbedarf und eines Baugebiets, dessen einzige zulässige
Nutzung in der Gemeinbedarfsnutzung bestehe. Die Baugebietsfestsetzung stelle einen
"Etikettenschwindel" dar. Sie sei nicht mit dem Normenkontrollurteil des OVG NRW vom
8. Dezember 1983 - Az.: 11a NE 52/82 - vereinbar.
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Die Kläger haben beantragt,
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die Bescheide des Beklagten vom 23. April 2002 und die Widerspruchsbescheide vom
26. Juli 2002 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat ausgeführt: Die Doppelfestsetzung in der 1. Änderung sei zulässig, weil der Inhalt
des Bebauungsplans eindeutig bleibe. Die Stadt habe die Gebietsart festgesetzt, um
auch Festsetzungen zum Maß der Nutzung treffen zu können. In der Literatur werde die
von den Klägern angeführte Entscheidung des OVG NRW kritisiert.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. Juni 2004 abgewiesen, weil der
Beklagte sein Vorkaufsrecht auf die in der 1. Änderung des Bebauungsplans
ausgewiesene Fläche für den Gemeinbedarf habe stützen können. Diese Festsetzung
sei nicht widersprüchlich, weil die Auslegung eindeutig ergebe, dass die Stadt allein
eine Fläche für den Gemeinbedarf ausgewiesen habe. Das Verwaltungsgericht hat die
Berufung zugelassen.
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Zur Begründung ihrer am 21. Juli 2004 eingelegten Berufung tragen die Kläger unter
Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen vor: Die Ausübung des Vorkaufsrechts
entbehre einer Grundlage, weil die Ausweisung der Fläche für den Gemeinbedarf durch
die 1. Änderung unwirksam sei. Entweder sei sie wegen der gleichzeitigen Festsetzung
eines Mischgebiets irreführend und widersprüchlich, oder die Festsetzung habe den
Katalog der vom BauGB und der BauNVO vorgegebenen Festsetzungsmöglichkeiten
verlassen, weil wegen Ausschlusses jeglicher mischgebietstypischer Nutzung statt
eines Mischgebiets in Wahrheit ein Sondergebiet für ein Schulzentrum festgesetzt
worden sei.
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Die Kläger beantragen,
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das angefochtene Urteil abzuändern und nach ihrem Antrag erster Instanz zu erkennen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Unter Vertiefung seiner erstinstanzlichen Ausführungen und Bezugnahme auf die
Ausführungen des Verwaltungsgerichts trägt er weiter vor: Die festgesetzte
Gemeinbedarfsfläche fülle den durch das Mischgebiet vorgegebenen Rahmen der
zulässigen Nutzungen näher aus. Die Doppelfestsetzung könne gegebenenfalls auch
auf § 1 Abs. 9 BauNVO gestützt werden. Danach wäre ein Mischgebiet festgesetzt und
zugleich aus besonderen städtebaulichen Gründen vorgeschrieben worden, dass nur
eine bestimmte Art der in einem Mischgebiet zulässigen baulichen Anlagen, nämlich ein
Schulzentrum, zulässig sei. Dass die allgemeine Zweckbestimmung des Mischgebiets
gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO gewahrt bleibe, könne man in den Fällen des § 1 Abs. 9
BauNVO nicht fordern, weil die Bestimmung anderenfalls in den Fällen, in denen nur
bestimmte Anlagen zugelassen würden, leer liefe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte,
die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die Aufstellungsvorgänge zur 1. Änderung
sowie zum Bebauungsplan der ehemaligen Stadt C1. Nr. 84/3 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
25
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Kläger
deshalb nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte hat das ihm
zustehende Vorkaufsrecht rechtmäßig ausgeübt.
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Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB steht der Gemeinde ein Vorkaufsrecht u.a. beim
Kauf von Grundstücken im Geltungsbereich eines Bebauungsplans zu, soweit es sich
um Flächen handelt, für die nach dem Bebauungsplan eine Nutzung für öffentliche
Zwecke festgesetzt ist.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts liegen vor. Der
Beklagte hat die Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB
binnen zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrags gegenüber der Klägerin zu 2. als
Verkäuferin durch Verwaltungsakt geltend gemacht und diesen Verwaltungsakt den von
der Ausübung des Vorkaufsrechts betroffenen Käufern, den Klägern zu 1., die den
Verwaltungsakt anfechten können (§ 28 Abs. 2 Satz 6 Halbsatz 2 BauGB), gemäß § 41
Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VwVfG NRW bekannt gegeben.
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Der Beklagte kann sich für die Ausübung des Vorkaufsrechts auf die vom
Bebauungsplan in der Fassung seiner 1. Änderung festgesetzte Fläche für den
Gemeinbedarf mit der Zweckbestimmung Schulzentrum stützen. Diese Festsetzung ist
wirksam. Insbesondere ist sie entgegen der Auffassung der Kläger nicht Teil einer - in
Form einer Ausweisung ein und desselben Bereichs als Gemeinbedarfsfläche und
zugleich als Baugebiet erfolgten - Doppelfestsetzung, die nach der den Beteiligten
bekannten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen,
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vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. Dezember 1983 - 11a NE 52/82 -, BRS 40 Nr. 6,
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die in der Literatur umstritten ist,
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vgl. einerseits Gierke in: Brügelmann, Baugesetzbuch, Kommentar, Stand: Dezember
2004, § 9 Rdnr. 20, 170; a.A.: Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl.(2002), § 1 Rdnr. 39 f.
m.w.N.; Roeser in: König/Roeser/Stock, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 2. Aufl.
(2003), § 1 Rdnr. 22; Boeddinghaus/Dieckmann, Baunutzungsverordnung, Kommentar,
2. Aufl. (1990), § 1 Rdnr. 27,
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zur Unwirksamkeit eines Bebauungsplans führt, weil derartige Festsetzungen einander
ausschlössen.
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Der Bebauungsplan in der Fassung seiner 1. Änderung hat nämlich entgegen der
Bezeichnung "MI" kein Mischgebiet festsetzt. Das ergibt seine Auslegung, der er als
Norm zugänglich ist.
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Die Auslegungsbedürftigkeit der 1. Änderung ergibt sich aus der auf den ersten Blick zur
Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche widersprüchlichen Bezeichnung "MI" für
denselben Bereich. Denn in einem Mischgebiet sind bauliche Nutzungen zulässig, die
offensichtlich nicht gewollt waren. Die 1. Änderung des Bebauungsplans betraf nicht
eine ganz oder weit gehend unbebaute Fläche, sondern ein bereits bestehendes
Schulzentrum. Dessen Funktionalität sollte u.a. durch den Wegfall der die baulichen
Anlagen trennenden öffentlichen Verkehrsfläche gestärkt werden. Im gesamten
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Planverfahren für den ausdrücklich so genannten Bebauungsplan "Schulzentrum I. "
war nie davon die Rede, dass auf der mit "MI" bezeichneten Fläche Wohn- oder
gewerbliche Nutzung stattfinden sollte. Öffentliche Verkehrsflächen zur Erschließung
der im Plangebiet noch vorhandenen unbebauten Flächen sind nicht festgesetzt
worden, so dass nicht erkennbar ist, wo gewerbliche oder Wohn-Nutzung überhaupt
möglich sein sollte.
Die deshalb erforderliche Auslegung der Bezeichnung "MI" ergibt, dass die 1. Änderung
kein nach § 6 Abs. 1 BauNVO 1977 dem Wohnen und der Unterbringung von das
Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben dienendes Mischgebiet
ausgewiesen hat. Der Rat wollte, wie die Aufstellungsvorgänge sowohl des
Ursprungsplans als auch der 1. Änderung zeigen, auf der gesamten
Gemeinbedarfsfläche ausschließlich eine Nutzung für das Schulzentrum. Das war auch
allen Beteiligten klar. Auch die textlichen Festsetzungen Nrn. 1.1 und 1.2 stellen jeweils
lediglich auf die "Fläche für den Gemeinbedarf (Schulzentrum)" ab. Ein Mischgebiet
wird nirgends erwähnt. Eine im Ursprungsbebauungsplan noch festgesetzte öffentliche
Verkehrsfläche zwischen dem nördlichen und südlichen Teil des Schulzentrums ist im
Rahmen der 1. Änderung entfallen. Ausweislich ihrer Begründung diente indes gerade
dies der Sicherheit der Schulkinder und Verkehrsteilnehmer, der Vermeidung einer
Beeinträchtigung des Schulunterrichts und der vorgesehenen Erweiterung bzw. der aus
funktionellen Gründen beabsichtigten Neuabgrenzung der Fläche für den Gemeinbedarf
mit der Zweckbestimmung Schulzentrum. Danach hätten die ausdrücklich verfolgten,
allein auf das Schulzentrum und dessen Erweiterung gerichteten Ziele die Ausnutzung
einer Mischgebietsausweisung, die nirgends erwähnt ist, nicht nur erschwert, sondern
standen dieser sogar entgegen, wie der in der Planbegründung verlautbarten Absicht zu
entnehmen ist, zur Durchführung der 1. Änderung Gemeinbedarfsflächen, also noch
nicht bebaute Grundstücke, zu erwerben. Aus diesen Umständen folgt, dass der Rat der
Stadt C. H. allein eine Gemeinbedarfsfläche festsetzen wollte und auch festgesetzt hat.
Ist somit mit der Bezeichnung "MI" keine Festsetzung eines Mischgebiets erfolgt, spricht
alles dafür, dass der Rat meinte, ein Baugebiet ausweisen zu müssen, um
Festsetzungen über das Maß, die Bauweise und die (nicht) überbaubaren Flächen
treffen zu können, und dass wegen der Größe des Schulzentrums mit der Bezeichnung
"MI" der zulässige Immissionswert festgelegt wurde.
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Damit liegt auch kein "Etikettenschwindel" - im Sinne einer vom ausgewiesenen
Gebietstypus abweichenden Ausgestaltung eines Baugebiets - vor.
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Vgl. dazu: BVerwG, Beschluss vom 8. Februar 1999 - 4 BN 1.99 -, BRS 62 Nr. 71 (zu
einem allgemeinen Wohngebiet); OVG NRW, Urteil vom 19. Oktober 1993 - 10a NE
41/89 -, BRS 55 Nr. 5 (zu einem Mischgebiet).
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Die 1. Änderung ist ferner nicht deshalb insgesamt unwirksam, weil die textliche
Festsetzung Nr. 1.1 der 1. Änderung, nach der im Bereich für die Fläche für den
Gemeinbedarf bei ausreichendem natürlichen Geländegefälle talseitig der Ausbau
eines weiteren Vollgeschosses zulässig ist, nicht von der BauNVO gedeckt ist.
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Vgl. zu dieser Problematik: OVG NRW, Urteil vom 21. April 2005 - 7 D 66/03.NE -
m.w.N.
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Denn dies führt hier nur zu einer allein diese textliche Festsetzung betreffenden (Teil- )
Unwirksamkeit und nicht zur Unwirksamkeit der 1. Änderung insgesamt. Auch ohne
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diese in ihrer Bedeutung nachrangigen Festsetzung bewirken die übrigen
Festsetzungen eine den Anforderungen des § 1 BBauG/BauGB gerecht werdende
sinnvolle städtebauliche Ordnung. Demgemäß hätte der Stadtrat die 1. Änderung des
Bebauungsplans auch ohne die genannte textliche Festsetzung beschlossen, wenn er
von deren Unwirksamkeit Kenntnis gehabt hätte.
Die 1. Änderung ist schließlich auch nicht deshalb unwirksam, weil sie Festsetzungen
zum Maß der baulichen Nutzung, zu den überbaubaren und nicht überbaubaren
Flächen und zur Bauweise festgesetzt hat, ohne ein Baugebiet auszuweisen.
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Zwar wird vertreten, dass für die Gemeinbedarfsflächen weder die sonst für das Bauland
vorgesehenen Festsetzungen zulässig seien noch dafür die Festsetzungsmittel der
BauNVO herangezogen werden könnten, weil keine einwandfreie rechtliche Bindung
der auch privaten Grundstückseigentümer an die Vorschriften der BauNVO,
insbesondere an deren Ausnahmeregelungen, erfolgen könne.
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Vgl. Fickert/Fieseler a.a.O., § 1 Rdnr. 39.
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Das überzeugt indes schon deshalb nicht, weil § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchstaben a) und b)
BBauG 1960 bzw. § 9 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BauGB die Ermächtigung für Festsetzungen
über das Maß der Nutzung, die Bauweise sowie die (nicht) überbaubaren
Grundstücksflächen enthalten.
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Vgl. OVG Bremen, Urteil vom 15. September 1970 - I BA 25/70 -, BRS 23 Nr. 9.
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Solche Festsetzungen schließen eine die Art der baulichen Nutzung betreffende
Festsetzung schon ihrer Natur nach nicht aus. Die Festsetzung einer
Gemeinbedarfsfläche legt die Art der baulichen Nutzung fest.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 C 3.03 -, BauR 2004, 1730 (1731); Beschluss
vom 13. Juli 1989 - 4 B 140.88 -, BauR 1989, 703.
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Gegen die Anwendung der Vorschriften der BauNVO über das Maß der baulichen
Nutzung, die Bauweise und die (nicht) überbaubaren Grundstücksflächen auf Flächen
für den Gemeinbedarf spricht auch nicht, dass diese Flächen nicht von der
Ermächtigung des § 2 Abs. 5 (jetzt: § 9a ) BauGB bzw. § 2 Abs. 8 BBauG 1976 oder § 2
Abs. 10 BBauG 1960 erfasst (gewesen) wären. Das Gegenteil ist der Fall.
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A.A.: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Januar 1972 - II 217/70 -, BRS 25
Nr. 18 S. 59; OVG Bremen, Urteil vom 15. September 1970 a.a.O., das die Vorschriften
der BauNVO aber entsprechend anwendet; Schrödter, Bundesbaugesetz, Kommentar,
3. Aufl. (1973), § 9 Rdnr. 7 (der das "Bauland" mit den Baugebieten nach § 1 Abs. 2
BauNVO ohne weiteres gleichsetzt).
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Das ergibt sich aus Folgendem: Nach Nr. 1 Buchstaben b) und c) des § 2 Abs. 5 (jetzt: §
9a) BauGB ist der Verordnungsgeber wie bereits gemäß § 2 Abs. 10 Nr. 1 Buchstaben
b) und c) BBauG zum Erlass von Vorschriften über Festsetzungen "in den
Bauleitplänen" über das Maß der baulichen Nutzung und seine Berechnung, die
Bauweise sowie die überbaubaren und nicht überbaubaren Grundstücksflächen
ermächtigt.
52
Vgl. zu den einzelnen von den Ermächtigungen gedeckten Vorschriften der BauNVO:
Bielenberg, Baunutzungsverordnung, Planzeichenverordnung, Kommentar,
Sonderausgabe, 1973, Rdnr. 4.
53
Eine Einschränkung auf die "Baugebiete" wie in Nr. 2 der genannten Vorschriften ist
gerade nicht erfolgt. Da die Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche nach der oben
genanten höchstrichterlichen Rechtsprechung die Art der baulichen Nutzung festlegt,
gehören die Gemeinbedarfsflächen zum Bauland. Dies war noch dem Eingangssatz des
§ 9 Abs. 1 BBauG 1960 zu entnehmen, der ausdrücklich bestimmte, dass der
Bebauungsplan, "soweit es erforderlich ist, ... 1. das Bauland und für das Bauland" u.a.
(nach Buchstabe f) der genannten Vorschrift) "die Baugrundstücke für den
Gemeinbedarf" festsetzt.
54
Vgl. zu dieser Vorschrift: BVerwG, Urteil vom 4. November 1966 - IV C 36.65 -, DVBl.
1967, 283 (285); Kuchler in: NuR 2005, 164 (167 ff; 171).
55
Infolgedessen sind auch die Gemeinbedarfsflächen von den Regelungen der BauNVO
erfasst, soweit sie ihre Vorschriften nicht selbst auf Baugebiete beschränkt hat. Dies
ergibt sich auch aus der Begründung zur BauNVO 1962, in der u.a. ausgeführt wird:
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"Die Verordnung erstreckt sich im Hinblick auf den Wortlaut der Ermächtigung in § 2
Abs. 10 BBauG nur auf das Bauland i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 BBauG."
57
Vgl. BR-Drucks. 53/62, zitiert nach Bielenberg a.a.O., Rdnr. 9.
58
Demgemäß beziehen sich viele Vorschriften des Zweiten und Dritten Abschnitts der
BauNVO in sämtlichen Fassungen auf den "Bebauungsplan". Im Übrigen scheiterte das
von dem Beklagten ausgeübte Vorkaufsrecht selbst dann nicht, wenn man die 1.
Änderung wegen einer Doppelfestsetzung in Form einer Ausweisung einer Fläche für
den Gemeinbedarf und eines Mischgebiets für denselben Bereich als unwirksam
ansehen würde. In diesem Fall hätte der Bebauungsplan Nr. 84/3 der ehemaligen Stadt
C1. u.a. das Grundstück der Klägerin zu 2. für den Gemeinbedarf mit der
Zweckbestimmung Schule ausgewiesen. Hinsichtlich der Wirksamkeit dieses
Bebauungsplans bestehen keine Bedenken. Formelle oder materielle Fehler, die nur
auf Rüge beachtlich sind, sind nicht erhoben worden. Ein ohne Rüge beachtlicher
Mangel liegt ebenfalls nicht vor. Insbesondere wurde die Bekanntmachung der
Genehmigung durch den Regierungspräsidenten vom 9. November 1974 der
Hinweisfunktion der Schlussbekanntmachung,
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vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1984 - 4 C 28.83 -, BRS 42 Nr. 26,
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noch gerecht. Sie umschrieb das Plangebiet zwar nur mit "Bebauungsplan Nr. 84/3, C1.
-I. , nördlicher Ortskern".
61
Vgl. zu nicht ausreichenden Umschreibungen des Plangebiets: OVG NRW, Urteile vom
8. Dezember 1983 - 11 a NE 5/82 -, BRS 40 Nr. 29, und vom 15. Juli 1981 - 7 A 2456/79
-, BRS 38 Nr. 28.
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Angesichts der geringen Fläche und Einwohnerzahl der Ortschaft I. ist dies aber für eine
Lagebezeichnung in der Schlussbekanntmachung ausreichend.
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Hinsichtlich der das Maß der baulichen Nutzung, der überbaubaren und nicht
überbaubaren Flächen und der Bauweise betreffenden Festsetzungen gelten die
diesbezüglich im Rahmen der 1. Änderung gemachten Ausführungen sinngemäß für
den Bebauungsplan Nr. 84/3 der ehemaligen Stadt C1. , der aufgrund des damaligen §
9 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe f) BBauG "Baugrundstücke" für den Gemeinbedarf festsetzen
konnte.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung
zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711,
713 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO
nicht gegeben sind.
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