Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.09.1998

OVG NRW (amnesty international, bundesrepublik deutschland, verwaltungsgericht, iran, ehemann, teilnahme, ablehnung, beweisantrag, vernehmung von zeugen, deutschland)

Oberverwaltungsgericht NRW, 9 A 4328/98.A
Datum:
28.09.1998
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 A 4328/98.A
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Arnsberg, 13 K 1126/96.A
Tenor:
Die Anträge werden abgelehnt.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das
Gerichtskosten nicht erhoben werden, je zur Hälfte.
G r ü n d e
1
Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Zulassungsverfahren ist abzulehnen,
weil die Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3
Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten Verletzung des rechtlichen Gehörs
(Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
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Soweit die Klägerinnen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen der teilweisen
Ablehnung ihrer Beweisanträge zu einzelnen exilpolitischen Tätigkeiten der Klägerin zu
1. und ihres Ehemannes (vgl. S. 5 und 6 des Terminsprotokolls) geltend machen, bleibt
diese Rüge ohne Erfolg.
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Die Ablehnung der Beweisanträge findet eine Stütze im Prozeßrecht,
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vgl. zu diesem Gesichtspunkt: BVerfG, Beschluß vom 13. August 1991 - 1 BvR 72/91 -,
NJW 1992, 299,
7
wobei es insoweit nicht auf die von dem Verwaltungsgericht für die Ablehnung des
Beweisantrags gegebene Begründung, sondern nur darauf ankommt, ob die Ablehnung
im Ergebnis aus prozeßrechtlichen Gründen gerechtfertigt ist.
8
Dies ist hier der Fall. Die im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Anträge,
darüber Beweis zu erheben, daß die Klägerin zu 1.
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„d) im März 1997 an einer Veranstaltung der Volksmudjaheddin zum internationalen
Frauentag in M. teilgenommen hat . e) an den Newroz-Feiern zum Jahr 1376 im März
1997 in der Stadthalle in T. in K. teilgenommen hat,
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g) in den Jahren 1997/1998 Informationen über die Veranstaltung der
Volksmudjaheddin Iran und des nationalen Widerstandsrats Iran telefonisch, per Post
und in Verteilaktionen an andere Iraner weitergegeben hat, so daß eine Reihe von
Landsleuten alle Informationen über die Volksmudjaheddin und den nationalen
Widerstandsrat deren Aktivitäten nur von der Klägerin zu 1. und ihren Ehemann
beziehen,"
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sowie die weiteren Beweisanträge über die Tatsache, daß der Ehemann der Klägerin zu
1. an den vorgenannten Aktivitäten seiner Frau teilgenommen habe, sowie
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„c) im Herbst und Winter 1996 in T. und B. an Büchertischen der Volksmudjaheddin
deren Veröffentlichung vertrieben hat",
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sind insgesamt mangels hinreichender Präzisierung des Beweisthemas zu unbestimmt
und damit unzulässig.
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Insoweit ist zu berücksichtigen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Senats
nicht jede öffentlich zur Schau getragene Kritik, sondern nur ein nach außen hin in
exponierter Weise für eine regimefeindliche Organisation erfolgtes Auftreten asyl- bzw.
abschiebungsrelevante Bedeutung erlangen kann.
15
Vgl. OVG NW, Beschluß vom 17. April 1998 - 9 A 345/98.A - unter Auswertung
insbesondere der Auskünfte des Bundesamtes für Verfassungsschutz von 1. Oktober
1997 an das Verwaltungsgericht Münster; OVG NW, Beschluß vom 31. Juli 1998 - 9 A
489/98.A -.
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Wann das hiernach erforderliche öffentliche Auftreten als „exponiert" im Sinne der
Rechtsprechung des Senats zu bewerten ist, läßt sich nicht abstrakt beantworten,
sondern ist nach den gesamten, den jeweiligen Einzelfall prägenden konkret-
individuellen Umständen zu entscheiden.
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Vgl. etwa: OVG NW, Beschluß vom 19. August 1998 - 9 A 3415/98.A -; Beschluß vom
24. September 1998 - 9 A 4326/98.A -.
18
Unter Berücksichtigung dessen und vor dem Hintergrund, daß der jeweilige
Asylbewerber im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht gehalten ist, seine
Nachfluchtaktivitäten im Gastland schlüssig darzulegen und ggf. nachzuweisen,
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Vgl. : BVerwG, Urteil vom 29. November 1977 - 1 C 33.71 -, BVerwGE 55, 82,
20
steht außer Frage, daß exilpolitische Veranstaltungen, an denen der jeweilige
Asylbewerber teilgenommen haben will, nach Zeitpunkt (Tag, Monat, Jahr), Ort,
Gegenstand, Ablauf, nach der Funktion, in der die Teilnahme an den Veranstaltungen
seitens des Asylbewerbers erfolgt sein soll, und nach der ungefähren Größenordnung
der Veranstaltungen hinreichend präzisiert werden müssen. Denn nur durch einen
solcherart bestimmten Sachvortrag bzw. bestimmtes Beweisthema wird das
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Verwaltungsgericht in den Stand gesetzt, darüber zu befinden, ob es angesichts der
obergerichtlichen Rechtsprechung insoweit auf die behaupteten
Veranstaltungsteilnahmen als mit dem Beweisthema unter Beweis gestellten Tatsachen
entscheidend ankommt und ob ggf. eine Beweiserhebung erforderlich ist.
Vgl. im übrigen zur Möglichkeit, bei wesentlichen Mängeln des Vorbringens eine Klage
trotz substantiierter Beweisanträge abzuweisen: BVerfG, Beschluß vom 26. Mai 1994 - 2
BvR 1183/92 -, DVBl. 1994, 1403 (1404); BVerwG, Beschluß vom 26. Oktober 1989 - 9
B 405.89 -, InfAuslR 1990, 38 (39); Urteil vom 6. Dezember 1988 - 9 C 91.87 -, Buchholz
310, § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 204.
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Darüber hinaus ist die Präzisierung unerläßlich, damit, insbesondere bei mehreren
Veranstaltungen mit demselben Gegenstand oder innerhalb eines eng begrenzten
Zeitraums, die Teilnahme des jeweiligen Asylbewerbers an der konkreten Veranstaltung
ggf. durch die Vernehmung von Zeugen überprüft werden kann und damit im übrigen
auch die ggf. zu vernehmenden Zeugen auf die Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen
überprüft werden können.
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Hiermit werden an den jeweiligen Asylbewerber keine unzumutbaren Anforderungen
gestellt, denn es geht um Ereignisse, die ausschließlich in seinen Erlebnisbereich fallen
und die - anders als etwa das Vorverfolgungsgeschehen - in der Regel nicht sehr lange
zurückliegen. Im Fall der Erinnerungsschwäche reicht, um etwa den jeweiligen Tag der
Veranstaltung benennen zu können, eine einfache schriftliche Notiz als
Gedächtnisstütze aus. Daß die Klägerinnen im übrigen durchaus in der Lage waren,
diesen Anforderungen zu genügen und Veranstaltungen nach ihrem Datum zu
bezeichnen, belegen die in den - nicht abgelehnten - Beweisanträgen aufgelisteten
Veranstaltungen.
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Schon die hiernach für die Bestimmtheit des Beweisthemas erforderliche zeitliche
Fixierung der angegebenen Veranstaltungen auch nach dem Tag der Veranstaltung ist
durch die vagen zeitlichen Angaben „im März 1997, in den Jahren 1997/1998, im Herbst
und Winter 1996" nicht gegeben.
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Entsprechendes gilt auch in bezug auf den Antrag, über die Tatsache Beweis zu
erheben, daß der Ehemann der Klägerin zu 1.
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„b) im April 1997 anläßlich der Urteilsverkündung im sog. Mykonos- Prozeß an
Demonstrationen teilgenommen hat und als Teilnehmer dieser Demonstrationen in den
Nachrichtensendungen und Berichten verschiedener Fernsehstationen zu sehen war".
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Auch insoweit fehlt es angesichts der Bezeichnung „im April 1997" an einer hinreichend
konkreten zeitlichen Bestimmung dieses Ereignisses; darüber hinaus ist hieraus auch
nicht zu entnehmen, an welchem Ort die jeweiligen Demonstrationen stattgefunden
haben sollen. Aus diesem Grunde war weder die Vernehmung des angebotenen
Zeugen L. noch die Augenscheinseinnahme der Videokassette erforderlich.
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Die Augenscheinseinnahme der Videokassette war im übrigen auch deshalb
entbehrlich, weil sie zum Beweis der behaupteten Tatsache von vornherein ungeeignet
war. Denn mit dem vorgenannten Beweisantrag sollte die Teilnahme des Klägers an
mehreren Demonstrationen unter Beweis gestellt werden, wohingegen die
Videokassette ausweislich der Ausführungen des Prozeßbevollmächtigten und der
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Klägerin zu 1. im Termin zur mündlichen Verhandlung lediglich die Aufzeichnung von
der Teilnahme des Ehemanns der Klägerin zu 1. an einer Demonstration beinhalten
sollte (vgl. S. 4 letzter Absatz und S. 5 erster Absatz des Terminsprotokolls). Schließlich
sei zur Richtigstellung angemerkt, daß mit dem Schriftsatz vom 28. Juli 1998 nicht nur
eine Videokassette, sondern mit den Anlagen 19 und 20 zu diesem Schriftsatz zwei
Videokassetten überreicht wurden, so daß die Ausführungen des Verwaltungsgerichts,
soweit sich diese auf mehrere Videokassetten beziehen, zutreffend sind.
Die Ablehnung der im folgenden gestellten Beweisanträge (Bl. 10 und 11 des
Terminsprotokolls) findet ebenfalls im Prozeßrecht eine Stütze, wobei es auf den
Umstand bereits vorliegender Sachverständigengutachten nicht ankommt. Die
Klägerinnen haben insoweit ihr Rügerecht verloren, weil sie die Ablehnung ihrer
Beweisanträge hingenommen haben, ohne die ihnen in prozessualer Hinsicht zur
Verfügung stehende und sich nach der Begründung des Ablehnungsantrags
aufdrängende Möglichkeit auszuschöpfen, von dem Verwaltungsgericht eine
Präzisierung der nach der Begründung des Ablehnungsantrags bereits zu den
einzelnen Beweis- themen vorliegenden Sachverständigengutachten zu verlangen, um
sich dann hiergegen unter Bezugnahme auf gegenteilige Gutachten zu diesen Punkten
rechtliches Gehör zu verschaffen. Wer aber als anwaltlich vertretener Kläger die ihm zur
Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Durchsetzung des rechtlichen
Gehörs nicht wahrnimmt, kann sich im Nachhinein nicht auf die Verletzung des
rechtlichen Gehörs berufen.
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Unabhängig davon war die Ablehnung auch deshalb gerechtfertigt, weil die gestellten
Beweisthemen insgesamt an Voraussetzungen anknüpfen, die nach der insoweit
maßgeblichen Auffassung des Verwaltungsgerichts auf der Grundlage der zu Recht
erfolgten Ablehnung der zuerst gestellten Beweisanträge zu den exilpolitischen
Tätigkeiten der Klägerin zu 1. und ihres Ehemanns in dieser Konstellation im
vorliegenden Fall gar nicht gegeben waren.
31
Dies betrifft zunächst die zu beweisende Tatsache, daß Personen, die als Teilnehmer in
der ersten Reihe von Demonstrationen oppositioneller Iraner anläßlich des Mykonos-
Prozesses in B. in Nachrichtensendungen und politischen Fernsehberichterstattungen
von ARD und ZDF und in per Satellit im Iran empfangbaren Fernsehsendungen zu
sehen waren, und deren Ehepartner und minderjährige Kinder im Iran mit politischer
Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben (Beweisantrag Nr. 1). Denn von einer
Teilnahme des Ehemanns der Klägerin zu 1. an mehreren Demonstrationen war nach
der Auffassung des Verwaltungsgerichts aufgrund der unpräzisen Darstellung und der
infolgedessen zu Recht erfolgten Ablehnung des hierauf zielenden Beweisantrags
(siehe oben: Beweisantrag b)) nicht auszugehen.
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Entsprechendes gilt im wesentlichen auch für die übrigen Beweisanträge
(Beweisanträge Nr. 2 bis 6). Zur Überzeugung des Gerichts war gerade nicht
nachgewiesen, daß die Klägerin zu 1. und ihr Ehemann die regelmäßige Verteilung von
Informationsmaterial der Volksmudjaheddin und des Nationalen Widerstandsrates Iran
und die Benachrichtigung über Termine und Veranstaltungen dieser Organisationen
gegenüber anderen Iranern in Deutschland übernommen hatten (Beweisantrag Nr. 2),
denn den diesbezüglichen Beweisantrag g) hat das Verwaltungsgericht, wie oben
dargelegt, zu Recht wegen der Unbestimmtheit des Beweisthemas abgelehnt.
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Aufgrund des ebenfalls wegen Unbestimmtheit des Beweisthemas abgelehnten, den
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Ehemann der Klägerin zu 1. betreffenden Beweisantrags b) ging das
Verwaltungsgericht auch nicht davon aus, daß der Ehemann der Klägerin zu 1. in
Deutschland Bücherstände der Volksmudjaheddin betrieben hatte, wie dies für den
Beweisantrag Nr. 3 vorausgesetzt wird.
Des weiteren war nicht erwiesen, daß die Klägerin zu 1. in Deutschland zu
frauenpolitischen Veranstaltungen der Volksmudjaheddin aufgerufen und regelmäßig
an solchen Veranstaltungen teilgenommen hat (Beweisantrag Nr. 4); das
Verwaltungsgericht ist ausweislich seiner Ausführungen auf Seite 29 des
Urteilsabdrucks lediglich davon ausgegangen, daß die Klägerin zu 1. die Teilnahme an
2 Veranstaltungen der Volksmudjaheddin nachgewiesen hatte, und zwar die Teilnahme
am Frauentag der Volksmudjaheddin in K. -M. am 8. März 1996 und die Teilnahme an
einer Filmvorführung im Jugendgästehaus in K. am 21. Dezember 1996. Diese, nicht
zuletzt durch die Ablehnung des weitergehenden Beweisantrags d) der Klägerin zu 1.
getroffene Feststellung ist, wie oben dargelegt, in prozessualer Hinsicht nicht zu
beanstanden. Angesichts dieser geringfügigen und vereinzelten
Veranstaltungsteilnahme kann von einer regelmäßigen Teilnahme, wie sie in dem
Beweisantrag zu Nr. 4 vorausgesetzt wird, keine Rede sein. Letzteres gilt auch für die in
dem Beweisantrag vorausgesetzte Tätigkeit des Aufrufes zu solchen Veranstaltungen.
Derartige Aufrufe waren aus der Sicht des Verwaltungsgerichts weder für die Klägerin
zu 1. noch für deren Ehemann nachgewiesen. Die Klägerin hatte sogar ausdrücklich
den zunächst gestellten Beweisantrag c), wonach sie gemeinsam mit ihrem Ehemann
zu der Veranstaltung der Volksmudjaheddin im Jugendgästehaus K. am 21. Januar
1996 durch Flugblätter und Broschüren aufgerufen haben wollte, zurückgenommen (vgl.
S. 7 Abs. 2 des Terminsprotokolls).
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Des weiteren ging das Verwaltungsgericht auch nicht davon aus, daß es sich bei der
Klägerin zu 1. bzw. bei ihrem Ehemann um Personen handelte, die als „regelmäßige
Teilnehmer von Veranstaltungen der Volksmudjaheddin in Deutschland bekannt sind",
wie dies im Beweisantrag zu Nr. 5 vorausgesetzt wird. Denn weder für die Klägerin zu
1., für die das Verwaltungsgericht, wie bereits dargelegt, lediglich die Teilnahme an
zwei Veranstaltungen der Volksmudjaheddin als erwiesen angesehen hat, noch für den
Ehemann der Klägerin, für den das Verwaltungsgericht die Teilnahme an drei
Veranstaltungen der Volksmudjaheddin über einen Zeitraum von rund einem Jahr
festgestellt hat (vgl. S. 27 des Urteilsabdrucks), kann eine in dem Beweisantrag zu Nr. 5
vorausgesetzte regelmäßige Teilnahme an derartigen Veranstaltungen angenommen
werden.
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Schließlich konnte auch die Ablehnung des Beweisantrags zu Nr. 6 (Information der
iranischen Behörden und Geheimdienste mit hinreichender Wahrscheinlichkeit über die
Identität solcher Personen, die an den unter Nr. 1 bis 5 bezeichneten Aktivitäten
teilgenommen haben, die bei der Teilnahme an Demonstrationen zum Mykonos-Prozeß
in Fernsehberichten auftauchen und die Landsleuten als Informationsverteiler der
Volksmudjaheddin namentlich bekannt sind) in zulässiger Weise erfolgen, da er
wiederum an Voraussetzungen anknüpft, die, wie bereits dargelegt, nach der
Auffassung des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben sind.
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Soweit die Klägerinnen zur Begründung der Verletzung des rechtlichen Gehörs meinen,
das Verwaltungsgericht hätte ihren Prozeßbevollmächtigten auf die Anwesenheit der
zum Termin erschienenen Zeugen Mousavi und Dashtizade hinweisen müssen, so
haben sie ihr Rügerecht verloren, weil sie nicht selber ihren Prozeßbevollmächtigten auf
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die Anwesenheit dieser Zeugen aufmerksam gemacht haben. Denn die Klägerinnen
sind ausweislich des insoweit nicht angegriffenen Terminsprotokolls von Beginn des
Termins an im Sitzungssaal anwesend gewesen und mußten folglich die gleichzeitige
Anwesenheit der Zeugen zur Kenntnis genommen haben, wenn sie die Zeugen nicht
sogar schon selbst zum Termin mitgebracht haben. Die Klägerin zu 1. hat zudem
ausweislich des Terminsprotokolls (vgl. S. 2) selbst ausdrücklich darauf hingewiesen,
daß die genannten Personen - neben ihrem Ehemann L. - möglicherweise als Zeugen
in Betracht kämen. Wenn sie dann, nachdem die Zeugen des Sitzungssaal verlassen
hatten, ihren während des Sachberichts eintreffenden Prozeßbevollmächtigten nicht
über diesen Umstand in Kenntnis setzte, kann sie sich im Nachhinein nicht auf die
Verletzung des rechtlichen Gehörs seitens des Gerichts berufen, wobei der Senat
dahingestellt lassen sein kann, ob tatsächlich, wie die Klägerinnen meinen, eine
Rechtspflicht des Gerichts besteht, bei anwaltlich vertretenen Klägern auf das
Erscheinen der eigenen Zeugen hinzuweisen.
Soweit die Klägerinnen der Auffassung sind, daß das rechtliche Gehör dadurch verletzt
worden sei, daß bereits mit der Verlesung des Sachbericht begonnen worden sei,
obwohl ihr Prozeßbevollmächtigter ohne Verschulden an einem rechtzeitigen Eintreffen
zum Termin gehindert gewesen sei, fehlt es an der für die Geltendmachung der
Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG erforderlichen
Darlegung. Die Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt, erfordert regelmäßig die
substantiierte Darlegung dessen, was die Prozeßpartei bei ausreichender
Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung
des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.
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Vgl. BVerwG, Beschluß vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328.
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Hieran fehlt es, da im Zulassungsantrag lediglich geltend gemacht worden ist, es habe
keine Möglichkeit bestanden „verschiedene sachliche und übersetzungsbedingte
Mißverständnisse zu klären, die das Gericht auf Bl. 18 bis 22 des Urteils voll zu Lasten
der Klägerinnen" ausgewertet habe. Welche angeblichen Mißverständnisse im
einzelnen gemeint sind, wird in der Begründung des Zulassungsantrages nicht
dargelegt, geschweige denn, wie diese Mißverständnisse im einzelnen beseitigt worden
wären.
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Die Berufung ist auch nicht wegen der des weiteren geltend gemachten grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache (Zulassungs-grund nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG)
zuzulassen.
42
Soweit die Klägerinnen hierzu die Frage aufwerfen,
43
„ob Personen, die als Mitarbeiter iranischer exil-oppositioneller Gruppen und als
regelmäßige Teilnehmer der Veranstaltungen dieser Gruppen bekannt sind und nach
außen sichtbar auftreten, aufgrund ihrer exilpolitischen Aktivitäten mit politische
motivierter Verfolgung und Gefahr für Leib und Leben zu rechnen haben,"
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stellt sich diese Frage aufgrund der nicht mit Erfolg angegriffenen tatsächlichen
Feststellung des Verwaltungsgerichts nicht. Denn die Klägerin zu 1. und ihr Ehemann
können angesichts ihrer vom Verwaltungsgericht festgestellten geringfügigen und
vereinzelten Veranstaltungsteilnahme nicht als „regelmäßige Veranstaltungsteilnehmer"
angesehen werden.
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Die im folgenden aufgeworfenen Unterfragen a) bis f) entsprechen den bereits im
Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen zu Nr. 1 bis 6. Da nach
den insoweit nicht mit Erfolg angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des
Verwaltungsgerichts, wie bereits dargelegt, die jeweiligen Voraussetzungen nicht
vorliegen, stellen sich diese Fragen im vorliegenden Fall ebenfalls nicht. Fehlt es aber
an einer aufgeworfenen abstrakten Rechts- oder einer aufgeworfenen
verallgemeinerungsfähigen Tatsachenfrage, kommt es auf die in der Begründung des
Zulassungsantrags zu dieser Frage in Bezug genommenen Gerichtsentscheidungen
und Erkenntnisse nicht mehr an.
46
Die des weiteren auf S. 12 der Antragsbegründung aufgeworfene Frage nach den
Voraussetzungen der Sippenhaft im Iran ist in der Rechtsprechung des
Berufungsgerichts geklärt. Hiernach besteht die Gefahr der Sippenhaft nur dann, wenn
die iranischen Behörden entweder im Hinblick auf die Person des Asylberechtigten oder
wegen der von ihm entfalteten politischen Betätigung ein besonderes Interesse daran
haben, durch „Druck" auf den Angehörigen zu bewirken, daß sich jener Oppositionelle
den iranischen Behörden stellt bzw. den Asylbewerber im Hinblick auf seine
Verwandtschaft zum Oppositionellen (mit) zu verfolgen.
47
Vgl. OVG NW, Beschluß vom 31. Juli 1998 - 9 A 489/98.A - m.w.N.
48
Konkrete Tatsachen, die zu einer Änderung dieser Einschätzung zwingen, haben die
Klägerinnen nicht dargelegt. Soweit sie zur Begründung auf ihre Ausführungen zur
Begründung der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der exilpolitischen Tätigkeiten
verweisen, ist fraglich, ob vor dem Hintergrund des Darlegungserfordernisses nach § 78
Abs. 4 Satz 4 AsylVfG ein derartiger pauschaler Hinweis zulässig ist. Selbst wenn diese
Bezugnahme für zulässig gehalten würde, ergäbe sich lediglich aus den zitierten
Auskünften des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 1. Oktober 1997 ein konkreter
Hinweis auf staatliche Maßnahmen auch gegen die Familienangehörigen von
Oppositionellen. Hierin heißt es wörtlich u.a. wie folgt:
49
„Die Verfolgungsmaßnahmen richten sich nach hiesiger Kenntnis sowohl gegen die
Oppositionellen als auch gegen ihre Familienangehörigen. So muß mit dem Versuch
einer Anwerbung durch den iranischen Nachrichtendienst, Drohanrufen (mit dem Ziel
der Einschüchterung) oder ggfls. mit Inhaftierungen gerechnet werden".
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Abgesehen davon, daß darin keine Referenzfälle benannt werden und diese Auskünfte
zum Thema „Sippenhaft" schon aus diesem Grund unbrauchbar sind, ergibt sich daraus
nicht, daß die staatlichen Maßnahmen im Iran gegen den Familienangehörigen in jedem
Fall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Asylerheblichkeit oder die Qualität einer
menschenrechtswidrigen Behandlung erreichen. Sie können sich auch, wie das
Bundesamt für Verfassungsschutz ausdrücklich darlegt, auf den asyl- bzw.
abschiebungsrechtlich unbeachtlichen Versuch einer Anwerbung durch den iranischen
Nachrichtendienst beschränken. Daß bei Ablehnung eines derartigen
Anwerbungsversuchs regelmäßig staatliche Zwangsmaßnahmen wie Inhaftierungen
und weitere menschenrechtswidrige Behandlungen erfolgen, ist diesen Erkenntnissen
nicht zu entnehmen.
51
Schließlich ist auch im Hinblick auf die von den Klägerinnen geltend gemachte
Asylantragstellung eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu verneinen.
52
Dies gilt zunächst für die unter b) aufgeworfene Frage
53
„ob Personen aus dem Iran, die sich im Iran in einer latenten Verfolgungsgefahr
befanden und daraufhin in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, im Fall der
Rückkehr in den Iran mit politischer Verfolgung rechnen müssen."
54
Diese Frage stellt sich im vorliegenden Fall nicht, da das Verwaltungsgericht aufgrund
seiner nicht angegriffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt ist, daß das
gesamte Vorbringen der Klägerinnen zu ihrem Vorverfolgungsschicksal unglaubhaft sei
und diese den Iran insbesondere zum Zwecke der Familienzusammenführung mit ihrem
Ehemann bzw. Vater verlassen hätten (vgl. S. 16 des Urteilsabdrucks). Die in der
aufgeworfenen Frage vorausgesetzte „latente Gefährdungslage" ist danach von
vornherein auszuschließen.
55
Soweit die Klägerinnen im übrigen die Frage aufgeworfen haben,
56
„ob Personen aus dem Iran, die nach der Stellung eines Asylantrags in Deutschland in
den Iran zurückkehren, mit Menschenrechtsverletzungen und politischer Verfolgung
rechnen müssen,"
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führt auch dies nicht zur Zulassung der Berufung, da die Frage der Asyl- bzw.
Abschiebungsrelevanz der Asylantragstellung iranischer Asylbewerber in der
Rechtsprechung des Berufungsgerichts im Sinne der Ausführungen des
Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (vgl. 32 ff. des Urteilsabdrucks)
geklärt ist.
58
Vgl. OVG NW, Beschluß vom 14. März 1996 - 9 A 994/96.A -; Beschluß vom 4. Juni
1996 - 9 A 6620/95.A -; Beschluß vom 9. September 1996 - 9 A 4300/96.A - und
Beschluß vom 13. Februar 1997 - 9 A 625/97.A -.
59
Auch insoweit haben die Klägerinnen keine neuen Tatsachen vorgetragen, die zu einer
Änderung dieser Einschätzung zwingen. Weder die von den Klägerinnen wörtlich
zitierte Stellungnahme von amnesty international „Iran. Gefährdung aufgrund der
Asylantragstellung" vom 5. Juli 1994 noch die in bezug genommene Stellungnahme von
amnesty international an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht vom 22. Juni
1995 lassen erkennen, daß asyl- bzw. abschiebungsrechtlich beachtliche staatliche
Maßnahmen allein an die Asylantragstellung und den langjährigen Aufenthalt des
jeweiligen Asylbewerbers in der Bundesrepublik Deutschland anknüpften. Dem
entspricht auch die in dem Beschluß des Senats vom 14. März 1996, a.a.O.,
ausgewertete Auskunft von amnesty international an Rechtsanwalt S. vom 29. Juni
1994.
60
Soweit die Klägerinnen in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des
Verwaltungsgerichts Köln verweisen, ergibt sich aus den zitierten Urteilsausführungen
nichts anderes. Darin wird ausdrücklich ausgeführt, daß das Asylverfahren dann
asylerheblich sei, wenn zu dem Asylantrag und dem langjährigen Aufenthalt Umstände
hinzuträten, aufgrund deren zu befürchten stünde, daß der Asylbewerber von den
iranischen Stellen als aktiver Gegner des Regimes eingestuft werden würde. Auch
hieraus ergibt sich, daß die Stellung des Asylantrags allein in Verbindung mit einem
langjährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gerade nicht die Gefahr
61
politischer Verfolgung oder menschenrechtswidriger Behandlung im Falle der Rückkehr
in den Iran zur Folge haben wird.
Vgl. zur Auswertung der Stellungnahme von amnesty international an das Schleswig-
Holsteinische Verwaltungsgericht vom 22. Juni 1995: OVG NW, Beschluß vom 4. Juni
1996, a.a.O., und vom 14. März 1996, a.a.O..
62
Daß bei Hinzutreten einer beachtlichen exilpolitischen Tätigkeit die Asylantragstellung
und der längere Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland asyl- bzw.
abschiebungsrelevante Bedeutung erlangen können, entspricht der Auffassung des
Senats,
63
vgl. OVG NW, Beschluß vom 9. September 1996, a.a.O.,
64
und ist daher ebenfalls nicht klärungsbedürftig.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO,
§ 83 b Abs. 1 AsylVfG.
66
Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 80 AsylVfG).
67