Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 27.10.2009

OVG NRW (hauptsache, klasse, beschwerde, versetzung, verwaltungsgericht, eltern, höhe, teilnahme, tochter, abgabe)

Oberverwaltungsgericht NRW, 19 B 1400/09
Datum:
27.10.2009
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 B 1400/09
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 18 L 1204/09
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. 8. 2009 ist mit
Ausnahme der Streitwertfest¬set-zung wirkungslos.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfah¬rens und
von den Gerichtskosten erster In-stanz 1,0 der Verfahrensgebühr. Die
übrigen Kosten des erstinstanzli¬chen Verfahrens trägt die Antrags-
gegnerin.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfah¬ren auf 2.500,- Euro
festge¬setzt.
G r ü n d e :
1
Das Verfahren ist nach §§ 87 a Abs. 1 und 3, 92 Abs. 3 Satz 1, 125 Abs. 1 VwGO durch
den Berichterstatter einzustellen und die erstinstanzliche Entscheidung nach § 173
VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO für wirkungslos zu erklären, nachdem die
Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt
haben.
2
Die Antragsgegnerin hat den Rechtsstreit schlüssig mit ihrer Aussage im Schriftsatz vom
29. 9. 2009 für erledigt erklärt, die Angelegenheit sei für sie abgeschlossen, da sie dem
Anliegen der Eltern Rechnung getragen habe.
3
Die Erledigungserklärungen sind wirksam. Dem steht nicht entgegen, dass die
Antragstellerin die Beschwerde allein zu dem Zweck eingelegt hat, den Rechtsstreit für
in der Hauptsache erledigt zu erklären. Die Beschwerde kann nämlich grundsätzlich –
zulässigerweise – auch allein zu diesem Zweck eingelegt werden, um zu erreichen,
dass das Beschwerdegericht die angefochtene erstinstanzliche Sachentscheidung für
4
wirkungslos erklärt und eine Kostenentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers
trifft. Weil die Beschwerde sich nicht allein gegen die Kostenentscheidung des
Verwaltungsgerichts richtet, hindert auch § 158 Abs. 1 VwGO diese
Beschwerdeeinlegung nicht.
Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 26. 3. 2003 8 B 82/03 , NVwZ-RR
2003, 701, = juris, m. w. N. (zur Erledigung "zwischen den Instanzen");
Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 161 Rdnr. 53; Clausing, in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 161 Rdnr. 19 f.; a. A. OVG
NRW, Beschlüsse vom 24. 4. 2006 18 B 595/06 und 31. 5. 2002 21 B
931/02 , NVwZ-RR 2002, 895.
5
Auch ist es unschädlich, dass die Erledigung der Hauptsache - hier die Entscheidung
der Versetzungskonferenz vom 17. 8. 2009, die Antragstellerin in die Klasse 3 zu
versetzen – bereits vor Ergehen der erstinstanzlichen Entscheidung eingetreten ist, der
Beschwerdeführer es aber unterlassen hat, rechtzeitig eine Erledigungserklärung
abzugeben.
6
Vgl. Bay.VGH, Beschlüsse vom 8. 4. 1987 – 7 CS 87.00281 -, BayVBl.
1987, 636, und vom 20. 4. 1978 – Nr. 16 II 78 -, BayVBl. 1979, 618 f.
7
Denn das Prozessrecht begründet grundsätzlich keine Pflicht zur unverzüglichen
Reaktion auf den Eintritt des erledigenden Ereignisses; es überlässt es unabhängig
davon, in welchem Stadium des Prozesses das erledigende Ereignis eingetreten ist,
grundsätzlich dem Beteiligten, eine Erledigungserklärung erst dann abzugeben, wenn
er dies für angezeigt hält.
8
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. 1. 1993 – 8 C 40.91 -, NVwZ 1993, 979 f, =
juris, Rdn. 15..
9
Wie sich die verzögerte Abgabe der Erledigungserklärung auf die Kostentragung
auswirkt, ist unabhängig davon bei der Ausübung billigen Ermessens für die zu
treffende Kostenentscheidung zu berücksichtigen.
10
Gemäß § 161 Abs. 2 VwGO ist über die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge nach
billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu
entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens wie
tenoriert zu verteilen.
11
Maßgebend dafür, die Antragstellerin mit den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu
belasten, ist nach dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 4 VwGO, dass diese Kosten
durch ihr Verschulden entstanden sind. Denn die gesehene Notwendigkeit, mit dem
angesprochenen Ziel die vorliegende Beschwerde einzulegen, beruht allein auf dem ihr
zurechenbaren prozessualen Verhalten ihrer Eltern. Diese hatten bereits im Verfahren
vor dem Verwaltungsgericht bis zum 27. 8. 2009 die Möglichkeit, die
Erledigungserklärung abzugeben, die durch die von der Versetzungskonferenz am
17. 8. 2009 beschlossene Versetzung ihrer Tochter in die Klasse 3 veranlasst war. Es ist
kein Anhalt dafür ersichtlich, dass sie vor Ergehen des angefochtenen Beschlusses am
Donnerstag, dem 27. 8. 2009, von der Versetzung ihrer Tochter keine Kenntnis erlangt
haben. Denn der Senat geht nach der Lebenserfahrung mangels gegenteiliger
Anhaltspunkte davon aus, dass die Antragsgegnerin die Versetzungsentscheidung
12
entsprechend dem Recht der Antragstellerin auf schulische Bildung, Erziehung und
individuelle Förderung nach ihrer Lern- und Leistungsfähigkeit (§ 1 SchulG NRW) und
dem korrespondierenden Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule (§ 2 SchulG
NRW) unverzüglich umgesetzt hat und dass die tatsächliche Teilnahme der
Antragstellerin am Unterricht der Klasse 3 ab dem 17. 8. 2009 über mehr als eine
Woche bis zum 27. 8. 2009 ihren Eltern nicht verborgen geblieben ist. Diese haben im
Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen, hiervon (und von der Versetzung) erstmals
durch die Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Kenntnis erlangt zu
haben. Auf den Vortrag der Antragstellerin, die am Montag, dem 17. 8. 2009, mit der
Mitteilung der Antragsgegnerin von der Versetzung abgesandte Anfrage des
Verwaltungsgerichts, ob der Antrag zurück genommen oder die Hauptsache für erledigt
erklärt werde, sei nicht zugegangen, kommt es daher nicht an. Ihr Versäumnis, in dem
seiner Natur nach eilbedürftigen Verfahren sogleich auf die neue schulische Situation
zu reagieren und von sich aus die veranlasste Prozesserklärung abzugeben, geht im
Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung zu ihren Lasten.
Die vorstehenden Billigkeitserwägungen rechtfertigen es auch, die Kosten erster Instanz
der Antragstellerin aufzuerlegen, die sie dadurch verursacht hat, dass sie die
Erledigungserklärung nicht zeitnah nach der Versetzungsentscheidung vor Ergehen des
erstinstanzlichen Beschlusses abgegeben hat.
13
Vgl. hierzu Bay. VGH, Beschluss vom 12. 12. 1996 26 B 93.3844 -, juris,
Rdn. 14.
14
Es handelt sich hierbei um Gerichtskosten in Höhe von 1,0 der Verfahrensgebühr nach
Nr. 5210 des Kostenverzeichnisses des Gerichtskostengesetzes (Anlage 1). Bei
rechtzeitiger Abgabe der Erledigungserklärung wäre nämlich der angefochtene
Beschluss nicht ergangen und die Verfahrensgebühr nach Nr. 5210 des
Kostenverzeichnisses voraussichtlich nicht in (voller) Höhe von 1,5, sondern nur in
Höhe von 0,5 angefallen. Hierbei geht der Senat davon aus, dass das
Verwaltungsgericht der Antragsgegnerin Gelegenheit gegeben hätte, nach Nr. 5211
Unterziffer 3. des Kostenverzeichnisses durch eine durch die nachträglich getroffene
Versetzungsentscheidung ohnehin veranlasste Kostenübernahmeerklärung die
Verfahrensgebühr auf 0,5 zu reduzieren, und dass die Antragsgegnerin diese
Gelegenheit im eigenen Kosteninteresse auch genutzt hätte.
15
Maßgebend dafür, die übrigen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens der
Antragsgegnerin aufzuerlegen, ist, dass diese dem Begehren der Antragstellerin auf
(vorläufige) Teilnahme am Unterricht der Klasse 3 entsprochen hat, indem die
Versetzungskonferenz am 17. 8. 2009 beschlossen hat, nach neuerlicher Prüfung der
Leistungen und der Leistungsentwicklung die Antragstellerin in die Klasse 3 zu
versetzen. An diesem Billigkeitsgrund ändert es nichts, dass die Antragstellerin wie
ausgeführt es zurechenbar versäumt hat, rechtzeitig vor Ergehen des angefochtenen
Beschlusses den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt zu erklären; dieser
Umstand ist zuvor hinsichtlich der ausscheidbaren erstinstanzlichen Kosten
berücksichtigt. Die übrigen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hätte die
Antragsgegnerin voraussichtlich auch bei rechtzeitiger
Hauptsacheerledigungserklärung zu tragen gehabt, weil das Verwaltungsgericht nach §
161 Abs. 2 VwGO absehbar ebenso über die Kostentragung entschieden hätte.
16
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
17
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1
Satz 5 GKG).
18