Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 09.06.2000

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Oberverwaltungsgericht NRW, 13 B 836/00
Datum:
09.06.2000
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 B 836/00
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 1 L 1295/00
Tenor:
1. Der Antrag der m. W. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer B.
R. , H. weg 30, V. , - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B. und
andere, F. straße 1, D. -, auf Beiladung wird abgelehnt.
2. Die Beschwerde der Beigeladenen wird zugelassen.
3. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 5. Juni 2000 wird
aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 8.000,-- DM
festgesetzt.
G r ü n d e :
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1. Der Beiladungsantrag hat keinen Erfolg.
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Ein Fall notwendiger Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) liegt nicht vor, weil die ihre
Beiladung begehrende Firma nicht an dem streitgegenständlichen Rechtsverhältnis
beteiligt ist. Von einer sog. einfachen Beiladung (§ 65 Abs. 1 VwGO) sieht der Senat im
Rahmen seines Ermessens ab, weil die ihre Beiladung begehrende Firma ihre
rechtlichen Interessen in einem selbst geführten Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz
verfolgen kann und der Kreis der Verfahrensbeteiligten auf das prozessual erforderliche
Maß beschränkt werden soll.
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Vgl. Beschlüsse des Senats vom 16. Juli 1999 - 13 B 843/99 -, vom 11. Februar 2000 -
13 B 1996/99 - und vom 23. Mai 2000 - 13 E 281/00 -.
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2. Der Zulassungsgrund der §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist von der
Beigeladenen hinreichend dargelegt und auch gegeben.
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3. Die Beschwerde hat Erfolg.
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Der Antrag der Antragstellerin auf Zwischenregelung nach §§ 80 Abse. 5 und 8, 80a
Abs. 3 VwGO ist unbegründet. Demgemäß ist der angefochtene Beschluss aufzuheben.
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Die auch im vorliegenden Zwischenregelungsverfahren vorzunehmende Abwägung der
widerstreitenden Interessen, einerseits der Antragstellerin an Bewahrung vor
tatsächlichen und rechtlichen Beeinträchtigungen während der Zwischenzeit bis zur
Entscheidung der Kammer über Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, andererseits
der Beigeladenen an der Realisierung des genehmigten Entgeltes für im befristeten
Test angebotene Telekommunikationsdienstleistungen sowie der Endkunden an neuen
Tarifmodellen, fällt zugunsten der Beigeladenen aus.
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Dabei lässt der Senat die Fragen nach drittschützender Wirkung der Regelungen der
Entgeltregulierung nach dem Telekommunikationsgesetz und der Antragsbefugnis der
Antragstellerin offen. Letztere unterstellt, hätte die Interessenabwägung zu Gunsten der
Antragstellerin ausfallen können, wenn die der Beigeladenen erteilte
Entgeltgenehmigung offensichtlich rechtswidrig wäre. Das ist jedoch nicht der Fall.
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Ein Bestimmtheitsmangel des Beschlusses vom 27. April 2000 - BK 2c 00/004 - ist nicht
erkennbar. Der Tenor der Genehmigung, insbesondere die Fristbestimmung "Der
Testbetrieb beginnt frühestens am 01. 06. 2000", ist klar und eindeutig. Die
Genehmigung leidet auch nicht an einem Regelungsdefizit hinsichtlich der Modalitäten
der Teilhabe anderer Online- Dienste oder der technischen Voraussetzungen für die
Zuführung von XXL-Verkehr zu ihnen. Denn die Regulierungsbehörde brauchte
diesbezüglich keine - ggf. mit Regelungscharakter versehenen - Bestimmungen zu
treffen, weil angesichts der im Entgeltgenehmigungsverfahren erkennbaren Bereitschaft
der Beigeladenen zur Beteiligung anderer Online-Dienste am XXL- Angebot keine
Wettbewerbsverzerrung drohte und ein Verstoß gegen Maßstäbe der Entgeltregulierung
nicht feststellbar war. Überdies stellt das Telekommunikationsgesetz den
Wettbewerbern hinreichende Abwehrmöglichkeiten gegen eine spätere möglicherweise
marktmissbräuchliche Verweigerung des Zugriffs anderer Online-Dienste auf das XXL-
Angebot der Beigeladenen zur Verfügung . Insoweit ist hinzuweisen auf die - von der
Antragstellerin allerdings ohne Erfolg beantragte - nachträgliche Entgeltregulierung
durch die Regulierungsbehörde nach § 30 TKG oder die missbrauchsaufsichtsrechtliche
Verfügung nach § 33 Abs. 2 TKG, die notfalls im Wege einstweiligen Rechtsschutzes
nach § 123 VwGO verfolgt werden könnte. Ob die Regulierungsbehörde überhaupt
ermächtigt ist, eine Entgeltgenehmigung vorsorglich mit Nebenbestimmungen zur
Verhinderung künftigen missbräuchlichen Verhaltens des marktbeherrschenden
Unternehmens zu versehen, kann offenbleiben. Jedenfalls dürfte die
Regulierungsbehörde hier zu weitergehenden Bestimmungen bezüglich der Modalitäten
und der technischen Durchführung des Zugriffs anderer Online-Dienste auf das XXL-
Angebot nicht verpflichtet gewesen sein.
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Auch unabhängig von der - im vorliegen Verfahren nur überschlägigen - rechtlichen
Würdigung der Genehmigung fällt die Interessenabwägung zu Ungunsten der
Antragstellerin aus, weil ihr unzumutbare Nachteile ohne die begehrte
Zwischenentscheidung bis zur Entscheidung der Kammer über ihren Antrag auf
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vorläufigen Rechtsschutz nicht drohen.
Die Regulierungsbehörde hat für die vorgesehene Testlaufzeit des XXL-Tarifs keine
ernsthaften und dauerhaften Beeinträchtigungen der Wettbewerbsfähigkeit anderer
Unternehmen des zu betrachtenden Telekommunikationsmarktes gesehen; eine solche
komme allenfalls in Betracht, wenn andere Anbieter von Online-Diensten im
Unterschied zu T-Online nicht in der Lage wären, zeitgleich auf die geplante Flat-Rate
zugeschnittene eigene Angebote einzuführen.
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Zwar ist der Zeitpunkt der Kammerentscheidung nicht voraussehbar, doch geht der
Senat davon aus, dass andere Online-Dienste-Anbieter aufgrund des von der
Regulierungsbehörde hinreichend lange hinausgeschobenen Testbetriebsbeginns
grundsätzlich in der Lage sind, ein entsprechendes Angebot wie T-ISDNxxl zu
entwickeln und am Markt anzubieten, und dass sie dazu auch die speziellen
Zuführungsleistungen der Beigeladenen für XXL-Verkehr in Anspruch nehmen und
einsetzen können. Die Beigeladene hat, von der Antragstellerin unwidersprochen
vorgetragen, dass sowohl ihre Tochter T-Online als auch andere Online-Anbieter
problemlos Zugriff auf ihr XXL-Angebot nähmen. Tatsächlich bietet die Firma 1 &1 das
XXL-Angebot unter der Internetadresse http://............... an und nach einem Bericht in der
Süddeutschen Zeitung vom 7. Juni 2000 sind auch die Firmen V. I. und M. A. in der
Lage, das XXL-Angebot zu nutzen. Dass dies bei der Antragstellerin grundsätzlich nicht
der Fall sei, ist nicht zur Überzeugung des Senats dargelegt. Er hat ausgehend von den
Ausführungen im Beschluss der Regulierungsbehörde vom 31. Mai 2000 - BK 2c 00/015
- keine Bedenken, dass die von der Beigeladenen vorgesehene und der Antragstellerin
und ihrer Plattform- Betreiberin angebotene technische Realisierung der Abrechnung
von XXL-Verkehr ebenso zumutbar ist wie anderen Online- Anbietern. Sollte die
Antragstellerin bzw. ihre Plattform- Betreiberin sich nicht in der Lage sehen, den XXL-
Verkehr über eine sogenannte Rufnummerngasse abzuwickeln, ist das ein von ihr bzw.
ihnen selbst zu bewältigendes betriebsinternes Problem. § 33 Abs. 1 TKG berechtigt die
Antragstellerin nicht, die Konditionen des Zugriffs auf intern genutzte und/oder am Markt
angebotene Leistungen abweichend als anderen Wettbewerbern dargeboten zu
bestimmen. Jedenfalls aber erscheint der von der Beigeladenen angebotene Zugang für
eine Übergangszeit bis zur Entscheidung der Kammer über Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes für die Antragstellerin nicht unzumutbar.
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Sollte es der Antragstellerin wider Erwarten aus den Gründen ihrer
Beschwerdeerwiderung technisch oder wegen unzumutbarer Kosten unmöglich sein,
Zugriff auf das XXL-Angebot nach den Modalitäten und technischen Voraussetzungen
der Beigeladenen zu nehmen, sähe der Senat auch dann keine durchgreifenden
Nachteile für die Antragstellerin, wenn sie die Kammerentscheidung ohne die
angegriffene Zwischenentscheidung abwartete. Denn der Senat ist nicht davon
überzeugt, dass durch das von der Beigeladenen angebotene "kostenfreie"
Telefonieren und Surfen an Sonntagen und bundeseinheitlichen Feiertagen bis zum
Zeitpunkt der Kammerentscheidung eine spürbare Zahl AOL- gebundener Kunden zur
Beigeladenen bzw. zu ihrem Tochterunternehmen T-Online abwandern oder eine
spürbare Zahl potentieller Kunden sich von vornherein nur ihnen zuwenden oder ein
nennenswerter, dauerhafter Verlust von Anteilen der Antragstellerin am Providermarkt
eintreten wird. Die Antragstellerin hat jedenfalls in dieser Hinsicht nichts
Überzeugendes dargelegt.
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Die Nebenentscheigungen folgen aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO und §§ 20 Abs.
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3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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