Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 01.04.2008
OVG NRW: blaulicht, verfügung, verordnung, stadt, ausstattung, zahl, kreis, deckung, versorgung, fahrzeug
Oberverwaltungsgericht NRW, 8 A 4304/06
Datum:
01.04.2008
Gericht:
Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 A 4304/06
Vorinstanz:
Verwaltungsgericht Köln, 11 K 7012/05
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das auf Grund der mündlichen
Verhandlung vom 6. September 2006 ergangene Urteil des
Verwaltungsgerichts Köln geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 30. November
2005 verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 23. Mai 2005 auf
Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Führen einer Kennleuchte
für blaues Blinklicht (Rundumlicht) und Einsatzhorn für drei
Einsatzfahrzeuge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
neu zu entscheiden, soweit die Einsatzfahrzeuge dem Bluttransport
dienen sollen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen tragen der Kläger und die
Beklagte je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger betreibt einen medizinischen Transportdienst mit Sitz in G. Zu den
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Transportgütern gehören Blut, Stammzellen und Knochenmarktransplantate. In seinem
Unternehmen setzte der Kläger in der Vergangenheit drei Kraftfahrzeuge mit den
amtlichen Kennzeichen X, Y und Z ein. Diese Fahrzeuge sind mit Blaulicht und
Einsatzhorn ausgestattet. Mit Ordnungsverfügungen vom 18. April bzw. 6. Juni 2005
untersagte der Landrat des S.-Kreises den Betrieb von Blaulichtanlage und Einsatzhorn
in diesen Fahrzeugen und forderte deren Demontage. Die daraufhin angestrengten
gerichtlichen Verfahren wurden am 9. Dezember 2005 in der Hauptsache für erledigt
erklärt, weil sich der Kläger zum Nichtgebrauch des Blaulichts verpflichtete.
Der Kläger nahm bereits die am 18. April 2005 vom Landrat erlassene
Ordnungsverfügung zum Anlass, mit Schreiben vom 23. Mai 2005 bei der Beklagten die
Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO und nach § 46 StVO zu
beantragen, um die drei Kraftfahrzeuge mit Blaulicht und Einsatzhorn nutzen und
Transporte von Blut, Stammzellen und Knochenmarktransplantaten mit Sonderrechten
durchführen zu können. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Sein
Unternehmen sei fester Bestandteil der Notfallversorgung und erfülle Aufgaben, die die
gemeinnützigen Hilfsdienste nicht zu leisten imstande seien. Die Mitarbeiter seines
Unternehmens würden von ihm persönlich ausgewählt und geschult sowie auf die
Einhaltung strikter Regeln bei Sonderrechtsfahrten verpflichtet. Der Einsatz von
Sondersignalen erfolge ausschließlich nach ausdrücklicher Anweisung eines Arztes.
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Mit Bescheid vom 30. November 2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab:
Der Transport von Blut, Stammzellen und Knochenmarktransplantaten sei in der Regel
nicht eilbedürftig. Eine entsprechende Bedarfsabfrage in ihrem Regierungsbezirk habe
ergeben, dass die wenigen Fälle, in denen ein Transport mit Blaulicht und
Sonderrechten unabweisbar geboten sei, von den Feuerwehren, den Rettungsdiensten
und dem Katastrophenschutz bewältigt werden könnten. Stammzellen und
Knochenmarktransplantate kämen nur in geplanten Therapien zum Einsatz. Beim
Transport vom entnehmenden Krankenhaus zur behandelnden Einrichtung sei keine
Eile geboten, da die Präparate bei Einhaltung entsprechender Transportbedingungen
auch mehrstündige Transporte ohne Qualitätseinbußen überstünden. Auch bei Blut
entstehe der Hauptbedarf bei geplanten Eingriffen. Für Notfälle hielten die
Einrichtungen in der Regel einen hinreichenden Vorrat an Blut vor. Neben den im
Regierungsbezirk bestehenden vier öffentlichen Blutspendediensten gebe es eine
Anzahl von bei den Krankenhäusern oder privaten Einrichtungen eingerichteten
Blutdepots, auf die in Notfällen zurückgegriffen werden könne. Auf Grund der Ortsnähe
seien die dabei entstehenden Transportzeiten als so gering einzustufen, dass auch der
Gebrauch von Blaulicht und Einsatzhorn keinen signifikanten Zeitvorteil biete.
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Mit Schreiben vom 14. Februar 2006 befragte die Beklagte alle im Krankenhausplan für
ihren Bezirk genannten Krankenhäuser zum Transport von Blutprodukten, Knochenmark
und Organen. Gefragt wurde unter anderem danach, wie häufig ein dringlicher Transport
unter Einsatz von Blaulicht und Einsatzhorn im Jahresdurchschnitt beauftragt werde, ob
es in den letzten drei Jahren, d.h. im Zeitraum von 2002 bis 2005, Probleme mit der
Verfügbarkeit des Transportdienstes oder zeitliche Verzögerungen gegeben habe und
wie Transport und Kühlung der Produkte erfolgten.
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Bereits am 8. Dezember 2005 - vor Zustellung des ablehnenden Bescheides - hat der
Kläger Klage erhoben: Er habe Anspruch auf Erteilung der begehrten
Ausnahmegenehmigungen. Die Beklagte sei als höhere Verwaltungsbehörde für die
Erteilung zuständig. Diese habe ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Sie sei
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zu Unrecht davon ausgegangen, der Transport von Blut, Stammzellen und
Knochenmarktransplantaten könne ohne Gefährdung der ordnungsgemäßen
Versorgung durch die nach § 52 Abs. 3 StVZO rechtmäßig mit Blaulicht ausgestatteten
Fahrzeuge durchgeführt werden. Ihre Umfrage vom 14. Februar 2006 sei fehlerhaft. Im
Regierungsbezirk L. seien nicht ständig Fahrzeuge einsatzbereit, die Blut unter
Beachtung der erforderlichen Qualitätsvorgaben transportieren könnten. Die Fahrzeuge
müssten mit modernen Kühleinrichtungen zur Sicherstellung der geeigneten
Transporttemperatur, einer Temperaturanzeige für den Fahrer und der Dokumentation
der Einhaltung der Normtemperatur ausgestattet sein. Die Beklagte habe nicht
dargelegt, wie viele Fahrzeuge zu welcher Tageszeit und mit welcher Ausstattung für
Notfälle in ihrem Regierungsbezirk zur Verfügung stünden. Im Übrigen seien die Fahrer
von Fahrzeugen im Sinne des § 52 Abs. 3 StVZO im Regierungsbezirk L. nur
unzureichend geschult. Eine aus Gründen der Zeitersparnis erforderliche Blutsuche
durch die Berufsfeuerwehr L. finde nicht statt. Der Transport von Stammzellen sei
eilbedürftig, weil diese innerhalb kurzer Zeit abstürben.
Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 30. November 2005 zu
verpflichten, ihm für drei Einsatzfahrzeuge eine Ausnahmegenehmigung nach § 70
StVZO bzw. nach § 46 StVO zum Führen und zum Betrieb von Blaulicht und
Einsatzhorn zum Zwecke des Eiltransports von Blutkonserven, Stammzellen und
Knochenmarktransplantaten zu erteilen,
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hilfsweise,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 30. November 2005 zu
verpflichten, über seinen Antrag auf Erteilung der genannten Ausnahmegenehmigung
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages ausgeführt: Der Kläger habe
auch nach Auswertung der Umfrage vom 14. Februar 2006 keinen Anspruch auf
Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung. Die vergleichsweise geringe Anzahl
von Notfalltransporten könne durch die im Sinne des § 52 Abs. 3 StVZO rechtmäßig mit
Blaulicht ausgestatteten Fahrzeuge gewährleistet werden. Ein dezidierter Nachweis
über die Anzahl und die Ausstattung der im gesamten Regierungsbezirk zu jeder
Tageszeit für Notfallbluttransporte zur Verfügung stehenden Einsatzfahrzeuge sei nicht
erforderlich. Ein solcher Nachweis sei nur für solche Stellen erforderlich, an denen
große Mengen von Blut gelagert würden und an denen Bluttransporte deshalb
regelmäßig begännen. Große, den Instituten des DRK-Blutspendedienstes West
vergleichbare Einrichtungen der Blutversorgung, von denen mehrmals täglich
Lieferungen durch Fahrzeuge mit Sonderrechten abgerufen würden, existierten im
Regierungsbezirk L. nicht. Der Regierungsbezirk werde seitens des DRK über die
Blutspendedienste in F. und I. mitversorgt. Die kleineren staatlichen bzw. kommunalen
Blutbanken an den Universitätsklinika B., C. und L. sowie bei den Krankenanstalten L.-
N. dienten primär der Eigenversorgung. Sie gäben Blutkonserven nur in
ungewöhnlichen Ausnahmefällen an andere Einrichtungen ab. Die Anzahl der
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abgegebenen Konserven bewege sich dabei im einstelligen oder niedrig zweistelligen
Bereich pro Jahr und Einrichtung. Das Vorhalten von Fahrzeugen mit Sonderrechten für
die Blutversorgung sei - wenn überhaupt - nur am Standort der Versorger sinnvoll. Die in
Einzelfällen unzureichende Ausrüstung der Fahrzeuge, die rechtmäßig mit Blaulicht
ausgestattet seien, vermöge keinen Bedarf für die Erteilung einer
Ausnahmegenehmigung zu begründen. Die Sicherstellung des ordnungsgemäßen
Transports obliege der Verantwortung des Herstellers bzw. der Einrichtung der
Krankenversorgung. Sofern bei wenigen Notfallbluttransporten Probleme aufgetreten
seien, werde dem nachgegangen und eine Minimierung der Fehlerquellen angestrebt.
Der Kläger habe ihr gegenüber auch keinen Anspruch auf Erteilung einer bundesweiten
Ausnahmegenehmigung für den Transport von Stammzellen und
Knochenmarktransplantaten mit Blaulicht und Einsatzhorn. Sie sei für die Erteilung einer
bundesweiten Ausnahmegenehmigung nicht zuständig. Unabhängig davon sei der
Transport von Stammzellen und Knochenmarktransplantaten grundsätzlich in den
wenigsten Fällen unter Inanspruchnahme von Sonderrechten durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf die mündliche Verhandlung vom 6.
September 2006 abgewiesen.
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Auf Antrag des Klägers hat der Senat durch Beschluss vom 7. Februar 2008 die
Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.
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Der Kläger wiederholt und vertieft mit der Begründung seiner Berufung seinen
erstinstanzlichen Vortrag und führt ergänzend im Wesentlichen aus: Der Bedarf an Blut
werde nicht nur von den Instituten für Transfusionsmedizin des DRK-
Blutspendedienstes West in F. und I., denen bei der Routine-, nicht aber bei der
Notfallversorgung eine besondere Bedeutung zukomme, sondern auch von weiteren
Blutbanken gedeckt, so von der Uniklinik L., dem Klinikum L.-N. und dem Labor Y. Zur
Rettung von Menschenleben sei es zwingend erforderlich, Blutkonserven bei einem
benachbarten Krankenhaus in kürzester Zeit abzurufen. Das von der Berufsfeuerwehr
praktizierte Verfahren, wonach ein Notarzt der Leitstelle über die Eilbedürftigkeit des
Transports befinde, sei unpraktikabel. Das Vorhalten einer Transportbox bei der
Berufsfeuerwehr L. sei unzureichend.
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Der Kläger beantragt,
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das auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2006 ergangene Urteil des
Verwaltungsgerichts Köln zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres
Bescheides vom 30. November 2005 zu verpflichten, ihm für drei Einsatzfahrzeuge eine
Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO zum Führen einer oder mehrerer
Kennleuchten für blaues Blinklicht (Rundumleuchte) und Einsatzhorn zum Zwecke des
landesweiten Notfalltransports von Blutkonserven und des bundesweiten, hilfsweise
landesweiten Notfalltransports von Stammzellen und Knochenmarktransplantaten zu
erteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung führt sie aus: An den Transfusionszentren des DRK-
Blutspendedienstes West in F. bzw. I. stünden 9 bzw. 16 Fahrzeuge mit Sonderrechten
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jederzeit zur Verfügung. Diese verfügten über die erforderlichen Transportmittel mit
Datenschreiber. Die Einsatzkräfte seien entsprechend geschult. Unerheblich sei, ob
auch an anderen Standorten entsprechend ausgestattete Fahrzeuge für die
Notfallblutversorgung zur Verfügung stünden. Im Übrigen seien Blutprodukte
Arzneimittel und dürften ohne spezielle Erlaubnis nicht von Krankenhaus zu
Krankenhaus abgegeben werden. Zudem habe eine erneute Abfrage ergeben, dass an
den abgebenden Stellen kein offener Bedarf bestehe. Der Rettungsdienst der Stadt L.
sei, wie sich aus dem Schreiben der Berufsfeuerwehr L. vom 6. März 2008 ergebe, in
der Lage, erforderliche Notfallfahrten durchzuführen. Dies gelte nach dem Schreiben der
Oberbürgermeisterin der Stadt C. vom 5. März 2008 auch für die Stadt C. Die
Transfusionsbeauftragten von fünf der sieben im S.- Kreis gelegenen Krankenhäuser
bestätigten in ihren Stellungnahmen, dass nur in wenigen Notfällen Blut an andere
Krankenhäuser abgegeben werde. Der Transport erfolge ordnungsgemäß durch Kräfte
der Johanniter, der Malteser bzw. des DRK.
Im Berufungsverfahren hat der Senat zum Transport von Thrombozytenkonzentraten
und zum Transport von Stammzellen und Knochenmarktransplantaten Stellungnahmen
des Instituts für Transfusionsmedizin des DRK-Blutspendedienstes West in N. bzw. der
Bundesärztekammer und der DKMS (Deutsche Knochenmarkspenderdatei
gemeinnützige Gesellschaft mbH) eingeholt sowie den Leiter des Rettungsdienstes der
Stadt L., Prof. Dr. Dr. M., informatorisch angehört.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
dieses Verfahrens und der Verfahren VG Köln 11 K 4606/05, 11 K 5812/05, 11 L 664/05,
11 L 1085/05, 11 L 1087/05 und 11 L 1403/05 sowie die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Landrates des S.- Kreises Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
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Soweit der Kläger die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 Abs. 1
Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.
September 1988 (BGBl. I S. 1793), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 22.
Januar 2008 (BGBl. I S. 54), - StVZO - für den Blaulichttransport von Blut begehrt, hat er
einen Anspruch auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag. Im
Übrigen ist die Berufung unbegründet.
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A. I. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Erteilung
einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO für die Ausstattung dreier
Fahrzeuge mit blauem Rundumlicht und Einsatzhorn, für die die Beklagte als höhere
Verwaltungsbehörde zuständig ist (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2 StVZO, § 1 Abs. 2 der
Verordnung über die Bestimmung der zuständigen Behörden nach der StVZO vom 6.
Januar 1999 (GV. NRW. S. 32), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 6.
Februar 2007 (GV. NRW. S. 104)).
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Der Kläger bedarf einer Ausnahmegenehmigung, um seine Transportfahrzeuge mit
Blaulicht ausstatten zu dürfen (1.). Die Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung
liegt im behördlichen Ermessen, auf dessen fehlerfreie Ausübung der Kläger einen
Anspruch hat (2.). Dieses Ermessen hat die Beklagte noch nicht gemäß § 114 Satz 1
28
VwGO fehlerfrei ausgeübt (3.).
1. Für die Ausstattung seiner Transportfahrzeuge mit Blaulicht und Einsatzhorn bedarf
der Kläger einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO. Nach dieser
Vorschrift können die höheren Verwaltungsbehörden in bestimmten Einzelfällen oder
allgemein für bestimmte einzelne Antragsteller Ausnahmen unter anderem auch von
den in § 52 Abs. 3 Satz 1 bzw. 55 Abs. 3 Satz 3 StVZO enthaltenen Verboten
genehmigen, andere Fahrzeuge als die dort im Einzelnen aufgeführten mit Blaulicht
bzw. Einsatzhorn zu versehen.
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Die Einsatzfahrzeuge des Klägers fallen nicht unter die in § 52 Abs. 3 Satz 1 StVZO
aufgeführten Fahrzeuge. Zwar zählten zu den dort genannten Fahrzeugen, die
zulässigerweise mit Blaulicht ausgestattet werden durften, nach der bis zum 31. März
2000 geltenden Nr. 5 des § 52 Abs. 3 Satz 1 StVZO auch Kraftfahrzeuge, die nach ihrer
Einrichtung zur Beförderung von Blutkonserven geeignet und nach dem
Fahrzeugschein als Kraftfahrzeuge des Blutspendedienstes anerkannt waren. Diese
Fallgruppe ist jedoch mit der Streichung der Nr. 5 des § 52 Abs. 3 Satz 1 StVZO durch
die 31. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 23. März
2000 (BGBl. I S. 310, ber. BGBl. I S. 706) entfallen.
30
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. März 2006 - 8 A 5229/04 -, VRS 110, 459 (460).
31
2. Nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO steht die Erteilung der begehrten
Ausnahmegenehmigung im Ermessen der Behörde. Die Vorschrift soll Abweichungen
von generellen Bestimmungen der Straßenverkehrs-Zulassungs- Ordnung ermöglichen,
um besonderen Ausnahmesituationen Rechnung zu tragen, die bei strikter Anwendung
der Bestimmungen nicht hinreichend berücksichtigt werden könnten. Ob ein solcher
besonderer Ausnahmefall vorliegt, bemisst sich nach dem Ergebnis eines Vergleichs
der Umstände des konkreten Falles mit dem typischen Regelfall, welcher dem
generellen Verbot zu Grunde liegt. Das so gewonnene Merkmal einer
Ausnahmesituation ist sodann unverzichtbarer Bestandteil der einheitlich zu treffenden
Ermessensentscheidung.
32
Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Februar 2002 - 3 C 33.01 -, NZV 2002, 426 (427), und vom
13. März 1997 - 3 C 2.97 -, BVerwGE 104, 154 (157); OVG NRW, Urteil vom 8. März
2006 - 8 A 5229/04 -, VRS 110, 459 (460 f.).
33
Für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Ausstattung von Fahrzeugen mit
Blaulicht muss die Behörde deshalb insbesondere die § 52 Abs. 3 Satz 1 StVZO zu
Grunde liegende Erwägung berücksichtigen, dass die Zahl der mit Blaulicht
ausgerüsteten Fahrzeuge möglichst gering bleiben muss. Dies ist notwendig, weil sich -
erstens - mit einer zunehmenden Zahl von Blaulichtfahrzeugen die Missbrauchsgefahr
und damit die Gefahr schwerster Unfälle vergrößert und weil - zweitens - eine Zunahme
von Fahrzeugen mit Blaulicht, deren Notwendigkeit nicht am Erscheinungsbild der
Fahrzeuge erkennbar ist, die Akzeptanz von Blaulichteinsätzen in der Bevölkerung
vermindert.
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Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Februar 2002 - 3 C 33.01 -, NZV 2002, 426 (427), und vom
19. Oktober 1999 - 3 C 40.98 -, Buchholz 442.16 § 52 StVZO Nr. 1 S. 3; OVG NRW,
Urteil vom 8. März 2006 - 8 A 5229/04 -, VRS 110, 459 (461).
35
Allerdings ist der Einsatz von Blaulicht zum Transport von Blut in bestimmten
Situationen geboten. Für derartige Fälle besteht ein Bedürfnis, Fahrzeugkapazitäten
vorzuhalten.
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Der Verordnungsgeber hat die Notwendigkeit von Bluttransporten mit Blaulicht deutlich
dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er gemäß Art. 1 Nr. 16 f) der Verordnung zur
Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 16. November 1970 (BGBl. I
S. 1615) in § 52 Abs. 3 StVZO die frühere Nr. 5 aufgenommen hat, nach der
Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Einrichtung zur Beförderung von Blutkonserven geeignet
und im Kraftfahrzeugschein als Fahrzeug des Blutspendedienstes anerkannt waren,
ebenfalls mit Blaulicht ausgestattet sein durften. Er wollte damit seinerzeit dem
Erfordernis Rechnung tragen, den raschen Transport von Blutkonserven in dringenden
Fällen zu fördern, zugleich
37
aber durch Einführung einer behördlichen Anerkennung die Berechtigung auf
Spezialfahrzeuge beschränken, um die Wirkung des Blaulichts nicht zu beeinträchtigen.
38
Vgl. Amtliche Begründung zur Verordnung zur Änderung der StVZO vom 16. November
1970, VkBl. 1970, 826 (832).
39
Diese Zielsetzung ist durch die Aufhebung des § 52 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5
Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.
September 1988 (BGBl. I S. 1793), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 3.
Februar 1999 (BGBl. I S. 82) , - StVZO 1999 - nicht aufgegeben worden. Mit der
Streichung der Vorschrift ist insbesondere die Erforderlichkeit des Einsatzes von
Blaulicht in besonderen Eilfällen auch für Bluttransporte nicht generell in Frage gestellt
worden. Hintergrund war vielmehr, dass die Vorschrift in der Vergangenheit "immer
wieder zu Missdeutungen, ungewolltem Auslegen der Vorschriften und
'Begehrlichkeiten' bezüglich der Ausrüstung bestimmter Kfz mit Kennleuchten für blaues
Blinklicht" geführt hatte. Da aber in der überwiegenden Mehrheit der Fälle kein Blaulicht
notwendig ist, ging der Verordnungsgeber davon aus, dass der Transport in den
verbleibenden Notfällen in der Regel von bereits nach § 52 Abs. 3 StVZO anerkannten
Fahrzeugen wahrgenommen werde.
40
Vgl. Amtliche Begründung zur 31. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher
Vorschriften, VkBl. 2000, 360 (366).
41
Darin liegt die Erwartung eingeschlossen, dass auch in Zukunft in Notfällen Blut unter
Einsatz von Sonderrechten zu befördern sein wird, wenn im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz
1 StVO höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere
gesundheitliche Schäden abzuwenden.
42
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2002
43
- 3 C 33.01 -, NZV 2002, 426 (427); OVG NRW, Urteil vom 8. März 2006 - 8 A 5229/04 -,
VRS 110, 459 (461).
44
Nach dem Regelungszweck des § 52 Abs. 3 StVZO darf die Erteilung einer
Ausnahmegenehmigung zur Ausstattung von Transportfahrzeugen mit Blaulicht jedoch
mit der Begründung abgelehnt werden, die wenigen auf den Einsatz von Blaulicht
angewiesenen Bluttransporte könnten in Notfällen ohne Gefährdung der
45
ordnungsgemäßen Versorgung durch die nach § 52 Abs. 3 StVZO rechtmäßig mit
Blaulicht ausgestatteten Fahrzeuge durchgeführt werden.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2002 - 3 C 33.01 -, NZV 2002, 426 (427); OVG
NRW, Urteil vom 8. März 2006 - 8 A 5229/04 -, VRS 110, 459 (461).
46
Dies steht mit der grundrechtlich gewährleisteten Berufsfreiheit in Einklang, weil der
Verordnungsgeber aus sachlich gerechtfertigten Erwägungen den mit der Beförderung
von Blut befassten Transportunternehmen im Hinblick auf die Gefahren und einen
regelmäßig nicht bestehenden Bedarf generell kein Blaulicht zugesteht. Soweit dadurch
private Hilfsdienste faktisch begünstigt werden, liegt darin kein unzulässiger
Konkurrentenschutz; vielmehr handelt es sich lediglich um die Nutzung von ohnehin für
Schadensereignisse vorzuhaltenden Fahrzeugkapazitäten für den Transport von Blut.
Genügen diese Kapazitäten für den Bedarf, so ist für die Einräumung von
Sonderrechten auch unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit von vornherein kein
Raum.
47
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2002 - 3 C 33.01 -, NZV 2002, 426 (427); OVG
NRW, Urteil vom 8. März 2006 - 8 A 5229/04 -, VRS 110, 459 (461 f.).
48
Die Entscheidung, ob der Bedarf an Blaulichtfahrzeugen gedeckt ist, kann allerdings
zumindest in Ländern wie Nordrhein-Westfalen, in denen der Bluttransport nicht als
Aufgabe des Rettungsdienstes gesetzlich vorgesehen ist (vgl. §§ 1, 2 und 6 RettG
NRW) - anders ist dies etwa in Niedersachsen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 NRettDG - nicht
unabhängig von der Beurteilung der jeweiligen örtlichen Situation getroffen werden.
Zumindest in den Ländern, in denen der Rettungsdienst keine Bluttransportfahrzeuge
mit geeigneten Kühleinrichtungen und kein einschlägig geschultes Personal vorhalten
muss und vorhält, trifft nämlich die der Streichung des § 52 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 StVZO
1999 zu Grunde liegende Annahme des Verordnungsgebers, eilige Bluttransporte
könnten in der Regel von bereits nach § 52 Abs. 3 StVZO anerkannten Fahrzeugen
wahrgenommen werden, auf Grund aktueller gesetzlicher Qualitätsanforderungen, die
auch in Notfällen einzuhalten sind, nicht mehr ohne Weiteres zu.
49
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. März 2006 - 8 A 5229/04 -, VRS 110, 459 (462).
50
Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 des Transfusionsgesetzes in der Fassung der
Bekanntmachung vom 5. September 2007 (BGBl. I S. 2170) - TFG - darf der Transport
von Blutprodukten aus zellulären Blutbestandteilen und Frischplasma nur nach einem
im Rahmen des Qualitätssicherungssystems schriftlich festgelegten Verfahren erfolgen.
Der Bluttransport fällt unter die im dritten Abschnitt des Gesetzes geregelte "Anwendung
von Blutprodukten" und die hierfür geltenden Bestimmungen zur Qualitätssicherung. In
Umsetzung der von den Mitgliedstaaten bis zum 8. Februar 2005 umzusetzenden
Richtlinie 2004/33/EG der Kommission vom 22. März 2004 (ABl. L 91 vom 30. März
2004, S. 25) und auf der gesetzlichen Grundlage der §§ 12 und 18 des
Transfusionsgesetzes vom 1. Juli 1998 (BGBl. I S. 1752), zuletzt geändert durch Art. 1
des Gesetzes vom 10. Februar 2005 (BGBl. I. S. 234), hat darüber hinaus der Vorstand
der Bundesärztekammer die Gesamtnovelle 2005 der Richtlinien zur Gewinnung von
Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie)
beschlossen (BAnz. vom 5. November 2005). Nach Nr. 3.2 dieser Richtlinien muss beim
Transport von Blutprodukten vom Hersteller zu der Einrichtung der Krankenversorgung
unter der Verantwortung des Herstellers oder der Einrichtung der Krankenversorgung
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sichergestellt sein, dass die für die jeweiligen Blutprodukte unter Nr. 4.1 vorgegebenen
Temperaturen aufrecht erhalten bleiben. Gleichfalls bestimmt ist in Nr. 3.2, dass die für
die sichere Einhaltung der Transporttemperaturen erforderlichen Organisationsabläufe,
Geräte und Anforderungen an die Mitarbeiter im jeweiligen Qualitätssicherungssystem
schriftlich festzulegen sind. Die Qualitätssicherungssysteme müssen zur
ordnungsgemäßen Umsetzung europarechtlicher Vorgaben sicherstellen, dass der
Bluttransport im Sinne von Art. 6 i.V.m. Anhang V Nr. 2 der Richtlinie 2004/33/EG auf
allen Stufen der Transformationskette unter validierten Bedingungen erfolgt, damit die
Integrität der Produkte erhalten bleibt.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. März 2006 - 8 A 5229/04 -, VRS 110, 459 (462).
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Wegen dieser für Blut geltenden, besonderen rechtlichen Anforderungen, die
53
über den bloßen Umstand hinausgehen, ob irgendein Blaulichtfahrzeug verfügbar ist,
bedarf es der Feststellung im Einzelfall, ob für Notfälle auch tatsächlich ständig
Fahrzeuge einsatzbereit sind, die Blut unter Beachtung dieser Qualitätsvorgaben
transportieren können und nach § 52 Abs. 3 StVZO rechtmäßig mit Blaulicht
ausgestattet sind.
54
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. März 2006 - 8 A 5229/04 -, VRS 110, 459 (462).
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Sofern nicht genügend Blaulichtfahrzeuge für ordnungsgemäße Transporte verfügbar
sind, darf eine Ausnahmegenehmigung nicht deshalb abgelehnt werden, weil die
erforderlichen Notfallfahrten in der Regel anderweitig erfüllt werden können. Darauf
kann sich der jeweilige Antragsteller berufen, weil die Ermessensentscheidung auch
seinem Interesse zu dienen bestimmt ist. Sie erfordert nämlich grundsätzlich, dass die
Behörde die mit dem Verbot verfolgten öffentlichen Interessen den privaten Interessen
des Antragstellers gegenüberstellt.
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Vgl. OVG NRW, Urteile vom 8. März 2006 - 8 A 5229/04 -, VRS 110, 459 (463), und vom
12. Mai 2000 - 8 A 2698/99 -, NZV 2000, 514 (515); siehe auch zu § 46 StVO BVerwG,
Urteil vom 20. Mai 1987 - 7 C 60.85 -, Buchholz 442.151 § 46 StVO Nr. 7, S. 3.
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3. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte die von dem Kläger begehrte
Ausnahmegenehmigung nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO ermessensfehlerhaft abgelehnt.
Die für die Ablehnungsentscheidung angeführte Begründung, andere ohnehin
rechtmäßig mit Blaulicht ausgestattete Fahrzeuge könnten erforderliche
Notfallbluttransporte durchführen, trifft zwar zu, soweit es um die Notfallblutversorgung in
L. geht (a). Hingegen kann die Beklagte ihre Ermessensentscheidung nicht auf diese
Begründung stützen, soweit die Notfallblutversorgung darüber hinaus im Streit steht (b).
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a) Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass für in L. beginnende
Notfallbluttransporte genügend Fahrzeuge zur Verfügung stehen, die nach § 52 Abs. 3
StVZO rechtmäßig mit Blaulicht ausgestattet sind und Blut unter Beachtung der dafür
bestehenden rechtlichen Anforderungen transportieren können.
59
aa) Sie hat zutreffend angenommen, dass die Zahl der erforderlichen
Notfallbluttransporte in L. pro Jahr und Einrichtung im ein- bis niedrig zweistelligen
Bereich liegt. Die Richtigkeit dieser Einschätzung folgt bereits aus der von ihr mit
Schreiben vom 28. Februar 2008 eingeholten Stellungnahme der Berufsfeuerwehr der
60
Stadt L. Aus dieser geht hervor, dass in der Zeit von März bis Ende 2007 insgesamt 176
von L.er Blutdepots oder anderen L.er Krankenhäusern ausgehende
Sonderrechtsfahrten zum Zwecke des Bluttransports durchgeführt wurden. Dies
entspricht bei einer für den Kläger günstigen Hoch- und Umrechnung 13
Notfallbluttransporten pro Jahr und Einrichtung (= 176 Einsätze : 9 Monate x 12 Monate :
18 Einrichtungen).
bb) Bei der von der Beklagen zutreffend angenommenen Größenordnung an jährlich
erforderlichen Blaulichttransporten ist nicht ersichtlich, dass diese nicht von den
rechtmäßig gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVZO mit Blaulicht ausgestatteten
Fahrzeugen in aller Regel bewältigt werden können.
61
In L. stehen nach den vom Kläger nicht in Zweifel gezogenen Angaben Prof. Dr. Dr. M.s
vorrangig mindestens sechs Fahrzeuge des privaten Rettungsdienstes für
Notfallbluttransporte zur Verfügung, die über entsprechende Kühleinrichtungen für den
Bluttransport verfügen. Für die Besetzung dieser Fahrzeuge mit geschultem Personal
spricht bereits, dass die Fahrzeuge auch im Regelbluttransport zum Einsatz kommen.
Dass diese Fahrzeuge nicht rechtmäßig mit Blaulicht ausgestattet sind, ist angesichts
ihrer Einbindung in den Rettungsdienst nicht ersichtlich.
62
Nachrangig kann auf die rechtmäßig mit Blaulicht ausgestatteten Fahrzeuge der
Berufsfeuerwehr L. und das im Umgang mit Blutprodukten grundsätzlich geschulte
Feuerwehrpersonal zurückgegriffen werden. Zunächst können die bereits auf Grund der
ERC-Leitlinien mit kompressorgestützten Kühlvorrichtungen ausgestatteten
Notarztfahrzeuge für Notfallbluttransporte eingesetzt werden. Soweit im Übrigen die
Fahrzeuge der Berufsfeuerwehr L. nicht mit einer Kühlbox ausgestattet sind, steht eine
auf der Feuerwache 5 (T.-------straße , L.) vorgehaltene, mobile Kühleinrichtung zur
Verfügung.
63
Dass die in den Fahrzeugen der Berufsfeuerwehr L. zum Einsatz kommenden
Kühleinrichtungen nicht zum Gefrieren, sondern nur zum Kühlen geeignet sind, wie Prof.
Dr. Dr. M. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigte, steht der Annahme,
die Fahrzeuge der Berufsfeuerwehr L. seien für den ordnungsgemäßen Bluttransport
grundsätzlich geeignet, nicht entgegen.
64
Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate müssen nicht tiefgefroren transportiert
werden. Nach Nr. 4.1 der Richtlinien der Bundesärztekammer zur Gewinnung von Blut
und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) vom 19.
September 2005 soll die Transporttemperatur bei
65
Erythrozyten +1 °C bis +10 °C und bei Thrombozyten Raumtemperatur betragen. Auch
gefrorenes Frischplasma kann nach diesen Richtlinien bei Raumtemperatur befördert
werden, wenn es zur sofortigen Transfusion bestimmt ist. Nur wo dies nicht der Fall ist,
kommen die Fahrzeuge der Berufsfeuerwehr L. für den Notfallbluttransport nicht in
Betracht. In solchen Situationen kann aber nach Auskunft Prof. Dr. Dr. M.s auf die
bereits erwähnten privaten Rettungsdienste zurückgegriffen werden, die über
entsprechende Kühlboxen verfügen.
66
Unerheblich ist demgegenüber, dass in L. nicht an einer Blutprodukte abgebenden
Einrichtung oder mehreren Blutprodukte abgebenden Einrichtungen ständig
einsatzbereite Blaulichtfahrzeuge stationiert sind. Selbst wenn an einzelnen
67
Einrichtungen vermehrt Bluttransporte beginnen, handelt es sich nicht um eine solche
Zahl, die eine ständige Einsatzbereitschaft an diesen Einrichtungen erfordert. Schon die
Gesamtzahl der in L. im Jahr 2007 erforderlich gewordenen Notfallbluteinsätze zeigt,
dass in L. keine den Transfusionszentren des DRK- Blutspendedienstes West
vergleichbare Einrichtungen bestehen, von denen nahezu täglich Notfallbluttransporte
starten.
Auch ist nicht maßgeblich, dass der Rettungsdienst bezirksbezogen eingerichtet ist.
Denn im Rahmen des Notfallbluttransports können die Bezirksgrenzen, wie Prof. Dr. Dr.
M. bestätigt hat, ohne Weiteres überschritten, kann also Blut beispielsweise von L. nach
E. transportiert werden.
68
cc) Der Notfallbluttransport durch rechtmäßig mit Blaulicht ausgestattete Fahrzeuge der
Berufsfeuerwehr L. und der in den Rettungsdienst der Stadt L. eingebundenen privaten
Hilfsdienste ist in L. auch in einer den Notfällen in der Regel gerecht werdenden Weise
organisiert und leidet nicht an beachtlichen strukturellen Mängeln.
69
Dass nach Nr. 4 der für den Rettungsdienst in L. geltenden Verfahrensanweisung
MEDTRANS vom 3. September 2004 über die Eilbedürftigkeit des Bluttransports durch
den Leitenden Notarzt vom Dienst in der Leitstelle entschieden wird, führt nicht zu einer
beachtlichen zeitlichen Verzögerung. Vielmehr wird in der Regel anzunehmen sein,
dass sich der Leitende Notarzt vom Dienst ohne Weiteres der Auffassung des
behandelnden Arztes anschließt, weil dieser auf Grund größerer Sachnähe am Besten
beurteilen kann, ob der Bluttransport mit Blaulicht und Einsatzhorn durchgeführt werden
muss. Kleinere, durch die nach der Verfahrensanweisung MEDTRANS vorgesehene
Einbindung des Leitenden Notarztes vom Dienst in die Organisation des
Notfallbluttransports bedingte Verzögerungen sind hinzunehmen, weil die Einbindung
des Notarztes auf der Leitstelle zumindest langfristig verhindern kann, dass
Bluttransporte dort mit Blaulicht und Einsatzhorn und daher mit einer erheblichen
Gefährdung von Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer erfolgen, wo die Einrichtungen
der Krankenversorgung aus wirtschaftlichen Gründen Blut nur in unzureichendem
Umfang bevorraten.
70
Zeitverzögerungen, deren Ursache darin liegt, dass Notfallbluttransporte von der
Leitstelle lediglich im Sinne eines Fahrdienstes organisiert und von den rechtmäßig mit
Blaulicht und Einsatzhorn ausgestatteten Fahrzeugen der Feuerwehr und des
Rettungsdienstes durchgeführt werden, bewegen sich in engem Rahmen und sind
deshalb hinnehmbar. Es ist auch nicht entscheidend, wer Notfallbluttransporte am
besten oder kostengünstigsten durchführen kann. Der Verordnungsgeber hat sich
zwischen mehreren möglichen Organisationsformen des Notfallbluttransports
entschieden und im Interesse einer Erhöhung der Verkehrssicherheit den
Notfallbluttransport durch die bereits rechtmäßig mit Blaulicht ausgestatteten Fahrzeuge
im Sinne des § 52 Abs. 3 StVZO vorgezogen. Es kommt daher nicht darauf an, ob der
Kläger, der Blutsuche und Transport aus einer Hand anbietet, Blut im Notfall mit
geringeren Reibungsverlusten transportieren könnte.
71
b) Die Annahme der Beklagten, auch außerhalb L.s seien ausreichend rechtmäßig mit
Blaulicht und Einsatzhorn ausgestattete Fahrzeuge vorhanden, die Blut unter
Einhaltung der für den Bluttransport maßgeblichen Bestimmungen transportieren
könnten, beruht hingegen auf unzutreffenden Annahmen und einer unzureichenden
Ermittlung des für die Ermessensentscheidung maßgeblichen Sachverhalts. Das gilt
72
sowohl bezogen auf den Zeitpunkt der zunächst für die Rechtmäßigkeit der
Ermessensentscheidung maßgeblichen letzten Behördenentscheidung als auch
bezogen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, in der der Vertreter der
Beklagten an der Entscheidung auch im Hinblick auf die aktuelle Situation festgehalten
hat.
aa) Entgegen der Einschätzung der Beklagten genügt es nicht, dass an den
Transfusionszentren des DRK-Blutspendedienstes West in F. und I., die der Versorgung
des Regierungsbezirks dienen, ausreichend Fahrzeuge zur Verfügung stehen, die Blut
unter Beachtung der aufgezeigten Qualitätsvorgaben transportieren können.
73
Für ihre Auffassung kann sich die Beklagte nicht auf das Urteil des Senats vom 8. März
2006 im Verfahren 8 A 5229/04 stützen. Der Senat hat es in dieser Entscheidung
genügen lassen können, dass am Standort des Transfusionszentrums des DRK-
Blutspendedienstes West in N. eine ausreichende Zahl rechtmäßig mit Blaulicht und
Einsatzhorn ausgestatteter und für den Bluttransport eingerichteter Fahrzeuge zur
Verfügung stand, weil das Fahrzeug der Klägerin in jenem Verfahren seinen ständigen
Standort gleichfalls in N. hatte.
74
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. März 2006 - 8 A 5229/04 -, VRS 110, 459 (469).
75
Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Der ständige Standort der
Transportfahrzeuge des Klägers ist nicht in F. oder I., sondern in G.
76
Allein auf die Transfusionszentren in F. und I. kann die Beklagte auch aus einem
anderen Grund nicht abstellen. Denn bei dort beginnenden Notfallbluttransporten für
den Regierungsbezirk L. kann die angestrebte und unter Umständen lebensrettende
Zeitersparnis, die auch aus der Sicht des Verordnungsgebers geboten ist, in der Regel
nicht erzielt werden, weil die Entfernung der in Rede stehenden Transfusionszentren
zum Regierungsbezirk zu groß ist. Zudem werden Sonderrechte bei Transporten von
dort aus über eine längere Strecke benötigt, was das Risiko eines schweren Unfalls
während der Einsatzfahrt deutlich erhöht.
77
bb) Die Beklagte hat zudem den möglichen Einsatzbereich der Fahrzeuge des Klägers
nicht sachgerecht erfasst (1) und die Deckung des Bedarfs an Notfallbluttransporten in
den von ihr außerhalb L.s betrachteten Bereichen aufgrund fehlerhafter tatsächlicher
und rechtlicher Annahmen als gegeben angesehen (2).
78
(1) Die Beklagte hat bei ihrer Bedarfsprüfung lediglich einen Teil des in Betracht
kommenden Einsatzbereichs der Fahrzeuge des Klägers zugrunde gelegt.
79
Sie ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass es für die Bedarfsprüfung bei
Notfallbluttransporten auf den engeren örtlichen Bereich ankommt, in dem der ständige
Standort der Fahrzeuge des Klägers liegt, nicht jedoch darauf, auf welchen Strecken
diese Fahrzeuge verkehren. Die Vorstellung des Klägers, er könne einen
Einsatzbereich in einem Umkreis von mindestens 100 km um L. bedienen, verkennt,
dass es bei einem Notfalltransport aus Zeitgründen auf möglichst kurze Anfahrtswege
ankommt. Bereits in seinem Urteil vom 8. März 2006 - 8 A 1117/05 - ist der Senat davon
ausgegangen, dass ein in Bielefeld stationiertes (zum Notfallbluttransport grundsätzlich
geeignetes) Fahrzeug nicht den Notfallbedarf in Bad Salzuflen decken kann. Gleiches
gilt für ein Fahrzeug, dass sich regelmäßig an unterschiedlichen Orten weit vom
80
Standort entfernt aufhält oder verkehrt und damit in seinem potentiellen Einsatzbereich
nicht regelmäßig zur Verfügung steht.
In die Bedarfsprüfung müssen daher keine Zielorte einbezogen werden, die vom
ständigen Standort der Fahrzeuge auch unter Einsatz von Blaulicht und Einsatzhorn
nicht mehr in einer dem Notfallbluttransport angemessenen Zeit (Eintreffzeit) erreicht
werden können. Die Eintreffzeit zu bestimmen, obliegt dabei der für die Durchführung
des Transfusionsgesetzes zuständigen Behörde, weil es sich wie bei den Eintreffzeiten
in der Notfallrettung um einen Kompromiss zwischen den notfallmedizinischen
Erfordernissen und dem wirtschaftlich Realisierbaren handelt.
81
Vgl. zu den Eintreffzeiten in der Notfallrettung, die auf Notfallbluttransporte nicht ohne
Weiteres übertragbar sind: Prütting, Rettungsgesetz Nordrhein-Westfalen, Kommentar,
3. Auflage, 2001, § 2 RettG Rn. 9 und 10.
82
Weiter können solche Notfallbluttransportstrecken unberücksichtigt bleiben, bei denen
die Anfahrt vom ständigen Standort der Transportfahrzeuge des Antragstellers zur
blutabgebenden Stelle soviel Zeit in Anspruch nehmen würde, dass die Gesamtfahrzeit
eines Transportfahrzeugs des Antragstellers die eines Normaltransports von der Blut
abgebenden zur Blut aufnehmenden Stelle überschreiten würde.
83
Vgl. diesbezüglich: OVG NRW, Urteil vom 8. März 2006 - 8 A 5229/04 -, VRS 110, 459
(469).
84
Diesen Maßstäben wird die Bedarfsprüfung der Beklagten nicht gerecht, weil sie
ausschließlich die Verhältnisse in den Städten L. und C. sowie im S.-Kreis betrachtet
hat.
85
Es besteht kein Grund, nicht zumindest auch Teile des T.-Kreises einzubeziehen. Denn
der zwischen G. und C. gelegene T.-Kreis umschließt C. von Norden her.
Notfallbluttransporte können von G. aus eine Reihe von Bestimmungsorten im T.- Kreis
zumindest genauso schnell erreichen wie in C. gelegene Ziele.
86
Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Kläger auch nicht zum Ausdruck gebracht,
er wolle nur zur Notfallblutversorgung in den Städten L. und C. sowie im S.- Kreis
beitragen. Bereits seinem, dem Antrag vom 23. Mai 2005 beigefügten Schreiben des T.-
Krankenhauses vom 3. Mai 2005 ist zu entnehmen, dass er Blut im Großraum L./C./E.
und B. bezieht. Ferner geht aus der Anlage zu seinem Schreiben vom 30. Mai 2005
hervor, dass er Blut für Patienten des Universitätsklinikums E. aus umliegenden
Blutdepots besorgt. Auch in seinem Schreiben vom 5. Mai 2006 an das
Verwaltungsgericht Köln hat er beispielhaft auf Notfallbluttransporte von S. nach B.
Bezug genommen und schließlich in seinem Beweisantrag zu 1. in der mündlichen
Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht L. den aus seiner Sicht maßgeblichen
Einsatzbereich mit einem Umkreis von 100 km um L. bezeichnet.
87
(2) Die Feststellungen der Beklagten zum Bedarf an Notfallbluttransporten und seiner
Deckung in der Stadt C. und im S.-Kreis sind unzureichend.
88
Die Beklagte kann sich für ihre Annahme, die Notfallbluttransporte auf dem Gebiet der
Stadt C. könnten vom geschulten Rettungsdienst bewältigt werden, nicht auf das
Schreiben der Oberbürgermeisterin der Stadt C. vom 5. März 2008 stützen. Aus diesem
89
Schreiben geht vielmehr hervor, dass der Rettungsdienst nicht mit den für den
Bluttransport erforderlichen Einrichtungen ausgestattet ist und auch nicht über
geschultes Personal verfügt.
Die mangelnde Ausstattung der Fahrzeuge des C.er Rettungsdienstes kann die
Beklagte nicht mit dem Argument unberücksichtigt lassen, die den Notfallbluttransport
anfordernden Einrichtungen der Krankenversorgung seien dafür verantwortlich, dass
ihre Qualitätssicherungssysteme von den für sie tätig werdenden Transporteuren auch
in Notfällen befolgt werden. Aus der Verpflichtung der Spendeeinrichtungen und der
Einrichtungen der Krankenversorgung, sicherzustellen, dass die eingesetzten
Fahrzeuge ordnungsgemäß ausgestattet und die Fahrer der beauftragten
Transportdienste in dem erforderlichen Umfang über die verlangten
Transportbedingungen geschult sind,
90
vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. März 2006 - 8 A 5229/04 -, VRS 110, 459 (466),
91
ist nicht im Sinne einer Handlungsverpflichtung abzuleiten, diese müssten die im
Notfallbluttransport eingesetzten Fahrzeuge entsprechend ausstatten und das
Transportpersonal schulen. Sie müssen lediglich im Rahmen der ihnen obliegenden
Kontrolle dafür sorgen, dass Notfallbluttransporte nicht entgegen den Vorgaben ihrer
Qualitätssicherungssysteme erfolgen.
92
Dass es bei den zahlenmäßig nicht erfassten Notfallbluttransporten nach Darstellung
der Oberbürgermeisterin der Stadt C. bisher nicht zu Problemen gekommen ist, stellt die
unzureichende Ausstattung des Rettungsdienstes und die fehlende Schulung der
Mitarbeiter nicht in Frage.
93
Die Beklagte kann auch aus den Mitteilungen von fünf der sieben befragten
Krankenhäuser des S.-Kreises nicht ohne Weiteres ableiten, die an den Bluttransport
gestellten rechtlichen Anforderungen würden im S.-Kreis beachtet. Die Einrichtungen
haben lediglich bestätigt, die Transporte würden ordnungsgemäß durchgeführt und die
Fahrer seien entsprechend geschult. Ob es sich bei den Transportfahrzeugen um
rechtmäßig mit Blaulicht ausgestattete Fahrzeuge handelt und ob diese nach den für
Notfallbluttransporte geltenden Vorgaben ausgestattet sind, hat die Beklagte indes nicht
in Erfahrung gebracht. Dies war auch nicht deshalb entbehrlich, weil es sich bei den
Befragten um die Transfusionsbeauftragten der jeweiligen Krankenhäuser handelte.
Diese sind zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Blaulichtberechtigung nicht im
Stande. Zudem lässt das Schreiben des Transfusionsbeauftragten des N.hospitals vom
3. März 2008 erkennen, dass sich dieser nicht näher mit der Ausstattung der im
Notfallbluttransport eingesetzten Fahrzeuge befasst hat.
94
A.II. Das behördliche Ermessen ist allerdings nicht dahingehend auf Null reduziert, dass
nur noch die Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung an den Kläger
ermessensfehlerfrei wäre.
95
Es ist Aufgabe der Beklagten, außerhalb L.s für den gesamten möglichen
Einsatzbereich der Fahrzeuge des Klägers festzustellen, ob und ggf. in welchem
Umfang ein Bedarf an Blaulichtfahrten für den Notfallbluttransport besteht, der derzeit
nicht durch geeignete Fahrzeuge, die im Sinne des § 52 Abs. 3 StVZO rechtmäßig mit
Blaulicht ausgestattet sind, gedeckt werden kann. Denn der Bedarf an
Notfallbluttransporten und die Art seiner Deckung kennzeichnen die Ausnahmesituation,
96
die selbst Bestandteil der der Behörde obliegenden Ermessensentscheidung ist.
Der Beklagten wird damit - entgegen ihrer in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat geäußerten Einschätzung - auch nicht die Rolle zuteil, ein geschäftlich und
wirtschaftlich interessantes Betätigungsfeld für den Kläger erst zu finden. Unabhängig
von der Antragstellung eines Privaten auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum
Notfallbluttransport mit Blaulicht und Einsatzhorn kommt ihr als der für die Durchführung
des Transfusionsgesetzes (gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 7 der Verordnung über
Zuständigkeiten im Arzneimittelwesen und nach dem Medizinproduktegesetz vom 11.
Dezember 1990 (GV. NRW. 1990, 659), zuletzt geändert durch Art. 35 des Gesetzes
vom 11. Dezember 2007 (GV. NRW. S. 662)) zuständigen Landesbehörde die Aufgabe
zu festzustellen, ob die Blutversorgung im Notfall gewährleistet ist. Denn das in § 1 TFG
anerkannte Interesse der Allgemeinheit daran, dass für eine gesicherte und sichere
Versorgung der Bevölkerung mit Blutprodukten Sorge getragen wird, schließt das
berechtigte Interesse ein, dass auch für Notfälle eine ausreichende Versorgung mit Blut
sichergestellt ist. Solange die Notfallblutversorgung als Teil der Gefahrenabwehr nicht
anderweitig, etwa im Rettungsgesetz NRW, geregelt ist, kann sich die Beklagte dieser
Aufgabe nicht entziehen. Hätte sie die ihr als für die Durchführung des
Transfusionsgesetzes zuständigen Landesbehörde obliegende Aufgabe, den Bedarf an
Notfallbluttransporten zu ermitteln und auf seine Deckung hin zu überprüfen, bereits
erfüllt, müsste sie sich als für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 70
Abs. 1 StVZO zuständige Behörde nur damit auseinandersetzen, ob der die
Ausnahmegenehmigung begehrende Kläger ihre Feststellungen zum Bedarf und
dessen Deckung ernstlich erschüttert.
97
Soweit nach den somit von der Beklagten noch zu treffenden Feststellungen ein offener
Bedarf im Einzugsbereich der Fahrzeuge des Klägers gegeben ist, besteht ein
Ermessensspielraum zumindest noch bei der Entscheidung, ob Ausstattungs- und
Schulungsmängel in Bezug auf bereits rechtmäßig mit Blaulicht ausgerüstete
Fahrzeuge, insbesondere der Feuerwehr, des Rettungsdienstes und des
Katastrophenschutzes behoben werden, oder einem möglichen anderen Interessenten,
der geeignete Fahrzeuge mit geschultem Personal rund um die Uhr vorhalten kann, eine
Ausnahmegenehmigung erteilt wird, damit für Notfälle künftig eine ausreichende Zahl
geeigneter Fahrzeuge zur Verfügung steht. Wenn eine Behebung der Mängel nicht in
angemessener Zeit möglich sein sollte, darf die Beklagte die Erteilung einer
Ausnahmegenehmigung nicht wegen bereits vorhandener Blaulichtfahrzeuge versagen.
Auch dann besteht ein Ermessensspielraum zumindest noch insoweit, ob gerade dem
Kläger oder einem möglichen anderen Interessenten, der bereits jetzt geeignete
Fahrzeuge mit geschultem Personal rund um die Uhr vorhalten kann, eine
Ausnahmegenehmigung erteilt wird.
98
B. Der Kläger hat weder einen Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte die begehrte
landes- bzw. bundesweit geltende Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 StVZO erteilt,
seine Fahrzeuge zum Transport von Stammzellen und Knochenmarktransplantaten mit
Blaulicht und Signalhorn auszustatten, noch dass sie über seinen Antrag erneut
entscheidet.
99
Allerdings ist die - vom Verwaltungsgericht verneinte - Zuständigkeit der Beklagten für
die Erteilung einer bundesweit geltenden Genehmigung nicht mehr zweifelhaft,
nachdem § 70 StVZO durch Verordnung vom 25. April 2006 (BGBl. I S. 988) mit Wirkung
vom 1. März 2007 geändert worden ist. Dabei kann dahinstehen, ob § 70 Abs. 1 Nr. 1
100
StVZO, wonach die höheren Verwaltungsbehörden für die Genehmigung von
Ausnahmen insbesondere von § 52 StVZO zuständig sind, der
Zuständigkeitsbestimmung in § 70 Abs. 1 Nr. 2 StVZO als speziellere Vorschrift vorgeht.
Anderenfalls ergäbe sich die Zuständigkeit der Landesbehörde jedenfalls aus § 70 Abs.
1 Nr. 2 StVZO (n.F.). Danach ist die Zuständigkeit der Landesbehörde, anders als nach
§ 70 Abs. 1 Nr. 2 StVZO in der zuvor geltenden Fassung, nicht mehr davon abhängig,
dass die Ausnahme keine erheblichen Auswirkungen auf das Gebiet anderer Länder
hat. Hat die Ausnahme erhebliche Auswirkungen auf das Gebiet anderer Länder, so
muss die Entscheidung lediglich im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden
dieser Länder ergehen. Sofern das Einvernehmen nicht erteilt wird, ist dem durch die
Beschränkung des örtlichen Geltungsbereichs der Ausnahme Rechnung zu tragen.
Vgl. Begründung zur Verordnung vom 15. April 2006, Verkehrsblatt 2006, 615.
101
Für die auf der Basis der alten Rechtslage angenommene Zuständigkeit des
Bundesverkehrsministeriums gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 3 StVZO ist deshalb nach der
jetzigen Fassung des § 70 StVZO kein Raum mehr.
102
Die Versagung der Genehmigung ist aber insoweit, d.h. hinsichtlich des Transports von
Stammzellen und Knochenmarktransplantaten, aus Gründen des materiellen Rechts
nicht zu beanstanden.
103
Eilige Transporte von Stammzellen und Knochenmarktransplantaten, die den Einsatz
von Blaulicht erfordern, kommen nur in seltenen Ausnahmefällen vor (I.) und können
dann von den rechtmäßig mit Blaulicht ausgestatteten Fahrzeugen durchgeführt werden
(II.).
104
I. Stammzellen und Knochenmarktransplantate kommen nur in geplanten Therapien
zum Einsatz. Nach der Mitteilung des Medizinischen Direktors der DKMS (Deutsche
Knochenmarkspenderdatei gemeinnützige Gesellschaft mbH) in Tübingen, Herrn Dr. B.,
bedarf es aus medizinischen Gründen in jedem Fall einer längerfristigen Planung. Der
Patient muss über mehrere Tage hinweg konditioniert werden, d. h. seine eigenen
kranken Zellen müssen durch Chemo- und/oder Strahlentherapie vollständig zerstört
werden. Ähnliche Vorbereitungszeiten gelten für die Spender von peripheren
Blutstammzellen, die in 80 % der Fälle zum Einsatz kommen. Die Blutstammzellen
müssen vorher über fünf Tage aktiviert werden. Stammzellen und
Knochenmarktransplantate können daher innerhalb Deutschlands vielfach mit
öffentlichen Verkehrsmitteln (Eisenbahn, Flugzeug, Taxi) durch einen Kurier
transportiert werden, was in der Regel angesichts eines Zeitfensters von bis zu 48
Stunden zwischen der Entnahme von Stammzellen und der Transplantation
unproblematisch und ohne Blaulichteinsatz möglich ist. Auch wenn Stammzellen beim
Transport absterben, geschieht dies in der Regel nicht in einem Ausmaß, dass ein
Blaulichttransport gerechtfertigt wäre.
105
Ein Blaulichttransport kann - wie auch die Bundesärztekammer bestätigt hat -
erforderlich werden, wenn ein Transport mit dem Flugzeug ins Ausland vorgesehen ist
und auf Grund von Verzögerungen - etwa weil die Vene beim Spender nicht "gefunden"
wird, sich die Zellzahlbestimmung im Labor verzögert oder ein Verkehrsstau auftritt - die
Gefahr besteht, dass der gebuchte Flug verpasst wird. Diese Gefahr kann jedoch durch
entsprechende Planung weit gehend minimiert werden.
106
Dass, auch bei Berücksichtigung weiterer Ausnahmesituationen, allenfalls eine geringe
Zahl erforderlicher Blaulichttransporte von Stammzellen und
Knochenmarktransplantaten verbleibt, bestätigt auch die Schilderung des Klägers in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Nach dessen Angaben ist in seinem
Unternehmen trotz im Monatsdurchschnitt fünf bis sechs internationaler
Stammzellentransporte seit dem Jahr 2005 kein Fall aufgetreten, der einen
Blaulichteinsatz erforderte.
107
II. Ist der Transport von Stammzellen oder Knochenmarktransplantaten gleichwohl
einmal extrem eilbedürftig, kann er auch mit dem Hubschrauber als über größere
Entfernungen schnellstes und sicherstes Rettungsmittel durchgeführt werden. In L. steht
hierfür ein zweiter Hubschrauber zur Verfügung.
108
Dem Verweis auf den Einsatz dieses oder eines andernorts verfügbaren Hubschraubers
steht nicht entgegen, dass Hubschrauber nicht bei jedem Wetter einsatzbereit sind. Die
wetterbedingte fehlende Einsatzbereitschaft von Hubschraubern beschränkt sich nach
den Angaben von Prof. Dr. Dr. M., die der Kläger nicht in Zweifel gezogen hat, lediglich
auf 100 Stunden pro Jahr.
109
Gegen einen Hubschraubereinsatz spricht auch nicht, dass der Kläger vor dem Jahr
2005 Stammzellen und Knochenmarktransplantate mit Blaulicht transportiert hat. Sofern
es sich um außergewöhnlich eilige Transporte gehandelt haben sollte, wäre der
fehlende Einsatz eines Hubschraubers auf das wirtschaftliche Interesse der Kliniken
zurückzuführen, teure Hubschraubertransporte zu vermeiden. Der Kläger hat in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat selbst mitgeteilt, dass die Kliniken die Kosten
eines Hubschraubereinsatzes scheuten. Bestätigt wird dies durch den Bericht der
Autobahnpolizei in Weinsberg vom 8. Dezember 2004, die den Kläger bei einem mit
Blaulicht und Einsatzhorn durchgeführten Stammzellentransport von V. nach E.
kontrollierte. Danach teilte die Klinik dem Polizeibeamten auf Anfrage mit, dass der
Transport mittels Hubschrauber zu teuer sei. Angesichts der mit Blaulichtfahrten
verbundenen, deutlich erhöhten Unfallgefahr müssen aber wirtschaftliche Erwägungen
der Kliniken hinter dem Interesse der Verkehrsteilnehmer, nicht durch vermeidbare
Blaulichteinsätze an Leben und Gesundheit gefährdet zu werden, zurückstehen.
110
Sollte schließlich der Kurier eines Stammzellen- oder Knochenmarktransports bei einem
Normaltransport mangels Blaulichtberechtigung ausnahmsweise eine nicht
hinnehmbare Zeit im Stau stehen müssen, kann er einen Hubschrauber oder ein
rechtmäßig mit Blaulicht und Einsatzhorn ausgestattetes Fahrzeug anfordern und mit
diesem die Fahrt fortsetzen. Eine besondere technische Ausstattung des Fahrzeugs ist
für Fahrzeiten der hier in Betracht kommen Dauer grundsätzlich nicht erforderlich.
111
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach sind die Kosten
entsprechend dem Obsiegen bzw. Unterliegen der Beteiligten zu verteilen. Der aus dem
Tenor ersichtlichen Kostenverteilung liegt die Erwägung zu Grunde, dass der Kläger
hinsichtlich der begehrten Ausnahmegenehmigung für den Bluttransport mit Blaulicht
und Einsatzhorn lediglich erreichen konnte, dass die Beklagte zur Neubescheidung
verpflichtet wird. Angesichts der nach wie vor weitgehend unzureichenden
Feststellungen der Beklagten wertet der Senat das Unterliegen des Klägers mit dem -
die Notfallbluttransporte betreffenden - Verpflichtungsantrag mit 1/3. Diesen Teil des
Streitgegenstandes bemisst der Senat unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers
mit 3/4 am gesamten Streitgegenstand, so dass der Kläger insoweit zu (1/3 x 3/4 =) 1/4
112
unterlegen ist. Da der Kläger auch hinsichtlich des den Notfalltransport von
Stammzellen und Knochenmarktransplantaten betreffenden Teils des
Streitgegenstandes unterlegen ist (= 1/4 des gesamten Streitgegenstands), hat er
insgesamt die Hälfte (1/4 + 1/4) der Verfahrenskosten zu tragen. Die verbleibende
andere Hälfte entfällt auf die Beklagte.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den
§§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
113
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen
nicht vor.
114
115